OLG Köln, Beschluss vom 11.01.2019 – 15 W 59/18 und 15 W 1/19

Oktober 10, 2021

OLG Köln, Beschluss vom 11.01.2019 – 15 W 59/18 und 15 W 1/19

Tenor
Die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin vom 17.10.2018 (15 W 59/18) und die sofortige Beschwerde der Beschwerdeführerin zu 2) vom 18.10.2019 (15 W 1/19) gegen den Beschluss des Landgerichts Bonn vom 01.10.2018 – 9 O 221/18 – in der Fassung des Nichtabhilfebeschlusses vom 24.10.2018 – 9 O 221/18 – werden kostenpflichtig als unzulässig verworfen.

Der Gegenstandswert wird auf je 600 EUR für die Beschwerdeverfahren festgesetzt (vgl. KG v. 16.10.2018 – 20 W 53/18).

Gründe
I.

Der Antragsteller erwirkte mit Beschluss des Landgerichts Bonn vom 21.08.2018 – 9 O 221/18 -, auf den wegen der Details verwiesen wird (Bl. 43 ff. d.A.) eine einstweilige Verfügung gegen die Antragsgegnerin, mit der dieser bei Androhung von Ordnungsmitteln verboten wurde, einen bestimmten Kommentar des Antragstellers zu löschen und/oder den Antragsteller wegen dieses Kommentars in ihrem sozialen Netzwerk zu sperren. Der Antragsteller ließ die einstweilige Verfügung im Parteibetrieb über einem Gerichtsvollzieher am 05.09.2018 an die Beschwerdeführerin zu 2), die als inländischer Zustellungsbevollmächtigter i.S.d. § 5 Abs. 1 S. 1 NetzDG im Internetauftritt der Antragsgegnerin benannt ist, zustellen und teilte dies dem Landgericht unter dem 20.09.2018 mit. Unter dem gleichen Datum beantragte er vorsorglich die Auslandszustellung an die Antragsgegnerin in Irland (Bl. 79 f. d.A.), da die Beschwerdeführerin zu 2) die zugestellten Unterlagen unter dem 13.09.2018 unter Verweis auf ihre angeblich fehlende Zustellungsbevollmächtigung außerhalb des originären Bereichs des NetzDG an den Verfahrensbevollmächtigten des Antragstellers zurückgesandt hatte (Anlage A] 11, Bl. 81 f d.A.). Daraufhin hat das Landgericht Bonn mit Beschluss vom 01.10.2018 – 9 O 221/18 – (zur Veröffentlichung bestimmt) – intern mit Blick auf die Einleitung der gerichtlichen Kostenbeitreibung – „festgestellt, dass die Zustellung des Beschlusses der Kammer im Parteibetrieb am 05.09.2018“ an die Beschwerdeführerin zu 2) „gemäß §§ 922 Abs. 2, 936 ZPO wirksam war“. Es hat dies im Wesentlichen darauf gestützt, dass der auf Fälle des Begehrens der Löschung eines Beitrages ausgerichtete § 5 Abs. 1 S. 2 NetzDG zwar nicht unmittelbar anwendbar sei. Die Norm sei auf die vorliegende Konstellation eines sich gegen die Verhinderung einer Löschung wegen vermeintlicher Verstöße gegen die „Gemeinschaftsstandards“ der Antragsgegnerin wehrenden Users wegen einer planwidrigen Regelungslücke aber analog anwendbar. Deswegen habe die beantragte Auslandszustellung dann auch zu unterbleiben. Wegen der weiteren Einzelheiten der Begründung wird auf den angegriffenen Beschluss (Bl. 87 ff. d.A.) Bezug genommen. Unter dem 27.09.2018, bei der Kammer eingegangen am 02.10.2013, hat der Antragsteller die Feststellung im Beschlusswege beantragt, dass die Beschwerdeführerin zu 2) in dem Verfahren Zustellungsbevollmächtigte sei (Bl. 95 ff. d.A.). Dies hat das Landgericht mit Blick auf den zuvor erlassenen Beschluss als erledigt angesehen, im Folgenden wurden die Kosten festgesetzt.

