OLG Frankfurt am Main, 29.08.2018 – 4 U 183/17

März 15, 2019

OLG Frankfurt am Main, 29.08.2018 – 4 U 183/17
Tenor:

Die Berufung des Klägers und die Anschlussberufung des Beklagten zu 2) gegen das Urteil der 23. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main vom 6. Juli 2017 (Az.: 2-23 O 389/10) werden zurückgewiesen.

Von den Gerichtskosten des Berufungsverfahrens und den im Berufungsverfahren entstandenen außergerichtlichen Kosten des Klägers haben der Kläger 94 % und der Beklagte zu 2) 6 % zu tragen. Die im Berufungsverfahren entstandenen außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 1) hat der Kläger zu tragen. Von den im Berufungsverfahren entstandenen außergerichtlichen Kosten des Beklagten zu 2) hat der Kläger 88 % zu tragen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Das Urteil und das angefochtene Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

Der Streitwert für die Berufungsinstanz wird auf 20.624,48 Euro festgesetzt.
Gründe

I.

Der Kläger nimmt die Beklagten, die Erben eines früher von ihm (beziehungsweise von seiner als Betreuerin agierenden Ehefrau) beauftragten Rechtsanwalts, auf Auskehr von im Rahmen des Mandatsverhältnisses vereinnahmten Beträgen in Anspruch. Der Beklagte zu 2) sieht den Kläger durch die Auskehr diverser Beträge überzahlt und hat Widerklage erhoben.

Die Ehefrau des Klägers, der im … 2008 einen schweren Verkehrsunfall hatte, war bis Oktober 2008 als dessen Betreuerin bestellt und mandatierte den Vater der Beklagten (zukünftig: Erblasser) mit der Geltendmachung von Ansprüchen wegen des Unfalls. Beim Erblasser gingen Zahlungen der A Versicherungen für den Kläger in Höhe von insgesamt 32.624,48 Euro ein. Er zahlte immer wieder einzelne Beträge an den Kläger oder dessen Ehefrau aus. Im Einzelnen sind mehrere Auszahlungen streitig. Dabei soll die Übergabe teils durch den Zeugen B erfolgt sein. Zudem entnahm der Erblasser – als Vorschuss für seine anwaltlichen Leistungen – immer wieder Beträge für sich. Am 8. August 2011 übersandte der Erblasser diverse auf den 7. August 2011 datierte Rechnungen über anwaltliche Leistungen an den Kläger, in welchen es hieß, der Betrag sei erst nach Abrechnung bereits erhaltener Vorschüsse zu zahlen. Zugleich übersandte der Erblasser ein Begleitschreiben, worin die erhaltenen Vorschüsse summiert und von dem Gesamtbetrag der offenen Forderungen in Abzug gebracht wurden. Für den verbleibenden Betrag wurde eine Zahlungsfrist gesetzt.

Der Kläger verlangte die Differenz aus den beim Erblasser eingegangenen 32.624,48 Euro und den nach seiner Auffassung ausgekehrten Beträgen.

Die Beklagte zu 1) erhob eine nach Auffassung des Landgerichts unzulässige negative Feststellungswiderklage, die jetzt nicht mehr Streitgegenstand ist. Der Beklagte zu 2) begehrte mit seiner Widerklage erstinstanzlich noch die Zahlung von 4.100,- Euro an sich, weil der Erblasser insgesamt mehr ausgekehrt und aufgerechnet als erlangt habe.

Wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes – insbesondere hinsichtlich der einzelnen Zahlungen und des streitigen Parteivortrags sowie der gestellten Anträge – wird Bezug genommen auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils des Landgerichts Frankfurt am Main (Bl. 512 ff. d.A.), das durch die Vernehmung des Zeugen B und die zweifache Vernehmung der Ehefrau des Klägers Beweis erhoben hat.

