OLG Köln, Beschluss vom 13.03.2015 – 5 U 110/14

Dezember 3, 2021

OLG Köln, Beschluss vom 13.03.2015 – 5 U 110/14

Tenor
I.

Der Senat beabsichtigt, die Berufung der Klägerin gegen das am 23. Mai 2014 verkündete Urteil der 9. Zivilkammer des Landgerichts Bonn (9 O 516/12) durch Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO als unbegründet zurückzuweisen.

II.

Die Klägerin erhält Gelegenheit zur Stellungnahme zu diesem Hinweis binnen drei Wochen ab Zugang dieses Beschlusses.

Gründe
I.

Die Berufung der Klägerin hat offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg. Die Entscheidung des Landgerichts beruht weder auf einer Rechtsverletzung noch rechtfertigen die im Berufungsverfahren zugrunde zu legenden Tatsachen (§§ 529, 531 ZPO) eine andere Entscheidung (§ 513 ZPO).

Das Landgericht hat die Klage vielmehr zu Recht in Höhe eines Teilbetrages 2.740,39 Euro nebst Zinsen zurückgewiesen. Auf die Begründung hierzu in der angefochtenen Entscheidung, die sich der Senat zu Eigen macht, wird zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen. Das Berufungsvorbringen der Klägerin rechtfertigt eine für sie günstigere Entscheidung insoweit nicht, auch wenn der Senat – ebenso wie das Landgericht – von der Aktivlegitimation der Klägerin ausgeht [näher dazu unten zu III.]:

Denn die Klägerin wehrt sich ohne Erfolg gegen die Feststellung des Landgerichtes, dass sie [die Klägerin] die mit der Rechnung vom 5. Januar 2012 aus abgetretenem Recht geltend gemachte Forderung für diejenigen Beträge, die zu den Rechnungspositionen 16, 28, 41 und 51 – 58 über einen 2,3-fachen Gebührensatz hinaus geltend gemacht worden sind, und damit gemäß der zutreffenden und von der Klägerin als solche nicht angegriffenen Berechnung des Landgerichts [S. 4 der angefochtenen Entscheidung] in Höhe eines Betrages von 2.740,39 Euro nicht schlüssig dargelegt hat. Denn gemäß § 5 Abs. 2 GOZ kann ein Honorar für zahnärztliche Leistungen in einer über den 2,3-fachen Gebührensatz hinausgehenden Höhe nur verlangt werden, wenn dies unter Berücksichtigung der Schwierigkeit und des Zeitaufwandes der einzelnen Leistung sowie der Umstände bei der Ausführung billigem Ermessen entspricht. Gemäß § 10 Abs. 3 GOZ ist dann, wenn die berechnete Gebühr das 2,3-fache des Gebührensatzes überschreitet, dies auf die einzelne Leistung bezogen für den Zahlungspflichtigen verständlich und nachvollziehbar schriftlich zu begründen. An einer solchen auf die einzelnen Leistungen bezogenen Ermessensausübung sowie einer verständlichen und nachvollziehbaren Begründung hierzu fehlt es bei den genannten Rechnungspositionen:

Entgegen der bei der Klägerin offenbar bestehenden Vorstellung reicht es für eine Begründung im Sinne von § 10 Abs. 3 i. V. m. § 5 Abs. 2 GOZ nicht aus, zu den Rechnungspositionen, die mit einem höheren als dem 2,3-fachen Satz geltend gemacht werden, eine Fülle von Umständen aufzulisten, die vom theoretischen Ansatz her im Allgemeinen einen höheren Gebührensatz rechtfertigen könnten und die möglicherweise die Behandlung des jeweils betroffenen Patienten in ihrer Gesamtheit charakterisieren. Vielmehr stellen § 5 Abs. 2 GOZ bei der Ermessensausübung und § 10 Abs. 3 GOZ bei der Begründungspflicht ausdrücklich auf die einzelnen Leistungen ab. Nur dann, wenn sich bei einer konkreten Leistung eine überdurchschnittliche Erschwernis im Sinne von § 5 Abs. 2 GOZ ergibt bzw. eine generell bei der gesamten Behandlung gegebene Erschwernis konkret auswirkt, lässt § 5 Abs. 2 GOZ in Bezug auf diese konkrete Einzelleistung einen höheren als den 2,3-fachen Gebührensatz zu, wobei dies bezogen auf die Einzelleistung verständlich und nachvollziehbar zu begründen ist. Dass dabei die Anforderungen an die Begründung nicht überspannt werden dürfen und die Begründung im Sinne von § 10 Abs. 3 GOZ nicht mehr Zeit und Mühe in Anspruch nehmen sollte als die abgerechnete Leistung, liegt auf der Hand. Ebenso liegt es aber entgegen der offenbar bei der Klägerin bestehenden Vorstellung auch auf der Hand, dass es für eine Begründung im Sinne von § 10 Abs. 3 i. V. m. § 5 Abs. 2 GOZ nicht ausreicht, für die abgerechneten Leistungen als Begründung jeweils stereotyp denselben Katalog mit einer Fülle von Umständen abzudrucken, aus dem sich alsdann der Zahlungspflichtige bzw. im Streitfalle das Gericht und der Gerichtssachverständige die jeweils möglicherweise „passenden“ Umstände, die eine überdurchschnittliche Erschwernis der jeweiligen Leistung begründen könnten, heraussuchen müssen.

