OLG Hamm, Urteil vom 19.11.2021 – 20 U 39/21

November 29, 2021

OLG Hamm, Urteil vom 19.11.2021 – 20 U 39/21

Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das am 15. Dezember 2020 verkündete Urteil der 16. Zivilkammer – Kammer für Handelssachen – des Landgerichts Bochum wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Dieses Urteil und das angefochtene Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

Der Klägerin bleibt nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120% des vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120% des zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird zugelassen.

Gründe
I.

Die Klägerin begehrt im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie Versicherungsleistungen aus einer Betriebsschließungsversicherung.

Sie betreibt in A den Gastronomiebetrieb „B“. Für diese Betriebsstätte unterhält sie mit Versicherungsbeginn 25. Januar 2010 bei der Beklagten eine Betriebsschließungsversicherung. Versichert ist für den Fall einer versicherten Betriebsschließung eine Tagesentschädigung von 1.719 €.

Dem Versicherungsvertrag liegen Allgemeine Bedingungen der Beklagten für die Versicherung von Betrieben gegen Schäden infolge Infektionsgefahr beim Menschen (Betriebsschließungsversicherung) – BS 2008 (fortan: AVB Betriebsschließung) zugrunde.

Diese lauten auszugsweise wie folgt:

㤠23 Gegenstand der Versicherung

Ist der versicherte Betrieb von behördlichen Anordnungen (siehe § 25) aufgrund des Gesetzes zur Verhütung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten beim Menschen (Infektionsschutzgesetz — IfSG) betroffen, ersetzt der Versicherer den dadurch entstehenden Schaden.

§ 25 Versicherte Gefahren und Schäden

1.Behördliche Anordnungen zu Schließung, Desinfektion und Tätigkeitsverboten

Der Versicherer leistet bis zu den in § 30 genannten Entschädigungsgrenzen Entschädigung, wenn die zuständige Behörde aufgrund des Infektionsschutzgesetzes beim Auftreten meldepflichtiger Krankheiten oder Krankheitserreger (siehe Nr. 4)

a) den versicherten Betrieb oder eine versicherte Betriebsstätte zur Verhinderung der Verbreitung von meldepflichtigen Krankheiten oder Krankheitserregern beim Menschen nach Nr. 4 schließt; Tätigkeitsverbote gegen sämtliche Betriebsangehörige eines Betriebes oder einer Betriebsstätte werden einer Betriebsschließung gleichgestellt (Schließung);

4.Meldepflichtige Krankheiten und Krankheitserreger

Meldepflichtige Krankheiten und Krankheitserreger im Sinne dieser Bedingungen sind die folgenden, im Infektionsschutzgesetz in den §§ 6 und 7 namentlich genannten Krankheiten und Krankheitserreger:

a) Krankheiten

b) Krankheitserreger

5.Nicht versicherte Gefahren und Schäden

c) Der Versicherer haftet nicht

cc) bei Prionenerkrankungen oder dem Verdacht hierauf,

…“

In der unter § 25 Nr. 4 Buchstaben a) und b) AVB Betriebsschließung enthaltenen Aufzählung ist weder die Krankheit COVID-19 noch der diese verursachende Krankheitserreger SARS-CoV-2 enthalten. Wegen der weiteren Einzelheiten der vertraglichen Vereinbarungen der Parteien wird auf die AVB Betriebsschließung (Bl. 14 ff. der elektronischen Gerichtsakten I. Instanz [im Folgenden: eGA-I und für die Berufungsinstanz eGA-II]) Bezug genommen.

Am 18. März 2020 erließ der Oberbürgermeister der Stadt A mit Wirkung vom auf die Bekanntgabe folgenden Tag auf der Grundlage des § 28 IfSG in der seinerzeit geltenden Fassung eine Allgemeinverfügung, in der zur Verhinderung der Verbreitung des Coronavirus SARS-CoV-2 unter anderem die Schließung von Gaststätten angeordnet wurde. Eine entsprechende Untersagung des Betriebs gastronomischer Einrichtungen erfolgte auf der Grundlage des § 32 IfSG durch § 9 der Verordnung zum Schutz vor Neuinfizierungen mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 (CoronaSchVO) vom 22. März 2020 (GV.NRW. S. 177a). Während dieses sog. (ersten) Lockdowns war es der Klägerin bis zum 10. Mai 2020 untersagt, ihren Betrieb für Publikum zu öffnen.

Nachdem die Klägerin der Beklagten die Schließung des Betriebs mit Schreiben vom 20. März 2020 anzeigte und Entschädigung begehrte, lehnte die Beklagte ihre Eintrittspflicht ab. Eine anwaltliche Aufforderung zur Leistung blieb erfolglos.

Mit ihrer Klage hat die Klägerin erstinstanzlich zuletzt auf der Grundlage einer vereinbarten Haftzeit von 30 Tagen die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von 51.570 €, ferner eine weitere Entschädigung in Höhe von 1.855,62 € wegen schließungsbedingt eingetretener Schäden an Warenvorräten, jeweils nebst Zinsen in Höhe von neun Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit begehrt.