Das Landgericht hat die Klage als unbegründet abgewiesen, weil der klägerische Zahlungsanspruch auf Auskehr infolge der Aufrechnungen des Erblassers – beziehungsweise in Höhe von weiteren 800,- Euro durch Aufrechnung der Beklagten im Rechtsstreit – erloschen sei, soweit er infolge der im Wege der Beweisaufnahme festgestellten Auszahlungen des Erblassers nicht ohnehin bereits erfüllt worden sei. Die Aufrechnung scheitere weder an formellen Abrechnungsmängeln noch an Einreden wegen etwaiger Schadensersatzansprüche des Klägers gegen den Erblasser. Sie sei auch nicht wegen § 393 BGB ausgeschlossen, denn die Hauptforderung des Klägers sei keine aus unerlaubter Handlung. Die Widerklage des Beklagten zu 2) hat das Landgericht ebenfalls als unbegründet zurückgewiesen. Er könne als Miterbe nicht Zahlung nur an sich verlangen. Außerdem sei der Kläger durch den Erblasser nicht überzahlt worden.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird Bezug genommen auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils.

Gegen das ihm laut anwaltlicher Versicherung am 31. Juli 2017 zugestellte Urteil hat der Kläger am 31. August 2017 Berufung eingelegt und diese am 2. Oktober 2017, einem Montag, begründet. Im Rubrum seiner Berufungsschrift, der das landgerichtliche Urteil beigefügt war, hatte er den Beklagten zu 2) nicht angegeben und sich auch sonst zu dessen Rolle nicht geäußert. Mit der Berufung verfolgt der Kläger sein erstinstanzliches Begehren in eingeschränktem Umfang weiter.

Er rügt, das Landgericht sei zu Unrecht von einer ordnungsgemäßen Abrechnung des Erblassers ausgegangen, ohne die dieser mit seinen Ansprüchen mangels Fälligkeit nicht habe aufrechnen können. Fehler des Erblassers und daraus resultierende Schadensersatzansprüche des Klägers habe es sehr wohl gegeben. Die Aufrechnung gegen Ansprüche des schwer verunfallten Klägers, dem dadurch Zahlungen zur Wiederherstellung seiner Gesundheit und Schmerzensgeld vorenthalten worden seien, stelle sich als treuwidrig dar. Es werde angeregt, die Revision zuzulassen.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main (2-23 O 389/10) abzuändern und die Beklagten gesamtschuldnerisch zu verurteilen, an den Kläger 18.224,48 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 5. November 2011 zu zahlen.

Die Beklagte zu 1) beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Beklagte zu 2) beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Außerdem beantragt der Beklagte zu 2) im Wege der Anschlussberufung – unter Änderung seines ursprünglichen Antrages, der auf Zahlung an die Beklagten als Gesamtschuldner gerichtet war -,

das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main (2-23 O 389/10) abzuändern und den Kläger zu verurteilen, an die Erbengemeinschaft nach C bestehend aus der Beklagten zu 1) und dem Beklagten zu 2), 2.400,- Euro zu zahlen.

Der Kläger beantragt,

die Anschlussberufung zurückzuweisen.

Die Beklagte zu 1) hat binnen ihr gesetzter beziehungsweise verlängerter Frist auf die Berufung erwidert und verteidigt das erstinstanzliche Urteil. Die Abrechnungen des Erblassers seien ordnungsgemäß gewesen. Die Aufrechnung sei nicht treuwidrig, denn der Kläger habe zuvor bereits 235.000,- Euro von der Versicherung erhalten. Bei den auszukehrenden Beträgen habe es sich nicht um Schmerzensgeld gehandelt.

Der Beklagte zu 2) hat binnen ihm gesetzter beziehungsweise verlängerter Frist auf die Berufung erwidert und sich den Vortrag der Beklagten zu 1) zu Eigen gemacht. Die im Wege der Anschlussberufung erhobene Widerklage stützt er darauf, dass das Landgericht zu Unrecht davon ausgegangen sei, dass die Ehefrau des Klägers nicht noch zwei weitere Zahlungen des Erblassers erhalten habe.

Auf einen Hinweis des Senats haben die Beklagten zunächst die hilfsweise, später dann die primäre Aufrechnung mit Honorarforderungen des Erblassers erklärt.

