OLG Hamm, Beschluss vom 14.01.2014 – 19 U 79/13

November 27, 2020

OLG Hamm, Beschluss vom 14.01.2014 – 19 U 79/13

Tenor

Die Kosten des Rechtsstreits werden dem Kläger auferlegt.
Gründe

Nachdem die Parteien den Rechtsstreit in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt haben, ist gem. § 91a Abs.1 S.1 ZPO über die Kosten des Rechtsstreits unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen durch Beschluss zu entscheiden.

Erfolgen die übereinstimmenden Erledigterklärungen – wie vorliegend – in der Berufungsinstanz, ist über alle bisher entstandenen Kosten mit Blick auf den mutmaßlichen Ausgang des Rechtsmittelverfahrens und seine Auswirkungen auf die Kostenentscheidungen der Vorinstanz zu entscheiden (Münchener Kommentar zur ZPO, 4. Auflage 2013, § 91a ZPO Rn. 43).

Im vorliegenden Fall entspricht es unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes billigem Ermessen, die Kosten des Rechtsstreits dem Kläger aufzuerlegen.

1.

Eine Kostenentscheidung zu Lasten des Klägers folgt entgegen der Ansicht des Beklagten jedoch nicht aus dem Umstand, dass er das streitgegenständliche Pferd nach Einlegung der Berufung am 21.06.2013 veräußert hat.

Zwar können einem Kläger unabhängig von der Erfolgsaussicht der Klage bzw. des Rechtsmittels die Kosten des Rechtsstreits auferlegt werden, wenn er ein Ereignis, das die Klage auf jeden Fall unzulässig bzw. unbegründet gemacht hat, willkürlich herbeiführt (Münchener Kommentar zur ZPO, 4. Auflage 2013, § 91a ZPO Rn. 49; Musielak, ZPO, 10. Auflage 2013, §91a ZPO Rn.23).

Dies ist vorliegend nicht der Fall. Zum einen hatte die Veräußerung des Pferdes gem. § 265 Abs.2 S.1 ZPO keinen Einfluss auf den Prozess. Zum anderen schließt gem. § 265 Abs.1 ZPO die Rechtshängigkeit nicht das Recht aus, den Streitgegenstand zu veräußern. Insoweit hat der Kläger von dem auch zu diesem Zeitpunkt zulässigen Recht der Veräußerung Gebrauch gemacht, so dass ein willkürliches Verhalten nicht gegeben ist. Entgegen der Ansicht des Beklagten liegt in einem Verkauf des Streitgegenstandes während des laufenden gerichtlichen Verfahrens auch keine Vereitelung der Erfolgsaussichten der Klage.

2.

Der Kläger hat jedoch die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, da seine Berufung keine Aussicht auf Erfolg hatte. Zutreffend hat das Landgericht in dem angefochtenen Urteil die Klage abgewiesen.

a)

Der Kläger hatte gegen den Beklagten keinen Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises i.H.v. 13.000,00 € Zug um Zug gegen Herausgabe des streitgegenständlichen Pferdes gem. § 346 Abs.1 i.V.m. §§ 437 Nr.2, 1.Alt., 323 Abs.1 BGB.

Zutreffend hat das Landgericht festgestellt, dass nicht festgestellt werden kann, dass das Pferd bei Gefahrübergang einen Sachmangel gem. § 434 Abs.1 BGB aufgewiesen hat. Mangels Vorliegens eines Rücktrittsgrundes ist der von dem Kläger erklärte Rücktritt daher unwirksam.

(1)

Der insoweit darlegungs- und beweispflichtige Kläger hat nicht nachgewiesen, dass entsprechend seiner Behauptung bei dem Pferd ein Herzfehler gegeben ist. Insoweit wird auf die nachvollziehbaren und überzeugenden Ausführungen in dem Urteil des Landgerichts verwiesen, die von dem Kläger mit der Berufungsbegründung auch nicht angegriffen werden.

(2)

Gleiches gilt für den behaupteten Mangel einer Kalzifikation am Ligamentum nuchae. Auch diese Ausführungen des Landgerichts, die sich auf die überzeugenden Angaben des Sachverständigen Dr. T beziehen, hat der Kläger mit der Berufung nicht angegriffen.

(3)

Hinsichtlich der von dem Kläger behaupteten Unrittigkeit des Pferdes zum Zeitpunkt der Übergabe kann dahingestellt bleiben, ob es sich dabei selbst um einen Mangel oder um ein Mangelsymptom handelt.