Mit Schriftsätzen vom 18.10.2018 hat die Beschwerdeführerin zu 2) sofortige Beschwerde gegen den Beschluss vom 01.10.2018 eingelegt und zugleich hilfsweise wegen Verletzung rechtlichen Gehörs eine Rüge nach § 321a ZPO bzw. eine Gegenvorstellung eingereicht. Mit Schriftsatz vom 17.10.2018 hat die Antragsgegnerin sofortige Beschwerde gegen den Beschluss eingelegt und ebenfalls hilfsweise eine Rüge nach § 321a ZPO sowie eine Gegenvorstellung eingereicht. Mit Beschluss vom 24.10.2018, auf den wegen der weiteren Einzelheiten verwiesen wird (Bl. 175 ff. d.A.), hat das Landgericht der „sofortigen Beschwerden der Antragsgegnerin vom 17.10.2018 und 18.10.2018“ nicht abgeholfen und die Rügen der Verletzung rechtlichen Gehörs zurückgewiesen. Hinsichtlich des rechtlichen Gehörs sei eine Heilung erfolgt und in der Sache werde grundsätzlich über alles Relevante durch das Zivilgericht durch Beschluss entschieden, soweit nichts Gegenteiliges geregelt sei. Hier sei zum Zwecke der Rechtssicherheit über eine konkrete Zustellung zu befinden gewesen. Der Gesetzgeber habe bei Erlass des NetzDG die hiesige Fallkonstellation übersehen, zumal er nur „insbesondere“ von der gerichtlichen Abwehr gesprochen habe. Die „Meinungsmacht“ der sozialen Netze sei auch bei der behaupteten unzulässigen „digitalen Zensur“ betroffen.

In der Sache sind die Beschwerdeführerinnen der Ansicht, ihre Beschwerden seien mit Blick auf die prozessuale Waffengleichheit, die Verletzung rechtlichen Gehörs und die unzulässige Verfahrensgestaltung zulässig. In der Sache hätte das Landgericht den Feststellungsantrag des Antragstellers als unzulässig verwerfen müssen, da die ZPO nach Erlass einer einstweiligen Verfügung keine Grundlage für eine Feststellung der Wirksamkeit einer Zustellung im Parteibetrieb vorsehe. Es bestehe dafür kein Bedürfnis, weil der Antragsteller solche Fragen etwa im Zusammenhang mit Ordnungsmittelverfahren klären lassen könne. Letztlich habe er einen eigenständigen Streitgegenstand eingeführt und das Landgericht habe verfahrensfehlerhaft über diesen abschließend entschieden. Die Beschwerdeführerin zu 2) sei nicht zustellungsbevollmächtigt. § 5 Abs. 1 NetzDG sei – wie das Landgericht erkannt habe – nicht anwendbar. Eine Analogie scheitere an der fehlenden planwidrigen Regelungslücke und an der fehlenden Vergleichbarkeit. Zudem gehe es nicht um Inhalte i.S.d. § 1 Abs. 3 NetzDG, denn die Gemeinschaftsstandards der Antragsgegnerin zur „Hassrede“ seien weiter gefasst. Eine erweiterte Auslegung scheitere zudem jedenfalls daran, dass § 5 Abs. 1 NetzDG nach h.M. ohnehin wegen Verstoßes gegen die Vorgaben der Verordnung (EG) Nr. 1393/2007 (EuZustVO) europarechtswidrig sei und gegen das Herkunftslandprinzip aus Art. 3 Abs. 2 der Richtlinie 2000/31 verstoße. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Schriftsätze der Antragsgegnerin vom 17.10.2018 (Bl. 113 ff. d.A.) und vom 19.12.2018 (Bl. 276 ff. d.A.) sowie die Schriftsätze der Beschwerdeführerin zu 2) vom 18.10.2018 (Bl. 129 ff. d.A., Bl. 151 ff. d.A.) vom 02.11.2018 (Bl. 192 ff., 199 f. d.A.), vom 07.11.2018 (Bl. 216 f. d.A.), vom 20.11.2018 (Bl. 223 f. d.A.) und vom 06.12.2018 (Bl. 244 ff. d.A.) Bezug genommen.

Die Antragsgegner beantragen sinngemäß,

den Beschluss des Landgerichts Bonn vom 01.10.2018 – 9 O 221/18 – abzuändern und den Antrag des Antragsstellers auf Feststellung der Zustellungsbevollmächtigung der Beschwerdeführerin zu 2) zurückzuweisen.

Der Antragsteller beantragt sinngemäß,

die sofortigen Beschwerden als unzulässig zu verwerfen bzw. zurückzuweisen.

Der Antragsteller verteidigt die angegriffene Entscheidung. Er rügt eine fehlende wirksame Vollmacht der Verfahrensbevollmächtigten der Antragsgegnerin sowie die Statthaftigkeit der sofortigen Beschwerden. In der Sache gehe es um sog. doppelrelevante Tatsachen, bei deren die schlüssige Behauptung eines inhaltlichen Bezugs zum NetzDG genüge. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Schriftsätze vom 01.11.2018 (Bl. 206 ff. d.A.) und vom 23.11.2018 (Bl. 228 ff. d.A.) Bezug genommen.