II.

Die zulässige Berufung – die nach verständiger Würdigung entsprechend der späteren klägerischen Klarstellung von vornherein und damit fristgemäß auch gegen den zunächst nicht explizit genannten Beklagten zu 2) eingelegt wurde (vgl. BGH, Beschluss vom 11. Mai 2010 – VIII ZB 93/09 -, Rn. 12, zit. nach juris) – hat in der Sache ebenso wenig Erfolg wie die zulässige Anschlussberufung des Beklagten zu 2). Die angefochtene Entscheidung beruht weder auf einer Rechtsverletzung im Sinne des § 546 ZPO, noch rechtfertigen die nach § 529 Abs. 1 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen eine andere Entscheidung (§ 513 Abs. 1 ZPO).

1. Die Klage hat keinen Erfolg, denn klägerische Ansprüche sind – unabhängig davon, in welcher genauen Höhe sie in Abhängigkeit von den erfolgten Ausschüttungen noch bestanden haben mögen – jedenfalls durch die Aufrechnungen des Erblassers und der Beklagten, welche diese im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Senat gemeinschaftlich (siehe zum Erfordernis der gemeinschaftlichen Aufrechnung der Erben: Palandt-Weidlich, § 2040, Rn. 2 m.w.N.) und unbedingt erklärten, erloschen.

a) Der Erblasser hatte sich Ansprüchen in Höhe von insgesamt 53.174,79 Euro gegen den Kläger berühmt. Gegen diese Ansprüche hatte der Kläger außergerichtlich Einwendungen erhoben, wonach der Erblasser allenfalls 27.037,54 Euro verlangen könnte. Im außergerichtlichen Schreiben vom 12. Februar 2015 (Bl. 79 ff. d.A.) hieß es zudem, weitere Abzüge seien denkbar. Derartige weitere Abzüge wurden durch den Kläger im Verfahren allerdings nicht geltend gemacht. Die Beklagten wiederum haben sich mit den geltend gemachten Einwendungen nicht auseinandergesetzt, so dass der Senat die Beträge aus dem Schreiben vom 12. Februar 2015 wie in der mündlichen Verhandlung angekündigt zur Grundlage seiner Berechnungen gemacht hat.

Bei der Reihenfolge der Berücksichtigung der Forderungen als Gegenforderung hat der Senat zunächst dem Umstand Rechnung getragen, dass der Erblasser selbst mit den Forderungen aus den Angelegenheiten D ./. E und D ./. F aufrechnete (vgl. sein Schreiben vom 30. Dezember 2001 = Bl. 337 d.A.), und sich sodann an der durch die Beklagten in ihren jüngsten Schriftsätzen gewählten Reihenfolge orientiert.

Danach hatte der Erblasser insbesondere folgende – zum Zeitpunkt der erstmals möglichen Aufrechnung gemäß § 215 BGB noch nicht verjährte – Forderungen gegen den Kläger, der selbst entsprechend seinen Anträgen maximal 18.224,48 Euro von den Beklagten verlangen konnte:

– D ./. E: 8.806,48 Euro

– D ./. F: –

– D ./. G: 3.198,24 Euro

– D ./. H: 46,41 Euro

– D ./. I: 234,43 Euro

– D ./. J: 2.118,60

– D ./. L: –

– D ./. K: 1.463,46 Euro

– D ./. M: –

– D ./. N: 827,05 Euro

– D ./. A: 7.647,42 Euro

Die letztgenannte Forderung, mit welcher die Beklagten letztrangig aufrechnen, wurde durch die hiesige Aufrechnung nur in Höhe von 1.529,81 Euro verbraucht, weil die Summe der oben aufgelisteten Forderungen (24.342,09 Euro) um 6.117,61 Euro über der klägerischen Forderung liegt.

