OLG Koblenz, Beschl. v. 25.04.2018 – 1 U 115/18 Erbschaftsbesitzer, Verschweigungseinrede

November 16, 2018

OLG Koblenz, Beschl. v. 25.04.2018 – 1 U 115/18
Erbschaftsbesitzer, Verschweigungseinrede
1. 1.
Gem. § 2018 BGB kann der Erbe von jedem, der auf Grund eines ihm in Wirklichkeit nicht zustehenden Erbrechts aus der Erbschaft etwas erlangt hat (Erbschaftsbesitzer), die Herausgabe des Erlangten verlangen. Ziel der Regelung ist es, dem Erben den Nachlass zumindest wertmäßig vollständig zu verschaffen und ihm die Rechtsverfolgung gegenüber dem Erbschaftsbesitzer zu erleichtern.
2. 2.
Der Erbe kann sich auf die Verschweigungseinrede gem. § 1974 BGB erfolgreich berufen, wenn ein Nachlassgläubiger, der einem ausgeschlossenen Gläubiger gleich zu stellen ist, später als fünf Jahre nach dem Erbfall geltend macht, es sei denn dass die Forderung dem Erben vor Ablauf der fünf Jahre bekannt geworden oder im Angebotsverfahren angemeldet worden ist (in Anknüpfung an BGH v. 13.07.1989 – IX ZR 227/89, NJW-RR 1989, 1226 [BGH 13.07.1989 – IX ZR 227/87]; OLG Brandenburg, Urt. v. 08.11.2006 – 13 U 40/06, BeckRS 2007, 00302).
3. 3.
Die Verschweigungseinrede soll den Erben vor Nachteilen durch nachlässige oder verhinderte Nachlassgläubiger schützen (in Anknüpfung an OLG Brandenburg, BeckRS 2007, 00302).
4. 4.
Werden die Gegenforderungen des Nachlassgläubigers mehr als 9 1/2 Jahre nach dem Tode der Erblasserin in dem Rechtsstreit zur Aufrechnung gestellt, ist der Nachlassgläubiger mit einer Aufrechnung mit Gegenforderungen ausgeschlossen.
(LG Koblenz, Urt. 16 O 241/17)
Gründe:
Die Voraussetzungen nach § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO sind nach Auffassung des Senats gegeben. Die Berufung hat offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordern eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht. Eine mündliche Verhandlung ist nicht geboten.
1) Das LG hat den Beklagten unter Klageabweisung im Übrigen verurteilt, an die Klägerin einen Betrag i.H.v. 73.124,00 € nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 19.04.2017 sowie einen Betrag i.H.v. 2.085,95 € zu zahlen.
Hiergegen wendet sich der Beklagte, soweit er zur Zahlung vorstehender Beträge verurteilt worden ist. Der Beklagte erstrebt unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Abweisung der Klage.
2) Das LG hat zu Recht der Klägerin gegen den Beklagten einen Anspruch auf Auszahlung des zum Todesfallzeitpunkt der Erblasserin am 30.07.2008 bei der …[Y]bank …[Z] eG vorhandenen Guthabenbetrags von 73.124,00 € nebst Zinsen sowie Erstattung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten von 2.085,95 € zugesprochen.
a) Der Klägerin steht als Erbin der Erblasserin gegenüber dem Beklagten als Erbschaftsbesitzer ein derartiger Anspruch zu.
Gem. § 2018 BGB kann der Erbe von jedem, der auf Grund eines ihm in Wirklichkeit nicht zustehenden Erbrechts aus der Erbschaft etwas erlangt hat (Erbschaftsbesitzer), die Herausgabe des Erlangten verlangen. Ziel der Regelung ist es, dem Erben den Nachlass zumindest wertmäßig vollständig zu verschaffen und ihm die Rechtsverfolgung gegenüber dem Erbschaftsbesitzer zu erleichtern (vgl. BeckOK-BGB/Müller-Christmann, 45. Edition, § 2018 Rn. 1; MünchKomm-BGB/Helms, 7. Aufl. 2017, § 2018 Rn. 1).