II.

1.

Die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin – die wirksam Verfahrensvollmacht für ihre Verfahrensbevollmächtigten erteilt hat – ist unzulässig. Denn die sofortige Beschwerde ist nicht nach § 567 Abs. 1 ZPO statthaft. Die Eröffnung des Rechtsmittels ist nicht „im Gesetz ausdrücklich bestimmt“ i.S.d. § 567 Abs. 1 Nr. 1 ZPO und es handelt sich nicht „um … eine mündliche Verhandlung nicht erfordernde Entscheidungen…, durch die ein das Verfahren betreffendes Gesuch zurückgewiesen worden ist“ i.S.d. § 567 Abs. 1 Nr. 2 ZPO.

a) Selbst wenn man annehmen wollte, dass (a) das Landgericht den angegriffenen feststellenden Beschluss nicht – wie tatsächlich geschehen – nur aus eigenem Antrieb (von Amts wegen), sondern auf den Antrag im Schriftsatz des Antragstellers vom 27.09.2013 getroffen hätte und man (b) weiter annehmen wollte, dass das Landgericht dabei das rechtliche Gehör (auch) der Antragsgegnerin verletzt und dieser folglich die Möglichkeit genommen hätte, einen Zurückweisungsantrag zu stellen, so dass ihr nunmehr diejenigen Rechtsmittel zu eröffnen wären, die ihr zugestanden hätten, wenn sie beteiligt worden wäre, ändert sich an dieser Annahme nichts: Denn auch in diesem Fall wäre keine sofortige Beschwerde statthaft (vgl. für die Frage einer Entscheidung von Amts wegen in Fällen wie dem vorliegenden auch bereits OLG Stuttgart v. 13.03.2018 – 4 W 17/18, Anlage As 13, Bl. 208 f. d.A.).

aa) Zwar wird – wie die Beschwerdeführerin zu 2) auf S. 5 der Beschwerdeschrift (Bl. 133 d.A.) anführt – in Rechtsprechung und Literatur teilweise unter Verweis auf die prozessuale Waffengleichheit eine erweiternde Auslegung des § 567 Abs. 1 ZPO für möglich gehalten, wenn es um mit der Stattgabe eines Gesuchs zugleich konkludent oder ausdrücklich abgewiesene Zurückweisungsanträge gegen ein Gesuch geht (vgl. etwa OLG München v. 12.03.2014 – 15 W 23/14, NJW-RR 2015, 33; MüKo-ZPO/Lipp, 5. Aufl. 2016, § 567 Rn. 13 m.w.N.).

