OLG Köln, Beschluss vom 07.06.2018 – 5 U 145/17

Oktober 20, 2021

OLG Köln, Beschluss vom 07.06.2018 – 5 U 145/17

Schließt eine öffentlichrechtliche Sozialeinrichtung, die ihren Mitgliedern Leistungen in Krankheitsfällen gewährt, entsprechend ihrer Satzung einen bestimmten Arzt generell von der Erstattungspflicht aus, weil dieser gehäuft nicht indizierte Diagnostik und Behandlungen abgerechnet hat, so scheitert ein entsprechender Unterlassungsanspruch des Arztes regelmäßig jedenfalls an der fehlenden Rechtswidrigkeit des Ausschlusses. Ob sich dieser überhaupt als Eingriff in einen eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb darstellt, lässt der Senat offen.

Tenor
Der Senat weist die Parteien darauf hin, dass er beabsichtigt, die Berufung des Klägers gegen das am 10.08.2017 verkündete Urteil der 27. Zivilkammer des Landgerichts Köln – 27 O 131/15 – gemäß § 522 Abs. 2 ZPO als unbegründet zurückzuweisen.

Der Kläger erhält Gelegenheit zur Stellungnahme zu dem Hinweis innerhalb von drei Wochen ab Zustellung dieses Beschlusses (§ 522 Abs. 2 Satz 3 ZPO).

Gründe
I.

Die Berufung hat offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg, weil das angefochtene Urteil weder auf einer Rechtsverletzung beruht noch nach § 529 ZPO zugrunde zu legende Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen (§§ 522 Abs. 2 Nr. 1, 513 Abs. 1 ZPO). Zu Recht hat das Landgericht die Klage abgewiesen, denn dem Kläger stehen die geltend gemachten Ansprüche aus keinem ersichtlichen Rechtsgrund gegen die Beklagte zu.

1. Der Kläger hat keine Ansprüche gegen die Beklagte auf Beseitigung oder Unterlassung aus den §§ 823 Abs. 1, 1004 Abs. 1 BGB wegen eines Eingriffs in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb.

Das Landgericht hat einen Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb mit der Begründung verneint, es fehle an der Betriebsbezogenheit des Eingriffs. Ein zielgerichtetes Handeln der Beklagten zum Nachteil des Klägers sei nicht dargelegt. Die Beklagte habe eine Regelung der Rechtsbeziehung zwischen ihren Mitgliedern und sich selbst angestrebt. Soweit sich das Verhalten faktisch auf den Kläger auswirken könne, stelle sich dies als bloßer Reflex dar.

Ob ein Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb tatbestandlich bereits deswegen ausscheidet, weil die Beklagte die Rechnungen des Klägers von der Erstattung nicht mit der Intention ausgeschlossen hat, eine Behandlung ihrer Mitglieder durch den Beklagten zu verhindern, oder ob es insoweit schon ausreicht, dass die Beklagte in dem Wissen gehandelt hat, dass hierdurch der Betrieb des Klägers beeinträchtigt werden könnte, weil die Mitlieder medizinische Behandlungen des Klägers nicht mehr in Anspruch nehmen würden, kann dahin stehen (vgl. zu den streitigen Fragen der Intention des Täters als Eingriffsvoraussetzung: Staudinger/Hager, 2017, § 823 BGB, Rz. D 17; BeckOK/Förster, Stand: 01.11.2017, § 823 BGB, Rz. 185).

Denn jedenfalls fehlt es an einer Rechtswidrigkeit eines Eingriffs. Das Recht am Gewerbebetrieb stellt einen offenen Tatbestand dar, dessen Inhalt und Grenzen sich erst aus einer Interessen- und Güterabwägung mit der im Einzelfall konkret kollidierenden Interessensphäre anderer ergeben. Die Behinderung der Erwerbstätigkeit ist nur dann rechtswidrig, wenn das Schutzinteresse des Betroffenen die schutzwürdigen Belange der anderen Seite überwiegt (BGH, Urteil vom 15.05.2012, VI ZR 117/11, BGHZ 193, 227 ff, Rz. 27 -, juris).

Im vorliegenden Fall überwiegen die Schutzinteressen der Beklagten.

Der Kläger hat ein Interesse daran, dass seinen Patienten die von ihm in Rechnung gestellten Behandlungskosten von der Beklagten erstattet werden. Es liegt auf der Hand, dass sich ein privat krankenversicherter Patient vorrangig in die Behandlung solcher Ärzte begibt, deren Behandlungskosten er von seinem Krankenversicherer oder anderen Kostenträgern erstattet bekommt (OLG Hamm, Urteil vom 12.12.2016, 6 U 214/15, Rz. 37 -, juris). Dies mag ausnahmsweise anders sein, wenn der Patient großes Vertrauen in die Behandlungsmaßnahmen des Arztes hat und er bereit und wirtschaftlich in der Lage ist, die Behandlungskosten selbst zu tragen. Aber auch in diesen Ausnahmefällen muss der Arzt damit rechnen, dass der Patient das Behandlungsverhältnis irgendwann aus Kostengründen nicht weiter fortsetzen möchte.

