OLG Köln, Beschluss vom 01.02.2016 – 8 AR 88/15

November 12, 2021

OLG Köln, Beschluss vom 01.02.2016 – 8 AR 88/15

Tenor
Das Landgericht Duisburg ist zuständig.

Gründe
I.

Die Parteien streiten um die Rückabwicklung eines Immobilienkredits, den die Kläger bei der im Bezirk des Landgerichts Bonn geschäftsansässigen Beklagten aufgenommen haben. Die Immobilie ist im Bezirk des Landgerichts Duisburg gelegen. Die Kläger begehren die Erteilung einer Löschungsbewilligung für die zu Gunsten der Beklagten im Grundbuch eingetragenen Grundschuld – hilfsweise die Rückgewähr der Grundschuld – sowie die Rückzahlung von Darlehensraten. Hilfsweise beantragen sie die Feststellung, dass der von ihnen erklärte Widerruf der Darlehensverträge wirksam gewesen sei und die Beklagte zur Rückabwicklung der Darlehensverträge und zur Löschung der Grundschuld verpflichtet sei.

Unter dem 08.09.2015 erteilte die zuständige Einzelrichterin des zunächst angerufenen Landgerichts Bonn einen Hinweis, wonach wegen § 24 ZPO Zweifel an der dortigen Zuständigkeit bestünden und gab den Parteien Gelegenheit zur Stellungnahme binnen zwei Wochen. Unter dem 14.09.2015 bekräftigten die Kläger die Ansicht, dass das Landgericht Bonn zuständig sei, beantragten aber zur Vermeidung einer Klageabweisung die Verweisung des Rechtsstreits an das Landgericht Duisburg. Unter dem 15.09.2015 trat die Beklagte der beabsichtigten Verweisung entgegen. Mit Beschluss vom 16.09.2015 erklärte sich das Landgericht Bonn für unzuständig und verwies den Rechtsstreit unter Bezugnahme auf die Stellungnahmen der Parteien an das Landgericht Duisburg. In der Folge „verwies“ das Landgericht Duisburg den Rechtsstreit nach Anhörung der Parteien mit Beschluss vom 21.10.2015 „zurück“, da der Verweisungsbeschluss des Landgerichts Bonn nicht bindend sei. Das Landgericht Bonn hat erklärt, an seiner Rechtsauffassung festzuhalten und den Rechtsstreit dem Oberlandesgericht Köln gem. § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO zur Entscheidung über die Zuständigkeitsfrage vorgelegt.

II.

1.

Das Oberlandesgericht Köln ist gemäß § 36 Abs. 1 Nr. 6, Abs. 2 ZPO zur Bestimmung des zuständigen Gerichtes berufen, weil das zunächst höhere gemeinschaftliche Gericht der Bundesgerichtshof wäre und das im Bezirk des Oberlandesgerichts Köln gelegene Landgericht Köln als erstes Gericht mit dieser Sache befasst worden ist.

2.

Die Voraussetzungen für eine Zuständigkeitsbestimmung gemäß § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO sind gegeben.

a) Es ist trotz des Wortlauts des § 37 Abs. 1 ZPO („Gesuch“) unschädlich, dass weder die Kläger noch die Beklagte um die Bestimmung des zuständigen Gerichts nachgesucht haben. Im Falle des Kompetenzkonflikts gemäß § 36 Abs. 1 Nr. 5 oder 6 ZPO ist die Antragstellung einer Partei entbehrlich und die Vorlage durch eines der beteiligten Gerichte reicht aus (OLG Köln, Beschluss vom 05. Dezember 2008 – 8 W 109/08 -, OLGR Köln 2009, 493, juris ).

b) Gemäß § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO wird das zuständige Gericht bestimmt, wenn verschiedene Gerichte, von denen eines für den Rechtsstreit zuständig ist, sich rechtskräftig für unzuständig erklärt haben.

Solche Unzuständigerklärungen liegen hier vor, durch das Landgericht Bonn im Verweisungsbeschluss vom 16.09.2015, durch das Landgericht Duisburg im Beschluss vom 21.10.2015. Beide Unzuständigerklärungen sind auch „rechtskräftig“ im Sinne des § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO. Der Verweisungsbeschluss des Landgerichts Bonn ist nach § 281 Abs. 2 S. 4 ZPO unanfechtbar. Gegen den Beschluss, mit dem sich das Landgericht Duisburg für unzuständig erklärt hat, ist ebenfalls kein Rechtsmittel statthaft.

3.