Sie hat im Wesentlichen geltend gemacht, ihr stehe für die Dauer der Schließung auf der Grundlage des versicherten Tagessatzes ein Entschädigungsanspruch in Höhe der Klagforderung zu. Die Schließung ihres Betriebes sei auf der Grundlage der AVB Betriebsschließung gedeckt. Antrieb und Motivation für sie, bereits im Jahr 2009 den Versicherungsantrag zu stellen, sei die seinerzeit diskutierte Schweinegrippe gewesen, die im Frühjahr 2009 vom Robert Koch-Institut (RKI) als gesundheitliches Risiko von internationaler Bedeutung eingestuft worden sei. Ihre Geschäftsführerin habe dies zum Anlass genommen, sich bei der örtlichen Agentur der Beklagten zu erkundigen, ob es die Möglichkeit gebe, sich gegen die Folgen einer solchen drohenden Gesundheitsgefährdung zu versichern. Der Versicherungsagent habe daraufhin den Abschluss der alsdann beantragten Betriebsschließungsversicherung empfohlen.

Die Beklagte hat demgegenüber gemeint, eine versicherte Betriebsschließung scheide schon deshalb aus, weil es an einer in den AVB Betriebsschließung vorausgesetzten betriebsinternen Gefahr fehle. Jedenfalls aber seien SARS-CoV-2 und COVID-19 nicht vom Versicherungsschutz umfasst, weil die tabellarische Auflistung in § 25 Nr. 4 AVB Betriebsschließung abschließend sei und insbesondere keine dynamische Verweisung auf die §§ 6 und 7 IfSG enthielte. Schließlich fehle es an einer rechtswirksamen Schließungsanordnung und läge allenfalls eine nicht versicherte Betriebseinschränkung vor.

Das Landgericht hat die Geschäftsführerin der Klägerin angehört und Beweis erhoben durch Vernehmung des Versicherungsagenten über die Frage der Motivation der Klägerin für den abgeschlossenen Vertrag. Mit dem angefochtenen Urteil hat es alsdann die Klage abgewiesen. Der Versicherungsfall sei nicht eingetreten. Die Betriebsschließung aufgrund des Coronavirus sei kein versichertes Ereignis im Sinne der vereinbarten Versicherungsbedingungen. Es könne auch nicht festgestellt werden, dass die Geschäftsführerin der Klägerin bei Abschluss der Versicherung durch den Versicherungsagenten über Art und Umfang der Versicherung unzutreffend aufgeklärt oder falsch beraten worden sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Parteivorbringens und der Begründung des Landgerichts sowie wegen der erstinstanzlich gestellten Anträge wird auf das angefochtene Urteil (eGA-I 819 ff.) Bezug genommen.

Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer Berufung, mit der sie die Verletzung materiellen Rechts rügt und ihr Klagebegehren im Umfang der Schlussanträge erster Instanz weiterverfolgt.

Das Landgericht habe zu Unrecht einen Versicherungsfall verneint. Unzutreffend habe das Landgericht die AVB Betriebsschließung dahin ausgelegt, dass diese mit dem Verweis auf das IfSG und dessen §§ 6 und 7 keine dynamische, sondern eine statische Verweisung beinhalteten. Die Bestimmungen in den §§ 23 und 25 AVB Betriebsschließung seien nicht eindeutig und verständlich. Es fehle insbesondere an einer Klarstellung, dass sich der Versicherungsschutz ausschließlich auf die in § 25 Nr. 4 AVB Betriebsschließung genannten Krankheiten und Krankheitserreger beschränken solle. Tatsächlich sei die Auflistung als bloße Wiedergabe des seinerzeitigen Gesetzesinhaltes gemäß §§ 6 und 7 IfSG zu verstehen. Diese wiederum enthielten seit jeher, ebenso wie auch § 15 IfSG, Öffnungsklauseln, die eine ständig aktualisierte Anwendung des Gesetzes auf bestimmte Entwicklungen ermöglichten und Maßnahmen allein aufgrund von Verordnungen rechtfertigten, ohne vorherige Gesetzesänderung. Maßgeblich sei demzufolge die Gesetzeslage zum Zeitpunkt des Eintritts des Schadensfalles in Gestalt einer Betriebsschließung. Zu diesem Zeitpunkt habe das Coronavirus und die daraus resultierende Erkrankung bereits zu den meldepflichtigen Krankheiten und Krankheitserregern gehört, nämlich aufgrund der CoronaVMeldeV vom 30. Januar 2020.

Zu Unrecht habe das Landgericht ferner eine Aufklärungspflichtverletzung des Agenten verneint. Auf Grundlage der von der Geschäftsführerin der Klägerin erläuterten Motivation zum Abschluss der Versicherung wäre die Versicherung für die Klägerin – da auch die Schweinegrippe nicht im Katalog des § 25 Nr. 4 AVB Betriebsschließung enthalten sei – bei dem vom Landgericht zugrunde gelegten Verständnis genauso „wertlos“ gewesen. Der Agent habe gegenüber der Klägerin zu keiner Zeit deutlich gemacht, dass sich der Versicherungsschutz auf die in den AVB Betriebsschließung ausgewiesenen Krankheiten beschränke.

