OLG Frankfurt am Main, 29.06.2017 – 6 U 231/16

März 20, 2019

OLG Frankfurt am Main, 29.06.2017 – 6 U 231/16
Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das am 21.10.2016 verkündete Urteil der 10. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Frankfurt wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Dieses Urteil und das angefochtene Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120% des aufgrund des Urteils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.
Gründe

I.

Die Parteien streiten über kennzeichenrechtliche Ansprüche.

Frau A, die heutige Ehefrau des Beklagten, erwarb eine Lizenz aus England für den Vertrieb sog. Federwiegen in Deutschland. Der Vertrieb erfolgte seit Anfang der 90er Jahre über das Naturwarengeschäft von Frau A und ihrem früheren Ehemann. Am 30.08.1990 wurde die Wortmarke „X“ für „Baby-Federwiegen“ angemeldet und am 01.08.1991 eingetragen (Anlage K 11). Ab 1997 führte Frau A das Geschäft mit Herrn B fort. Im Jahr 2006 schloss sie mit Herrn B eine Auseinandersetzungsvereinbarung ab. Mit der Vereinbarung sollte der Weitervertrieb der „X“-Federwiegen in Deutschland bzw. der Schweiz geregelt werden. Hinsichtlich des Inhalts der Vereinbarung wird auf die Anlage B2 Bezug genommen. Im Jahr 2010 wurde die Wortmarke „X“ gelöscht (Anlage K 11). Im gleichen Jahr übernahm der Beklagte den Geschäftsbetrieb. Am 05.04.2011 meldete die Tochter von Herrn B die Klagemarke „X“ für „Baby-Federwiegen“ an, die am 05.05.2011 eingetragen wurde (Reg.Nr. 1; Anlage K1). Am 01.11.2012 meldete der Beklagte ebenfalls eine Wortmarke „X“ u.a. für „Federwiegen“ an, die am 18.03.2013 eingetragen wurde (Reg.Nr. 2; Anlage K6). Am 21.05.2013 erfolgte die Umschreibung der Klagemarke auf die Klägerin.

Die Klägerin ist der Ansicht, der Beklagte verletzte ihre prioritätsälteren Markenrechte. Auf ein älteres Unternehmenskennzeichen könne er sich nicht berufen. Aufgrund der Auseinandersetzungsvereinbarung zwischen Herrn B und Frau A und einem dort geregelten Vorkaufsrecht des Herrn B sei er zur Benutzung des Unternehmenskennzeichens nicht befugt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 S. 1 ZPO).

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Der Beklagte könne sich auf ein älteres Unternehmenskennzeichenrecht berufen. Nach dem Ergebnis einer durchgeführten Beweisaufnahme stehe fest, dass das in der Auseinandersetzungsvereinbarung enthaltene Vorkaufsrecht trotz ordnungsgemäßen Angebots nicht fristgerecht ausgeübt worden sei. Gegen diese Beurteilung wendet sich die Klägerin mit der Berufung. Im Berufungsrechtszug wiederholen und vertiefen die Parteien ihr Vorbringen.

Der Klägerin beantragt,

unter Abänderung des am einen 20.10.2016 verkündeten Urteils des Landgerichts Frankfurt (Aktenzeichen: 3 – 10 O 47/14)

1.

den Beklagten zu verurteilen, es bei Meidung der gesetzlichen Ordnungsmittel zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr innerhalb der Bundesrepublik Deutschland Baby-Feder wiegen unter Verwendung der Zeichen „X“, „X1“, „X.com“ oder „X-shop.com“ anzubieten, feilzuhalten, zu vertreiben und/oder zu bewerben und/oder solche Handlungen durch Dritte vornehmen zu lassen;
2.

den Beklagten zu verurteilen, gegenüber dem Deutschen Patent- und Markenamt in die Löschung der unter der Registernummer 2 eingetragenen Wortmarke „X“ einzuwilligen;
3.

