OLG Koblenz, Urteil vom 21. März 2019 – 1 U 1080/18 Amtspflichtverletzung eines beurkundenden Notars bei mangelhafter Ermittlung einer Grundschuld

Dezember 20, 2019

OLG Koblenz, Urteil vom 21. März 2019 – 1 U 1080/18
Amtspflichtverletzung eines beurkundenden Notars bei mangelhafter Ermittlung einer Grundschuld
1. Erhält der beurkundende Notar Kenntnis von der Lage des Grundstücks in einem Sanierungsgebiet (Sanierungsvermerk) und ist ein (bedingter) Rückzahlungsanspruch von Fördermitteln durch eine Grundschuld gesichert, so muss er in jedem Fall auf entsprechenden konkreten Hinweis der Verkäuferseite das weitere Vorgehen (Löschung der Grundschuld mit daraus folgender Rückzahlungsverpflichtung oder Übernahme durch Käufer) klären.
2. Hat der Verkäufer Kenntnis von den Umständen der Bewilligung der Fördermittel und auch von seiner (unbedingten) Verpflichtung zur Rückzahlung bei Lösung der (Sicherungs-)Grundschuld, so trifft ihn ein hälftiges Mitverschulden, wenn trotz der unstreitigen Bereitschaft des Käufers zur Übernahme der Grundschuld und den entsprechenden Sanierungsverpflichtungen, diese Grundschuld – ohne weitere Klärung oder Beratung des Notars – gelöscht wird und von dem Kaufpreis zunächst die Fördermittel zurückgezahlt werden
vorgehend LG Bad Kreuznach, 14. August 2018, 2 O 269/15
Tenor
I. Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil der Einzelrichterin der 2. Zivilkammer des Landgerichts Bad Kreuznach vom 14. August 2018 (Az.: 2 O 269/15) abgeändert und wie folgt neu gefasst:
1. Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 12.500,00 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 18. April 2015 zu zahlen.
2. Der Beklagte wird weiter verurteilt, außergerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 958,19 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 24. Oktober 2015 zu zahlen.
3. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
4. Die Kosten des Verfahrens werden gegeneinander aufgehoben.
II. Die Kosten des Berufungsverfahrens werden gegeneinander aufgehoben.
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
I.
Der Kläger verlangt von dem beklagten Notar wegen einer behaupteten Pflichtverletzung im Rahmen der Beurkundung eines notariellen Kaufvertrages Schadensersatz.
Der Kläger veräußerte mit notariellem Kaufvertrag vom 24. März 2014 des beklagten Notars (dieser vertreten durch einen amtlich bestellten Vertreter) Grundbesitz in …[Z] an die …[A] GbR …[B] und …[C].
Der Kläger hatte als Eigentümer des streitgegenständlichen Objektes, das sich im Sanierungsgebiet „…[Z]“ befindet, für die Sanierung des Objektes aufgrund einer Sanierungsvereinbarung mit einer Laufzeit von 10 Jahren finanzielle Fördermittel der Stadt …[Z] in Höhe von 25.000,00 € unter Berücksichtigung der entsprechenden Modernisierungsrichtlinien erhalten. Zugunsten der Stadt …[Z] wurde im Zuge dessen eine nachrangige Grundschuld im Grundbuch in der Abteilung III unter Nr. 2 eingetragen. § 9 Abs. 4 und 5 i.V.m. § 5 Abs. 7 der Modernisierungsrichtlinie sah vor, dass eine Löschung der zugunsten der Stadt …[Z] eingetragenen Grundschuld die Rückzahlungspflicht des Zuschusses auslösen werde.
Nach vorbezeichneter Kaufvertragsurkunde sollte die Grundschuld gelöscht werden. Dazu hatte der Kläger dem Beklagten eine entsprechende Vollmacht erteilt. Bei der Beurkundung am 24. März 2014 fragte die anwesende Ehefrau des Klägers, die Zeugin …[D], den Notarvertreter vor Unterzeichnung sinngemäß, was nun mit der Grundschuld passieren werde, ob diese folgenlos gelöscht werden könne. Hierauf erwiderte der Notarvertreter, dass das Büro des Beklagten dies nach der Beurkundung mit der Verbandsgemeindeverwaltung regeln werde. Die Beurkundung wurde durchgeführt.
