OLG Frankfurt am Main, 30.04.2014 – 15 U 215/13

April 17, 2019

OLG Frankfurt am Main, 30.04.2014 – 15 U 215/13
Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Marburg vom 28.8.2013 wird auf ihre Kosten als unzulässig verworfen.
Gründe
1

I.

2

Die Klägerin hat die Beklagte im ersten Rechtszug auf Schadensersatz in Anspruch genommen mit der Begründung, die Durchsetzung berechtigter Ansprüche der Klägerin gegen den …-Kreis sei an Verstößen der Beklagten gegen ihre Pflichten als Rechtsanwältin und Prozessbevollmächtigte gescheitert. Mit Urteil vom 28.8.2013 (Bl. 184 ff. Bd. I d.A.) hat der Einzelrichter der 2. Zivilkammer des Landgerichts Marburg die Klage als unbegründet abgewiesen. Diese Entscheidung wurde dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 4.9.2013 zugestellt (Empfangsbekenntnis Bl. 189 Bd. I d.A.).
3

Am 2.10.2013 hat der erstinstanzliche Prozessbevollmächtigte namens der Klägerin Berufung gegen das Urteil des Landgerichts eingelegt und dabei darauf hingewiesen, dass er die Berufung nur noch fristwahrend eingelegt habe und der Rechtsstreit künftig durch einen von der Klägerin noch zu benennenden Anwalt geführt werde (Bl. 198 f. Bd. I d.A). Mit am 8.10.2013 beim Senat eingegangenem Schreiben vom 1.10.2013 (Bl. 203 Bd. I d.A.) hat die Klägerin persönlich unter Hinweis auf die eingelegte Berufung Prozesskostenhilfe (PKH) beantragt und diesen Antrag am 15.10.2013 näher begründet (Bl. 208 ff. Bd. I d.A.). Mit Verfügung vom 22.10.2013 (Bl. 258 ff. Bd. I d.A.; hier: zu 4.) ist die Klägerin im Hinblick auf die von ihr zuvor eingereichte Formularerklärung über ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse auf verschiedene Unklarheiten hingewiesen worden. Darauf hat sie mit am 5.11.2013 eingegangenem Schreiben vom 4.11.2013 geantwortet (Bl. 68 ff. PKH-Sonderheft). Zuvor war auf am 31.10.2013 eingegangenen Antrag des Prozessbevollmächtigten vom selben Tag die Berufungsbegründungsfrist antragsgemäß um einen Monat – bis einschließlich 4.12.2013 – verlängert worden (Bl. 261, 267 Bd. I d.A.). Seither hat der Prozessbevollmächtigte keine Prozesshandlungen für die Klägerin mehr vorgenommen.
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Mit Beschluss vom 20.3.2014 (Bl. 15 ff. Bd. II d.A.) hat der Senat den Antrag der Klägerin auf Bewilligung von PKH für die Durchführung der Berufung mangels hinreichender Erfolgsaussicht zurückgewiesen. Dieser Beschluss ist sowohl der Klägerin persönlich als auch dem Prozessbevollmächtigten am 26.3.2014 zugestellt worden (Bl. 18, 19 Bd. II d.A.). Daraufhin sind bis heute keine Schriftsätze eingegangen.

II.

5

Nach § 522 Abs. 1 ZPO hat der Senat von Amts wegen zu prüfen, ob die Berufung an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet worden ist (S. 1). Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung als unzulässig zu verwerfen (S. 2), wobei diese Entscheidung durch Beschluss ergehen kann (S. 3).
6

Die Voraussetzungen für eine Verwerfung der Berufung als unzulässig sind erfüllt, weil die Berufung nicht in der gesetzlichen, zu Gunsten der Klägerin bis einschließlich 4.12.2013 verlängerten Begründungsfrist (§ 520 Abs. 2 ZPO) begründet worden ist. Die Frist für die Berufungsbegründung beträgt zwei Monate und beginnt – soweit hier von Bedeutung – mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, die hier am 4.9.2013 erfolgte (§ 520 Abs. 1 S. 1 ZPO). Die Begründungsfrist hätte demzufolge mit Ablauf des 4.11.2013 geendet, wobei der Fristablauf durch die gewährte Fristverlängerung von einem Monat, die ohne Einwilligung der Beklagten längstens zulässig war (§ 520 Abs. 2 S. 3 ZPO), aber bis zum 4.12.2013 hinausgeschoben wurde. Dass die Klägerin nach Einlegung der Berufung PKH beantragt hat, hatte auf den Lauf der Begründungsfrist keinen Einfluss (BGH NJW 2006, 2857, 2858 [BGH 29.06.2006 – III ZA 7/06]). Da eine Berufungsbegründung bis heute nicht eingegangen ist, fehlt es somit an einer der gesetzlichen Voraussetzungen für eine zulässige Berufung. Dieser Mangel lässt sich auch nicht mehr durch eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen der versäumten Frist (§ 233 ff. ZPO) beheben.
7