Das LG ist aufgrund des von der Klägerin zur Gerichtsakte vorgelegten Erbscheins des AG – Nachlassgericht – Bad Neuenahr-Ahrweiler vom 17.08.2016 zu Recht zu der Überzeugung gelangt (§ 286 ZPO), dass die Klägerin, Tochter der Erblasserin, Erbin hinsichtlich des Nachlasses der Erblasserin, …[A], geworden ist. Dies wird von dem Beklagten mit seiner Berufung auch nicht angegriffen.
Mit Recht führt das LG aus, dass der Beklagte Erbschaftsbesitzer gewesen sei, was dieser nicht in Abrede stellt.
Der Beklagte hat das bei der …[Y]bank …[Z] eG auf den Namen der Erblasserin bestehende Konto aufgelöst und das vorhandene Guthaben auf sein Konto übertragen lassen; er war damit Erbschaftsbesitzer.
3) Richtig nimmt das LG an, dass die Forderung der Klägerin auf Auszahlung des Betrages von 73.124,00 € nicht durch eine Aufrechnung mit Gegenforderungen des Beklagten nach §§ 387, 389 BGB erloschen ist.
a) Im Hinblick auf die vom Beklagten mit Schriftsätzen vom 27.09.2017 und 22.11.2017 erklärte Aufrechnung mit behaupteten Gegenforderungen für folgende Aufwendungen: Kosten der Beerdigung der Erblasserin und des Einsatzes für einen Rettungshubschrauber, Übernahme der Pflegekosten für 7 Jahre, Inanspruchnahme für von der Krankenlasse nicht erstattete Beträge, Demontage des Zählers in der Wohnung des Dachgeschosses, neue Brille, Kurzeitpflege, Transport durch das …[B] Service GmbH, Eigenanteil bei der …[C], Krankentransport Rechnung der Bundeshauptstadt …[X], Rechnung Ausstellung Totenschein durch Dr. …[D] und diverser Rechnungen der die Erblasserin zu Lebzeiten behandelnden Ärzte bzw. der Privatärztlichen Verrechnungsstelle …[E] GmbH etc., hat das LG zu Recht angenommen, dass die Klägerin sich erfolgreich auf die Verschweigungseinrede gem. § 1974 BGB habe berufen dürfen.
b) Danach ist ein Nachlassgläubiger, der seine Forderung später als fünf Jahre nach dem Erbfall geltend macht, einem ausgeschlossenen Gläubiger gleich zu stellen (vgl. hierzu § 1973 BGB, BGH, Urt. v. 13.07.1989 – IX ZR 227/8, FamRZ 1989, 1970 ff., hier zitiert nach juris Rn. 53), es sei denn, dass die Forderung dem Erben vor Ablauf der fünf Jahre bekannt geworden oder im Angebotsverfahren angemeldet worden ist (MünchKomm-BGB/Küpper, a.a.O., § 1974 Rn. 3). Die Verschweigungseinrede soll den Erben vor Nachteilen durch nachlässige oder verhinderte Nachlassgläubiger schützen (OLG Brandenburg, Urt. v. 08.11.2006 – 13 U 40/0, zitiert nach juris Rn. 41). Die Erblasserin ist am 30.07.2008 verstorben, die Gegenforderungen sind aber erstmals in diesem Rechtsstreit – Gegenteiliges ist nicht ersichtlich – mit Schriftsätzen vom 27.09.2017 und 22.11.2017, d.h. mehr als 9 1/2Jahre nach dem Tode der Erblasserin, zur Aufrechnung gestellt worden.
c) Der Beklagte rügt mit seiner Berufung ohne Erfolg, dass das LG gewissermaßen von Amts wegen, ohne zuvor einen Hinweis erteilt zu haben, auf die Verschweigungseinrede nach § 1974 BGB eingegangen sei. Denn die Klägerin hat bereits mit Schriftsatz vom 13.10.2017 die Einrede der Verjährung mit etwaigen, hier bestrittenen Gegenforderungen, erhoben.
d) Soweit der Beklagte mit seiner Berufung vorträgt, er habe nichts von dem Erbe der Klägerin gewusst und somit objektiv keine Möglichkeit gehabt, seine Ansprüche über ein Aufgebotsverfahren geltend zu machen; er habe erst von der Nachlasspflegerin, Frau Rechtsanwältin …[F] , von der Erbschaft der Klägerin erfahren, verfängt dieser Angriff nicht.