Mit Schreiben vom 25. April 2014 bat der Beklagte die Stadt …[Z] um die Erteilung einer Löschungsbewilligung für die Grundschuld. Mit Schreiben vom 19. Mai 2014 wies die Verbandsgemeinde …[Z] den Beklagten auf den Vertrag vom 8./ 9. Juli 2008, die Rückzahlungsverpflichtung des Sanierungszuschusses für den Fall der Löschung der Grundschuld und die Möglichkeit der Übernahme durch die Käuferin hin. Der Zugang dieses Schreibens bei dem Beklagten ist streitig.
Allerdings fand am 27. Mai 2014 ein Telefonat zwischen dem Zeugen …[E], dem Bürovorsteher des Beklagten, und dem Zeugen …[F], ehemaliger Mitarbeiter der Verbandsgemeindeverwaltung …[Z], statt, dessen genauer Inhalt streitig ist. Über dieses Telefonat existiert ein Telefonvermerk, angefertigt durch den Zeugen …[F] am selben Tag, der besagt, dass der Zusammenhang zwischen Rückzahlungspflicht, Löschungsbewilligung und der Eintragung/Löschung der Grundschuld mit dem Zeugen …[E] eingehend besprochen worden sei.
Nach Eingang der Löschungsbewilligung am 30. Mai 2014 zeigte der Beklagte die Fälligkeit der Zahlung des Kaufpreises am 4. Juni 2014 an und beantragte am 4. Juni 2014 die Ablösung der Grundschuld. Den Vorschlag einer ergänzenden Sanierungsvereinbarung (auch mit Übernahmeverpflichtung der neuen Käuferin des Grundstücks), um die Ablösungspflicht der Grundschuld rückgängig zu machen, lehnte die Verbandsgemeinde …[Z] ab, da dies aus ihrer Sicht eine neue Sanierungsförderung dargestellt hätte, für die es keine rechtliche Grundlage mehr gegeben hätte.
Der Kläger hat vorgetragen, dass im Telefonat vom 27. Mai 2014 der Zeuge …[F] die der Grundschuld zugrundeliegende Forderung der Verbandsgemeinde …[Z] erläutert habe. Der Beklagte sei ausdrücklich darüber in Kenntnis gesetzt worden, dass die Löschung der Grundschuld eine Rückführung des Sanierungszuschusses zur Folge gehabt hätte. Hierüber habe der Beklagte den Kläger nicht informiert und stattdessen die Grundschuld löschen lassen. Die Käuferin sei hingegen bereit gewesen, die Verpflichtung, die dem Sanierungszuschuss zugrunde lag, und die Grundschuld zu übernehmen, wodurch eine Rückforderung unterblieben wäre, was dem Beklagten bekannt gewesen sei.
Der Kläger hat beantragt,
1. den Beklagten zu verurteilen, an ihn einen Betrag in Höhe von 25.000,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 18. April 2015 zu zahlen;
2. den Beklagten zu verurteilen, an ihn vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.242,84 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Klageerhebung zu zahlen.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er hat vorgetragen, dass er zum Zeitpunkt der Anforderung der Löschungsbewilligung davon ausgegangen sei, dass ein ablösungsfähiges Darlehen der Grundschuld zugrunde liege. Er habe weder Kenntnis von der Übernahmebereitschaft der Käufer noch von den Folgen der Löschung der Grundschuld gehabt. Das Telefonat zwischen den Zeugen …[E] und …[F] beruhe darauf, dass sich die Erteilung der Löschungsbewilligung lange hinausgezögert habe und somit die Fälligkeitsanzeige seitens des Beklagten nicht habe erfolgen können. Das Schreiben vom 19. Mai 2014 habe er nie erhalten.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils, insbesondere die dort zitierten Urkunden, Bezug genommen, § 540 Abs. 1 ZPO.
Das Landgericht hat nach Durchführung einer Beweisaufnahme, der Vernehmung der Zeugen …[D], …[C], …[E] und …[F], den Beklagten antragsgemäß verurteilt.
Dem Kläger stehe ein Anspruch auf Schadensersatz nach den §§ 19 Abs. 1 BNotO, 17 Abs. 1 S. 1 BeurkG gegen den Beklagten sowie außergerichtliche Rechtsanwaltskosten zu.