Obwohl die Klägerin in der Zeit zwischen der Einlegung der Berufung und dem Ablauf der (verlängerten) Begründungsfrist PKH beantragt hatte, ist nach den Umständen des Falles bereits zweifelhaft, ob die Klägerin die Begründungsfrist – zunächst – ohne Verschulden im Sinne von § 233 Abs. 1 ZPO versäumt hat. Zwar wird in der Regel von fehlendem Verschulden ausgegangen, wenn das durch ihre Bedürftigkeit begründete Unvermögen einer Partei, einen Rechtsanwalt mit der notwendigen Vertretung zur Vornahme einer fristwahrenden Prozesshandlung zu beauftragen, für die Fristversäumung ursächlich war (vgl. Zöller-Greger, ZPO, 30. Auflage, § 233 Rn. 23, Stichwort „Prozesskostenhilfe“). Insoweit gilt aber die Einschränkung, dass die Partei bis zum Ablauf der zu wahrenden Frist ein vollständiges Gesuch um PKH eingereicht und alles aus ihrer Sicht für eine positive Entscheidung über das PKH-Gesuch Erforderliche getan haben muss, so dass sie vernünftigerweise nicht mit der Ablehnung ihres Antrags wegen fehlender Bedürftigkeit rechnen brauchte (Zöller-Greger, a.a.O., mit Nachweisen aus der höchstrichterlichen Rechtsprechung). Unter diesem Gesichtspunkt bestehen hier Bedenken, ob die Klägerin zur Zeit des Ablaufs der verlängerten Begründungsfrist darauf vertrauen konnte, alles ihrerseits Erforderliche zur Darlegung der für die Bewilligung von PKH (u.a.) notwendigen Bedürftigkeit getan zu haben. Denn sie hat – wie bereits im Beschluss des Senats vom 20.3.2014 (Seite 4) dargelegt – auch auf den Hinweis des Berichterstatters vom 22.10.2013 nicht ohne weiteres nachvollziehbare Angaben zur Frage des Deckungsschutzes durch einen Rechtsschutzversicherer gemacht.
8

Aber auch wenn man trotzdem von einer – zunächst – unverschuldeten Fristversäumung ausgehen könnte, erweist sich die Berufung jedenfalls jetzt als unzulässig. Denn war eine Partei ohne Verschulden gehindert, die Frist (u.a.) für die Begründung einer Berufung einzuhalten, so hat sie innerhalb einer Frist von einem Monat, die mit dem Tag des Wegfalls des das Verschulden ausschließenden Hindernisses beginnt, Wiedereinsetzung zu beantragen (§ 234 Abs. 1 S. 2 i.V.m. Abs. 2 ZPO) und die versäumte Prozesshandlung nachholen (§ 236 Abs. 2 S. 2 ZPO). Für eine bedürftige Partei, die zwar schon Berufung eingelegt, dann aber vor Ablauf der Begründungsfrist PKH beantragt hat, beginnt die Monatsfrist des § 234 Abs. 1 S. 2 ZPO mit der Beseitigung der Ungewissheit über das Schicksal ihres PKH-Gesuchs und deshalb (spätestens) mit der Zustellung des dieses Gesuch bescheidenden Beschlusses (vgl. BGH NJW 2006, 2857 f. [BGH 29.06.2006 – III ZA 7/06]; BGH NJW-RR 2008, 1313, 1315 [BGH 11.06.2008 – XII ZB 184/05] [Tz. 21]); BGH NJW 2009, 854, 855 [BGH 19.11.2008 – XII ZB 102/08] [Tz. 10]); BT-Drucksache 15/1508 S. 17 f. [zu Nummer 7]). Soweit für den Fall, dass sowohl die Berufungsfrist als auch die Begründungsfrist versäumt sind, zum Beginn der Frist für die Nachholung der Berufungsbegründung eine andere Auffassung vertreten wird (vgl. BGH NJW 2007, 3354 [BGH 19.06.2007 – XI ZB 40/06]), kommt es darauf hier nicht an, weil die Berufung selbst rechtzeitig eingelegt war.
9

Die Frist von einem Monat für einen Wiedereinsetzungsantrag und die Nachholung der Berufungsbegründung hat danach im vorliegenden Fall – auch wenn man trotz der genannten Bedenken von vorher fehlendem Verschuldeten ausgeht – spätestens mit der Zustellung des die PKH versagenden Beschlusses des Senats vom 20.3.2014 am 26.3.2014 begonnen. Sie endete dementsprechend und unter Berücksichtigung von § 222 Abs. 2 ZPO spätestens mit Ablauf des 28.4.2014 (Montag).
10

Da bis zum Fristablauf – und bis heute – weder ein Wiedereinsetzungsantrag noch eine Berufungsbegründung eingegangen sind, musste die Berufung nunmehr gemäß § 522 Abs. 1 S. 2 ZPO als unzulässig verworfen werden.
11

Die Kosten des erfolglos gebliebenen Rechtsmittels fallen gemäß § 97 Abs. 1 ZPO der Klägerin zur Last.

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