den Beklagten zu verurteilen, der Klägerin Auskunft zu erteilen und Rechnung zu legen über Zeitpunkt und Umfang der Handlungen gemäß Ziff. 1 seit dem 10.06.2011 bis zur letzten mündlichen Verhandlung, und zwar insbesondere unter Angabe der Menge der bestellten, erhaltenen, ausgelieferten und verkauften Baby-Federwiegen, des Verkaufspreises, des erzielten Gewinns und Umsatzes, und über Art und Umfang der betrieblichen Werbung aufgeschlüsselt nach Werbeträgern und unter Angabe der Auflage der Werbeträger;
4.

festzustellen, dass der Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin den ihr durch die Handlungen gemäß Ziff. 1 entstandenen und künftig entstehenden Schaden zu ersetzen;
5.

den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin 699,90 € nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 23.11.2012 zu zahlen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Wegen des weiteren Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

II.

Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg.

1. Der Klageantrag ist – in seiner im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor dem Senat modifizierten Form – hinreichend bestimmt. Er führt die Bezeichnungen auf, die die Klägerin mit der Klageschrift nach Maßgabe der beigefügten Anlagen K2, K3 und K4 konkret angegriffen hat.

2. Der Klägerin steht gegen den Beklagten kein Anspruch auf Unterlassung der Benutzung der angegriffenen Bezeichnungen aus ihrer Marke zu (Antrag zu 1.).

a) Das Landgericht hat zu Recht angenommen, dass sich der Beklagte auf ein gegenüber der Klagemarke prioritätsälteres Unternehmenskennzeichen berufen kann (§ 6 I MarkenG). Nach den insoweit unangegriffenen Feststellungen des Landgerichts verwendete der Beklagte seit 2010 die Geschäftsbezeichnung „X International“ für sein Federwiegengeschäft (LGU 5, LGU 8). Außerdem trat er im Internet unter den Domains „X.de“ und „X.com“ auf. Die Benutzung erschließt sich auch aus den vorgelegten Unterlagen. Zu verweisen ist etwa auf das Deckblatt der Gewinnermittlung des Steuerberaters zum 31.12.2010 (Bl. 146 d.A.) und die Rechnungen von dritter Seite (Anlagen N1 ff.). Der Beklagte wird dort als Inhaber des Unternehmens „X International“ angeführt. Die Echtheit dieser Unterlagen hat die Klägerin nicht bestritten.

aa) Die Bezeichnung „X International“ genießt Schutz als besondere Geschäftsbezeichnung im Sinne des § 5 II MarkenG. Der Schutz ist durch die Ingebrauchnahme der Bezeichnung im geschäftlichen Verkehr entstanden. Das daraus abgeleitete Schlagwort „X“ genießt auch isolierten Schutz. Der Schutz als Unternehmens- oder Firmenschlagwort kommt in Betracht, wenn ein Zeichenbestandteil im Vergleich zu den übrigen Kennzeichenbestandteilen geeignet erscheint, sich im Verkehr als schlagwortartiger Hinweis auf das Unternehmen durchzusetzen (vgl. BGH GRUR 2002, 898- defacto). Der Namensbestandteil „X“ ist als schlagwortartiger Hinweis auf das Unternehmen des Beklagten geeignet. Es handelt sich um die naheliegende und prägnante Abkürzung des Unternehmensnamens „X International“.

bb) Die Bezeichnung genießt originäre Unterscheidungskraft. Eine besondere Originalität wird hierfür nicht vorausgesetzt. Der Namensbestandteil muss ohne weiteres geeignet sein, bei einer Verwendung im Verkehr als Name eines bestimmten Unternehmens zu wirken (BGH GRUR-RR 2013, 360 Rn. 21 – XVIII PLUS). Außerdem darf eine bestimmte beschreibende Verwendung nicht festzustellen sein (BGH, Urt. v. 31.07.2008 – I ZR 22/06, Rn. 22 – Haus & Grund IV). Ein glatt beschreibender Gehalt des Begriffs „X“ ist nicht feststellbar. Auch die Namensfunktion wird erfüllt.

