OLG Köln, Beschluss vom 04.11.2021 – 16 W 31/21

März 19, 2022

OLG Köln, Beschluss vom 04.11.2021 – 16 W 31/21

vorher: Az. 10 O 583/20
Tenor
Die sofortige Beschwerde des Klägers vom 30.07.2021 gegen den Beschluss der 10. Zivilkammer des Landgerichts Aachen vom 15.07.2021 – 10 O 583/20 – wird zurückgewiesen.

Die Kosten der sofortigen Beschwerde trägt der Kläger.

Gründe
Die nach § 269 Abs. 5 ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige sofortige Beschwerde des Klägers ist unbegründet.

Das Landgericht hat dem Kläger nach § 269 Abs. 3 S. 2 ZPO die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 1.auferlegt, nachdem er die Klage gegen die infolge der bereits vor Rechtshängigkeit der Klage am 16.6.2020 erfolgten Löschung im Handelsregister nicht mehr existente Beklagte zu 1. zurückgenommen hat. Gegen diese Kostengrundentscheidung wendet sich der Kläger ohne Erfolg.

In Rechtsprechung und Schrifttum ist allgemein anerkannt, dass die nicht oder nicht mehr existente Partei in einem gegen sie angestrengten Prozess insoweit als parteifähig zu behandeln ist, als sie ihre Nichtexistenz geltend macht (etwa BGH Beschluss vom 10. 10. 2007 – XII ZB 26/05, NJW 2008, 528). Durch diese Fiktion soll erreicht werden, dass die Partei die Frage ihrer Existenz selbst klären lassen kann. Ebenso ist anerkannt, dass eine nicht existente Beklagte, die im Streit um ihre Parteifähigkeit zu Lasten des Klägers eine Kostengrundentscheidung erwirkt hat, im anschließenden Kostenfestsetzungsverfahren zu ihren Gunsten die Festsetzung der durch diesen Streit entstandenen Kosten verlangen kann (BGH Beschluss vom 10. 10. 2007 – XII ZB 26/05, NJW 2008, 528 mwN zum früheren Streitstand; BGH Beschluss vom 27. 9. 2007 – VII ZB 23/07, NJW 2008, 527; OLG Saarbrücken Beschluss vom 29.03.2021 – 9 W 9/21, BeckRS 2021, 10740 = NJW-Spezial 2021, 412; BeckOK/Jaspersen, Stand 1.9.2021, § 103 Rn. 24; Musielak/Voit/Weth, ZPO, 18. Aufl., § 50 Rn. 12; Zöller/Herget, ZPO, 33. Aufl., § 104 Rn. 21.64). Dies gilt unabhängig davon, ob die Beklagte ihre Parteifähigkeit vor oder im Rechtsstreit verloren hat (vgl. BGH Beschluss vom 27. 9. 2007 – VII ZB 23/07, NJW 2008, 527). Eingeschränkt werden diese Grundsätze, wenn die nichtexistente Partei nicht nur ihre Parteifähigkeit bestritten, sondern auch Einwendungen in der Sache vorgebracht hat (BGH Beschluss vom 12. 5. 2004 – XII ZB 226/03, NJW-RR 2004, 1505, 1506; OLG Düsseldorf MDR 2008, 1308). Das ist hier nicht der Fall. Die Beklagte zu 1. hat sich in der Klageerwiderung auf das Bestreiten ihrer Parteifähigkeit beschränkt. Ist die nichtexistente Partei aber im Kostenfestsetzungsverfahren weiterhin parteifähig, so versteht es sich von selbst, dass zu ihren Gunsten auch eine entsprechende Kostengrundentscheidung nach §§ 91, 269 Abs. 3 ZPO zu ergehen hat (BeckOK/Jaspersen, Stand 1.9.2021, § 91 Rn. 52; Münchener Kommentar/Schulz, ZPO, 6. Aufl., § 91 Rn. 18). Zwischen der Beklagten zu 1. und dem Kläger ist – wie das Landgericht in seiner Nichtabhilfeentscheidung vom 15.10.2021zutreffend ausgeführt hat – durch die Zustellung der Klage auch ein Prozessverhältnis begründet worden. Die Klage ist der Beklagten zu 1. zugestellt worden (Bl. 73 d.A.). Der Prozessbevollmächtigte konnte für die Beklagte zu 1. den nach § 269 Abs. 4 ZPO erforderlichen Kostenantrag stellen. Der als geborener Liquidator nach § 146 HGB vertretungsbefugte Beklagte zu 2. hat die Prozessvollmacht auch im Namen der Beklagten zu 1. erteilt (Bl. 301 d.A.).

Soweit der Kläger einwendet, der Prozessbevollmächtigte des Beklagten zu 2. hätte bereits in der vorgerichtlichen Korrespondenz die Nichtexistenz der Beklagten zu 1. formlos oder über seine Prozessbevollmächtigten offenlegen müssen, macht er einen materiellrechtlichen Einwand geltend. Ein materiellrechtlicher Einwand kann im Rahmen des § 269 Abs. 3 S. 3 ZPO zwar unter dem Gesichtspunkt des billigen Ermessens erheblich sein. Hier ist die Kostenentscheidung aber auf Antrag der Beklagten zu 1. ergangen. Stellt nur eine Partei einen Kostenantrag, darf das Gericht keine Kostenentscheidung zu Lasten des Antragstellers treffen (BeckOK-ZPO/Bacher, Stand 1.9.2021, § 269 Rn. 22; Münchener Kommentar/Becker-Eberhard, ZPO, 6. Aufl., § 269 Rn. 69). Der Kläger hat keinen von der Regel des § 269 Abs. 3 S. 2 ZPO abweichenden gegenläufigen Kostenantrag nach § 269 Abs. 3 S. 3 ZPO gestellt. Dieser lässt sich auch der Beschwerdebegründung jedenfalls nicht eindeutig entnehmen. Im Übrigen war es der Beklagten zu 1. auch unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben unbenommen, einen Prozessbevollmächtigten zu beauftragen und die Klageabweisung zu beantragen, zumal sich nicht feststellen lässt, dass sie als sicher annehmen musste, der Kläger würde die Klage auch auf einen außerprozessualen Hinweis zurücknehmen. Die Klage hat er denn auch nicht unmittelbar auf den in der Klagewiderung enthaltenen Hinweis zur Löschung der Beklagten zu 1., sondern erst mit Schriftsatz vom 21.5.2021 zurückgenommen. Letztlich begründet der Kläger auch nicht, warum sich ein Verhalten des Beklagten zu 2. bei der Kostenentscheidung zu Lasten der Beklagten zu 1. auswirken könnte.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Beschwerdewert: bei der Beklagten zu 1. angefallene außergerichtliche Kosten.

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