Es hat entschieden, dass den Beklagten zwar nicht die Pflicht getroffen habe, bereits im Vorfeld des Vertrages ohne Anlass Erkundigungen im Hinblick auf relevante bestehende Verträge einzuholen; vorliegend hätte dem Beklagten jedoch im Zeitpunkt der Bewirkung der Löschung der Grundschuld bewusst sein müssen, dass die Regelung im notariellen Kaufvertrag vom 24. März 2014 den tatsächlichen Willen der Beteiligten nicht abgebildet habe. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme, insbesondere der Aussage des Zeugen …[F], stehe fest, dass mit dem Beklagten in dem Telefonat vom 27. Mai 2014 über die Folgen der Löschung der Grundschuld, nämlich der Rückzahlungspflicht der geleisteten 25.000,00 €, gesprochen worden sei. Der Beklagte hätte also zum Zeitpunkt der Beantragung der Löschung der Grundschuld erkennen müssen, dass dies nicht dem Willen der Partei entsprochen habe. Der Beklagte hätte also nicht ohne vorherige Rücksprache mit dem Kläger die Löschung der Grundschuld mit der einhergehenden Rückzahlungsverpflichtung in Höhe von 25.000,00 € beantragen dürfen. Diese Pflichtverletzung sei kausal für den eingetretenen Schaden, der erfolgten Rückzahlung des Sanierungszuschusses in Höhe von 25.000,00 € durch den Kläger. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme sei die Käuferin bereit gewesen, die Verpflichtungen aus der Zuschussgewährung zu übernehmen, so dass eine Rückzahlung nicht erforderlich gewesen wäre.
Gegen dieses Urteil wendet sich der Beklagte mit seiner Berufung. Er macht geltend, dass die entscheidende Richterin verfahrensfehlerhaft gehandelt habe, indem sie die Aussagen der Zeugen …[D] und …[C] ohne eigene Einvernahme verwertet habe, obwohl diese von ihrem Amtsvorgänger vernommen worden seien. Die Richterin sei verpflichtet gewesen, sich selbst einen persönlichen Eindruck von den Zeugen zu verschaffen. Im Übrigen habe das Gericht die Aussage des Zeugen …[C] insoweit nicht verwertet, soweit dieser ausgesagt habe, dass er nicht bereit gewesen wäre, mehr als den vereinbarten Kaufpreis zu zahlen.
Das Gericht habe in seinem Urteil die Aussage der Zeugin …[D] unrichtig bewertet, da ihre Frage im Rahmen der Beurkundung im Hinblick auf die bestehende Grundschuld an den Beklagten anders dargestellt worden sei. Der Beklagte habe vorgetragen, dass die Zeugin …[D] den Einwand nur allgemein erhoben habe, was denn mit der Grundschuld geschehen werde. Das Gericht habe des weiteren nicht berücksichtigt, dass der Beklagte die Existenz des Schreibens der Verbandsgemeinde vom 19. Mai 2014 bestritten habe. Schließlich habe der Beklagte vorgetragen, dass ihm das Schreiben nicht bekannt sei, so dass es als streitig hätte berücksichtigt werden müssen, dass dieses Schreiben auch versandt wurde. Es sei also nicht richtig, dass die Erstellung und Versendung des Schreibens nicht bestritten worden sei.
Das Urteil genüge im Übrigen auch nicht den Mindestvorgaben des § 313 Abs. 1 ZPO, da aus den Urteilsgründen nicht hervorgehe, warum das Gericht dem Zeugen …[E] keinen Glauben geschenkt habe. Die Begründung, dass der Zeuge …[E] sich zwar an die Dauer des Gespräches, aber nicht an den Inhalt erinnern konnte, sei als Begründung nicht ausreichend.