Soweit die Beklagten im Verfahren hinsichtlich der Mandate D ./. F und D ./. J keine Rechnung vorgelegt haben, ist dies unschädlich, weil aus dem klägerischen Schreiben vom 12. Februar 2015 hervorgeht, dass auch diese Mandate entsprechend abgerechnet wurden. Im Übrigen würde die Summe der Forderungen des Erblassers die klägerische Forderung selbst unter Außerachtlassung dieser beiden Mandate übersteigen.

b) Entgegen der Auffassung des Klägers steht der Fälligkeit der Gegenforderungen nicht entgegen, dass die Mandate nicht ordnungsgemäß abgerechnet wurden. Seit August 2011 waren die Ansprüche des Erblassers infolge der erteilten Abrechnungen, die der Kläger unstreitig erhalten hat, fällig. Der Kläger hält die Abrechnungen wegen des Zusatzes, der Betrag sei erst nach Abrechnung bereits erhaltener Vorschüsse zu zahlen, für unzureichend. Sie stellten keine Schlussrechnung im Sinne des § 10 RVG dar. Das Landgericht hat diese Bedenken im Hinblick auf das Begleitschreiben, worin die erhaltenen Vorschüsse summiert und von dem Gesamtbetrag der offenen Forderungen in Abzug gebracht wurden, nicht geteilt, denn es sei unschädlich, dass die wesentlichen Informationen auf zwei Schreiben verteilt worden seien.

Dieser Einschätzung ist zu folgen. Sinn des Erfordernisses einer ordnungsgemäßen anwaltlichen Abrechnung ist die Überprüfbarkeit der darin behaupteten Zahlungspflichten. Diese ist hier ohne weiteres gegeben. Die Abrechnungen ermöglichen eine inhaltliche Auseinandersetzung mit den geltend gemachten Ansprüchen. Zugleich war es dem Kläger auch möglich, die geleisteten Vorschüsse mit den Forderungen des Erblassers in Verbindung zu bringen. Dass der Erblasser diese Vorschüsse nicht einzelnen Rechnungen zuordnete, sondern von der Summe dieser Rechnungen in Abzug brachte, ist unschädlich, weil es dem Geschäftsgebaren beider Seiten entsprach. Die Klägerseite ließ es geschehen, dass der Erblasser immer wieder unspezifiziert Beträge „als Vorschüsse“ einbehielt. Keine der beiden Seiten bestand darauf, diese einzelnen Mandatsverhältnissen zuzuordnen. Übrigens schränkte die Abrechnung des Erblassers den Kläger in seinen Möglichkeiten, sich gegen die Forderungen zu verteidigen, in keiner Weise ein. Soweit er in der Berufungsbegründung fordert, es müsse festgelegt werden, welcher Abzug welcher Einzahlung von welcher Rechnung erfolge, ist diese Argumentation formalistisch; ein legitimes Bedürfnis für eine solche Aufteilung ist nicht ersichtlich.

c) Der Forderung standen keine Schadensersatzansprüche des Klägers gegen den Erblasser wegen etwaiger Anwaltsfehler entgegen; auch war die Forderung nicht wegen einer fehlerhaften Sachbehandlung durch den Erblasser einredebehaftet, wie das Landgericht unter Verweis auf fehlenden substantiierten klägerischen Vortrag dazu zu Recht ausgeführt hat.

Soweit der Kläger in der Berufungsbegründung moniert, das Gericht hätte zuvor einen Hinweis gemäß § 139 ZPO erteilen müssen, ist dem nicht zu folgen. Die offensichtlich fehlende Substantiierung hatte die Beklagte zu 1) dem Kläger bereits deutlich vorgehalten (S. 20 f. des Schriftsatzes vom 7. Juni 2016 = Bl. 195 f. d.A.), so dass diesem klar sein musste, dass sein Vortrag nicht ausreicht. Letztlich trug der Kläger nur vor, der Erblasser habe es versäumt, gegenüber der F, dem gegnerischen Unfallversicherer, Sachschäden und Rechtsverfolgungskosten geltend zu machen. Allerdings ist außergerichtlichem Schriftverkehr zu entnehmen, dass der Kläger selbst der Auffassung ist, den Erblasser dafür gar nicht mandatiert zu haben, so dass der klägerische Vortrag insoweit widersprüchlich ist. Ansonsten liegt nur das bereits erwähnte außergerichtliche Schreiben vom 12. Februar 2015 vor, wonach der Erblasser maximal 27.037,54 Euro von ihm verlangen könne. Aus diesem ergab sich jedenfalls nicht, weshalb nicht mindestens 18.224,48 Euro verlangt werden konnten. Im Übrigen ließ der Kläger in der Berufungsbegründung unerwähnt, was er auf einen etwaigen gerichtlichen Hinweis vorgetragen hätte, und substantiiert auch jetzt seinen Vortrag nicht.