Dass die in der umstrittenen Rechnung in dieser Weise stereotyp aufgelisteten Umstände zu den jeweils betroffenen Einzelleistungen vielfach nicht passen und den Steigerungssatz nicht zu begründen vermögen, hat der Sachverständige Dr. T im Einzelnen überzeugend und von der Klägerin nicht mit Substanz angegriffen festgestellt. So leuchtet die Feststellung des Sachverständigen ein, dass bei der wiederholt abgerechneten Leistungsposition 905 [Entfernen und Wiedereinsetzen sowie Auswechseln eines oder mehrerer Aufbauelemente bei einem zweiphasigen Implantatsystem während der rekonstruktiven Phase] etwa die Umstände „schwierige Präparation“, „approximale Zahnsubstanzdefekte“, „schwierige Trockenlegung und Blutstillung“ sowie „schwierige Registrierung“ keinen Sinn ergeben. Gleiches gilt bezogen auf die Leistungen in den Regionen im Oberkiefer für den Umstand „hoher Mundboden“ und bezogen auf die natürlichen Zähne für den Umstand „Schwierigkeiten an den Implantatschultern“. Ebenso macht der Umstand „Erschwernisse im Seitenzahngebiet“ bei den Leistungen an den Frontzähnen keinen Sinn und ist der Umstand „schwierige Trockenlegung und Blutstillung“ bei einem Brückenglied nicht plausibel. Mit überzeugender und von der Klägerin nicht mit Substanz angegriffener Begründung ist der Sachverständige auch zu der Feststellung gelangt, dass sich die in der umstrittenen Rechnung als Begründung eines den 2,3-fachen Satz überschreitenden Gebührensatzes angeführten sonstigen Umstände – wie etwa „schwieriger Zugang bei geringer Mundöffnung“ – auch unter Berücksichtigung des dokumentierten Behandlungsverlaufs nicht hinreichend klar nachvollziehen und den fraglichen Rechnungspositionen nicht plausibel zuordnen lassen.

Entgegen der bei der Klägerin bestehenden Vorstellung ist eine auf die jeweilige Leistung bezogene Begründung in dem vorliegenden Streitfall auch nicht deshalb entbehrlich, weil es sich hier insgesamt um eine komplexe und schwierige Behandlung gehandelt hat. Zwar ist nach den auch insoweit überzeugenden Feststellungen des Sachverständigen davon auszugehen, dass sich die Behandlung des Beklagten insbesondere wegen der vorgreiflichen Schienenbehandlung, Zahnfleischsanierung und Insertion von Implantaten viel schwieriger gestaltete als üblich, und dass ganz allgemein allein durch die Komplexität einer Behandlung einzelne Behandlungsschritte im Rahmen dieser Gesamtbehandlung aufwändiger und schwieriger sein können, als wenn eine entsprechende Anzahl von Behandlungsschritten separat bei verschiedenen Patienten durchgeführt würde. Dies allein vermag indes für sich genommen und in Verbindung mit einer ansonsten nicht plausiblen Erklärung einen überdurchschnittlichen Steigerungssatz nicht zu begründen. Dies gilt schon deshalb, weil es auch bei einer insgesamt komplexen und schwierigen Behandlung einzelne Behandlungsmaßnahmen gibt, die als durchschnittlich oder auch als unterdurchschnittlich zu bewerten sind. Nicht zuletzt deshalb stellt sich die Klägerin auch ohne Erfolg auf den Standpunkt, dass die abgerechneten Steigerungsfaktoren in jedem Falle und auch unabhängig von der konkret gegebenen Begründung bei jeder einzelnen Position gerechtfertigt gewesen seien. Denn § 5 Abs. 2 GOZ verlangt eine auf die einzelnen Leistungen bezogene Ermessensentscheidung zu der Bestimmung der Gebühren und lässt eine generelle Bewertung der Gesamtbehandlung als überdurchschnittlich schwierig und aufwändig nicht genügen.