Selbst für den Fall, dass die Unrittigkeit des Pferdes selbst als Mangel anzusehen ist, kann entsprechend den Ausführungen des Landgerichts nicht festgestellt werden, dass eine solche Unrittigkeit oder die ihr zugrunde liegende Ursache zum maßgebenden Zeitpunkt der Übergabe vorhanden gewesen ist.

Eine Unrittigkeit des Pferdes zum Zeitpunkt der Übergabe am 22.02.2012 kann nach den nachvollziehbaren und überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen nicht festgestellt werden. Dieser hat auf Seite 29 seines Gutachtens vom 20.02.2013 zutreffend darauf verwiesen, dass Proberitte vor der Übergabe keine Anhaltspunkte auf eine Unrittigkeit ergeben haben. Maßgebend ist jedoch, dass er weiter ausführt, dass selbst für den Fall, dass aktuell eine Unrittigkeit des Pferdes festgestellt werden würde, eine Rückdatierung auf den Zeitpunkt der Übergabe nicht möglich ist. Eine davon abweichende Äußerung des Sachverständigen kann dem Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 16.05.2013 nicht entnommen werden. Demnach kann der Kläger den ihm obliegenden Nachweis einer Unrittigkeit zum Zeitpunkt der Übergabe am 22.02.2012 nicht erbringen.

Etwas anderes folgt auch nicht aus den Gutachten des Sachverständigen zu dem Rechtsstreit Landgericht Münster, Az. 2 O 231/08. In diesen Gutachten hat der Sachverständige eine Beurteilung zur Frage der aktuellen Reitbarkeit des Pferdes abgegeben. Die Behauptung des Klägers, wonach dem Sachverständigen eine Beurteilung der Unrittigkeit für die Vergangenheit möglich ist, ist jedoch weder den genannten Gutachten noch dem Urteil des Landgerichts Münster vom 06.06.2011, Az. 2 O 231/08, zu entnehmen. Vielmehr ist in den Entscheidungsgründen dieses Urteils ausgeführt, dass eine solche Feststellung nicht möglich ist. Dies steht im Einklang mit den zeitlich nachfolgenden Ausführungen des Sachverständigen im Gutachten vom 20.02.2013, wonach selbst im Falle der Feststellung einer aktuellen Unrittigkeit eine Rückdatierung auf den Zeitpunkt der Übergabe nicht möglich ist.

Da auch der Zeuge 0E nach dem Vortrag des Klägers nur eine Aussage über Defizite in der Rittigkeit des Pferdes im März 2012, also nach der Übergabe, hätte machen können, konnte der Kläger durch die Vernehmung des Zeugen den ihm obliegenden Beweis einer Mangelhaftigkeit des Pferdes zum Zeitpunkt der Übergabe am 22.02.2012 nicht erbringen. Insoweit stellt es mangels Unerheblichkeit dieses Vortrages keinen Verfahrensfehler dar, dass das Landgericht von einer Vernehmung des Zeugen abgesehen hat.

Entgegen der Ansicht des Klägers kann auch nicht gem. § 476 BGB vermutet werden, dass der von ihm behauptete Mangel der Unrittigkeit zum Zeitpunkt der Übergabe vorgelegen hat.

Insoweit kann dahingestellt bleiben, ob der Kaufvertrag zwischen den Parteien als Verbrauchsgüterkauf i.S.v. § 474 Abs.1 S.1 BGB einzustufen ist, was Voraussetzung für eine Anwendbarkeit des § 476 BGB ist. Zudem kann dahingestellt bleiben, ob sich eine Unrittigkeit des streitgegenständlichen Pferdes innerhalb der ersten sechs Monate nach Gefahrübergang gezeigt hat. Nach den Ausführungen des Sachverständigen Dr. T erscheint jedoch auch eine solche Rückdatierung nicht möglich.

Jedenfalls greift – worauf das Landgericht im Ergebnis zutreffend abgestellt hat – die Vermutungswirkung des § 476 BGB nicht ein, da die Vermutung mit der Art des Mangels unvereinbar ist.

Zwar ist die Vermutung des § 476 BGB gemäß der für Tiere maßgeblichen Verweisung in § 90 a Satz 3 BGB auf die für Sachen geltenden Vorschriften auch beim Kauf eines Pferdes entsprechend anzuwenden. Insoweit ist sie nicht schon mit der Art des Kaufgegenstandes unvereinbar (BGH, Urteil vom 29.03.2006, Az. VIII ZR 173/05).