Im Übrigen sei der Beklagte als Notar nicht verpflichtet gewesen, den Inhalt der Grundschuld, insbesondere ob diese noch valutierte und in welcher Höhe, zu überprüfen. Nach den vertraglichen Vorgaben in Ziff. III B sei er durch den Käufer angewiesen worden, mittels des angegebenen Kaufpreises die Grundschuld zu löschen. Die Situation sei ähnlich gewesen wie bei einer Grundschuld, die ein Darlehen sichern sollte, bei der ein Notar auch keine Pflicht habe, den vertraglichen Inhalt des Darlehensvertrages zu ermitteln und zu bewerten. Im vorliegenden Fall sei vielmehr dem Kläger die Bedeutung der Grundschuld selbst bekannt gewesen, insbesondere die Folgen der Grundschuldlöschung. Insofern hätten vorliegend die Parteien selbst auf die Sonderinformationen hinsichtlich der bestehenden Grundschuld hinweisen müssen. Im Übrigen sei dem Kläger auch kein Schaden entstanden, wenn der Käufer tatsächlich bereit gewesen sei, die Sanierungsverpflichtungen aus der entsprechenden vertraglichen Vereinbarung zu übernehmen. Wenn dies so sei, dann sei er ja nach wie vor verpflichtet, die nachfolgenden Kosten für die Löschung der Grundschuld zu übernehmen. Letztlich sei auch unberücksichtigt geblieben, dass der Beklagte dem Zeugen …[C] eine Fälligkeitsmitteilung zugesandt habe, worin eindeutig stand, dass 25.000,00 € an die Stadt …[Z] für die Löschung der Grundschuld zu zahlen seien.
Letztlich greift er die Beweiswürdigung hinsichtlich der Aussage des Zeugen …[E] an. Nach den gegebenen Umständen sei dieser als glaubwürdiger als der Zeuge …[F] zu bewerten. Insbesondere habe der Zeuge …[F] unsicher bei seiner Aussage gewirkt. Außerdem habe er keine näheren Einzelheiten an das Telefonat mehr gehabt, während der Zeuge …[E] definitiv ausschließen konnte, dass er über die einzelnen Bedingungen der Grundschuldbestellung informiert worden sei.
Der Beklagte beantragt,
das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er verteidigt die Richtigkeit des angefochtenen Urteils. Er wiederholt und vertieft sein Vorbringen aus dem ersten Rechtszug. Entscheidend im vorliegenden Fall sei, dass der Beklagte im Zeitpunkt der Beantragung der Löschungsbewilligung den wahren Parteiwillen hätte ermitteln müssen, weil sich aus dem Telefonat mit dem Zeugen …[F] eine Sonderkonstellation hinsichtlich der eingetragenen Grundschuld zur Sicherung der Sanierungsvereinbarung ergeben habe.
Ihm sei tatsächlich ein Schaden entstanden. Es sei nie vorgetragen worden, dass der Käufer bereit gewesen sei, die Kosten, die durch die Löschung der Grundschuld entstehen, zu übernehmen. Es sei vielmehr dargetan worden und dies habe auch die Beweisaufnahme ergeben, dass der Zeuge …[C] bereit gewesen sei, die vertraglichen Verpflichtungen aus der Sanierungsvereinbarung zu übernehmen. Dazu hätte es auch gehört, die Grundschuld zu übernehmen, welches bedeute, dass eine Löschung der Grundschuld nicht hätte beantragt werden dürfen.
Nach der vorliegenden Fälligkeitsanzeige habe der Käufer allerdings nicht anders reagieren können als durch Zahlung des vereinbarten Kaufpreises.
Die Beweiswürdigung des Landgerichtes sei nicht zu beanstanden: Auch der Zeuge …[E] habe keine Detailerinnerung an das streitige Gespräch gehabt. Allerdings sei im Hinblick auf den eindeutigen Telefonvermerk des Zeugen …[F] (Anlage K7) erkennbar, dass der Zeuge …[F] in dem Telefonat ausdrücklich die Sanierungsverpflichtung thematisieren wollte und thematisiert hat. Im Übrigen habe das Landgericht fehlerfrei gehandelt, da es die Aussagen der Zeugen …[D] und …[C] im Wege des Urkundenbeweises zulässig in das Verfahren eingeführt hat.
Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die wechselseitig eingereichten Schriftsätze und Urkunden Bezug genommen.
II.
Die Berufung des Beklagten ist zulässig und hat zum Teil Erfolg. Das Landgericht hat zutreffend eine Amtspflichtverletzung des beurkundenden Notars angenommen, die eingetretene Schadenhöhe von 25.000,00 € ist jedoch aufgrund eines Mitverschuldens des Klägers im Sinne des § 254 BGB zwischen den Parteien zu teilen.
1. Ein Schadensersatzanspruch nach § 19 Abs. 1 BNotO ist gegeben, da der beklagte Notar im vorliegenden Fall gegen die ihm obliegenden Amtspflichten nach § 17 Abs. 1 S. 1 BeurkG verstoßen hat.