Der Beklagte hat, ausweislich der tatbestandlichen Feststellungen im angegriffenen Urteil unter Bezugnahme auf das Schreiben des Prozessbevollmächtigten des Beklagten vom 20.02.2015 an die Nachlasspflegerin, Frau Rechtsanwältin …[F] , weder gegenüber dieser wahrheitsgemäß angegeben, dass die Erblasserin über Vermögen verfügte noch dieser gegenüber Nachlassverbindlichkeiten angemeldet.
Der Beklagte hatte Kenntnis von dem Vermögen der Erblasserin, da er über entsprechende Kontovollmachten verfügte. Dem Erben gegenüber wird die Forderung auch dann erhoben, wenn der Gläubiger sich an den Nachlasspfleger, den Nachlassverwalter oder den verwaltenden Testamentsvollstrecker wendet (BeckOK-BGB/Lohmann, 45. Edition Stand 01.11.2017, BGB, § 1974 Rn. 3; MünchKomm-BGB/Küpper, a.a.O., § 1974 Rn. 3; Staudinger/Dutta, BGB, 2016, BGB § 1974 Rn. 7). Von dieser Möglichkeit hat der Beklagte innerhalb des 5-Jahres-Zeitraums ab Tod der Erblasserin keinen Gebrauch gemacht, in dem er seine behaupteten Gegenforderungen nicht angemeldet hat.
4) Das LG führt zutreffend aus, dass der Anspruch der Klägerin aus § 2018 BGB nicht verjährt ist, dieser Anspruch verjährt gem. § 197 Abs. 1 Nr. 2 BGB erst in 30 Jahren.
5) Das LG hat auch zu Recht eine Verwirkung des Anspruchs der Klägerin verneint.
a) Ein Recht ist verwirkt, wenn seit der Möglichkeit der Geltendmachung längere Zeit verstrichen ist (Zeitmoment) und besondere Umstände hinzutreten, die die verspätete Geltendmachung als Verstoß gegen Treu und Glauben erscheinen lassen (Umstandsmoment). Letzteres ist der Fall, wenn der Verpflichtete bei objektiver Betrachtung aus dem Verhalten des Berechtigten entnehmen durfte, dass dieser sein Recht nicht mehr geltend machen werde. Ferner muss sich der Verpflichtete im Vertrauen auf das Verhalten des Berechtigten in seinen Maßnahmen so eingerichtet haben, dass ihm durch die verspätete Durchsetzung des Rechts ein unzumutbarer Nachteil entstünde (vgl. BGH, Urt. v. 20.07.2010 – EnzR 23/09, NJW 2011, 212 [213] [BGH 20.07.2010 – EnZR 23/09], zitiert nach beckonline Rn. 20; Urt. v. 15.09.2010 – XII ZR 148/09, NJW 2010, 3714 [3715], zitiert nach beckonline Rn. 23; Urt. v. 23.01.2014 – VII ZR 177/13, NJW 2014, 1230 [1231] zitiert nach beckonline Rn. 13; vgl. auch Palandt/Grüneberg, BGB Kommentar, 77. Aufl. 2018, BGB, § 242 Rn. 87). Der Vertrauenstatbestand kann nicht durch bloßen Zeitablauf geschaffen werden (BGH, Urt. v. 09.10.2013 – XII ZR 59/12, WM 2014, 82 ff., zitiert nach juris Rn. 11).
Der Beklagte hat hierzu weder in erster Instanz noch im Berufungsverfahren zu einem die Verwirkung des klägerischen Anspruchs tragenden Zeit- oder Umstandsmoments vorgetragen.
Die Berufung des Beklagten hat aus den dargelegten Gründen offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg. […]

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