Jedoch ist die Vermutung mit dem behaupteten Mangel der Unrittigkeit unvereinbar.

Eine Unvereinbarkeit ergibt sich jedoch nicht aus dem Umstand, dass eine Unrittigkeit jederzeit auftreten kann und deshalb keinen hinreichenden Rückschluss darauf zulässt, dass er schon bei Gefahrübergang vorlag. Auch beim Tierkauf besteht aufgrund der Art des Mangels häufig Ungewissheit über dessen Entstehungszeitpunkt. Mit dem Regel-Ausnahmeverhältnis in § 476 BGB und dem verbraucherschützenden Charakter der Norm wäre es auch beim Tierkauf nicht zu vereinbaren, die Vermutung ohne weiteres schon daran scheitern zu lassen, dass der Entstehungszeitpunkt eines Mangels typischerweise nicht zuverlässig festgestellt werden kann; denn durch eine derartige Einengung der Beweislastumkehr würde der mit der Regelung intendierte Verbraucherschutz weitgehend ausgehöhlt (BGH, a.a.O.).

Jedoch sind beim Tierkauf die Besonderheiten zu berücksichtigen, die sich aus der Natur des Tieres als Lebewesen ergeben. Anders als bewegliche Sachen unterliegen Tiere während ihrer gesamten Lebenszeit einer ständigen Entwicklung und Veränderung ihrer körperlichen und gesundheitlichen Verfassung, die nicht nur von den natürlichen Gegebenheiten des Tieres (Anlagen, Alter), sondern auch von seiner Haltung (Ernährung, Pflege, Belastung) beeinflusst wird. Aus diesem Grund lässt sich die Frage, ob die Vermutung des § 476 BGB mit der Art des Mangels unvereinbar ist, nicht für alle erdenklichen Erkrankungen und sonstigen Mängel von Tieren einheitlich bejahen oder verneinen, sondern bedarf differenzierter Beurteilung je nach der Art der Erkrankung oder des sonstigen Mangels. Maßgeblich dafür sind einerseits der Sinn und Zweck des § 476 BGB – Privilegierung des Verbrauchers aufgrund besserer Erkenntnismöglichkeiten des Unternehmers über den Zustand des Tieres bei Gefahrübergang – und andererseits die dabei auch zu berücksichtigenden Besonderheiten bestimmter Tierkrankheiten oder sonstiger Mängel, aus denen sich aufgrund der spezifischen Natur des Tieres die in der Begründung zu § 476 BGB beispielhaft aufgezeigten Grenzen für eine Beweislastumkehr ergeben können (BGH a.a.O.).

Der Kläger weist selbst zutreffend darauf hin, dass die Unrittigkeit des Pferdes viele exogene und endogene Ursachen, wie z.B. haltungsbedingte, umgangsbedingte oder psychosomatische Verhaltensstörungen haben kann. Bei einem solchen Beschwerdebild, welches nicht nur jederzeit auftreten kann, sondern auch von dem Pferd und seiner Veranlagung unabhängige Ursachen haben kann, ist aufgrund dieses Umstandes die Vermutung des § 476 BGB mit der Art des Mangels unvereinbar (OLG Oldenburg, Beschluss vom 11.05.2004, Az. 8 W 76/04, welchen der BGH in seinem Urteil vom 29.03.2006, Az. VIII ZR 173/05, ausdrücklich aufführt; OLG Celle, Urteil vom 31.05.2006, Az. 7 U 252/05). Entgegen der Behauptung des Klägers lässt sich weder dem Urteil des Senats vom 07.04.2006 (Az. 19 U 87/05) noch dem Urteil des OLG Zweibrücken vom 30.04.2009 (Az. 4 U 103/08) eine gegenteilige Einschätzung bezüglich des Mangels der Unrittigkeit entnehmen.

b)

Aufgrund der Unwirksamkeit des Rücktritts hatte der Kläger auch keinen Anspruch auf Erstattung bereits getätigter und zukünftiger Verwendungen gem. § 347 Abs.2 BGB sowie auf die Feststellung eines Annahmeverzugs. Ebenso bestand kein Anspruch auf Zahlung von Zinsen und vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten.

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