Das Landgericht hat hierbei die im Rahmen dieser Vorschrift bestehenden Pflichten zutreffend dargestellt und richtig auf den vorliegenden Fall angewendet. Der Notar hat den Willen der Beteiligten zu erforschen, den Sachverhalt zu klären, die Beteiligten über die rechtliche Tragweite des Geschäfts zu belehren und ihre Erklärung klar in der Niederschrift wiederzugeben. Es besteht keine allgemeine Nachforschungspflicht für vergangene, möglicherweise relevante Vertragsvorgänge. Anders verhält es sich jedoch, wenn der beurkundende Notar hätte erkennen können, dass eine bestimmte Vertragsgestaltung nicht hinreichend die Interessen der Parteien wahrt, insbesondere wenn ein Anlass zur Überprüfung bestand, das heißt wenn der Notar konkrete Anhaltspunkte für einen zuvor geschlossenen (für den aktuellen Vertrag relevanten) Vertrag vorlagen (OLG München, Beschluss vom 30. September 2015 – 1 U 257/15, juris, OLG München, Urteil vom 1. März 2012 – 1 U 1531/11, juris). Unstreitig wurde im vorliegenden Fall der Beklagte gefragt, was denn mit der streitgegenständlichen Grundschuld zu geschehen habe. Dies wäre ein maßgeblicher Anlass für den Notar gewesen, nachzufragen, aufgrund welcher Basis die Grundschuld eingetragen worden ist, zumal aus dem Grundbuch erkennbar war, dass ein Sanierungsvermerk bestand und Inhaber der Grundschuld nicht wie sonst üblich eine Bank (zur Sicherung eines Darlehens) eingetragen war, sondern eine Gemeinde. Eine entsprechende Nachfrage durch den Notar ist jedoch weder beim Käufer noch bei dem Verkäufer erfolgt. Der Notar hatte die Möglichkeit, zumindest den Verkäufer aufzufordern, in seinen Vertragsunterlagen nachzuschauen, aufgrund welches Umstandes die Grundschuld bestellt worden ist. Es hätte die Möglichkeit bestanden, die entsprechenden Vertragsunterlagen (und entsprechenden Sanierungsrichtlinien) als Problemfeld hinsichtlich der Rückzahlungspflicht der Grundschuld zu erörtern und zu bewerten. Letztlich kann jedoch dahinstehen bleiben, ob man die Pflicht des Notars bereits auf den Zeitpunkt der Beurkundung verlegt; maßgeblich im vorliegenden Fall ist jedenfalls, dass spätestens nach dem Telefonat des Bürovorstehers mit dem Zeugen …[F] von der Verbandsgemeindeverwaltung …[Z] die Problematik hinsichtlich der Rückzahlungsverpflichtung des Sanierungszuschusses in Höhe von 25.000,00 € bei Löschung der Grundschuld offen zu Tage trat und spätestens nun Anlass für den Notar bestand, die Parteien über diesen Umstand zu unterrichten und eingehend zu belehren. Zwar hatte der Kläger den Auftrag erteilt, dass die Grundschuld mit der Kaufpreiszahlung zu löschen sei, jedoch handelte es sich vorliegend nicht um ein wie in den üblichen Kaufvertragsfällen zugrundeliegendes Darlehen zur Finanzierung der Kaufpreissumme, sondern um eine atypische Konstellation. Es bestand aus Sicht des Notars verstärkt der Anlass anzunehmen, dass eine Rückzahlung eines Sanierungszuschusses nach über sechs Jahren nicht unbedingt dem Willen des Sanierungszuschussempfängers entsprechen konnte. Er musste vielmehr davon ausgehen, dass der Sanierungszuschuss bereits in der Vergangenheit zweckentsprechend verwendet wurde. Es war also zu überprüfen, ob und unter welchen Bedingungen eine Rückzahlungspflicht hinsichtlich dieses Zuschusses bestand und den Inhalt des Telefonats mit dem Zeugen …[F] bekanntzugeben, der die Hintergründe der Grundschuldbestellung im Rahmen der Sanierungsvereinbarung erläutert hat. Der Notar hätte die Pflicht und Möglichkeit gehabt, vor Beantragung und Durchführung der Löschung der Grundschuld die Kaufvertragsparteien über dieses Problem zu informieren und mit ihnen die Sachlage zu erörtern. Da er dies nicht getan hat, hat er die Kaufvertragsparteien für die vorliegende Problematik nicht sensibilisiert und diese haben möglicherweise aufgrund einer Fehleinschätzung der rechtlichen Situation die Vertragsabwicklung ungehindert laufen lassen, was zum Eintritt des Schadens (dazu nachfolgend) führte.
a) Die Beweiswürdigung des Landgerichts dahingehend, dass der Beklagte durch seinen Bürovorsteher, dem Zeugen …[E], in dem Telefonat vom 27. Mai 2014 spätestens über die Folgen der Löschung der Grundschuld durch den Zeugen …[F] von der Verbandsgemeinde …[Z] unterrichtet worden ist, ist nicht zu beanstanden.
