OLG Köln, Beschl. v. 07.05.2018 – 24 W 1/18 Die Kostenentscheidung bei der einseitigen Erledigungserklärung im Pflichtteilsstreit

August 14, 2018

Gründe:

Die sofortige Beschwerde des Klägers ist gem. §§ 567 Abs. 1 Nr. 1, 91a Abs. 2 Satz 1 ZPO statthaft und auch im Übrigen in zulässiger Weise erhoben worden. Über das Rechtmittel entscheidet der Senat durch eines seiner Mitglieder als Einzelrichter (§ 568 Satz 1 ZPO).

Die sofortige Beschwerde hat auch in der Sache selbst Erfolg. Das LG hat dem Kläger zu Unrecht die Kosten des Rechtsstreits auferlegt.

a) Haben die Parteien – wie hier – den Rechtsstreit in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt, so entscheidet das Gericht gem. 91a Abs. 1 Satz 1 ZPO über die Kosten unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen. Da die Kostenentscheidung nach dem Gesetz in das Ermessen des erstinstanzlichen Gerichts gestellt ist, ist die Prüfungskompetenz des Beschwerdegerichts nach der in der Rechtsprechung vorherrschenden Auffassung beschränkt. Das Beschwerdegericht hat die Entscheidung nur auf Ermessensfehler in Form des Ermessensfehlgebrauchs oder der Ermessensüberschreitung zu überprüfen, also darauf, ob das erstinstanzliche Gericht von dem ihm obliegenden Ermessen einen ungesetzlichen Gebrauch gemacht hat; das ist namentlich dann der Fall, wenn es für die Ermessensentscheidung maßgebliche Tatsachen verfahrensfehlerhaft nicht ermittelt oder sonst unberücksichtigt gelassen hat (vgl. zum Ganzen BGH, NJW 2001, 1652; BGH, NJW-RR 2007, 1586; OLG Koblenz, MDR 2015, 836; OLG Rostock, JurBüro 2010, 377; a.A. allerdings die überwiegende Auffassung in der Kommentarliteratur; vgl. Zöller/Althammer, a.a.O., § 91a Rn. 28; MünchKomm-ZPO/Schulz, 5. Aufl. 2016, § 91a Rn. 67; Musielak/Voit/Flockenhaus, ZPO, 15. Aufl. 2018, § 91a Rn. 25a).

In der Sache selbst kommt es für die zu treffende Entscheidung vornehmlich darauf an, wem nach den allgemeinen Bestimmungen der §§ 91 ff. ZPO die Kosten des Rechtsstreits aufzuerlegen gewesen wären, wenn die Hauptsache nicht einvernehmlich für erledigt erklärt worden wäre (vgl. etwa BGH, NJW 2007, 3429 [BGH 07.05.2007 – VI ZR 233/05]; Zöller/Althammer, ZPO, 32. Aufl. 2018, § 91a Rn. 24 m.w.N.). Das Beschwerdegericht hat dabei allerdings zu beachten, dass neue Tatsachen und Beweismittel im Beschwerdeverfahren nur soweit verwertet werden dürfen, wie das erstinstanzlich nach übereinstimmender Erledigungserklärung vor der angegriffenen Entscheidung zulässig gewesen wäre (Musielak/Voit/Flockenhaus, a.a.O., § 91a Rn. 25a). Auch vor diesem Hintergrund ist allerdings neuer Tatsachenvortrag jedenfalls dann zu berücksichtigen, wenn er unstreitig ist (OLG Düsseldorf, MDR 1993, 1120; MünchKomm/Schulz, a.a.O., § 91a Rn. 48).

b) Auch nach diesem eingeschränkten Maßstab bedarf die landgerichtliche Entscheidung der Korrektur. Das LG hat das ihm eingeräumte Ermessen zum einen deshalb fehlerhaft ausgeübt, weil der von ihm angenommene Sachverhalt eine entsprechende Anwendung des 93 ZPO nicht trägt (s. sogleich unter aa). Darüber hinaus sind im angefochtenen Beschluss die maßgeblichen Tatsachen nicht vollständig erfasst (unten bb).

aa) Der landgerichtliche Einzelrichter ist im Ausgangspunkt zutreffend davon ausgegangen, dass die Beklagte bei streitiger Entscheidung des Rechtsstreits unterlegen wäre. Soweit die Beklagte nunmehr im Beschwerderechtszug die Abstammung des Klägers vom Erblasser – und damit seine Pflichtteilsberechtigung – in Frage stellt, ist dies nach dem oben dargelegten Maßstab schon deshalb unbehelflich, weil sie vor der landgerichtlichen Kostenentscheidung den Pflichtteilsanspruch des Klägers – und damit konkludent auch dessen tatsächliche Voraussetzungen – zunächst als „unstreitig“ bezeichnet hatte. Unabhängig davon erfolgt das nunmehrige Bestreiten der Beklagten aber auch ersichtlich ins Blaue hinein und steht in erkennbarem Widerspruch zum Inhalt der von ihr selbst vorgelegten Unterlagen.