Zum sachlich zuständigen Gericht wird das Landgericht Duisburg bestimmt.

a) Bei der Bestimmung des zuständigen Gerichts gemäß § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO sind nicht nur allgemeine Zuständigkeitsvorschriften, sondern auch die verfahrensrechtlichen Bindungswirkungen § 281 Abs. 2 S. 4 ZPO und Zuständigkeitsverfestigungen (§ 261 Abs. 3 Nr. 2 ZPO) zu beachten. Die Bindungswirkung des ersten Verweisungsbeschlusses wirkt daher auch im Bestimmungsverfahren fort, weshalb regelmäßig das Gericht als zuständig zu bestimmen ist, an das die Sache durch den ersten – bindenden – Verweisungsbeschluss gelangt ist (OLG Köln, Beschluss vom 05. Dezember 2008 – 8 W 109/08 -, OLGR Köln 2009, 493, juris; BayObLG, Beschluss vom 09. Mai 1990 – AR 1 Z 45/90 -, NJW-RR 1991, 187-188, juris ).

Das ist hier das Landgericht Duisburg, an das der Rechtsstreit durch Beschluss des Landgerichts Bonn verwiesen worden ist.

b) Die Bindungswirkung des Verweisungsbeschlusses gemäß § 281 Abs. 2 S. 4 ZPO entfällt hier nicht ausnahmsweise wegen objektiver Willkür. Eine Bindungswirkung gemäß § 281 Abs. 2 Satz 4 ZPO wird nämlich nicht schon durch die bloße etwaige Unrichtigkeit der Beurteilung der Zuständigkeitsfrage infolge eines einfachen Rechtsirrtums des verweisenden Gerichts in Frage gestellt. Unbeachtlich ist ein solcher Beschluss vielmehr regelmäßig nur dann, wenn er auf einer Verletzung rechtlichen Gehörs beruht oder wenn er schwere offensichtliche Rechtsmängel aufweist oder gar jeder Rechtsgrundlage entbehrt und aus diesen Gründen objektiv willkürlich ist (BGH, Beschluss vom 10. September 2002 – X ARZ 217/02 -, NJW 2002, 3634 ff. – juris; OLG Hamm, Beschluss vom 23. Juli 2012 – 32 SA 32/12, I-32 SA 32/12 -, Rn. 25, juris; OLG Hamm, Beschluss vom 11. Juni 2014 – I-32 SA 40/14, 32 SA 40/14 -, MDR 2014, 1347 – juris). Ein Verweisungsbeschluss kann auch dann als willkürlich angesehen werden, wenn jegliche Begründung fehlt (Zöller – Vollkommer, 30. Aufl. 2014, § 36 Rn 28 m. w. N.).

Nach diesen Maßstäben ist der Verweisungsbeschluss nicht willkürlich.

(1) Die Bindungswirkung entfällt nicht, wie das Landgericht Duisburg meint, weil das Landgericht Bonn den Verweisungsbeschluss vor Ablauf der den Parteien gesetzten Stellungnahmefrist gefasst hat. Der Bundesgerichtshof hat zu einer vergleichbaren Konstellation kürzlich entschieden, dass es zwar verfahrensfehlerhaft sei, aber keinen die Bindungswirkung beseitigenden Gehörsverstoß darstelle, wenn das Gericht den Rechtsstreit schon vor Ablauf der Stellungnahmefrist verwiesen hat. Denn entscheidend sei, dass der Beklagte die Möglichkeit habe, zu der aufgeworfenen Zuständigkeitsfrage Stellung zu beziehen, und vorzutragen, welches Gericht für die Verhandlung des Rechtsstreits seiner Auffassung nach berufen ist (BGH, Beschluss vom 26. August 2014 – X ARZ 275/14 -, Rn. 8, juris). Diese Voraussetzungen, denen der Senat beitritt, sind vorliegend erfüllt. Denn beide Parteien haben vor Erlass des Verweisungsbeschlusses ihre Rechtsauffassung dem Gericht unterbreitet. Zum Zeitpunkt der Entscheidung drängte es sich auch nicht auf, dass eine der Parteien noch ergänzende Ausführungen beabsichtigte.

(2) Die Auffassung des Landgerichts Bonn, wonach eine ausschließliche Zuständigkeit des Landgerichts Duisburg gem. § 24 ZPO gegeben sei, ist nicht objektiv willkürlich.