bb) Diese Auffassung hat der Bundesgerichtshof zuletzt mit Beschluss vom 22.06.2016 – XII ZB 142/15, NJOZ 2017, 223 Rn. 12 ff. für eine ungewollte Prozess-Pflegerbestellung zu Recht und mit zutreffender Begründung zurückgewiesen, insbesondere um die nicht in einem zu weitem Feld die Amtstätigkeit des Gerichts einer Beschwerde zugänglich zu machen (zustimmend Zöller/Heßler, ZPO, 32. Aufl. 2018, § 567 Rn. 32; siehe auch Thomas/Putzo/Reichold, ZPO, 39. Aufl. 2018, § 567 Rn. 6; kritisch weiterhin BeckOK-ZPO/Wulf, Ed. 31, § 567 Rn. 30.1.). Mit Blick darauf, dass das Grundgesetz keinen gerichtlichen Instanzenzug garantiert (st. Rspr., vgl. etwa BVerfG v. 30.04.2003 – 1 PBvU 1/02, BVerfGE 107, 395), ist dies verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden und führt im konkreten Fall auch nicht zu besonderen Verwerfungen: Insbesondere verkennt die sofortige Beschwerde, dass es der Antragstellerin durch die angegriffene Entscheidung unbenommen bleibt, ihren Rechtsstandpunkt einer nicht wirksamen Zustellung der gerichtlichen Klärung zum Beispiel dadurch herbeizuführen, dass sie – zeitlich grundsätzlich unbefristet – Widerspruch nach §§ 936, 924 ZPO gegen die ihr (wie auch immer) bekannt gewordene einstweilige Verfügung einlegt und rügt, dass die Vollziehungsfrist aus §§ 936, 929 Abs. 2 ZPO nicht eingehalten worden ist (was ein Aufhebungsgrund wäre, vgl. statt aller Musielak/Voit/Huber, ZPO, 15. Aufl. 2018, § 929 Rn. 7; Zöller/Vollkommer, a.a.O., § 924 Rn. 2, § 927 Rn. 2, § 929 Rn. 21). Alternativ könnte nach §§ 936, 927 ZPO vorgegangen werden. Da für die rechtzeitige Vollziehung (zumindest) die (Partei-)Zustellung der erwirkten Beschlussverfügung geboten wäre, wäre dabei zum einen zu prüfen, ob die erweiterte Auslegung des § 5 Abs. 1 NetzDG überzeugt und die Zustellung an die Beschwerdeführerin zu 2) ausreicht und zum anderen, ob der vorsorglich gestellte Antrag auf Auslandszustellung auch dann ausreichen würde, wenn er – wie hier geschehen – vom Gericht wegen der vermeintlich wirksamen Inlandszustellung abgelehnt worden ist, dies von Antragstellerseite akzeptiert wird und deswegen keine „demnächstige“ Zustellung i.S.d. § 167 ZPO (dazu etwa OLG Frankfurt v. 1.7.2014 – 6 U 104/14, GRUR-RR 2015, 183, MüKo-ZPO/Drescher, 5. Aufl. 2016, § 929 Rn. 10/18 m.w.N.) im Ausland mehr erfolgt ist. Zudem wäre wohl auch zu prüfen, ob durch die – hier offenbar erfolgte – Weiterleitung der Unterlagen durch die Beschwerdeführerin zu 2) an die Antragsgegnerin – wohl innerhalb der Vollziehungsfrist – eine Heilung gemäß § 189 ZPO eingetreten ist und ob es dafür wichtig wäre, ob tatsächlich das Original weitergeleitet worden ist oder auch eine Ablichtung genügt (vgl. OLG Frankfurt v. 06.02.2017 – 19 U 190/16, BeckRS 2017, 102284 und – nur für § 45 WEG – BGH v. 20.04.2018 – V ZR 202/16, NJW-RR 2018, 970 Rn. 21 einerseits und strenger etwa OLG München v. 14.09.2017 – 6 U 1864/17, GRUR 2018, 444 andererseits). Selbst wenn davon auszugehen ist, dass das Landgericht im Falle des Widerspruchs an seiner im angegriffenen Beschluss vertretenen Rechtsansicht festhalten würde, könnte wegen des ersichtlichen Erreichens der Mindestbeschwer aus § 511 ZPO zudem dabei auch eine berufungsgerichtliche Entscheidung gegen eine Entscheidung des Landgerichts im Urteilswege nach einem Widerspruch erreicht werden. Der angegriffene Beschluss hätte insgesamt bei alldem auch keine Bindungswirkung – etwa nach § 318 ZPO – hinsichtlich der vom Landgericht angenommenen Wirksamkeit der Zustellung (so wohl im Ergebnis auch LG Berlin vom 26.09.2018 – 6 O 209/18, Anlage Js 14, Bl. 212 f. d.A. für Überprüfung im Ordnungsmittelverfahren). Soweit die Beschwerdeführerinnen rügen, dass der Antragsteller mit seinem Feststellungsantrag einen eigenständigen Streitgegenstand geltend gemacht habe, über den das Landgericht „abschließend“ entschieden habe (S. 5 des Schriftsatzes vom 18.10.2018, Bl. 155 d.A.), ist das schon deswegen unzutreffend, weil das Landgericht – wie zu I. ausgeführt – gar nicht über einen solchen Antrag entschieden, sondern kurz zuvor bereits die Feststellung aus eigenem Antrieb getroffen hat (von Amts wegen aufgrund der beabsichtigten Beitreibung der Gerichtskosten).

Doch selbst wenn man dies außer Betracht lassen würde, tritt mangels Nennung des § 318 ZPO in § 329 Abs. 1 ZPO bei Beschlüssen nur in bestimmten Fällen, etwa bei urteilsähnlichen Beschlüssen, bei gestaltenden Regelungen, bei entsprechenden gesetzlichen Vorgaben oder bei auf Rechtsmittel hin ergangenen Beschlüssen eine Bindungswirkung ein (vgl. dazu im Detail Zöller/Feskorn, a.a.O., § 318 Rn. 8 m.w.N.). Um einen solchen Fall geht es hier ersichtlich nicht. Die Beschwerdeführer rügen zu Recht, dass das Landgericht zu einer in der Zivilprozessordnung gar nicht vorgesehenen „Feststellung“ der Wirksamkeit einer einzelnen Zustellung im Beschlusswege gegriffen hat, ohne dass es eine Grundlage im Verfahrensrecht dafür gegeben hat (vgl. auch LG München in der Vfg. v. 26.11.2018, Anlage Bf4, Bl. 253 d.A.). Im Übrigen würde selbst eine Bindung entsprechend § 318 ZPO bei grundrechtsrelevanten Verfahrensverstößen entfallen (Feskorn, a.a.O., Rn. 9a m.w.N.) und würde im Rechtsmittelzug – mangels isolierter Anfechtbarkeit des Beschlusses (wie hier im Detail ausgeführt) – jedenfalls das Rechtsmittelgericht ohnehin nicht binden (Feskorn, a.a.O., Rn. 14 m.w.N.).

