OLG Köln, Beschluss vom 09.03.2020 – 7 U 257/19

Oktober 8, 2021

OLG Köln, Beschluss vom 09.03.2020 – 7 U 257/19

Tenor
Die Parteien werden darauf hingewiesen, dass der Senat beabsichtigt, die Berufung der Klägerin gegen das Urteil der 37. Zivilkammer des Landgerichts Köln vom 30.08.2019 – 37 O 155/19 – ohne mündliche Verhandlung gemäß § 522 Abs. 2 ZPO durch einstimmigen Beschluss zurückzuweisen.

Dem Kläger wird Gelegenheit gegeben, hierzu binnen drei Wochen ab Zustellung dieses Beschlusses Stellung zu nehmen.

Gründe
Der Senat ist einstimmig davon überzeugt, dass die Berufung des Klägers offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung besitzt, die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht erfordert und eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist (§ 522 Abs. 2 S. 1 ZPO).

Das Landgericht hat aufgrund der von ihm fehlerfrei getroffenen Feststellungen zutreffende Folgerungen angestellt, die durch das Vorbringen der Berufungsbegründung nicht erschüttert werden. Das angefochtene Urteil beruht weder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von §§ 513 Abs. 1, 546 ZPO, noch rechtfertigen die gemäß § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen eine andere Entscheidung.

Dem Kläger steht gegen die Beklagte ein Anspruch auf Schmerzensgeld nicht zu. Schadensersatz- und Schmerzensgeldansprüche aus Vertrag nach §§ 241 Abs. 2, 280 Abs. 1 BGB oder aus § 823 BGB scheitern letztlich gleichermaßen daran, dass eine Verletzung von Verkehrssicherungs- und Aufklärungspflichten im Integritätsinteresse des Klägers durch die Mitarbeiterin der Beklagten – der früheren Beklagten zu 2) -, also durch die Zeugin A, nicht angenommen werden kann.

1. Verstoß gegen Verkehrssicherungspflichten

Die Verkehrssicherungspflicht bei Freizeit-Veranstaltungen entspricht in ihren Grundzügen dem üblichen Muster aller Verkehrssicherungspflichten, sodass die Abwehr von Gefahren im Mittelpunkt steht, vor denen sich die Besucher nicht ausreichend selbst schützen können. Wie jeder andere auch, der eine Gefahrenquelle schafft, ist der Veranstalter verpflichtet, von den Besuchern vermeidbare Gefahren nach Möglichkeit fernzuhalten. Wie stets ist damit nicht jegliche Gefahr gemeint, sondern es sind im zumutbaren Umfang Maßnahmen gegen solche Schäden zu treffen, deren Eintritt nicht völlig unwahrscheinlich ist. Dazu gehört zweifellos, dass die Veranstaltung selbst, ihr Ort und die Wege dorthin keine versteckten Gefahren bergen, die die Besucher nicht selbst meistern können, wobei insofern etwa auf die Art der Veranstaltung, die Eigenheiten des Besucherkreises und weitere Umgebungsfaktoren (Jahreszeit, Wetter, Stimmung etc.) Rücksicht zu nehmen ist (vgl. Förster, in: BeckOK BGB, Bamberger/Roth/Hau/Poseck, 53. Edition, Stand: 01.02.2020, § 823 Rn. 422, 423 m.w.N.).

Speziell für Sportveranstaltungen hat die Rechtsprechung diese Regel näher ausgestaltet:

Die Verkehrssicherungspflicht von Betreiber wie Organisator für ihre Sportstätte respektive Veranstaltung bezieht sich grundsätzlich nicht darauf, die Sportler vor solchen Gefahren zu schützen, die mit der Ausübung ihrer Sportart typischerweise verbunden sind. Das gegenüber alltäglichen Tätigkeiten eventuell sogar erheblich erhöhte Gefahrenniveau nimmt ein Sportler bewusst in Kauf. In diesem Rahmen trägt in erster Linie der Sportler selbst die Verantwortung dafür, welche Gefahren er eingehen will und entsprechend seinem Können eingehen kann, weshalb er insoweit auch eigenverantwortlich für seine Sicherheit sorgen muss und sich insbesondere den vorgefundenen Bedingungen anpassen muss. Die Verkehrssicherungspflicht des Sportveranstalters B gegenüber den Sportausübenden konzentriert sich damit auf den Schutz vor heimtückischen Objekten und atypischen Gefahren, die sie kaum erkennen und denen sie daher auch nicht adäquat selbst begegnen können. Erkennbare Gefahrenquellen sind dagegen nur ausnahmsweise dann auszuschalten, wenn sie besonders unfallträchtig sind und schwere Verletzungen verursachen können (Förster, in: BeckOK BGB, Bamberger/Roth/Hau/Poseck, 53. Edition, Stand: 01.02.2020, § 823 Rn. 563, 564). Als Beispiel aus der Rechtsprechung kann etwa der Fall eines künstlich angelegten Sprunghügels auf einer Hallenrodelbahn gelten (vgl. OLG Hamm NJW-RR 2008, 1554 [1555]).

Unter Zugrundelegung dieser Kriterien kann der Mitarbeiterin der Beklagten, der Zeugin A, ein Verstoß gegen die Verkehrssicherungspflicht weder unter dem Gesichtspunkt vorgeworfen werden, dass sie überhaupt den Fünfsprung als Sportart angeboten hat, noch dass sie dabei Gewichte von 2 x 2 kg (= 4 kg) zugelassen und die Übung in die Form eines „Wettbewerbs“ eingekleidet hat.

Die Gefahr einer Gelenkverletzung durch Umknicken oder Überdehnung ist jedem mit Sprüngen verbundenem Sport typischerweise immanent und zugleich offensichtlich und im Grundsatz auch allgemein bekannt. Dass diese Gefahr durch den zusätzlichen Einsatz von Gewichten tendenziell erhöht wird, ist ebenfalls für jedermann erkennbar, da hierdurch das abzufangende Körpergewicht künstlich erhöht wird. Damit kann ein Veranstalter im Grundsatz erwarten, dass jeder Teilnehmer seine eigene Konstitution und Fitness selbst realistisch einschätzt und seine Teilnahme davon abhängig macht. Eine Verpflichtung der Beklagten, eine entsprechende sportliche Betätigung generell nicht zuzulassen, würde daher – da es um typische und ohne weiteres erkennbare Gefahren geht – voraussetzen, dass es sich um eine besonders unfallträchtige Betätigung handelt, bei der schwere Verletzungen drohen. Dass es zu so schweren Verletzungsfolgen in beiden Kniegelenken bei einem Fünfsprung kommt, muss nach den gegebenen Umständen indes als eine besonders tragische Ausnahmeerscheinung gelten; keineswegs war zu erwarten, dass sich die Teilnehmer reihenweise und zudem so schwerwiegend verletzen würden. Dafür spricht auch, dass die Beklagte die Veranstaltung nicht das erste Mal durchgeführt hat und es bisher zu vergleichbaren Unfällen unstreitig nicht gekommen ist. Der insoweit darlegungsbelastete Kläger hat hierzu nicht näher vorgetragen.

Nichts anderes ergibt sich aus dem Element des Wettbewerbs („Olympiade“). Zwar ist dem Kläger zuzugeben, dass die Schaffung einer Wettbewerbssituation die Gefahr einer Überforderung und daraus resultierender Verletzungen potentiell erhöht. Andererseits war hier in Betracht zu ziehen, dass es sich um eine Freizeitveranstaltung mit „Fun-Charakter“ und nicht um eine ernsthafte Wettkampfsituation handelte, bei der man den Teilnehmern – einer Gruppe von leitenden Mitarbeitern einer Sparkasse im reiferen Alter – durchaus zutrauen konnte, dass körperliche Belastungsgrenzen bekannt sind und nicht endgradig ausgereizt werden. Auch gehört der Effekt der Gruppendynamik zu den typischen Risiken einer Sportveranstaltung und kann von den Teilnehmern bedacht werden. Dass die Situation die „Freiwilligkeit eingeschränkt“ haben könnte – wie der Kläger meint -, hält der Senat nicht für plausibel – gerade auch im Hinblick auf die Verwendung der schwereren Hantel -, jedenfalls aber nicht aus der Sicht der Mitarbeiterin der Beklagten für vorhersehbar.