Der Senat verkennt nicht, dass andere Landgerichte und andere Kammern desselben Landgerichts die vorliegende Konstellation nicht der Vorschrift des § 24 ZPO zuordnen, und dass hierfür in Ansehung der Rechtsprechung des Reichsgerichts und des Bundesgerichtshofes gute Gründe streiten. Denn vorliegend geht der Streit nicht in erster Linie um den Bestand der Grundschuld – also die rechtliche Qualifikation der dinglichen Belastung -, sondern um einen schuldrechtlichen Anspruch auf Löschung, der materiell der Rückübertragung der Grundschuld gleichkommt. Letztere fällt aber nach gesicherter höchstrichterlicher Rechtsprechung nicht in den Anwendungsbereich von § 24 ZPO. Auch in der vorliegenden Konstellation ist nicht ersichtlich, weshalb gerade vom Richter der belegenen Sache vorzugsweise eine richtige Würdigung und sichere Feststellung der Rechtsverhältnisse zu erwarten wäre.

Die verweisende Kammer des Landgerichts Bonn hat sich aber im Verweisungsbeschluss mit der zu Grunde liegenden Rechtsfrage ausführlich auseinandergesetzt und ihre von dieser Meinung abweichende Rechtsauffassung nachvollziehbar begründet. Schon nach dem Wortlaut von § 24 ZPO ist es nicht erkennbar unvertretbar, eine ausschließliche Zuständigkeit des Landgerichts Duisburg anzunehmen, weil mit der in erster Linie begehrten Löschungsbewilligung die „Freiheit“ des Eigentums von einer „dinglichen Belastung“ geltend gemacht werde. Auch gibt es keine eindeutige höchstrichterliche Rechtsprechung, die in der vorliegenden Konstellation eine Anwendung des § 24 ZPO ausschließen würde. Vielmehr hat der Bundesgerichtshof offen gelassen, ob Klagen, mit denen schuldrechtliche Ansprüche auf Löschung geltend gemacht werden, der Vorschrift des § 24 ZPO unterfallen (BGH, Urteil vom 26. Juni 1970 – V ZR 168/67 -, BGHZ 54, 201-204, Rn. 9).

Dem entspricht, dass es nach den vom Landgericht Bonn zitierten Obersätzen in den Entscheidungen anderer Gerichte für die Begründung der ausschließlichen Zuständigkeit des § 24 ZPO ausreicht, dass der Klageantrag auf Bewilligung der Löschung gerichtet und der Beklagte Inhaber der dinglichen Belastung ist, wobei es gleichgültig ist, ob die Befreiung von der Belastung lediglich aufgrund eines schuldrechtlichen Anspruches verlangt wird (OLGR Naumburg 2004, 366, 367; Brandenburgisches Oberlandesgericht, Beschluss vom 09. April 2014 – 1 (Z) Sa 13/14 -, Rn. 13, juris). Auch vertritt mit dem Landgericht Frankfurt am Main ein anderes Landgericht in identischen Fallgestaltungen ebenfalls die Auffassung, dass für Klagen auf Erteilung einer Löschungsbewilligung für eine Grundschuld das Gericht ausschließlich zuständig sei, in dessen Bezirk die Sache belegen ist (LG Frankfurt, Beschluss vom 27. Juli 2015 – 2-19 O 95/15, 2/19 O 95/15; Beschluss vom 21. April 2015 – 2-05 O 335/14 -, Rn. 4, juris; Beschluss vom 25. März 2015 – 2-19 O 132/14 -, Rn. 5, juris). Soweit ersichtlich, wird diese Rechtsprechung vom Oberlandesgericht Frankfurt am Main geteilt (OLG Frankfurt, Beschluss vom 14. Oktober 2014 – 11 SV 97/14 -, Rn. 6, juris).

Die nach alledem mit vertretbarer Argumentation jedenfalls gem. § 281 ZPO begründete Zuständigkeit des Landgerichts Duisburg für den ersten Klageantrag erstreckt sich auch auf den hiermit verbundenen Zahlungsantrag betreffend die Darlehensraten. Insoweit hat das Landgericht Bonn ebenfalls nachvollziehbar ausgeführt, dass angesichts der der Entscheidung zu Grunde liegenden identischen Rechtsfrage eine Trennung der Anträge nicht in Betracht kommt. Die Erwägungen, wonach sich die Zuständigkeit schon aus einer Anwendung von § 25 ZPO ergeben könnte, und die Abtrennung einzelner Klageanträge zu einer prozessunökonomischen und unzweckmäßigen Aufspaltung des Streitgegenstandes führen würde, sind jedenfalls nicht objektiv willkürlich.

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