Die Klägerin beantragt,

unter Abänderung des angefochtenen Urteils

1. die Beklagte zu verurteilen, an sie 51.570 € nebst Zinsen in Höhe von neun Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 13. Mai 2020 zu zahlen;

2. die Beklagte ferner zu verurteilen, an sie 1.855,62 € nebst Zinsen in Höhe von neun Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 18. Juni 2020 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt – unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens – die angefochtene Entscheidung.

Wegen der Einzelheiten des Vorbringens der Parteien in dieser Instanz wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

II.

Die Berufung der Klägerin ist zulässig, insbesondere statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt und begründet. Das Rechtsmittel hat aber in der Sache keinen Erfolg. Das Landgericht hat die Klage zu Recht und mit zutreffender Begründung abgewiesen.

Dem Kläger steht der geltend gemachte Zahlungsanspruch nicht zu. Auf der Grundlage der vereinbarten AVB Betriebsschließung besteht aus Anlass der durch die Allgemeinverfügung des Oberbürgermeisters der Stadt A – und später durch § 9 der CoronaSchVO NRW vom 22. März 2020 – angeordneten Untersagung des Betriebs ihrer Gaststätte im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie kein Versicherungsschutz.

Mangels Hauptforderung hat die Klägerin auch keinen Anspruch auf Zinsen zu. Ohnehin ist die Klage hinsichtlich der Zinshöhe unschlüssig, da es sich bei der in Rede stehenden Versicherungsleistung um keine Entgeltforderung im Sinne von § 288 Abs. 2 BGB handelt (vgl. BGH, Urteile vom 21. April 2010 – XII ZR 10/08, NJW 2010, 1872 Rn. 26 unter Hinweis auf den 13. Erwägungsgrund der Richtlinie 2000/35/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. Juni 2000 zur Bekämpfung von Zahlungsverzug im Geschäftsverkehr, ABl. L 200 S. 35; vom 4. Juli 2018 – IV ZR 297/16, VersR 2018, 1130 Rn. 34).

1.

Das Landgericht hat zutreffend angenommen, dass es sich auf der Grundlage der hier vereinbarten Versicherungsbedingungen bei SARS-CoV-2 nicht um einen vom Versicherungsschutz erfassten Krankheitserreger handelt, sich das Leistungsversprechen des Versicherers vielmehr nur auf jene Krankheiten und Krankheitserreger erstreckt, die in § 25 Nr. 4 AVB Betriebsschließung genannt sind. Dies ergibt die Auslegung der AVB Betriebsschließung, wie der Senat bereits mit Urteil vom 14. Juli 2021 (20 U 26/21, BeckRS 2021, 18257) zu einer vergleichbaren Bedingungslage entschieden und im Einzelnen begründet hat.

a)

Allgemeine Versicherungsbedingungen sind nach ständiger Rechtsprechung so auszulegen, wie ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer sie bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und unter Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs verstehen kann. Dabei kommt es auf die Verständnismöglichkeiten eines Versicherungsnehmers ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse und damit auch auf seine Interessen an. In erster Linie ist vom Bedingungswortlaut auszugehen. Der mit dem Bedingungswerk verfolgte Zweck und der Sinnzusammenhang der Klauseln sind zusätzlich zu berücksichtigen, soweit sie für den Versicherungsnehmer erkennbar sind (BGH, Urteil vom 6. Juli 2016 – IV ZR 44/15, BGHZ 211, 51 Rn. 17 mwN). Bei einer Versicherung, die sich – wie die Betriebsschließungsversicherung – an gewerbliche Versicherungsnehmer wendet, richtet sich die Auslegung hierbei nach dem in Unternehmerkreisen zu erwartenden Verständnis der Bedingungen (vgl. – jeweils zur Betriebsunterbrechungsversicherung – BGH, Urteil vom 21. April 2010 – IV ZR 308/07, r+s 2010, 286 Rn. 12; Senatsurteil vom 28. April 2004 – 20 U 199/03, VersR 2004, 1264 unter 2; s. auch BGH, Urteil vom 18. November 2020 – IV ZR 217/19, r+s 2021, 27 Rn. 11 zur D&O-Versicherung).

b)

Nach diesen Maßstäben sind die AVB Betriebsschließung dahin auszulegen, dass jedenfalls Krankheiten und Krankheitserreger, die weder im Infektionsschutzgesetz in der Gesetzesfassung bei Abschluss des Versicherungsvertrages noch in dem Katalog der AVB Betriebsschließung aufgeführt sind, vom Versicherungsschutz nicht umfasst sind.