Das erkennende Gericht hat unter Beachtung des beiderseitigen Parteivortrags und der Würdigung der Aussagen der vernommenen Zeugen keine Fehler im Sinne des § 286 ZPO begangen und es sind keine Anhaltspunkte ersichtlich, die eine erneute Verhandlung, insbesondere eine erneute Durchführung einer Beweisaufnahme oder eine andere Bewertung der Aussagen der Zeugen geboten oder notwendig erscheinen lassen.
Das erkennende Gericht ist in seiner Beweiswürdigung grundsätzlich frei. Grundlage der Beweiswürdigung ist das Gesamtergebnis der Beweisaufnahme, darüber hinaus auch jede sonstige (prozessordnungsgemäße) Wahrnehmung aus den Akten oder der mündlichen Verhandlung. Insbesondere das Recht auf rechtliches Gehör ist erst dann verletzt, wenn das Gericht angebotenen Beweis übergeht oder Beweismittel unvollständig würdigt oder Verstöße gegen Denk-, Natur- oder Erfahrungsgesetze vorliegen (BGH, NJW-RR 92, 1392, BGH-Report 2004, 185).
Im vorliegenden Fall lassen die Entscheidungsgründe des landgerichtlichen Urteils erkennen, dass sämtliche Umstände, insbesondere die Aussagen der vernommenen Zeugen, umfassend und fehlerfrei bewertet worden sind. Die erkennende Richterin hat ausreichend begründet, warum sie der Aussage des Zeugen …[F] gefolgt ist. Die Würdigung ist umfassend nachvollziehbar und vollständig. Ganz maßgeblich konnte die Richterin hierbei bewerten, dass der Zeuge …[F] zu dem Zeitpunkt, als er das Telefonat führte und noch im Amt war, einen entsprechenden Telefonvermerk erstellt hat, der sich dann auch bei den Verwaltungsakten befand. Auch wenn sich der Zeuge …[F] vier Jahre später nach dem Telefonat nicht mehr aktiv im Dienst befand und sich nicht mehr vollständig an das Gespräch erinnern konnte, so hat er doch aufgrund des vorliegenden Vermerkes (Anlage K7) den Gesprächsinhalt im Wesentlichen ausreichend rekapitulieren können. In dem Vermerk heißt es:
„Herr …[E] vom Notariat …[G] rief heute hier an und bat um eine Erläuterung zur Forderung der Stadt …[Z] aus der im Grundbuch eingetragenen Grundschuld über 25.000,00 €.
Der Zusammenhang der Eintragung (Sanierungsgebiet, Modernisierungszuschuss) wurde mit ihm eingehend besprochen.
Herr …[E] bat um Übersendung einer Löschungsbewilligung als Treuhandauftrag, da im Kaufvertrag ja bereits der Hinweis enthalten wäre, dass aus der Kaufpreissumme die Rechte in Abteilung III abzulösen sind.“
Hierin ist ein klarer und eindeutiger Zusammenhang hinsichtlich der Rückzahlungsproblematik des Sanierungszuschusses bei Löschung der Grundschuld niedergelegt. Es ist daher überzeugend und zutreffend, wenn das Landgericht bei dieser Sach- und Rechtslage nicht der Aussage des Zeugen …[E] gefolgt ist, der behauptete, dass auszuschließen sei, dass über die Hintergründe der Grundschuldbewilligung gesprochen worden sei.
