OLG Köln, Beschluss vom 03.07.2017 – 12 U 86/16

Oktober 28, 2021

OLG Köln, Beschluss vom 03.07.2017 – 12 U 86/16

Tenor
1.

Die Berufung der Kläger gegen das am 20.07.2016 verkündete Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Bonn – 3 O 36/16 -wird zurückgewiesen.

2.

Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen die Kläger je zur Hälfte.

3.

Das angefochtene Urteil und dieser Beschluss sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Kläger können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrages abwenden, sofern nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

4.

Der Streitwert für die Berufungsinstanz wird auf 30.164,00 € festgesetzt.

Gründe
I.

Die Parteien streiten über Ansprüche aufgrund eines von den Klägern mit Schreiben vom 10.06.2015 erklärten Widerrufs ihrer auf den Abschluss eines Darlehensvertrages gerichteten Willenserklärungen vom 04.04.2011.

Wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Sachvortrages sowie wegen der erstinstanzlichen Anträge wird auf den Tatbestand der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Widerruf sei unwirksam, weil die Kläger wirksam belehrt worden seien. Die erteilte Belehrung sei hinreichend verständlich und deutlich; überdies habe die beklagtenseits verwendete Belehrung dem maßgeblichen Muster nach Anlage 6 zu Art. 247 § 6 EGBGB in der Fassung vom 24.07.2010 entsprochen.

Hiergegen richtet sich die Berufung der Kläger. Mit der durch den Zusatz „Darlehen1“ vorgenommenen textlichen Abweichung liege eine inhaltliche Bearbeitung vor. Die Belehrung zum Fristbeginn sei unklar. Auch sei der Tageszins mit 6,24 EUR unrichtig angegeben worden, da er unter Zugrundlegung von 360 Tagen statt 365 Tagen berechnet worden sei. Die Belehrung sei auch unrichtig, weil es für die Zeit zwischen Widerrufserklärung und Darlehnsrückzahlung an einer Anspruchsgrundlage für die nach der Belehrung vermeintlich geschuldeten Zinsen fehle. Ferner gebiete es der Verbraucherschutz, dass jeder Darlehnsnehmer eine eigene Ausfertigung des Darlehensvertrages erhalte.

Die Kläger beantragen,

das erstinstanzliche Urteil wie folgt abzuändern:

Es wird festgestellt, dass das Darlehen vom 04.04.2011 über 48.000,- EUR durch Widerruf vom 10.06.2015 in ein Rückgewährschuldverhältnis umgewandelt wurde.

Die Beklagte wird verurteilt, die Kläger als Gesamtgläubiger von der Forderung ihres prozessbevollmächtigten Rechtsanwalts I in Höhe von 2.1193,65 EUR freizustellen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt die angefochtene Entscheidung.

II.

1.

Die zulässige Berufung unterliegt gemäß § 522 Abs. 2 ZPO der Zurückweisung im Beschlusswege, weil sie nach einstimmiger Überzeugung des Senats aus den zutreffenden Gründen der angefochtenen Entscheidung, die durch das Berufungsvorbringen nicht entkräftet werden, offensichtlich unbegründet ist (§ 522 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO). Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung (§ 522 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 ZPO). Weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordern eine Entscheidung des Berufungsgerichts (§ 522 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 ZPO), zumal die vorliegend maßgeblichen Grundsatzfragen zur Beurteilung der etwaigen Fehlerhaftigkeit von Widerrufsbelehrungen bei Verbraucherdarlehensverträgen zwischenzeitlich durch ober- und höchstrichterliche Rechtsprechung hinreichend geklärt sind. Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung ist auch nicht aus anderen Gründen geboten (§ 522 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 ZPO).

2.

Es kann dahinstehen, inwieweit die formulierten Feststellungsanträge im Hinblick auf den grundsätzlichen Vorrang einer Leistungsklage nach der neuesten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes bereits als unzulässig anzusehen sein könnten (vgl. BGH, Versäumnisurteil vom 21.2.2017, XI ZR 467/15). Denn auch bei fehlendem Feststellungsinteresse kann die Klage aus Sachgründen abgewiesen werden (vgl. BGH, Urteil vom 1.7.2014, XI ZR 247/12, juris Rn. 18), weil das Feststellungsinteresse nur für das zusprechende Urteil eine echte Sachurteilsvoraussetzung darstellt (BAG, Urteil vom 12.2.2003, 10 AZR 299/02, juris Rn. 47 f.).

3.