Das LG ist indes zu Unrecht zu der Einschätzung gelangt, dass dem Kläger trotz seines voraussichtlichen Obsiegens in der Hauptsache mit Rücksicht auf die in § 93 ZPO zum Ausdruck gebrachte gesetzgeberische Wertung die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen seien, weil die Beklagte keinen Anlass zur Klageerhebung gegeben habe. Veranlassung zur Klageerhebung gibt der Beklagte immer dann, wenn sein Verhalten vor Prozessbeginn ohne Rücksicht auf Verschulden und materielle Rechtslage gegenüber dem Kläger so war, dass dieser annehmen musste, er werde ohne Klage nicht zu seinem Recht kommen (allg. Meinung, vgl. etwa Zöller/Herget, a.a.O, § 93 ZPO, Rn. 3 m.w.N.). Dabei hat ein in Verzug gesetzter Schuldner grds. Veranlassung zur Klage gegeben (Zöller/Herget, ZPO, 32. Aufl. 2018, § 93 Rn. 6 – Stichwort „Verzug“; Thomas/Putzo/Hüßtege, ZPO, 38. Aufl. 2017, § 93 Rn. 7). Nach diesem Maßstab hat das LG im angefochtenen Beschluss eine Klageveranlassung durch die Beklagte zu Unrecht verneint.

Die Beklagte befand sich mit der Erfüllung des streitgegenständlichen Anspruchs bereits seit Ablauf der im Schreiben vom 05.05.2017 bis zum 19.05.2017 gesetzten Frist in Verzug. Soweit die Beklagte im Rahmen ihres Schriftsatzes vom 15.08.2017 ein Zurückbehaltungsrecht wegen eines eigenen Auskunftsanspruch wegen pflichtteilsrelevanter Schenkungen angesprochen hat, stünde dieses dem Verzugseintritt jedenfalls deshalb nicht entgegen, weil sie sich hierauf gegenüber dem Kläger bis zur Klageerhebung nicht berufen hatte (vgl. hierzu etwa BGH, NJW-RR 2005, 170 [171] [BGH 21.10.2004 – III ZR 323/03]; Palandt/Grüneberg, BGB, 77. Aufl. 2018, § 286 Rn. 6 m.w.N.). Mit diesem maßgeblichen Gesichtspunkt, der in besonderem Maße für eine Klageveranlassung durch die Beklagte spricht, setzt sich der angefochtene Beschluss nicht auseinander.