cc) Es fehlt auch nicht an einem „befugten“ Gebrauch des Unternehmenskennzeichens. Als ungeschriebenes Merkmal setzt der Kennzeichenschutz nach § 5 MarkenG einen „befugten Gebrauch“ voraus (BGH GRUR 2010, 156 [BGH 18.06.2009 – I ZR 47/07], Rn. 23 – Eifel-Zeitung; GRUR 2002, 706 – vossius.de). Die Befugnis zur Benutzung kann aus allgemeinen Rechtsgründen oder relativ – etwa im Verhältnis zu bestimmten Personen – fehlen.

(1) Entgegen der Ansicht der Klägerin bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass der Beklagte handelsrechtlich nicht berechtigt sein könnte, die Bezeichnung „X“ als besondere Bezeichnung des Geschäftsbetriebs – jedenfalls neben seinem bürgerlichen Namen – zu führen. Dem formellen Firmenrecht nach §§ 18 f. HGB ist nur die Firma unterworfen (Ingerl/Rohnke, 3. Aufl., § 5 Rn. 34).

(2) Eine unbefugte Verwendung kann grundsätzlich auch vorliegen, wenn die Gesamtbezeichnung irreführend ist. In diesem Fall kann auch kein abgeleiteter Schutz an einem Firmenschlagwort entstehen (Ingerl/Rohnke, Markengesetz, 3. Aufl., § 5 Rn. 34). Der Beklagte verwendete ab 2010 teilweise die Bezeichnung „X ® International“. Dies erscheint irreführend, da das „R-im-Kreis“-Symbol auf einen Markenschutz hindeutet, der für den Beklagten damals nicht bestand. Allerdings verwendete der Beklagte nicht ausschließlich diese Bezeichnung, sondern auch die genannten Domains. Eine durchweg irreführende Verwendung kann nicht festgestellt werden und wird von der Klägerin auch nicht behauptet.

(3) Einem befugten Gebrauch steht auch nicht der Vertrag vom 21.10. / 2.11.2006 entgegen (Anlage B2). Hierbei handelt es sich um eine Vereinbarung zwischen Frau A und ihrem damaligen Lebens- und Geschäftspartner Herrn B anlässlich ihrer geschäftlichen und persönlichen Trennung. Herr B ist heute alleiniger Gesellschafter der Klägerin (Bl. 84, 162 d.A.). Nach der Vereinbarung steht der „X International Ltd.“ das alleinige Vertriebsrecht für X Federwiegen in Deutschland sowie das alleinige Nutzungsrecht für die Internetseiten „X.de“ zu. Für den Fall, dass Frau A den Vertrieb von X International Ltd. einstellt oder aufgibt oder verkauft, soll nach der Vereinbarung Herr B davon informiert werden. Ihm stehe auch „das Vorkaufsrecht“ zu. Ein Vorkaufsrecht gilt indes nur zwischen den Vertragspartnern (Palandt/Weidenkaff, BGB, 76. Aufl., vor § 463 Rn. 5). Weder der Beklagte noch die Klägerin sind Parteien der Vereinbarung. Das darin geregelte Vorkaufsrecht dürfte sich bei sachgerechter Auslegung auf den Geschäftsbetrieb der Ltd. einschließlich ihres Unternehmenskennzeichens bezogen haben. Selbst wenn Frau A das Vorkaufsrecht vereitelt haben sollte, müsste Herr B sich an sie wenden. Eine „dingliche“ Belastung des Unternehmenskennzeichenrechts konnte durch die Vereinbarung nicht bewirkt werden. Es kommt deshalb nicht darauf an, ob Herr B von der beabsichtigten Geschäftsaufgabe rechtzeitig informiert wurde und ob das Landgericht die insoweit erhobenen Beweise richtig gewürdigt hat.