Der Senat erachtet die Klage in Übereinstimmung mit dem angefochtenen Urteil als unbegründet. Die erteilte Widerrufsbelehrung (S. 7 der Klageerwiderung, Bl. 58 d. A., S. 7 der Anlage B 1, Anlagenheft) ist gemäß Art. 247 § 6 Abs. 2 Satz 3 EGBGB in der zur Zeit des Vertragsschlusses geltenden Fassung (im Folgenden: a. F.) als den gesetzlichen Anforderungen genügend zu behandeln, weil sie dem Muster in Anlage 6 zu Art. 247 § 1 Abs. 2 EGBGB a. F. entspricht. An dieser bereits mit Hinweisbeschluss vom 27.03.2017 getroffenen Wertung hält der Senat auch unter Würdigung der klägerseitig vorgebrachten Argumente mit Schriftsatz vom 27.04.2017 (Bl. 240 f. d. A.) fest.

Mittels der Regelung einer Gesetzlichkeitsfiktion in Art. 247 § 6 Abs. 2 Satz 3 EGBGB wird die dem Muster entsprechende Widerrufsbelehrung einem Streit über ihre Gesetzmäßigkeit entzogen (BGH, Urteil vom 15.8.2012, VIII ZR 378/11, BGHZ 194, 238, zitiert nach juris, Rn. 15 f. unter Verweis auf BT-Drucks. 14/7052, S. 208).

Durch Art. 247 § 6 Abs. 2 Satz 4 EGBGB a. F. wurde dem Unternehmer zugestanden, in Format und Schriftgröße von dem Muster abweichen, womit der Rahmen der für den Erhalt der Gesetzlichkeitsfiktion unschädlichen Abweichungen definiert worden ist. Den Klägern ist durchaus zuzugeben, dass hiermit die in § 14 Abs. 3 BGB-InfoV a. F. enthaltene Formulierung, wonach es dem Unternehmer ausdrücklich auch freigestanden hätte, Zusätze wie die Firma oder ein Kennzeichen des Unternehmers anzubringen, nicht übernommen worden ist, so dass im Wortlaut gegenüber der Formulierung in § 14 Abs. 2 BGB-InfoV a. F. eine Einschränkung vorgenommen wurde. Daraus ergibt sich für den vorliegenden Fall jedoch keine abweichende rechtliche Würdigung.

Der Unternehmer kann sich auf die Schutzwirkungen der Gesetzlichkeitsfiktion berufen, wenn er gegenüber dem Verbraucher ein Formular verwendet, das dem Muster für die Widerrufsbelehrung in der jeweils maßgeblichen Fassung in den Grenzen des Art. 247 § 6 Abs. 2 Satz 3, Satz 4 EGBGB sowohl inhaltlich als auch in der äußeren Gestaltung vollständig entspricht (vgl. BGH, Urteile vom 10.3.2009, XI ZR 33/08, zitiert nach juris, Rn. 13, vom 12.11.2015, I ZR 168/14, zitiert nach juris, Rn. 18). Unterzieht der Unternehmer dagegen das Muster einer eigenen inhaltlichen Bearbeitung, die über das nach Art. 247 § 6 Abs. 2 Satz 4 EGBGB Erlaubte hinausgeht, verliert er die Schutzwirkung der Gesetzlichkeitsfiktion. Dementsprechend lassen Anpassungen, die den gemäß Art. 247 § 6 Abs. 2 Satz 4 EGBGB unschädlichen Abweichungen ihrer Qualität nach entsprechen, ohne die Deutlichkeit der Belehrung zu schmälern, die Gesetzlichkeitsfiktion unberührt (BGH, Urteil vom 12.7.2016, XI ZR 564/15, zitiert nach juris, Rn. 23 zu § 14 BGB-InfoV a. F.).

Eine unbedenkliche Anpassung ist auf dieser Grundlage etwa anzunehmen, wenn der Unternehmer die Widerrufsbelehrung im Text einem konkreten Verbrauchervertrag zuordnet (so ausdrücklich zu § 14 Abs. 3 BGB-InfoV a. F.: BGH, Urteil vom 12.7.2016, XI ZR 564/15, zitiert nach juris, Rn. 23).