Der durchschnittliche – gewerbliche – Versicherungsnehmer kann bei aufmerksamer und verständiger Durchsicht der Versicherungsbedingungen nicht annehmen, es seien durch § 25 Nr. 4 AVB Betriebsschließung sämtliche Krankheiten und Krankheitserreger vom Versicherungsschutz umfasst, die nach den §§ 6 und 7 IfSG meldepflichtig sind, also auch solche, bei denen sich die Meldepflicht aus den Generalklauseln in § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 und § 7 Abs. 2 IfSG ergibt oder die erst nach Vertragsschluss durch eine Gesetzesänderung in §§ 6 und 7 IfSG aufgenommen wurden.

aa)

Der durchschnittliche Versicherungsnehmer wird den Wortlaut des Leistungsversprechens des Versicherers in § 25 Nr. 1 AVB Betriebsschließung zum Ausgangspunkt seiner Überlegungen nehmen. Er erkennt, dass Entschädigungsleistungen unter anderem für den Fall versprochen werden, dass die zuständige Behörde den versicherten Betrieb oder eine versicherte Betriebsstätte zur Verhinderung der Verbreitung meldepflichtiger Krankheiten oder Krankheitserreger beim Menschen schließt. In der Frage, welche Rechtsgrundlage der Betriebsschließung zugrunde liegen muss, wird der durchschnittliche Versicherungsnehmer weiter auf das IfSG verwiesen und dann zum Merkmal „Auftreten meldepflichtiger Krankheiten oder Krankheitserreger“ auf § 25 Nr. 4 AVB Betriebsschließung. Er erkennt, dass er diese Bestimmung zusätzlich in den Blick nehmen muss.

Der durchschnittliche Versicherungsnehmer wird nun erkennen, dass diese Klausel in der Frage, welche Krankheiten und Krankheitserreger meldepflichtig sind, wiederum auf die §§ 6 und 7 IfSG Bezug nimmt und die namentliche Benennung der Krankheit oder des Krankheitserregers in diesen Bestimmungen verlangt, es hiermit aber nicht sein Bewenden hat. Der Wendung „im Sinne dieser Bedingungen“ und dem Zusatz „die folgenden“ kann er vielmehr weiter mit hinreichender Deutlichkeit entnehmen, dass sich das Leistungsversprechen des Versicherers auf die nachfolgenden, katalogmäßig aufgeführten Krankheiten und Krankheitserreger beschränken soll.

Der enumerative Charakter der Aufzählungen wird dem um Verständnis bemühten Versicherungsnehmer bereits durch die Wendung „die folgenden“ deutlich vor Augen geführt. Dafür, dass es sich lediglich um eine beispielhafte Auflistung handeln soll, liefert ihm der Wortlaut der Klausel keinen Anhalt. Ihre sprachliche Gestaltung verdeutlicht ihm vielmehr den abschließenden Charakter der Aufzählung, zumal sie zusätzlich die „namentliche“ Benennung der Krankheit oder des Krankheitserregers verlangt. Für den verständigen Versicherungsnehmer ist das Anliegen des Versicherers, auf diese Weise eine erschöpfende Regelung zu treffen und sein Leistungsversprechen auf die benannten Krankheiten und Krankheitserreger zu begrenzen, durchaus erkennbar und nachvollziehbar.

Dies gilt auch wenn der durchschnittliche Versicherungsnehmer die Regelungen der §§ 6 und 7 IfSG nicht kennen wird und auch nicht erwartet werden kann, dass er sich beim Abschluss der Versicherung von ihnen Kenntnis verschafft (insoweit anders OLG Stuttgart, Urteil vom 18. Februar 2021 – 7 U 351/20, r+s 2021, 139 Rn. 21; OLG Oldenburg, Urteil vom 6. Mai 2021 – 1 U 10/21, BeckRS 2021, 11123 Rn. 27; vgl. auch Fortmann, VersR 2020, 1073, 1076; wie hier OLG Dresden, Urteil vom 8. Juni 2021 – 4 U 61/21, BeckRS 2021, 15585 Rn. 16).

bb)

Der Begriff „namentlich“ ist hier auch so zu verstehen wie dargelegt. Zwar kann der Begriff – je nach dem Kontext – auch im Sinne von „im Besonderen“, „hauptsächlich“ oder „vor allem“ gemeint sein; so kann ihn der durchschnittliche Versicherungsnehmer aber vorliegend, zumal im Zusammenhang mit der Verwendung des Begriffs „die folgenden“, schon aufgrund seiner Stellung im Satzgefüge nicht verstehen. Der Begriff „namentlich“ kann hier nur als „mit Namen benannt“ oder „ausdrücklich benannt“ verstanden werden (so auch OLG Celle, Urteil vom 1. Juli 2021 – 8 U 5/21, BeckRS 2021, 16959 Rn. 26 ff.; OLG Dresden, Urteil vom 9. Juni 2021 – 4 U 61/21, BeckRS 2021, 15585 Rn. 19; OLG Oldenburg, Urteil vom 6. Mai 2021 – 1 U 10/21, NJW-RR 2021, 1042 Rn. 22 ff.; OLG Stuttgart, Urteil vom 15. Februar 2021 – 7 U 351/20, r+s 2021, 139 Rn. 27 ff.; LG Hamburg, Urteil vom 26. November 2020 – 332 O 190/20, COVuR 2021, 37 Rn. 20; vgl. auch Rixecker in Schmidt, COVID-19, 3. Aufl. § 12 Rn. 61 mwN; anders Armbrüster in Prölss/Martin, VVG 31. Aufl. AVB BS 2002 Rn. 13; Rolfes, VersR 2020, 1021, 1023; Griese, VersR 2021, 147, 150).