d) Der Aufrechnung mit den Honoraransprüchen war nicht treuwidrig.

Ein Rechtsanwalt ist nach den zutreffenden Erwägungen des Landgerichts grundsätzlich nicht gehindert, sich durch Aufrechnung mit Honoraransprüchen aus nicht zweckgebundenen Fremdgeldern zu befriedigen. Zwar darf ein fremdnütziger Treuhänder nach ständiger Rechtsprechung gegen den Herausgabeanspruch des Treugebers aus §§ 667, 675 BGB grundsätzlich nicht mit Gegenforderungen aufrechnen, die ihren Grund nicht in dem Treuhandvertrag haben. Diese Grundsätze gelten auch für Rechtsanwälte hinsichtlich der von ihnen als Treuhänder empfangenen Fremdgelder. Der einem Rechtsanwalt erteilte Einziehungsauftrag begründet aber nicht ohne weiteres ein der Aufrechnung entgegenstehendes Treuhandverhältnis. Deshalb ist ein Rechtsanwalt grundsätzlich auch nicht gehindert, sich durch Aufrechnung mit Honoraransprüchen aus nicht zweckgebundenen Fremdgeldern zu befriedigen (vgl. auch § 4 Abs. 3 BORA); dies gilt selbst dann, wenn die Honoraransprüche nicht gerade den Auftrag betreffen, der zu dem Geldeingang geführt hat. Unabhängig vom Vorliegen eines Treuhandverhältnisses können Sinn und Zweck eines Auftrages dem Beauftragten nach dem Grundsatz von Treu und Glauben verbieten, gegen den Anspruch auf Herausgabe des Erlangten mit Gegenforderungen aufzurechnen, die ihren Grund nicht in dem Auftrag und den damit verbundenen Aufwendungen haben. Insoweit ist zu ermitteln, ob der besondere Inhalt des zwischen den Parteien begründeten Schuldverhältnisses, die Natur der Rechtsbeziehungen oder der Zweck der geschuldeten Leistung eine Erfüllung im Wege der Aufrechnung als mit Treu und Glauben unvereinbar erscheinen lassen (BGH, Urteil vom 12. September 2002 – IX ZR 66/01 -, Rn. 27 f. m.w.N., zitiert nach juris).

Für das Vorliegen eines Treuhandverhältnisses sind hier keine Anhaltspunkte ersichtlich. Allerdings soll es sich nach den Ausführungen des Klägers in der Berufungsbegründung um unpfändbare Zahlungen zur Wiederherstellung der Gesundheit sowie um Schmerzensgeld gehandelt haben. Dies ist jedoch unzutreffend. Die Zahlungen der Versicherung betrafen nicht Schmerzensgeld, sondern erfolgten auf Invalidität und betreffend Unfallkrankenhaustage- und Genesungsgeld (Schreiben der A Versicherungen vom 2. November 2009 = Bl. 463 d.A.). Der Kläger hat auch Vortrag der Beklagtenseite unstreitig werden lassen, wonach er im Oktober 2010 bereits mindestens 235.000,- Euro erlangt hatte. Es kann vor diesem Hintergrund nicht davon ausgegangen werden, dass die durch den Erblasser als Honorarvorschuss entnommenen Beträge in Höhe von nicht einmal zehn Prozent dieses Betrages – bei gleichzeitiger Auszahlung von Beträgen in nahezu derselben Höhe wie die Entnahmen an den Kläger beziehungsweise seine Ehefrau – den Kläger in finanzielle Schwierigkeiten gebracht hätten (anders die Konstellation im in der Berufungsbegründung zitierten Urteil des OLG Düsseldorf – 10 U 89/97 -, Rn. 5 ff., zitiert nach juris; dort wurde festgestellt, dass der Unfallgeschädigte finanziell „rasche Hilfe“ benötigte).