Der Senat sieht in der Hinzusetzung der Worte „für Darlehen 1“ bei der Bezeichnung des pro Tag zu entrichtenden Zinsbetrages übereinstimmend mit dem Landgericht keine relevante Abweichung vom Text der Musterbelehrung. Es handelt sich hier um eine Abweichung, die der Qualität nach einem Abweichen in Format und Schriftgröße entspricht, so dass es nicht darauf ankommt, ob zum maßgeblichen Stichtag Zusätze wie die Firma oder ein Kennzeichen des Unternehmers ausdrücklich auch gestattet waren oder nicht. Ebenso wie für § 14 BGB-InfoV a. F. ist auch für die Anwendung von Art. 247 § 6 Abs. 2, Satz 3, Satz 4 EGBGB maßgeblich, ob die Musterbelehrung einer inhaltlichen Bearbeitung unterzogen wurde und die Eingriffe über eine rein sprachliche Redaktion hinausgehen (OLG Celle, Beschluss vom 02.12.2015, 3 U 108/15, zitiert nach juris, Rn. 42). Dies ist vorliegend zu verneinen: Das Hinzusetzen der Worte „für Darlehen 1“ bei der Bezeichnung des pro Tag zu entrichtenden Zinsbetrages stellt keine inhaltliche Bearbeitung dar und geht über eine sprachliche Redaktion nicht hinaus.

Soweit die Kläger unzureichende Bezeichnung des Fristbeginns rügen, sowie eine inhaltliche Unrichtigkeit beanstanden, die ihrer Ansicht nach darin bestehe, dass dahin belehrt werde, dass für die Zeit zwischen Auszahlung und Rückzahlung Zinsen zu zahlen seien, geht dies ins Leere, weil die Beklagte die Formulierungen der Anlage 6 zu Art. 247 § 1 Abs. 2 EGBGB a. F. übernommen hat und ihr deshalb auch hinsichtlich etwaiger Ungenauigkeiten oder Unrichtigkeiten die Wirkungen der Gesetzlichkeitsfiktion nach Art. 247 § 6 Abs. 2 Satz 3 EGBGB zugutekommen.

Der Tageszins ist auch korrekt berechnet und in der Belehrung dargestellt worden. Die Beklagte hat sich der deutschen kaufmännischen Zinsberechnungsmethode bedient. Hierbei handelt es sich um eine in Deutschland anerkannte und verbreitete Berechnungsmethode (vgl. OLG Düsseldorf, Urteil vom 17.1.2013, 6 U 64/12, zitiert nach juirs, Rn. 46-52; Omlor in: Staudinger, Kommentar zum BGB, Neubearbeitung 2016, § 246 BGB, Rn. 79), welche insbesondere in Deutschland vor allem von den Geschäftsbanken gegenüber ihren Kunden angewandt wird (Toussaint in: Herberger/Martinek/Rüßmann u.a., jurisPK-BGB, 7. Aufl 2014, § 246 BGB, Rn. 37). Die Musterbelehrung macht keine Vorgaben zur Berechnungsweise des Tageszinsbetrages, weswegen das Ergebnis der Anwendung einer anerkannten und verbreiteten Zinsberechnungsmethode wie der deutschen kaufmännischen Zinsberechnungsmethode als zur Information im Rahmen einer Widerrufsbelehrung genügend anzusehen ist, was auch weder zu Verwirrung noch zu mangelnder Deutlichkeit führen kann.

Übereinstimmend mit dem Landgericht ist der Senat auch der Ansicht, dass es dahinstehen kann, ob den Klägern jeweils ein Exemplar des Darlehensvertrages mit Widerrufsbelehrung überlassen worden ist oder lediglich ein Exemplar für beide Kläger. Sowohl für die Belehrung als auch für die Frage der Erteilung von Abschriften kommt es auf den Zugang nach § 130 BGB an (vgl. OLG Köln, Urteil vom 24.8.2007, 6 U 60/07, zitiert nach juris, Rn. 21; Kaiser in: Staudinger, Kommentar zum BGB, Neubearbeitung 2012, § 355 Rn. 58). Wenn daher – wie vorliegend – zwei Verbraucher einen Darlehensvertrag abschließen, die in häuslicher Gemeinschaft leben und Mitbesitz an einer Belehrung und/oder Vertragsabschrift erlangen, bedarf es keiner zweifachen Belehrung oder Aushändigung von Vertragsinformationen oder – abschriften (BGH, Beschl. v. 7.3.2017, XI ZR 282/16; ebenso schon OLG Frankfurt, Beschluss vom 23.1.2016, 23 U 42/15, zitiert nach juris Rn. 25 ff.; OLG Hamm, Urteil vom 21.10.2015, 31 U 56/15, zitiert nach juris, Rn. 92-97, LG Köln, Urteil vom 9.12.2014, 21 O 266/14, zitiert nach juris, Rn. 31; Martis/Meinhof, MDR 2004, 4, 6).

4.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 97 Abs. 1, 100 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO und die Festsetzung des Streitwertes auf den §§ 47, 48 GKG, 3 ZPO.

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