cc)

Demgemäß ist in der hier maßgeblichen Frage, ob auch solche Krankheiten und Krankheitserreger vom Leistungsversprechen erfasst werden, die erst nach Vertragsschluss durch eine Gesetzesänderung in §§ 6 und 7 IfSG aufgenommen wurden, auch für die Anwendbarkeit der Unklarheitenregelung des § 305c Abs. 2 BGB kein Raum (so auch Rixecker aaO Rn. 63). Denn diese setzt voraus, dass nach Ausschöpfung der in Betracht kommenden Auslegungsmethoden ein nicht behebbarer Zweifel verbleibt und mindestens zwei unterschiedliche Auslegungen vertretbar sind (BGH, Urteil vom 14. Juni 2017 – IV ZR 161/16, r+s 2017, 421 Rn. 12 mwN).

Zweifel können sich für den durchschnittlichen Versicherungsnehmer aufgrund der Inbezugnahme der §§ 6 und 7 IfSG dann ergeben, wenn der in den AVB Betriebsschließung enthaltene Katalog der Krankheiten und Krankheitserreger solche nicht benennt, auf die aufgrund einer Gesetzesänderung bis zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses die Bestimmungen der §§ 6 und 7 IfSG die Meldepflicht erstreckt worden ist. Insoweit sind die AVB Betriebsschließung nach der Unklarheitenregel im Zweifel zugunsten des Versicherungsnehmers auszulegen, was nach Auffassung des Senats ohne weiteres möglich ist (vgl. zum Verständnis des durchschnittlichen Versicherungsnehmers OLG Karlsruhe, Urteil vom 30. Juni 2021 – 12 U 4/21, r+s 2021, 438 Rn. 38). Eine nähere Erörterung der Gesetzesänderungen bis zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses ist hier nicht veranlasst; darauf kommt es im Streitfall nicht an. Demgegenüber lässt die konkrete Klauselfassung für den durchschnittlichen – gewerblichen – Versicherungsnehmer gerade keinen Zweifel daran aufkommen, dass sich das Leistungsversprechen des Versicherers nicht auch auf solche Krankheiten oder Krankheitserreger erstrecken soll, an deren konkreter Benennung im Zeitpunkt des Vertragsschlusses es im IfSG fehlt, die vielleicht noch nicht einmal bekannt, mithin für den Versicherer in ihren Folgen grundsätzlich unüberschaubar und damit nicht kalkulierbar sind (vgl. insoweit auch OLG Stuttgart, Urteil vom 15. Februar 2021 – 7 U 351/20, r+s 2021, 139 Rn. 32).

dd)

Etwas anderes folgt auch nicht daraus, dass die Beklagte in § 25 Nr. 5 Buchstabe c) cc) AVB Betriebsschließung ausdrücklich Prionenerkrankungen oder den Verdacht hierauf von der Deckung ausnimmt. Dieser Risikoausschluss ist nicht dazu angetan, den durchschnittlichen Versicherungsnehmer zu dem Verständnis zu verleiten, dass die maßgeblichen Krankheiten und Krankheitserreger in § 25 Nr. 4 AVB Betriebsschließung nicht abschließend aufgelistet sein sollen (entgegen LG München I, Urteil vom 1. Oktober 2020 – 12 O 5895/20, r+s 2020, 618 Rn. 95; Armbrüster in Prölss/Martin, VVG 31. Aufl. AVB BS 2002 Rn. 11; ders., VersR 2020, 577, 583; ders., r+s 2020, 508; Fortmann, ZfV 2020, 300, 301; ders., r+s 2021, 144). Denn die Ausschlussklausel hat auch als klarstellende und deklaratorische Aussage eine Rechtfertigung, um etwaige Fehlvorstellungen des Versicherungsnehmers auszuschließen (LG Nürnberg-Fürth, Urteil vom 29. Dezember 2020 – 2 O 5654/20, r+s 2021, 144 Rn. 29; LG Hamburg, Urteil vom 10. Dezember 2020 – 332 O 238/20, BeckRS 2020, 34910 Rn. 23; s. auch OLG Dresden, Urteil vom 9. Juni 2021 – 4 U 61/21, BeckRS 2021, 15585 Rn. 27; OLG Oldenburg, Urteil vom 6. Mai 2021 – 1 U 10/21, NJW-RR 2021, 1042 Rn. 28).