b) Die Statthaftigkeit einer sofortigen Beschwerde kann auch nicht mit Blick darauf begründet werden, dass der der angegriffene Beschluss faktisch eine Ablehnung des Gesuchs der Antragstellerseite auf Auslandszustellung nach §§ 191, 192 Abs. 1, 183, 1069 Abs. 1 ZPO enthalten hat (ohne dies förmlich auszusprechen). Zwar hätte der Antragsteller dagegen u.U. sofortige Beschwerde einlegen können (und möglicherweise müssen), doch knüpft daran aus den genannten Gründen keine gegenläufige Beschwerdemöglichkeit der Antragsgegnerin.

c) Soweit vereinzelt bei „greifbarer Gesetzeswidrigkeit“ eine sofortige Beschwerde für statthaft gehalten wird, ist dies mit Einführung des § 321a ZPO zumindest für die Fälle der Verletzung rechtlichen Gehörs zweifelhaft. Auch wenn man diese Vorschrift – was der Senat unlängst entschieden hat (Senat v. 08.01.2019 – 15 U 110/18, zur Veröffentlichung bestimmt; siehe ferner BGH v. 27.04.2017 – I ZB 34/15, GRUR-RR 2017, 416 Rn. 6; v. 14.04.2016 – IX ZR 197/15, NJW 2016, 3035 Rn. 22) – auf die Verletzung sonstiger Verfahrens(grund-)rechte nicht anwenden kann, führt das nicht dazu, dass stets und in allen Fällen ein außerordentlicher Rechtsbehelf in Form einer außerordentlichen Beschwerde zu schaffen wäre (ablehnend die st. Rspr., siehe etwa BGH v. 07.03.2002 – IX ZB 11/02, NJW 2002, 1577 und BVerfG v. 16.01.2007 – 1 BvR 2803/06, NJW 2007, 2538). In solchen Fällen kann – wie hier geschehen – fachgerichtlich grundsätzlich eine (befristete) Gegenvorstellung eingelegt werden, was den verfassungsrechtlichen Anforderungen genügt (vgl. auch Zöller/Vollkommer, a.a.O., § 321a Rn. 3, 4; vgl. zudem BGH v. 09.06.2016 – IX ZB 92/15, NJW-RR 2016, 955 Rn. 7 ff.; v. 12.12.2012 – IV ZB 26/12, NJW-RR 2013, 256 Rn. 6; v. 28.11.2012 – V ZB 286/11, BeckRS 2013, 00258 Rn. 7; sowie im Ergebnis BVerfG v. 25.11.2008 – 1 BvR 848/07, NJW 2009, 829; v. 30.06.2009 – 1 BvR 893/09, NJW 2009, 3710).

d) Eine Statthaftigkeit der sofortigen Beschwerde kann dann auch nicht – wie die Antragsgegnerin meint – daraus abgeleitet werden, dass willkürliche Verweisungsbeschlüsse trotz § 281 Abs. 2 S. 2 ZPO nach teilweise vertretener Lesart mit der sofortigen Beschwerde angreifbar sein sollen. Auch dies ist seit der Einführung des § 321a ZPO nicht gesichert ist (vgl. zum Streitstand nur OLG Naumburg v. 20.07.2015 – 1 W 24/15, BeckRS 2015, 19813) und regelmäßig wohl auch nicht geboten, weil eine Bindung auch in diesen Fällen – wie hier – nicht besteht.

e) Soweit im Falle erheblicher Verletzungen von Verfahrensgrundrechten dennoch Rechtsmittel in Form einer außerordentlichen sofortigen Beschwerde zugelassen werden (vgl. BGH v. 28.05.2009 – I ZB 93/08, NJW-RR 2009, 1223 gegen Beweisbeschluss über Erstellung eines Gutachtens zur Klärung der Prozessfähigkeit ohne rechtliches Gehör; BGH v. 14.03.2007 – XII ZB 201/06, NJW 2007, 3575 für objektiv willkürliche Anordnung einer psychiatrischen Untersuchung), betrifft das ersichtlich Fälle, in denen in existenzieller Weise in höchstpersönliche Rechte eingegriffen wird, was mit dem vorliegenden Sachverhalt nicht zu vergleichen ist. Insbesondere droht hier vor allem wegen der fehlenden Bindungswirkung – wie ausgeführt – der Antragsgegnerin kein besonderer Nachteil.