Wenn im Nichtabhilfebeschluss vom 12.03.2018 nunmehr darauf abgestellt wird, dass mit dem Eintritt des Verzuges nicht notwendigerweise auch die Klageveranlassung bejaht werden muss, trifft dies zwar im Ansatz zu, kann an der Bewertung aber letztlich nichts ändern. Auch aus der im Nichtabhilfebeschluss zitierten Kommentarstelle (MünchKomm/Schulz, a.a.O., § 93 Rn. 25) wird deutlich, dass sich aus dem Verzug des Schuldners im Regelfall die Klageveranlassung ergibt. Durchgreifende Gründe dafür, dass die Beklagte trotz ihres Verzugs ausnahmsweise keinen Klageanlass gegeben haben könnte, bestehen nicht. Ein solcher Ausnahmefall kann etwa dann gegeben sein, wenn der (spätere) Beklagte redlicherweise davon ausgehen durfte, dass eine von ihm erbetene Fristverlängerung stillschweigend gewährt wurde (MünchKomm/Schulz, a.a.O.; OLG Hamburg, MDR 2010, 1211). So liegt der vorliegende Fall aber nicht. Zwar hatten die Bevollmächtigten der Beklagten eine stillschweigende Fristverlängerung „zunächst bis Ende Mai 2017“ erbeten, auch nach Ablauf dieser selbst gesetzten Frist ist indes keine Zahlung erfolgt. Vielmehr haben die Bevollmächtigen der Beklagten sich mit weiterem Schreiben vom 26.05.2017 erneut an die klägerischen Prozessbevollmächtigten gewandt und mitgeteilt, dass die Beklagte sich noch bis Mitte Juni in Kur befinde und zudem (aus den nachfolgend zu erörternden Gründen wahrheitswidrig) sinngemäß darauf hingewiesen, dass zur Finanzierung des Pflichtteilsanspruchs eine Kreditaufnahme erforderlich sei. Die Einreichung der vorliegenden Klage ist indes erst am 28.06.2017 erfolgt. Zu diesem Zeitpunkt wäre aber aus der maßgeblichen Sicht des Klägers entweder mit einem Zahlungseingang oder jedenfalls mit einer weiteren Bitte um Fristverlängerung zu rechnen gewesen, aus der sich zumindest der aktuelle Sachstand zu den (angeblichen) Finanzierungsbemühungen der Beklagten ergab. Demgegenüber musste er den tatsächlichen weiteren Verlauf, in dessen Rahmen die Beklagte nicht nur die verzugsbegründende Fristsetzung, sondern auch die selbst gesetzten Fristen verstreichen ließ, dahingehend deuten, dass die Beklagte entweder tatsächlich nicht zur Zahlung bereit war oder der Erfüllung seines Pflichtteilsanspruchs zumindest nicht die angemessene Bedeutung zumaß – m.a.W.: dass er seinen Pflichtteilsanspruch nur mit gerichtlicher Hilfe würde durchsetzen können.

bb) Darüber hinaus beruht der angefochtene Beschluss auch auf einer in Teilen unzutreffenden Tatsachengrundlage.

Der landgerichtliche Einzelrichter hat maßgeblich darauf abgestellt, dass die im Schreiben vom 05.05.2017 gesetzte zweiwöchige Frist angesichts der Höhe des geforderten Betrages „sehr knapp bemessen“ gewesen sei. Für die offenbar dahinterstehende Annahme, die liquiden Mittel der Beklagten reichten zur Erfüllung des geltend gemachten Pflichtteilsanspruchs nicht aus und dieser müsse finanziert werden, bot das bei Beschlussfassung vorliegende Parteivorbringen keinerlei Anhaltspunkte. Die Vermögensverhältnisse der Beklagten waren bis dahin überhaupt nicht Gegenstand des wechselseitigen Parteivortrags; unabhängig davon ist die Beklagte aber auch dem späteren klägerischen Vortrag, sie verfüge über liquide Bankguthaben in einer die Klageforderung übersteigenden Höhe, nicht entgegengetreten. Ihr Vortrag auf Seite 2 des Schriftsatzes vom 04.05.2018, wonach die Erfüllung des Pflichtteilsanspruchs „nahezu das gesamte ererbte liquide Vermögen aufbrauchen“ würde, belegt vielmehr, dass ihr allein aus dem Nachlass (also schon ohne Rücksicht auf etwaige eigene liquide Mittel) zur zeitnahen Begleichung der Klageforderung ein hinreichender Geldbetrag zur Verfügung stand; dass dessen Verwendung nicht möglich oder nicht zumutbar gewesen sein könnte, ist nicht ersichtlich. Die vorprozessual gegenüber dem Kläger behauptete Notwendigkeit einer Kreditfinanzierung bestand damit bei objektiver Betrachtung nicht.

Vor diesem Hintergrund bedarf es auch keiner weiteren Erörterung, dass die Beklagte nicht erst seit dem Schreiben vom 05.05.2017 mit einer Inanspruchnahme durch den Kläger rechnen musste. Vielmehr hatten ihre Prozessbevollmächtigten bereits mit Schreiben vom 22.03.2017 einen Pflichtteilsanspruch in Höhe der Klageforderung errechnet; allein dies hätte sie verlassen müssen, eine etwa erforderliche Kreditaufnahme in die Wege zu leiten.

Zusammenfassend ist damit festzuhalten, dass die landgerichtliche Kostenentscheidung auch mit Rücksicht auf den eingeschränkten Prüfungsumfang des Senats keinen Bestand haben kann. Da der in § 93 ZPO zum Ausdruck kommende Rechtsgedanke aus den dargelegten Gründen keine Berücksichtigung finden kann, entspricht es vielmehr der Billigkeit, der Beklagten, die bei streitiger Entscheidung in der Hauptsache unterlegen wäre, die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

 

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