Dahinstehen kann hierbei, ob in Betracht kommt, dass – möglicherweise bei Fortentwicklung wissenschaftlicher Erkenntnisse – eine der in § 25 Nr. 4 AVB Betriebsschließung genannten Krankheiten oder Krankheitserreger auch als „Prionenerkrankung“ bewertet werden könnte. Auch wenn man das verneint und annimmt, dass § 25 Nr. 5 Buchstabe c) cc) AVB Betriebsschließung nach der üblichen Systematik von Versicherungsbedingungen unverständlich sei (Ausschluss nur für zunächst „eingeschlossene“, an sich versicherte Risiken), ändert das nichts. Denn die hier verwandten Formulierungen in § 25 Nr. 1 und Nr. 4 AVB Betriebsschließung sind – wie ausgeführt – so eindeutig, dass ein überflüssiger, systematisch unverständlicher Ausschluss – für den durchschnittlichen Versicherungsnehmer – an diesem eindeutigen Sinn nichts ändert. Der Versicherungsnehmer wird den Ausschluss dann als (überflüssige) Verdeutlichung dahin verstehen, dass der – in der Vergangenheit besonders relevant gewordene – Fall von Prionenerkrankungen (Bovine spongiforme Enzephalopathie – BSE – und die beim Menschen ausgelöste Creuzfeldt-Jakob-Krankheit) nicht versichert ist (so bereits Senatsbeschluss vom 21. April 2021 – 20 U 17/21, BeckRS 2021, 14665 Rn. 25; s. auch OLG Celle, Urteil vom 1. Juli 2021 – 8 U 5/21, BeckRS 2021, 16959 Rn. 30 ff.).

2.

In dieser Auslegung begegnet das Leistungsversprechen der Beklagten keinen Bedenken im Hinblick auf das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB (entgegen – allerdings zu einer abweichenden Bedingungslage – OLG Karlsruhe, Urteil vom 30. Juni 2021 – 12 U 4/21, r+s 2021, 438 Rn. 31 ff.; wie hier OLG Celle, Urteil vom 1. Juli 2021 – 8 U 5/21, BeckRS 2021, 16959 Rn. 33 ff.).

a)

Nach dem Transparenzgebot ist der Verwender von Allgemeinen Versicherungsbedingungen entsprechend den Grundsätzen von Treu und Glauben gehalten, Rechte und Pflichten seines Vertragspartners möglichst klar und durchschaubar darzustellen. Dabei kommt es nicht nur darauf an, dass eine Klausel in ihrer Formulierung für den durchschnittlichen Versicherungsnehmer verständlich ist. Vielmehr gebieten Treu und Glauben auch, dass sie die wirtschaftlichen Nachteile und Belastungen so weit erkennen lässt, wie dies nach den Umständen gefordert werden kann (vgl. BGH, Urteile vom 31. März 2021 – IV ZR 221/19, r+s 2021, 325 Rn. 67; vom 4. Juli 2018 – IV ZR 200/16, r+s 2018, 425 Rn. 25; jeweils mwN; stRspr). Das Transparenzgebot verlangt ferner, dass Allgemeine Versicherungsbedingungen dem Versicherungsnehmer bereits im Zeitpunkt des Vertragsschlusses vor Augen führen, in welchem Umfang er Versicherungsschutz erlangt und welche Umstände seinen Versicherungsschutz gefährden. Nur dann kann er die Entscheidung treffen, ob er den angebotenen Versicherungsschutz nimmt oder nicht. Der durchschnittliche Versicherungsnehmer braucht nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht mit Lücken im Versicherungsschutz zu rechnen, ohne dass eine Klausel ihm dies hinreichend verdeutlicht (BGH, Urteil vom 13. September 2017 – IV ZR 302/16, r+s 2017, 586 Rn. 13 mwN).

b)

Dem ist hier genügt.

Das Leistungsversprechen des Versicherers ist klar gefasst und für den durchschnittlichen Versicherungsnehmer verständlich formuliert. Es lässt – wie ausgeführt – keinen Zweifel daran aufkommen, dass sich der Versicherungsschutz nicht auf sämtliche nach §§ 6 und 7 IfSG meldepflichtigen Krankheiten und Krankheitserreger erstreckt, also insbesondere weder die Generalklauseln in § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 und § 7 Abs. 2 IfSG von der Deckung erfasst sind noch Versicherungsschutz auch für künftige, im Zeitpunkt des Vertragsschlusses weder im Gesetz noch im Katalog der AVB Betriebsschließung genannte Krankheiten und Krankheitserreger versprochen wird (entgegen LG München I, Urteil vom 1. Oktober 2020 – 12 O 5895/20, r+s 2020, 618; Armbrüster in Prölss/Martin, VVG 31. Aufl. AVB BS 2002 Rn. 12).

Dem durchschnittlichen Versicherungsnehmer wird allein durch die Bezugnahme auf §§ 6 und 7 IfSG gerade nicht der Eindruck vermittelt, dass jede Betriebsschließung auf der Grundlage des Infektionsschutzgesetzes vom Versicherungsschutz erfasst sei (anders zu einer ähnlichen Bedingungslage, jedoch mit Verweis auf das IfSG in der Fassung vom 20. Juli 2000: OLG Karlsruhe, Urteil vom 30. Juni 2021 – 12 U 4/21, r+s 2021, 438 Rn. 36; s. dazu auch Senatsurteil vom 14. Juli 2021 – 20 U 79/21, BeckRS 2021, 18259 Rn. 37 = VersR 2021, 1170). Auf die Frage, ob der durchschnittliche Versicherungsnehmer die Inbezugnahme der §§ 6 und 7 IfSG jedenfalls dahin verstehen darf, dass die Bedingungen den Rechtszustand im Zeitpunkt des Vertragsschlusses wiedergeben, kommt es in diesem Zusammenhang nicht an (vgl. jedoch OLG Karlsruhe aaO). Denn die Rechtsfolge einer solchen Unklarheit ergibt sich, wie erörtert, aus § 305c Abs. 2 BGB, ohne dass die Klausel deshalb als intransparent im Sinne von § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB zu verwerfen wäre. Der Senat verkennt bei alledem nicht, dass auch die bloße Unklarheit einer Klausel zu ihrer Intransparenz führen kann. Allein eine objektive Mehrdeutigkeit der Klausel bewirkt aber noch keinen Verstoß gegen das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB (vgl. BeckOGK BGB/Bonin, § 305c Rn. 87 [Stand: 1. September 2021]).