f) Der Senat weist zuletzt – ohne dass es darauf entscheidend ankäme, so dass auch nicht nach § 568 S. 2, 574 ZPO zu verfahren war – darauf hin, dass der Rechtsstandpunkt des Landgerichts zu § 5 Abs. 1 NetzDG in der Sache nicht überzeugt und vom Senat so nicht geteilt wird, der in solchen Fällen die Zustellung an die Antragsgegnerin in Irland betreibt.

aa) Zwar wird – wie der Antragsteller vorträgt – eine erweiterte Auslegung des § 5 Abs. 1 NetzDG in der Tat vertreten (LG Stuttgart v. 07.02.2018 – 11 O 22/18, Bl. 71 ff. d.A.; LG Bamberg v. 09.08.2018 – 2 O 248/18, Bl. 74 ff.; LG Berlin v. 05.09.2018 – 6 O 209/18, Bl. 77 f. d.A. mit Nichtabhilfe vom 26.09.2018, Anlage JS 14, Bl. 212 f. d.A. und Bestätigung durch KG v. 17.10.2018 – 20 W 53/18, Anlage JS 15, Bl. 214 f. d.A., LG Hamburg v. 17.09.2018 – 324 O 193/18, Anlage JS 12, Bl. 99 ff. d.A.). Der Senat hält dies für verfehlt: Dass § 5 Abs. 1 NetzDG in Fällen wie dem vorliegenden nicht direkt und unmittelbar anwendbar ist, weil die Norm schon nach Wortlaut, Willen des Gesetzgebers, Systematik und Normzweck nur Verfahren betrifft, in denen es um die Verhinderung der Verbreitung rechtswidriger Inhalte i.S.d. § 1 Abs. 3 NetzDG geht (vgl. auch Liesching, in Spindler/Schmitz, TMG, 2. Aufl. 2018, § 5 NetzDG Rn. 8 und den Reformvorschlag von Peukert, MMR 2018, 572, 575), hat das Landgericht zutreffend gesehen. Die einstweilige Verfügung betrifft nur die Verhinderung eines vermeintlichen „Overblockings“ durch die Antragsgegnerin und die Verhinderung von nach den Gemeinschaftsstandards vermeintlich unberechtigten Usersperren, letztlich also die Frage einer vertraglichen Pflichtverletzung der Antragsgegnerin, die als solche ersichtlich nicht dem NetzDG unterfällt, mag ein Inhalt nach § 1 Abs. 3 NetzDG auch zur Berechtigung einer Sperre führen und dazu, dass in solchen Verfahren inhaltlich ähnliche Fragen zu prüfen sind.