Nach alledem lag der Zweck der Leistung weder in einer besonderen – durch eine Aufrechnung vereitelbaren – Genugtuung für den Kläger noch in der Linderung einer akuten finanziellen Notlage. Dass der Zweck der durch die Versicherung an den Erblasser ausgezahlten Beträge im weitesten Sinne der Ausgleich irgendwelcher Schäden beim Kläger war, verhindert die Aufrechnung entgegen der klägerischen Ansicht nicht. Denn jede an einen Mandanten gerichtete Zahlung über dessen Rechtsanwalt verfolgt letztlich den Zweck, dass diesem eine ihm zustehende Zahlung zugutekommt. Würde man deshalb bei jeder Zahlung eine Aufrechnung durch den Rechtsanwalt ablehnen, bliebe entgegen dem oben dargestellten differenzierten höchstrichterlichen Maßstab kein Fall mehr übrig, in welchem die Aufrechnung überhaupt noch zulässig wäre.

Auch die Natur der Rechtsbeziehungen stand einer Aufrechnung nach Treu und Glauben nicht entgegen. Dies zeigte sich insbesondere daran, dass der Erblasser mit seinen Entnahmen vom Anderkonto stets offen umging, belegt durch die Zeugenaussage der Ehefrau des Klägers zu den Geschehnissen am XX.XX.2009 (Bl. 311 d.A.: „Dort hat [der Erblasser] 5.000,- Euro abgehoben und hat mir davon 3.000,- Euro gleich gegeben. 2.000,- Euro hat er behalten…“). Die Beklagte zu 1) hat substantiiert vorgetragen, die Ehefrau des Klägers sei damit einverstanden gewesen (S. 9 des Schriftsatzes vom 7. Juni 2016 = Bl. 184 d.A.); gegenteiliges ließ sich der Zeugenaussage nicht entnehmen. Mithin ist davon auszugehen, dass die eingehenden Beträge einverständlich aufgeteilt wurden oder der Kläger durch seine Ehefrau jedenfalls das Vorgehen des Erblassers duldete, so dass er sich im Nachhinein nicht darauf berufen kann, die Entnahmen seien treuwidrig gewesen. Wenn aber schon die Entnahmen zu einer Zeit, als der Erblasser mangels Abrechnung noch gar keine fälligen Ansprüche hatte, nicht treuwidrig waren, muss dies erst Recht für die später erklärten Aufrechnungen gelten.

e) Der Aufrechnung steht ferner auch kein Aufrechnungsverbot gemäß § 393 BGB entgegen, denn der klägerische Auszahlungsanspruch ergibt sich aus § 667 Alt. 2 BGB und nicht aus Delikt, wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat. Ein Anspruch infolge einer etwaigen Strafbarkeit des Erblassers wegen Untreue wäre nicht auf Auszahlung, sondern auf die Wiederherstellung des zuvor bestehenden Zustandes – mithin auf die Rückzahlung auf das Anderkonto – gerichtet und würde sodann ohne Bezug zu deliktischen Forderungen erneut die Möglichkeit der Aufrechnung eröffnen. Abgesehen davon ergibt sich aus den obigen Ausführungen (siehe oben, d)), dass sich die klägerische Duldung der Entnahmepraxis nur schwer mit einem Untreuevorwurf in Einklang bringen lässt und auch anderen Ansprüchen gemäß § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit anderen womöglich verletzten Schutzgesetzen zu anwaltlichen Berufspflichten entgegensteht – eine Berufung auf die Verletzung von Schutzgesetzen erscheint jedenfalls treuwidrig. Der Kläger setzte sich in der Berufungsbegründung auch nicht mit diesem Teil der Begründung des landgerichtlichen Urteils auseinander.

f) Schließlich scheitert die Aufrechnung nicht an einem Aufrechnungsverbot gemäß § 394 BGB in Verbindung mit § 850b Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 ZPO, weil die beim Erblasser eingegangenen Zahlungen nur bedingt pfändbar gewesen wären.