Darauf, dass die Bedingungen noch klarer und verständlicher hätten formuliert werden können, indem man etwa – wie bei anderen Bedingungswerken – den abschließenden Charakter der Aufzählung durch einen zusätzlichen Begriff wie „ausschließlich“ oder „nur“ hätte verdeutlichen können, kommt es entgegen der Auffassung der Berufung nicht an (vgl. insoweit BGH, Urteile vom 4. April 2018 – IV ZR 104/17, r+s 2018, 258 Rn. 8; vom 13. September 2019 – IV ZR 302/16, r+s 2017, 586 Rn. 15; s. auchLüttringhaus/Eggen, r+s 2020, 250, 253).

Die weitere – auch von der Beklagten in ihrer Berufungserwiderung thematisierte – Frage, ob das Leistungsversprechen in § 25 Nr. 1 und Nr. 4 AVB Betriebsschließung auch deshalb von vornherein von einer Unwirksamkeitsfolge ausgeschlossen bleiben muss, weil es ansonsten – mangels gesetzlicher Definition des Versicherungsfalles in der Betriebsschließungsversicherung – keine Regelung zum Versicherungsschutz als solchem und zur Einordnung des Versicherungsfalles gäbe (vgl. BGH, Urteil vom 26. März 2014 – IV ZR 422/12, VersR 2014, 625 Rn. 35 zur Betriebshaftpflichtversicherung; OLG Karlsruhe, Urteil vom 30. Juni 2021 – 12 U 4/21, r+s 2021, 438 Rn. 48 mwN zum Streitstand), ist nicht entscheidungserheblich.

3.

Auch im Übrigen hält das von der Beklagten in § 25 Nr. 1 und Nr. 4 AVB Betriebsschließung übernommene Leistungsversprechen einer Einbeziehungs- und Inhaltskontrolle (§§ 305c, 307 BGB) stand. Hierbei kann die Frage, ob eine Inhaltskontrolle der Klauseln nach § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB (ganz oder teilweise) überhaupt in Betracht kommt, offen bleiben. Denn die Regelung ist nicht überraschend und stellt keine unangemessene Benachteiligung des Versicherungsnehmers dar. Der Versicherer darf – wenn er dies wie geschehen klar formuliert – den Versicherungsschutz auf bestimmte, ihm bekannte Risiken beschränken (Senatsbeschluss vom 21. April 2021 – 20 U 17/21, BeckRS 2021, 14665 Rn. 30).

Schließlich bedeutet die hier vereinbarte Begrenzung des Leistungsversprechens keine Vertragszweckgefährdung im Sinne von § 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB (s. auch OLG Celle, Urteil vom 1. Juli 2021 – 8 U 5/21, BeckRS 2021, 16959 Rn. 43). Denn Leistungsbegrenzungen bleiben grundsätzlich der freien unternehmerischen Entscheidung des Versicherers überlassen, soweit er nicht mit der Beschreibung der Hauptleistung beim Versicherungsnehmer falsche Vorstellungen weckt. Eine Gefährdung des Vertragszwecks liegt erst dann vor, wenn die Einschränkung den Vertrag – wie hier nicht – seinem Gegenstand nach aushöhlt und in Bezug auf das zu versichernde Risiko zwecklos macht (s. zum Ganzen BGH, Urteil vom 12. Juli 2017 – IV ZR 151/15, r+s 2017, 478 Rn. 15 mwN; stRspr).

4.

Alle weiteren im Zusammenhang mit dem zugrunde zu legenden Verständnis des Leistungsversprechens von den Parteien erörterten Rechtsfragen können dahingestellt bleiben.