Ein solches Vorgehen ist auch nicht durch § 5 Abs. 2 Satz 2 GOZ gerechtfertigt, wonach die Schwierigkeit der einzelnen Leistung auch durch die Schwierigkeit des Krankheitsfalles begründet sein kann. Denn eine Rechtfertigung für einen höheren als den 2,3-fachen Satz ergibt sich auch unter diesem Gesichtspunkt lediglich für diejenigen Leistungen, bei denen sich die Schwierigkeit des Krankheitsbildes konkret im Sinne einer überdurchschnittlichen Erschwernis auswirkt, was gemäß § 10 Abs. 3 GOZ zu begründen wäre. Anderenfalls könnten bei einem schwierigen Krankheitsbild letztlich alle Einzelleistungen mit einem 2,3-fachen Satz abgerechnet werden, was nach § 5 Abs. 2 GOZ gerade nicht der Fall ist.

Ob das Vorbringen der Klägerin auf S. 5/6 ihrer Berufungsbegründung vom 28. Juli 2014 als ordnungsgemäße, auf die einzelnen Leistungen bezogene Ermessensausübung und verständliche und nachvollziehbare Begründung anzusehen ist, bedarf keiner näheren Prüfung, weil der Zulassungsfähigkeit dieses Vorbringens § 531 ZPO entgegensteht. Die Klägerin hätte in erster Instanz jedenfalls nach Vorliegen des schriftlichen Sachverständigengutachtens Veranlassung und Gelegenheit zu entsprechendem ergänzenden Vortrag gehabt. Dass ihr dies in erster Instanz nicht möglich gewesen wäre, trägt sie selbst nicht vor und ist auch nicht ersichtlich.

Soweit die Klägerin darauf hinweist, dass der Sachverständige ein hervorragendes und hochwertiges Behandlungsergebnis bestätigt habe, das insbesondere vor dem Hintergrund der Anfangssituation als erheblicher Behandlungserfolg zu bewerten sei, erschließt sich die Relevanz dieses Vorbringens nicht. Denn der Erfolg einer Zahnbehandlung – der im Übrigen stets anzustreben ist, auch wenn er auch bei sorgfältigstem Vorgehen nicht immer erreicht werden kann – hat keinen Einfluss auf die Höhe des hierfür zu zahlenden Honorars.

Ohne Erfolg greift die Klägerin das angefochtene Urteil schließlich mit dem Vorwurf an, dass das Landgericht den präsent gewesenen Arzt Dr. C nicht als Zeugen vernommen habe. Denn eine Veranlassung hierzu bestand bzw. besteht weder für das Landgericht noch für den Senat, weil eine solche Beweisaufnahme eine unzulässige Ausforschung bedeutete.

II.

Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung [§ 522 Abs. 2 Nr. 2 ZPO]; weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordern eine Entscheidung des Senats aufgrund mündlicher Verhandlung [§ 522 Abs. 2 Nr. 3 ZPO]; eine mündliche Verhandlung ist auch aus sonstigen Gründen nicht geboten [§ 522 Abs. 2 Nr. 4 ZPO].

III.

Die Frage der Erfolgsaussicht der Anschlussberufung des Beklagten kann im Rahmen dieses Beschlusses zwar im Hinblick auf § 524 Abs. 4 ZPO dahinstehen. Gleichwohl sei in der gebotenen Kürze angemerkt, dass die Klägerin aus den zutreffenden Gründen von S. 3/4 der angefochtenen Entscheidung aktivlegitimiert ist. Soweit der Beklagte die Aktivlegitimation der Klägerin mit dem Vorbringen in Abrede stellt, dass es sich bei den Behandlungen im Frühjahr 2009 und Ende 2011 um zwei gänzlich unterschiedliche Behandlungen gehandelt habe mit der Folge, dass seine im Frühjahr 2009 unstreitig erklärte Zustimmung zu der Abtretung der Honorarforderung der Behandler an die Klägerin nicht auch für die Behandlungen Ende 2011 wirke, ist dies nicht nachvollziehbar und im Übrigen aktenwidrig. Denn aus den Behandlungsunterlagen ergibt sich ohne jeden Zweifel, dass die umfangreiche Zahnsanierung beim Beklagten bereits im Frühjahr 2009 angedacht und geplant war, und dass sich der lange Zwischenraum zwischen den Behandlungen im Frühjahr 2009 und denen Ende 2011 durch die andernorts durchgeführten umfangreichen, insbesondere chirurgischen, parodontologischen und implantologischen Behandlungen erklärt, die für die mit der umstrittenen Rechnung abgerechnete prothetische Versorgung vorgreiflich waren.

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