(4) Ohne Erfolg hat sich die Klägerin schließlich in der mündlichen Verhandlung auf ein kollusives Zusammenwirken des Beklagten und seiner Ehefrau bei dem angeblichen Vertragsbruch berufen. Es kann dahinstehen, ob es für einen befugten Gebrauch des Unternehmenskennzeichens auf die Kenntnis von vertraglichen Bindungen Dritter ankommen kann. Jedenfalls fehlt es an Anhaltspunkten dafür, dass dem Beklagten zum Zeitpunkt der Übertragung des Geschäftsbetriebs und der Ingebrauchnahme des Unternehmenskennzeichens bewusst war, dass Herrn B ein Vorkaufsrecht zu stand und dass dieser über die Geschäftsaufgabe seiner Ehefrau nicht rechtzeitig informiert worden war.

b) Das Landgericht hat auch zu Recht angenommen, dass sich die Klägerin nicht auf ein noch älteres Unternehmenskennzeichenrecht berufen kann. Soweit sie sich auf Geschäftskorrespondenz der „D“ aus den Jahren 2000-2005 bezieht (Anlagen K15, K16, K21 – K24), mag daraus teilweise die Verwendung der Bezeichnung „X“ als besondere Geschäftsbezeichnung hervorgehen (etwa in Gestalt einer Domain und der Angabe „X Info Service“). Es ist jedoch davon auszugehen, dass dieses Unternehmenskennzeichen nach Abschluss der Trennungsvereinbarung aus dem Jahr 2006 (Anlage B2) erloschen ist. Nach dem Vortrag der Klägerin nutzte Herr B in der Folgezeit die Bezeichnung nur noch in der Schweiz. An einer Verwendung in Deutschland sah er sich aufgrund der Vereinbarung gehindert (Bl. 378 d.A.). Ein Unternehmenskennzeichenrecht nach § 5 MarkenG setzt indes eine Benutzung innerhalb der Bundesrepublik Deutschland voraus. Soweit die Tochter des Herrn B, Frau C, im Jahr 2011 ein Gewerbe angemeldet und den Internetshop „X-shop.de“ betrieben haben soll, könnte dadurch zwar erneut ein Unternehmenskennzeichenrecht begründet worden sein, das nach dem Vortrag der Klägerin später auf sie übertragen wurde. Dieses würde jedoch über eine schlechtere Priorität verfügen. Ob die Auseinandersetzungsvereinbarung zwischen Frau A und Herrn B (Anlage B2) die Anwartschaft auf die Bezeichnung auch während der Unterbrechung wahren sollte, ist im Verhältnis zum Beklagten ohne Bedeutung.

c) Der Beklagte kann sich auf die bessere Priorität des Unternehmenskennzeichenrechts auch insoweit berufen, als er damit seine Waren kennzeichnet (Anlagen K3, K4). Es entspricht üblichen Kennzeichnungsgewohnheiten, dass der Name eines Geschäftsbetriebs auf Produkten aufgebracht und auch in der Werbung zur Bezeichnung der Produkte verwendet wird.

2. Da der Beklagte die Markenrechte der Klägerin nicht verletzt hat, kann die Klägerin auch keine Auskunft und keinen Schadensersatz verlangen (Anträge zu 3. und 4.). Es besteht auch kein Anspruch auf Erstattung der Abmahnkosten (Antrag zu 5.). Die Abmahnung war nicht berechtigt.

3. Der Klägerin steht gegen den Beklagten auch kein Löschungsanspruch aus §§ 51 I, 55 MarkenG in Bezug auf dessen prioritätsjüngere Marke „X“ zu (Antrag zu 2.). Der Beklagte kann sich einredeweise auf die „relative Nichtigkeit“ der älteren Klagemarke im Hinblick auf sein Unternehmenskennzeichenrecht berufen (vgl. Ströbele/Hacker Markengesetz, 9. Aufl., § 51 Rn. 14).

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

5. Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision (§ 543 Abs. 2 ZPO) sind nicht erfüllt.

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