Allerdings merkt der Senat an, dass ein Anspruch der Klägerin – anders als die Beklagte meint – nicht mit dem Argument zu verneinen sein dürfte, dass die Betriebsschließungsversicherung nach den vereinbarten Versicherungsbedingungen nur eine Betriebsschließung aufgrund einer konkreten, einzelfallbezogenen Maßnahme zur Bekämpfung einer gerade aus dem konkreten Betrieb erwachsenen Infektionsgefahr (sog. intrinsische Gefahr) erfassen würde. Eine derartige Beschränkung des Leistungsversprechens des Versicherers lässt sich den AVB Betriebsschließung nicht, jedenfalls nicht mit der gebotenen Deutlichkeit im Wege der Auslegung entnehmen (entgegen OLG Schleswig, Urteile vom 10. Mai 2021 -16 U 25/21, CoVUR 2021, 349 m. abl. Anm. Frohnecke und 16 U 26/21, BeckRS 2021, 10892 m. zust. Anm. Günther, FD-VersR 2021, 439431; OLG Hamburg, Urteil vom 16. Juli 2021 – 9 U 25/21, BeckRS 2021, 21090 Rn. 28 ff.; LG Stuttgart, Urteil vom 17. November 2020 – 41 O 35/20 KfH, VersR 2021, 175; wie hier OLG Karlsruhe, Urteil vom 30. Juni 2021 – 12 U 4/21, r+s 2021, 438 Rn. 54; OLG Dresden, Urteil vom 9. Juni 2021 – 4 U 61/21, BeckRS 2021, 15585 Rn. 24 ff.; Rixecker in Schmidt, COVID-19, 3. Aufl. § 12 Rn. 66; Piontek, COVuR 2020, 652, 653 mwN sowie zum österreichischen Recht OGH Wien, Urteil vom 24. Februar 2021 – 7 Ob 214/20a, VersR 2021, 602 Rn. 43 f.).

5.

Im Ergebnis zu Recht hat das Landgericht schließlich angenommen, dass der Klägerin ein Anspruch auch nicht unter Schadensersatzgesichtspunkten zusteht.

Hierbei kann dahinstehen, ob ein Versicherungsnehmer unabhängig von der Formulierung und der Auslegung der Bedingungen Versicherungsschutz genießt, wenn ihm das durch den Versicherer oder einen Versicherungsvermittler erklärt wird, oder wenn er vor Abschluss des Vertrages dahin beraten worden ist, das von ihm erworbene Produkt sichere ihn umfassend gegen jedwede seuchenbedingte Betriebseinschränkungen ab (s. insoweit Rixecker in Schmidt, COVID-19 3. Aufl. § 12 Rn. 64a mwN).

Denn die Klägerin hat weder vorgetragen noch bewiesen, dass der Agent ihr gegenüber eine derart weitreichende Erklärung vor Abschluss des Vertrages abgegeben hat. Dass die Motivation für den Abschluss des Vertrages die Schweinegrippe war und die Klägerin und der Agent ggf. zu Unrecht übereinstimmend davon ausgegangen sein mögen, dass bei einer Betriebsschließung infolge dieser Krankheit Deckungsschutz bestehe, genügt insoweit nicht.

Eine Eindeckung des Risikos folgt auch nicht aus § 5 Abs. 3 VVG. Zwar ist im Grundsatz anerkannt, dass auch mündliche Ergänzungen, die vor dem Agenten zum schriftlichen Antrag abgegeben werden, gegenüber dem Versicherer erklärt sind. Fertigt der Versicherer dann einen Versicherungsschein aus, der inhaltlich nicht dem vom Vermittler entgegen genommenen – mündlich ergänzten – Antrag entspricht, findet mangels unveränderter Annahme des Antrags die Bestimmung des § 5 VVG Anwendung, so dass mit Blick auf das Fehlen der nach § 5 Abs. 2 VVG für eine Billigung nach § 5 Abs. 1 VVG erforderlichen Belehrung der Vertrag mit dem Inhalt des Antrags zustande kommt (vgl. insoweit BGH, Urteil vom 19. September 2001 – IV ZR 235/00, r+s 2002, 97 unter II 1; s. auch Piontek, r+s 2020, 623, 624). Daraus ergibt sich aber nicht, dass eine dem Agenten mitgeteilte Motivation für den Abschluss des Vertrages, wie sie sich hier allenfalls feststellen lässt, einen darüber hinausgehenden, umfassenden Versicherungsschutz begründet.

III.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Revision ist gemäß § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO zuzulassen. Die Rechtssache hat jedenfalls grundsätzliche Bedeutung. Sie wirft entscheidungserhebliche, klärungsbedürftige und klärungsfähige Rechtsfragen auf, die sich über den Einzelfall hinaus in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen stellen können und deshalb für die Allgemeinheit von besonderer Bedeutung sind. Eine Rechtsfrage ist dann klärungsbedürftig, wenn ihre Beantwortung in Literatur und Rechtsprechung umstritten ist (vgl. dazu BGH, Beschluss vom 11. Mai 2004 – XI ZB 39/03, BGHZ 159, 135).

Zwar ist Grundsatzbedeutung nicht allein deshalb anzunehmen, wenn die Auslegung einer Klausel in Allgemeinen Versicherungsbedingungen in Rede steht, weil dies allein noch nicht die Erwartung rechtfertigt, dass sich die Frage der Auslegung in einer Vielzahl von Fällen stellen kann (BGH, Beschluss vom 9. März 2016 – IV ZR 308/13, NJOZ 2016, 1157 Rn. 14). Die Frage der Auslegung identischer oder vergleichbarer Versicherungsbedingungen der Betriebsschließungsversicherung stellt sich aber angesichts der bundesweiten Betroffenheit von Versicherungsnehmern durch den sog. Lockdown in einer Vielzahl von Fällen und wird in der instanzgerichtlichen Rechtsprechung und im Schrifttum unterschiedlich beurteilt (vgl. auch OLG Karlsruhe, Urteil vom 30. Juni 2021 – 12 U 4/21, r+s 2021, 438).

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