OLG Köln, Beschluss vom 13.08.2018 – 10 UF 91/18

Oktober 19, 2021

OLG Köln, Beschluss vom 13.08.2018 – 10 UF 91/18

1. Nebenforderungen sind der Rechtsmittelbeschwer lediglich dann zuzurechnen, wenn sie als Hauptforderung anzusehen sind, § 4 Abs. 1 a.E. ZPO. Ist die Hauptforderung noch Verfahrensgegenstand, ist die Nebenforderung wertmäßig auch hinsichtlich der Beschwer nicht berücksichtigungsfähig

? 2. Vor der Verwerfung einer Beschwerde mangels ausreichender Beschwer ist nur dann eine Entscheidung über die Zulassung der Beschwerde vom Beschwerdegericht nachzuholen, wenn das erstinstanzliche Gericht keine Veranlassung gesehen hat, die Beschwerde zuzulassen, weil es von einer Beschwer der unterlegenen Partei ausgegangen ist, die 600,00 € übersteigt. Hierfür muss sich aus der angefochtenen Entscheidung ergeben, dass das erstinstanzliche Gericht ein Rechtsmittel für statthaft gehalten hat; die Wertfestsetzung genügt hierfür nicht (vorliegend offen gelassen wegen Fehlens eines Zulassungsgrundes).

Tenor
1.

Die Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des Amtsgerichts – Familiengericht – Eschweiler vom 04.05.2018 – 15 F 31/18 – wird als unzulässig verworfen.

2.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden dem Antragsgegner auferlegt.

3.

Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf bis 500,00 € festgesetzt, § 42 FamGKG.

4.

Der Wert des erstinstanzlichen Verfahrens wird auf bis 500,00 € festgesetzt, § 55 Abs. 3 S. 2 FamGKG.

Gründe
I.

Der Antragsgegner ist Inhaber eines auf ihn umgeschriebenen Versäumnisbeschlusses des Amtsgerichts Eschweiler vom 05.01.2016 – 13 F 193/15 – gegen den Antragsteller wegen Kindesunterhalt für dessen Tochter G, die seit November 2017 wieder beim Antragsteller lebt. Dieser hat sämtliche Unterhaltsrückstände beglichen und sodann Titelherausgabe begehrt; der Antragsgegner ist dem entgegen getreten, da nicht auszuschließen sei, dass G erneut in den Haushalt der Kindesmutter wechseln könnte, in diesem Fall erneut Unterhaltsvorschuss gewährt werden könnte und der Antragsgegner neuerlich regressberechtigt werde.

Das Amtsgericht hat mit Beschluss vom 04.05.2018 antragsgemäß die Herausgabe tituliert und den Antragsgegner zum Ersatz vorgerichtlicher Anwaltskosten von 120,48 € verurteilt; hierbei ist es von einem Wert von bis 500,00 € ausgegangen, da der Titel – unstreitig – derzeit erfüllt sei, aufgrund des Wohnsitzes der Tochter beim Antragsteller kein laufender Barunterhaltsanspruch bestehe und somit das Interesse sich lediglich nach der Gefahr eines Titelmissbrauchs bemesse, der bei dem Antragsgegner gegen Null tendiere (Bl. 15 d.A.).

Gegen diesen ihm am 15.05.2018 zugestellten Beschluss hat der Antragsgegner mit Schriftsatz vom 05.06.2018, eingegangen bei Gericht am selben Tag, Beschwerde eingelegt und diese mit Schriftsatz vom 29.06.2018, eingegangen bei Gericht am 04.07.2018, begründet.

Der Antragsgegner beantragt,

den Beschluss des Amtsgerichts – Familiengericht – Eschweiler vom 04.05.2018 – 15 F 31/18 – abzuändern und die Anträge des Antragstellers abzuweisen.

II.

Die Beschwerde des Antragsgegners ist unzulässig, weil weder der gem. § 61 Abs. 1 FamFG maßgebliche Beschwerdewert erreicht wird, noch das Amtsgericht die Beschwerde zugelassen hat oder diese zuzulassen wäre, § 61 Abs. 2, Abs. 3 FamFG.

1. Der Beschwerdewert ist nicht erreicht, weil die Sache einen Wert von lediglich bis zu 500,00 € hat; hierbei hat bereits das Amtsgericht zu Recht darauf verwiesen, dass für den Herausgabeantrag das Interesse der Vermeidung einer drohenden Vollstreckung maßgebend ist, welches angesichts einer derzeit unstreitigen Erfüllung der titulierten Verpflichtung nicht in beschwerdefähiger Höhe angesetzt werden kann. Die ebenfalls zugesprochenen Kosten vorgerichtlicher Rechtsverfolgung sind indes, anders als die Beschwerde meint, der Beschwer nicht zuzurechnen. Nebenforderungen sind der Rechtsmittelbeschwer lediglich dann zuzurechnen, wenn sie als Hauptforderung anzusehen sind, § 4 Abs. 1 a.E. ZPO; ist die Hauptforderung aber – wie vorliegend – noch Verfahrensgegenstand, ist die Nebenforderung wertmäßig auch hinsichtlich der Beschwer nicht berücksichtigungsfähig (BGH, Beschl. v. 04.12.2007 – VI ZB 73/06, FamRZ 2008, 684; BGH, Beschl. v. 20.05.2014 – VI ZB 49/12, NJW 2014, 3100). Die Wertbemessung des Ausgangsgerichts bindet hierbei den Senat nicht (vgl. BGH, Beschl. v. 13.03.2013 – XII ZR 8/13, NJW-RR 2013, 1401; BGH, Beschl. v. 09.04.2014 – XII ZB 565/13, FamRZ 2014, 1100); vielmehr war diese ihrerseits von Amts wegen zu berichtigen.