Dabei kann es dahinstehen, ob es sich bei diesen Zahlungen um Renten wegen der Verletzung des Körpers oder der Gesundheit handelte – was zwar kein unstreitiger Parteivortrag ist, bei Betrachtung der persönlichen Notizen des Klägers („Zahlungsübersicht A“ = Bl. 383 d.A.: Vorschuss Rente, vorläufige Rente, endgültige Rente; Schreiben der A Versicherungen vom 2. November 2009 = Bl. 463 d.A.: Rente für zwei Quartale) aber naheliegt.

Denn jedenfalls könnte sich der Kläger wegen der inzwischen eingetretenen Verjährung der Gegenforderungen nach den Grundsätzen von Treu und Glauben nicht auf ein Aufrechnungsverbot gemäß § 394 BGB berufen.

Die Frage, ob ein wirksames Aufrechnungsverbot nach Treu und Glauben zurücktreten muss, wenn die zur Aufrechnung gestellte Forderung verjährt und eine Befriedigung des Schuldners daher nur noch durch Aufrechnung möglich ist, ist umstritten. Die Berufung auf ein Aufrechnungsverbot trotz Verjährung der zur Aufrechnung gestellten Forderung kann nicht schlechthin als treuwidrig angesehen werden (BGH, Urteil vom 15. Februar 2007 – I ZR 118/04 -, Rn. 28 m.w.N., zitiert nach juris); maßgeblich sind vielmehr die Umstände des Einzelfalles. Zu berücksichtigen ist dabei, dass der Verlust der Forderung den Aufrechnenden unangemessen belastet und auch deshalb nicht interessengerecht ist, weil das Aufrechnungsverbot lediglich die Durchsetzung der Forderung des Verwenders erleichtern soll, nicht aber den Verlust der Forderung des Vertragspartners bezweckt (OLG Hamm, Urteil vom 17. Mai 1993 – 17 U 7/92 -, Rn. 11, zitiert nach juris).

Hier ist zu berücksichtigen, dass der Kläger die Entnahmen des Erblassers – durch welche Verrechnungen mit etwaigen Rentenauszahlungsansprüchen erfolgten – duldete. Der Erblasser rechnete sodann mit Schreiben vom 8. August 2011 auf. Der Kläger machte seine Zahlungsansprüche erst mit Schriftsatz vom 30. Dezember 2015 geltend und berief sich erstmals mit Schriftsatz vom 25. April 2016 auf ein Aufrechnungsverbot (nicht nach § 394, sondern nach § 393 BGB). Zu diesem Zeitpunkt waren die Ansprüche, mit denen der Erblasser aufgerechnet hatte, längst verjährt. Zuvor hatte der Kläger gegenüber dem Beklagten zu 2) noch mit Schreiben vom 21. Mai 2013 außergerichtlich eingeräumt: „In diesem Zusammenhang stehen Ihrem Herrn Vater für seine anwaltlichen Tätigkeiten sicherlich auch Vergütungsansprüche zu.“ (Bl. 76 d.A.). Trotz der bereits längst erfolgten Aufrechnung thematisierte der Kläger in diesem Zusammenhang kein etwaiges Aufrechnungsverbot. Bei der Prüfung der Treuwidrigkeit kann der zwischenzeitliche Tod des Erblassers ferner nicht völlig unberücksichtigt bleiben. Dessen Erben konnten eine etwaige Unpfändbarkeit der Forderungen, gegen die aufgerechnet worden war, wohl kaum erkennen (selbst der Senat ist auf die Interpretation persönlicher Notizen des Klägers angewiesen) und dürften schutzwürdig auf die Wirksamkeit der Aufrechnung vertraut haben.