b) Die Berufung rügt auch ohne Erfolg weitere Verfahrensfehler:
1) Indem die entscheidende Richterin die Aussagen der Zeugen …[D] und …[C] in der mündlichen Verhandlung vom 6. Dezember 2016 (Bl. 86 ff. GA, Vernehmung durch die Amtsvorgängerin) verwertet hat, liegt kein Verfahrensverstoß vor. Es handelt sich um die zulässige Verwertung eines Urkundsbeweises, in dem der reine Wortlaut einer Zeugenaussage ohne den persönlichen Eindruck von einer Person verwertet werden kann (BGH, Urteil vom 18. Oktober 2016 – 11 ZR 145/14). Mehr als den objektiven Gehalt der Aussagen hat die erkennende Richterin nicht der Entscheidungsfindung zugrunde gelegt. Demnach hat der Zeuge …[C] angegeben, dass er und die Mitkäuferin Ende Mai/ Anfang Juni in Verbindung mit dem Beklagten gestanden hätten, um mitzuteilen, dass sie als Käufer die bestehende Verpflichtung mit der Verbandsgemeinde …[Z] übernehmen würden. Des Weiteren hat er erklärt, im Falle einer Forderung der Verkäuferseite zur Übernahme der gezahlten 25.000,00 € nicht mehr zum Kauf des streitgegenständlichen Grundstückes bereit zu sein. Diese von dem Gericht verwerteten Äußerungen werden auch nicht von der Berufung angegriffen.
2) Es ist auch nicht ersichtlich, dass das erkennende Gericht Parteivortrag falsch bewertet oder ignoriert hätte. Die Frage der Zeugin …[D] im Beurkundungstermin nach der Grundschuld ist unstreitig. Es kommt nicht auf den genauen Wortlaut an. Maßgeblich ist – insoweit hat es das Landgericht auch berücksichtigt -, dass die Zeugin …[D] zumindest andeutungsweise im Beurkundungstermin auf das Problem der eingetragenen Grundschuld hingewiesen und insofern den Notar um entsprechende Beratung beziehungsweise Bearbeitung gebeten hat, zumal im notariellen Kaufvertrag ein Auftrag zur Löschung der Grundschuld an den Notar erteilt worden ist. Im Übrigen ist auch nicht zutreffend, dass der Beklagte die Existenz und die Fertigung des Schreibens der Verbandsgemeinde …[Z] vom 19. Mai 2014 bestritten hat. Er hat lediglich dargetan, dass er dieses Schreiben nicht erhalten habe. Damit ist nicht die Existenz des Schreibens bestritten. Letztlich kommt es jedoch, auch wenn es für den Senat kaum nachvollziehbar ist, dass der Beklagte das Schreiben vom 19. Mai 2014 nicht erhalten hat, aber andererseits wenige Tage später bei der Verbandsgemeinde anruft, um sich nach der Löschungsbewilligung zu erkundigen, nicht entscheidungserheblich auf den Zugang dieses Schreibens an, da maßgeblich die Erkenntnisse aus dem Telefonat vom 27. Mai 2014 zwischen den Zeugen …[E] und …[F] für die Entscheidung sind.
c) Das Landgericht hat auch zutreffend einen Schaden in Höhe von 25.000,00 € festgestellt. Hätte der Beklagte die Kaufvertragsparteien nach den Erkenntnissen aus dem Telefonat zwischen den Zeugen …[E] und …[F] vom 27. Mai 2014 mit dem Problem der Rückzahlungspflicht des Sanierungszuschusses konfrontiert, hätte er erfahren, dass es dem Verkäufer maßgeblich darum ging, den Sanierungszuschuss zu behalten und der Käufer nicht wollte, aufgrund einer möglichen Rückzahlungspflicht einen höheren Kaufpreis zahlen zu müssen. Insofern ergibt sich eindeutig aus den Gesamtumständen, aber auch aus den Aussagen der Zeugen, dass die Kaufvertragsparteien den Beklagten angewiesen hätten, entgegen der Bestimmungen des notariellen Vertrages die Löschung der Grundschuld nicht herbeizuführen. Der Käufer wäre bereit gewesen, die vertraglichen Sanierungsverpflichtungen zu übernehmen und die Grundschuld vorerst bestehen zu lassen. Der Sanierungsvermerk im Grundbuch hatte zum damaligen Zeitpunkt keine wesentliche Bedeutung mehr. Das Sanierungsgebiet war bereits im Jahr 2013 aufgehoben worden. Der Sanierungsvertrag aus dem Jahr 2008 hatte eine Laufzeit von 10 Jahren und wäre im Jahr 2018 ausgelaufen. Dann hätte der Käufer folgenlos die Löschung der Grundschuld erreichen können. Es wäre dann nicht zur Rückzahlung des Sanierungszuschusses gekommen.