Die Beklagte hingegen hat ein Interesse daran, von ihren Mitgliedern keine Rechnungen zur Erstattung vorgelegt zu bekommen, mit denen Behandlungen abgerechnet werden, die medizinisch nicht indiziert sind. Die Bearbeitung solcher Rechnungen erfordern einen hohen Prüfungs- und Begründungsaufwand, was wiederum mit einem hohen Zeit- und Kostenaufwand verbunden ist, den die Beklagte im eigenen Interesse, aber auch im Interesse ihrer Mitglieder verhindern muss. Dass die Mitglieder A und B in den Jahren 2011 bis 2014 über vierzig Rechnungen vorgelegt haben, die zu ganz erheblichen Kürzungen führten, weil die abgerechneten Leistungen medizinisch nicht erforderlich waren, hat die Beklagte dargelegt. Den durch Vorlage der Rechnungen sowie der Kürzungsmitteilungen substantiierten Einwendungen der Beklagten ist der Kläger nicht hinreichend entgegen getreten, worauf das Landgericht in seinem angefochtenen Urteil zu Recht hingewiesen hat. Gegen diese Ausführungen des Landgerichts hat der Kläger mit der Berufungsbegründung keine Einwendungen vorgebracht.

Die Schutzinteressen der Beklagten überwiegen eindeutig die Interessen des Klägers, denn das Interesse des Klägers an einer Kostenerstattung ist nur insoweit schutzwürdig, als er Behandlungen durchführt und abrechnet, die – gemessen am allgemein anerkannten medizinischen Standard – medizinisch notwendig sind.

Die in der Berufungsbegründung thematisierte Frage, ob sich ein Krankenversicherer auf eine Ausschlussentscheidung anderer Krankenversicherer und die der Entscheidung zugrunde liegenden Gründe beziehen bzw. sie sich zu eigen machen darf, bedarf vorliegend keiner Entscheidung. Denn die Beklagte hat sich nicht auf eine Ausschlussentscheidung eines anderen Krankenversicherers bezogen, sondern den Ausschluss mit den von ihr selbst geprüften und beanstandeten Abrechnungen des Klägers begründet.

Ebenfalls nicht entscheidungserheblich und daher vom Senat nicht zu beantworten ist die hypothetische Frage, unter welchen Umständen in Zukunft eine Aufhebung des Ausschlusses gerechtfertigt sein könnte. Sinn und Zweck des Ausschlusses ist es, die Voraussetzungen, unter denen er zustande gekommen ist, nicht regelmäßig überprüfen zu müssen. Die Beklagte hat daher grundsätzlich ein schutzwürdiges Interesse an der Fortdauer des Rechnungsausschlusses. Dieses Interesse besteht jedenfalls solange fort, wie die Beklagte kein begründetes Vertrauen haben kann, dass der Kläger zukünftig ausschließlich medizinisch notwendige Behandlungen abrechnet. Die Frage, in welcher Weise der Kläger das einmal enttäuschte Vertrauen der Beklagten in eine medizinisch notwendige Behandlung ihrer Mitglieder wiederherstellen könnte, kann und muss der Senat nicht beantworten. Als Mindestvoraussetzung dürfte jedenfalls zu fordern sein, dass der Kläger einräumt, dass die von der Beklagten im Einzelnen beanstandeten Behandlungen nach dem allgemein geltenden medizinischen Standard nicht indiziert waren. Bereits daran fehlt es hier. Der Kläger hat bislang (pauschal) bestritten, dass die von ihm abgerechneten Behandlungsmaßnahmen medizinisch nicht notwendig gewesen sind.

2. Der Kläger hat weder Ansprüche aus § 823 Abs. 1 BGB wegen Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts, noch aus § 823 Abs.2 BGB i.V.m. § 185 StGB, noch aus § 824 oder § 826 BGB. Der Senat nimmt auf die zutreffenden Ausführungen des Landgerichts im angefochtenen Urteil Bezug und macht sie sich zu eigen. Gegen die Ausführungen hat der Kläger keine Einwendungen erhoben.

II.

Bei dieser Sachlage gibt die Berufung zu einer Abänderung des angefochtenen Urteils insgesamt keine Veranlassung. Die Rechtssache hat keine rechtsgrundsätzliche Bedeutung (§ 522 Abs. 2 Nr. 2 ZPO). Weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordern eine Entscheidung des Senats aufgrund mündlicher Verhandlung (§ 522 Abs. 2 Nr. 3 ZPO); eine mündliche Verhandlung erscheint unter Berücksichtigung aller weiteren Aspekte des Rechtsstreites auch aus sonstigen Gründen nicht geboten (§ 522 Abs. 2 Nr. 4 ZPO).

Haben Sie Fragen? 

Rufen Sie uns an oder schreiben Sie uns eine E-Mail, damit wir die grundsätzlichen Fragen klären können.

© Rechtsanwalt Krau. All rights reserved.
Powered by wearehype.eu.
© Rechtsanwalt Krau. All rights reserved.
Powered by wearehype.eu.