2. Die gemäß § 533 ZPO im Hinblick auf die offensichtlich gegebene Sachdienlichkeit zulässig geänderte Widerklage hat keinen Erfolg, denn der Kläger wurde durch den Erblasser nicht überzahlt. Der Erblasser erhielt unstreitig weit höhere Zahlungen, als er auszahlte. Selbst wenn der Kläger – wie vom Beklagten zu 2) behauptet – weitere 3.200,- Euro ausgezahlt bekommen hätte, so hätte dies nur dazu geführt, dass im August 2011 nicht mehr (wie vom Erblasser angenommen) 17.424,48 Euro oder (wie vom Landgericht angenommen) 18.224,48 Euro, sondern lediglich noch 15.004,48 Euro offen waren. Der Erblasser musste und konnte in diesem Fall also nur in dieser Höhe aufrechnen, auch wenn er die Aufrechnung in Höhe von 17.424,48 Euro erklärte. In der Folge wären dem Erblasser weitere 2.400,- Euro seiner dann nicht durch die Aufrechnung verbrauchten Honoraransprüche verblieben. Gegenstand der Widerklage sind allerdings nur etwaige Ansprüche wegen rechtsgrundloser Überzahlung und nicht auf die Erben übergegangene Honoraransprüche des Erblassers. Solche Ansprüche wären im Übrigen auch längst verjährt – eine entsprechende Einrede hat der Kläger erhoben (S. 5 des Schriftsatzes vom 4. Mai 2017 = Bl. 445 d.A.).

3. Die Kostenentscheidung war nach § 97 Abs. 1, § 92 Abs. 1 Satz 1 ZPO entsprechend dem jeweiligen Obsiegen und Unterliegen zu treffen (Zöller-Herget, ZPO, § 97, Rn. 8). Das Unterliegen des Beklagten zu 2) betrug mehr als fünf Prozent und war daher nicht verhältnismäßig geringfügig gemäß § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO.

Die Verteilung der Gerichtskosten und der außergerichtlichen Kosten des Klägers basierte unter Anwendung der „Baumbach’schen Formel“ auf dem errechneten „fiktiven Gesamtstreitwert“ in Höhe von 38.848,96 Euro (2 x 18.224,48 + 2.400,-), wovon die Anschlussberufung rund sechs Prozent ausmachte. Betreffend die außergerichtlichen Kosten des Beklagten zu 2) war zu berücksichtigen, dass dieser im Prozessrechtsverhältnis mit dem Kläger mit 18.224,48 Euro obsiegte und demgegenüber nur mit 2.400,- Euro – also mit rund zwölf Prozent – unterlag.

Die Revision war auch im Hinblick auf die klägerische Anregung mangels des Vorliegens der Voraussetzungen von § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO nicht zuzulassen.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 10, § 713 ZPO. Die Revision wurde nicht zugelassen. Für eine Nichtzulassungsbeschwerde ist die Beschwer, welche die Parteien jeweils trifft, gemäß § 26 Nr. 8 EGZPO zu gering, so dass unzweifelhaft kein Rechtsmittel gegen das Urteil stattfindet.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 63 Abs. 2, § 45 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2, § 48 Abs. 1 GKG, §§ 3 und 4 ZPO. § 5 ZPO gilt nur für den Zuständigkeitsstreitwert (Zöller-Herget, ZPO, § 5, Rn. 2). Die Aufrechnungen der Beklagten führten nicht zu einer Erhöhung des Streitwertes. Diese haben zwar im Rechtsstreit zunächst nur hilfsweise mit Honorarforderungen des Erblassers aufgerechnet, dann jedoch die primäre Aufrechnung mit diesen Forderungen erklärt, so dass kein Fall des § 45 Abs. 3 GKG vorliegt.

Haben Sie Fragen? 

Rufen Sie uns an oder schreiben Sie uns eine E-Mail, damit wir die grundsätzlichen Fragen klären können.

© Rechtsanwalt Krau. All rights reserved.
Powered by wearehype.eu.
© Rechtsanwalt Krau. All rights reserved.
Powered by wearehype.eu.