2. Das Amtsgericht hat die Beschwerde nicht gem. § 61 Abs. 2, Abs. 3 FamFG zugelassen. Weder der Tenor noch die Gründe der angefochtenen Entscheidung enthalten eine entsprechende Zulassung. Die erfolgte Rechtsmittelbelehrung stellt keine – gegebenenfalls konkludente – Zulassung der Beschwerde dar (vgl. BGH, Beschl. v. 09.04.2014 – XII ZB 565/13, FamRZ 2014, 1100); auch aus der erstinstanzlichen Wertfestsetzung – sei sie auch, wie vom Antragsgegner geschildert, mit Blick auf die Beschwerdemöglichkeit im Termin erörtert worden – folgt gerade keine implizite Zulassungsentscheidung.

Ob – das Vorbringen des Antragsgegners zu den Erörterungen in der Sitzung als richtig unterstellt – eine Zulassungsentscheidung nachzuholen wäre, kann dahinstehen.

Zwar ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH, Beschl. v. 20.04.2010 – XII ZB 128/09, FamRZ 2010, 964; BGH, Beschl. v. 23.03.2011 – XII ZB 436/101, FamRZ 2011, 998; BGH, Beschl. v. 28.03.2012 – XII ZB 323/11, FamRZ 2012, 961) vor der Verwerfung einer Beschwerde mangels ausreichender Beschwer eine Entscheidung über die Zulassung der Beschwerde vom Beschwerdegericht nachzuholen, wenn das erstinstanzliche Gericht keine Veranlassung gesehen hat, die Beschwerde zuzulassen, weil es von einer Beschwer der unterlegenen Partei ausgegangen ist, die 600,00 € übersteigt. Allerdings muss hierfür aus dem angefochtenen Beschluss erkennbar sein, dass das erstinstanzliche Gericht ein Rechtsmittel für statthaft gehalten hat (BGH, Urt. v. 10.02.2011 – III ZR 338/09, NJW 2011, 926; BGH, Beschl. v. 28.03.2012 – XII ZB 323/11, FamRZ 2012, 961), wobei die Streitwertfestsetzung für sich genommen noch keine hinreichende Aussagekraft für den Wert des Beschwerdegegenstands besitzt (BGH, a.a.O.).

Die Frage einer Nachholbarkeit bedarf indes vorliegend keiner Entscheidung, weil kein Zulassungsgrund vorliegt. Weder hat die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung, noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Beschwerdegerichts. Vielmehr ist – soweit die Einwände der Beschwerde betroffen sind – bereits obergerichtlich geklärt, dass das Rechtsschutzbedürfnis des Unterhaltsschuldners erst dann entfällt, wenn aus dem Titel nicht mehr vollstreckt werden kann, was nicht der Fall ist, wenn der Unterhaltsgläubiger – wie hier – den Titel nicht herausgibt und nur einen widerruflichen Vollstreckungsverzicht bis zu dem Zeitpunkt erklärt, in dem sich die zugrunde liegenden Verhältnisse wieder verändern (etwa OLG München, Beschl. v. 03.12.1998 – 12 WF 1327/98, FamRZ 1999, 942; OLG Karlsruhe, Beschl. v. 11.11.1999 – 16 WF 131/99, OLGR 2000, 174; OLG Köln, Beschl. v. 25.07.2005 – 4 WF 104/05, FamRZ 2006, 718).

Ebenso ist bereits entschieden, dass – wenn die Frage, ob zukünftig nach einer erneuten Änderung der Verhältnisse wieder ein Unterhaltsanspruch entsteht, noch völlig offen ist – der Unterhaltsgläubiger gehalten wäre, im Fall einer solchen Änderung ein neues Verfahren einzuleiten, und diese – auch in der Darlegungslast für den potentiell späteren Unterhaltsschuldner günstige (vgl. OLG Karlsruhe, Beschl. v. 20.09.2005 – 16 WF 115/05, FamRZ 2006, 630) – Rechtslage nicht damit vereinbar ist, dass der Antragsgegner den Unterhaltstitel behält und sich damit die Möglichkeit vorbehält, stets dann, wenn er meint, wieder einen Unterhaltsanspruch zu haben, aus dem Titel vollstrecken zu können (vgl. OLG Saarbrücken, Beschl. v. 09.06.2009 – 6 WF 55/09, FamRZ 2009, 1938).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 113 Abs. 1 S. 2 FamFG, § 97 Abs. 1 ZPO.

Rechtsbehelfsbelehrung:

Gegen diesen Beschluss ist das Rechtsmittel der Rechtsbeschwerde statthaft. Beschwerdeberechtigt ist derjenige, dessen Rechte durch den Beschluss beeinträchtigt sind. Die Rechtsbeschwerde ist binnen einer Frist von einem Monat nach der schriftlichen Bekanntgabe des Beschlusses durch Einreichen einer Beschwerdeschrift bei dem Bundesgerichtshof in Karlsruhe, Herrenstr. 45a, 76133 Karlsruhe einzulegen. Diese muss durch einen beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt unterschrieben sein. Dem Anwaltszwang unterliegen nicht Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse sowie Beteiligte, die durch das Jugendamt als Beistand vertreten sind. Wegen der weiteren Details wird auf § 114 Abs. 3 und Abs. 4 Nr. 2 FamFG Bezug genommen.

Die Frist zur Begründung der Rechtsbeschwerde beträgt ebenfalls einen Monat und beginnt mit der schriftlichen Bekanntgabe des angefochtenen Beschlusses.

Die weiteren Einzelheiten zu den zwingenden Förmlichkeiten und Fristen von Rechtsbeschwerdeschrift und Begründung ergeben sich aus §§ 71 und 72 FamFG.

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