bb) Soweit das Landgericht für solche Fälle eine Analogie zu § 5 Abs. 1 RDG für geboten hält, fehlen – wie die Beschwerdeführer zutreffend ausführen – aber die Analogievoraussetzungen. Dem deutschen Gesetzgeber ging es nur um eine effektive und unverzügliche Abwehr rechtswidriger Inhalte (BT-Drs 18/12356, S. 1 ff.) und nicht um die effektive Verfolgung von etwaigen Vertragspflichtverletzungen der Anbieter sozialer Netzwerke durch „Overblocking.“ Nur mit Blick auf die Verbreitung unzulässiger Inhalte wurde die Zustellungsproblematik erörtert und nur „insbesondere“ für die gerichtliche Abwehr solcher Äußerungen näher in den Blick genommen (BT-Drs. 18/12356, S. 27), wobei sich das „insbesondere“ eher auf Fälle behördlichen Einschreitens beziehen dürfte, nicht auf Fälle wie hier, wo es nicht um das Verbreiten unzulässiger Inhalte, sondern im Gegenzug um die (vermeintlich) unzulässige Verhinderung des Verbreitens zulässiger Inhalte geht. Im Gesetzgebungsverfahren wurde die anfänglich sprachlich noch offenere Fassung von § 5 im Regierungsentwurf („sowie in zivilgerichtlichen Verfahren gegenüber dem zuständigen Gericht…“, vgl. BT-Drs 18/12356, S. 10/27) auf die heutige engere Fassung („Gerichtsverfahren vor deutschen Gerichten wegen der Verbreitung rechtswidriger Inhalte“) verengt (BT-Drs. 18/13013, S. 11). Das hatte zwar – was die Beschwerdeführerinnen in ihren Ausführungen verschweigen – vor allem den Hintergrund, dass man die in der ersten Fassung angelegte Benennung (nur) für konkrete Gerichtsverfahren aufgeben wollte und klarstellen wollte, dass der Zustellungsbevollmächtigte „nicht nur in konkreten Verfahren, sondern dauerhaft, d. h. auch zum Zwecke der Einleitung von Verfahren mit Bezug zur Verbreitung rechtswidriger Inhalte im Sinne von § 1 Absatz 3 NetzDG-E, verfügbar zu halten“ sein soll (BT-Drs. 18/13013, S. 23). Doch wird auch damit erneut die Zielrichtung (nur) der effektiveren Verhinderung des Verbreitens unzulässiger Inhalte deutlich. Die Beschwerdeführerinnen weisen zudem zutreffend darauf hin, dass das Thema des von vielen Seiten befürchteten „Overblockings“ im Gesetzgebungsverfahren zum NetzDG auch fortlaufend diskutiert wurde. Auch haben mehrere Abgeordnete und die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen versucht, im Gesetz Pflichten für Netzwerkbetreiber vorzusehen, um ein zeitnahe/unverzügliche Wiederzugänglichmachung für die User zu gewährleisten (BT-Drs. 18/11856, S. 3) – wobei unklar blieb, ob auch dies in die Zuständigkeit des Zustellungsbevollmächtigten nach § 5 des Entwurfes fallen sollte (insofern unklar BT-Drs. 18/11856, S. 2). Dieses Begehren fand im Gesetzgebungsverfahren keine Zustimmung (BT-Drs. 18/13013, S. 3 und 17), so dass es schon mit Blick darauf eher fern liegt, von einer planwidrigen Regelungslücke bei § 5 Abs. 1 RDG auszugehen, mit der man dann gerade diese Fälle nur dort beim Zustellungsbevollmächtigten – wenn auch sonst nirgends im NetzDG – erfassen würde. Die A-Fraktion plädierte seinerzeit vielmehr offen dafür, die „wichtige Frage, wann ein Anspruch auf Wiederherstellung eines rechtswidrig gelöschten Inhalts bestehe“, allenfalls in der kommenden Wahlperiode zu klären (BT-Drs 18/13013, S. 18; siehe auch B (C), xxx. Sitzung der xx. Legislaturperiode des Deutschen Bundestages am xx.xx.xx, Plenarprot. xx/xxx, S. 25126). Schon vor diesem Hintergrund und mit Blick auf Art 20 Abs. 3 GG scheidet die Annahme einer Planwidrigkeit bei § 5 Abs. 1 NetzDG und damit eine Analogie aus.

cc) Eine Analogie ist auch nicht etwa mit Blick auf die Gewährung effektiven Rechtsschutzes und Art. 19 Abs. 4 GG geboten, da betroffene User in solchen Fällen ohne weiteres über die von den Beschwerdeführerinnen betonten Vorgaben der EuZustVO (Verordnung (EG) Nr 1393/2007) die Auslandszustellung im Parteiwege (§§ 191, 192 Abs. 1, 183, 1069 Abs. 1 ZPO) in Irland betreiben können. Insbesondere ist eine Zustellung durch Postbedienstete nach Art. 14 EuZustVO und mit Blick auf Art. 8 Abs. 4, 1 EuZustVO dabei auch ohne weiteren Übersetzungsaufwand möglich. Zwar rügt der Antragstellervertreter nicht ohne Grund, dass die Antragsgegnerin bisweilen in Irland an sie in deutscher Sprache zugestellte Schriftstücke unter Verweis auf fehlende Sprachkenntnisse zurückweisen und damit angesichts von Millionen Nutzern in Deutschland das Bild eines Unternehmens abrunden mag, welches sich Konsequenzen von Rechtsverstößen möglichst entziehen möchte (S. 2 f. des Schriftsatzes vom 27.09.2018, Bl. 96 f. d.A., S. 8 des Schriftsatzes v. 23.11.2018, Bl. 235 d.A.). Jedenfalls in Fällen wie dem vorliegenden wird dem aber – sollte es dazu kommen – zu erwidern sein, dass es rechtlich nicht auf die Sprachkenntnisse bei den Leitungsorganen und am Verwaltungssitz ankommt, sondern auf die Details der dezentrale Unternehmensstruktur (vgl. etwa OLG Frankfurt v. 01.07.2014 – 6 U 104/14, BeckRS 2014, 21100; MüKo-ZPO/Rauscher, 5. Aufl. 2017, Art. 8 Rn. 12). Schon mit Blick auf die Deutschland und die Millionen deutschen User betreuende, ersichtlich der deutschen Sprache mächtige und personell ausreichend besetzte Beschwerdeabteilung spricht dann aber wenig dafür, dass eine Zurückweisung gemäß Art. 8 EuZustVO in Fällen wie dem Vorliegenden noch berechtigt erfolgen kann und der der Betroffene so über Art 8 Abs. 3 EuZustVO zur Fertigung von Übersetzungen gezwungen würde.

dd) Auf die Frage der Europarechtswidrigkeit des § 5 Abs. 1 NetzDG kommt es nach dem Vorgenannten dann ebenfalls nicht mehr an.