Soweit der Kläger ein mangelndes Aufwärmen als Schadensursache ins Spiel gebracht hat, schließt sich der Senat der Einschätzung des Landgerichts an, dass eine Kausalität insoweit weder schlüssig dargelegt noch naheliegend ist, da der Kläger bereits im Vorfeld des Fünfsprungs insgesamt vier – z.T. auch beinbetonte – Übungen (Würfe, Torwand, Turnübung, „Biathlon“, vgl. Ss. des Klägers vom 17.6.2019, Bl. 102) absolviert hatte und sich dabei zwangsläufig bereits zumindest etwas aufgewärmt haben muss. Im Übrigen handelt es sich bei mangelndem Aufwärmen ebenfalls um eine typische und vorhersehbare Gefährdung, deren Einschätzung grundsätzlich jedem Sporttreibenden zugetraut werden kann.

Damit ergeben sich im Ergebnis keine Anhaltspunkte für eine Verkehrssicherungspflicht des Inhalts, den Fünfsprung nicht anzubieten oder die Teilnahme des Klägers daran zu unterbinden.

2. Verstoß gegen Aufklärungspflichten

Auch ein Verstoß gegen Aufklärungspflichten liegt nicht vor. Zu den vertraglichen Nebenpflichten zählen die unterschiedlichen Aufklärungs-, Anzeige-, Warn- und Beratungspflichten, dh die Pflicht, den anderen Teil unaufgefordert über entscheidungserhebliche Umstände zu informieren, die diesem verborgen geblieben sind. Die Haftung beruht auf dem Gedanken, dass der Schuldner – insbesondere auf Grund seiner überlegenen Fachkunde – zur Aufklärung verpflichtet ist, wenn Gefahren für das Leistungs- oder Integritätsinteresse des Gläubigers bestehen, von denen dieser keine Kenntnis hat (vgl. Sutschet, in: BeckOK BGB, Bamberger/Roth/Hau/Poseck, 53. Edition, Stand: 01.02.2020, § 241 Rn. 77). Grundsätzlich ist es aber Sache jeder Vertragspartei, sich über die Chancen und Risiken eines Geschäfts vor Abschluss des Vertrages zu informieren, sich insbes. also auch über Risiken zu erkundigen. Ausnahmsweise unterliegt aber auch der andere Teil einer Auskunfts- und Informationspflicht, vor allem über solche Umstände, die allein ihm bekannt sind und von denen er weiß oder wissen muss, dass sie für den Verhandlungspartner von besonderer Bedeutung für den Vertragsentschluss sind (Sutschet, in: BeckOK BGB, § 311 Rn. 73).

Bei Sportveranstaltungen folgt die Hinweis- und Aufklärungspflicht weitgehend den Grundsätzen, die für die Verkehrssicherungspflicht bei Sportveranstaltungen entwickelt worden sind. Auch hier gilt der Grundsatz, dass vor atypischen Gefahren gewarnt werden muss, auf die der Teilnehmer sich mangels Erkennbarkeit nicht einstellen kann, und von denen ihm erhebliche Schäden drohen. So hat die Rechtsprechung beispielsweise eine Pflicht zur Warnung vor extremer Vereisung einer Skipiste angenommen, wenn nicht nur Stürze, sondern auch weiteres Abrutschen in die Tiefe drohen (BGH NJW 1973, 1379 [1381]). Demgegenüber soll bei einer Rodelabfahrt auf einem Fahrweg im Hochgebirge keine Hinweispflicht darauf bestehen, dass die Strecke teilweise in Kurven verläuft und das Gelände daneben auch abschüssige Stellen und Geröll aufweist (OLG Köln BeckRS 1992, 05348).

Legt man diesen Maßstab zugrunde, so ergab sich für die Beklagte vorliegend keine Hinweis- und Warnpflicht. Das Risiko, sich bei einem Sprung eine Gelenkverletzung zuzuziehen, war typisch und erkennbar. Das enorme Ausmaß im konkreten Fall wiederum war ungewöhnlich und nicht absehbar. Anhand der äußerlich erkennbaren Rahmendaten – erwachsener Teilnehmer von 57 Jahren ohne relevante konstitutionelle Auffälligkeiten – hatte die Beklagte keine Anhaltspunkte dafür, dass ein derartiger Schadenverlauf drohte.

Berufung zurückgenommen

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