2. Im vorliegenden Fall war jedoch ein Mitverschulden der Klägerseite im Sinne des § 254 BGB zu berücksichtigen, so dass der Schadensersatzanspruch um die Hälfte zu kürzen ist.
In den meisten Fällen scheidet ein Verschulden des von einem Notar betreuten Mandanten aus, da dieser sich auf das überlegene Fachwissen des Notars grundsätzlich verlassen kann. So muss er beispielsweise nach Änderungen des Grundbuches aufgrund einer notariellen Vereinbarung die so an ihn versandten Mitteilungen über Änderungen von Grundbucheintragungen im Sinne einer Rangwahrung nicht überprüfen, auch wenn nach genauer Durchsicht der veränderten Grundbucheintragungen erkennbar ist, dass der vom Kunden beabsichtigte Erfolg hinsichtlich der Rangpositionen nicht eingetreten ist (BGH MDR, 2014, 1390; OLG Zelle OLGR 95,96; ).
Anders verhält es sich jedoch, wenn der maßgebliche Umstand, der zum Schaden geführt hat, aus der Sphäre einer Partei stammt, die aufgrund eines überlegenen Wissensstandes die Möglichkeit hat, vertragsrelevante Umstände zu erkennen und aufzuzeigen (BGH MDR 2011, 266; OLG Koblenz Urteil v. 14.10.2009, Az.: 1 U 1172/08 -juris-). Für einen Kaufvertrag maßgebliche Vorverträge, zum Beispiel auch Abtretungen aus einer einem Vertrag zugrundeliegenden Forderung, die dem Notar nicht mitgeteilt werden und für deren Bestehen er keine Anhaltspunkte hat, können ihm nicht angelastet werden. Im vorliegenden Fall kannte der Kläger die maßgeblichen vertraglichen Grundlagen und Sanierungsbedingungen für den Erhalt des im Jahre 2008 an ihn ausgezahlten Sanierungszuschusses. Er hat die entsprechenden Vereinbarungen abgeschlossen. Der Kläger hat aber in der notariellen Urkunde dem Notar hinsichtlich der Löschung der Grundschuld freie Hand gelassen, obwohl aus den ihm bekannten Sanierungsbedingungen erkennbar war, dass die Löschung der Grundschuld zugunsten der fördernden Gemeinde eine Rückforderungspflicht des Zuschusses bewirkt. Auf die Fragen im Beurkundungstermin nach der Grundschuld hat er zudem keine verlässlichen und abschließenden Antworten durch den Notar bekommen. Der Notar hat nicht erklärt, dass die Löschung folgenlos erfolgen könne. Der Notar hat sich nach dem eigenen Vortrag des Klägers lediglich dahingehend geäußert, dass er sich darum kümmern werde. Mit dieser Auskunft konnte sich der Kläger nicht darauf verlassen, dass der Notar die Löschung der Grundschuld in dem Sinne vornehmen wird, dass seine eigenen Interessen (keine Rückzahlungspflicht des Zuschusses) gewahrt werden. Dem Kläger war bekannt, dass er im Jahr 2008 Sanierungsbedingungen unterzeichnet hat und dass die Zahlung des Sanierungszuschusses an Bedingungen geknüpft war. Er hätte also ohne Probleme die Möglichkeit gehabt, diese vertraglichen Gegebenheiten zu klären, dem Notar vorzulegen und mit ihm diese Problematik zu besprechen. Indem er dies nicht getan hat, sieht der Senat darin ein relevantes Mitverschulden, dessen Gewichtung in etwa den Anteil der Pflichtverletzung des Notars entspricht. Der Kläger kann daher von dem Beklagten nur Ersatz der Hälfte seines Schadens verlangen.
3. Die Höhe der dem Kläger zustehenden vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten war anhand des bestehenden Anspruches in Höhe von 12.500,00 € neu zu berechnen, so dass sich ein Schadensersatzanspruch insoweit in Höhe von 958,19 € ergibt.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 S. 1 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.
IV.
Der Streitwert für den Berufungsrechtszug wird gemäß den §§ 47 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 S. 1, 48 Abs. 1 S. 1 GKG i.V.m. § 3 ZPO festgesetzt auf 25.000,00 €.

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