2.

Die – entgegen dem Landgericht eindeutig im eigenen Namen eingelegte – sofortige Beschwerde der Beschwerdeführerin zu 2) als zuvor nicht verfahrensbeteiligte „Dritte“ ist ebenfalls unzulässig. Auch insofern fehlt es aus den genannten Gründen an der Statthaftigkeit der sofortigen Beschwerde (vgl. auch bereits KG v. 17.10.2018 – 20 W 53/18, Anlage Js 15, Bl. 214 f. d.A.). Anders als im Bereich des § 380 Abs. 3 ZPO fehlt es auch an der gesetzlichen Anordnung eines Beschwerderechts für einen Dritten und es bietet sich auch nicht eine Analogie zu anderen Beschwerdemöglichkeiten an, wie es der Bundesgerichtshof in den mit § 91a ZPO vergleichbaren Fällen des § 49 Abs. 2 WEG bei der Belastung eines Dritten mit Kosten angenommen hat (BGH v. 07.07.2016 – V ZB 15/14, NZM 2017, 42 Rn. 6 m.w.N. für erstinstanzliche Entscheidungen). Soweit bei Kostenentscheidungen zu Lasten Dritter mit Blick auf § 567 Abs. 2 ZPO sogar generell eine Beschwerdemöglichkeit jedenfalls gegen – wie hier – erstinstanzliche Entscheidungen anzuerkennen ist (zu § 567 ZPO a.F. BGH v. 24.06.1987 – IVb ZR 5/86, NJW 1988, 49; dazu auch Smid, NJW 1989, 1578), kann sich die Beschwerdeführerin zu 2) auch daraufhin nicht stützen.

Wie ausgeführt, ist eine Rechtsschutzmöglichkeit außerhalb von Kostenbelastungen auch nicht allein wegen „greifbarer Rechtswidrigkeit“ zu eröffnen. Auch der Beschwerdeführerin zu 2) drohen keine existentiellen Nachteile. Soweit sie die besondere Belastung mit Postzusendungen rügt, würde eine Aufhebung des Feststellungs-Beschlusses nach der Zustellung diese Belastung ohnehin nicht mehr in Wegfall bringen. Zudem ist es Teil der von der Beschwerdeführerin zu 2) übernommenen originären Stellung als Zustellungsbevollmächtigter, wirksame von unwirksamen Zustellungen zu trennen, weswegen auch keine besonderen Belastungen durch einen Bearbeitungszwang wegen der anwaltlichen Sorgfaltspflichten (S. 4 des Schriftsatzes vom 06.12.2018, Bl. 247 d.A.) erkennbar sind. Der Beschluss hat für die formal ohnehin nicht am Ausgangsverfahren beteiligte Beschwerdeführerin zu 2) – letztlich erst recht – keine Bindungswirkung. Das wäre nur bei einer gerichtlichen „Bestellung“ als Zustellungsvertreter o.ä. anders gewesen, da dann ein Bedürfnis an der Beseitigung des Rechtsscheins bestanden hätte, doch geht es darum nicht. Der Beschluss kann auch keinesfalls – wie gerügt – die anwaltlichen Pflichten gegenüber der Antragsgegnerin beeinflussen und gestalten (so aber S. 8 der Beschwerde, Bl. 136 d.A.). Generell wird es der Beschwerdeführerin zu 2) zuzumuten sein, mit der Antragsgegnerin eine Bearbeitungsweise für derartige Fälle intern abzustimmen. Die Tatsache, dass der Beschluss irgendwie zur Antragsgegnerin bzw. zu deren nunmehrigen Verfahrensbevollmächtigten gelangt sein muss, zeigt auch, dass es solche Absprachen bereits zu geben scheint.

3.

Die Kostenentscheidung basiert auf §§ 97 Abs. 1, 100 Abs. 1 ZPO. Eine Zulassung der Rechtsbeschwerde nach § 574 ZPO – nach Übertragung auf den Senat nach § 568 S. 2 ZPO – war mangels Entscheidungserheblichkeit der Fragen zu § 5 Abs. 1 NetzDG nicht veranlasst.

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