OLG Köln, Beschluss vom 14.01.2020 – 5 U 151/18

Oktober 8, 2021

OLG Köln, Beschluss vom 14.01.2020 – 5 U 151/18

Tenor
I.

Der Senat weist die Parteien auf folgendes hin:

1.)

Die mit dem Berufungsantrag zu 5) vorgenommene nachträgliche Klagehäufung dürfte unzulässig sein. Für die nachträgliche Klagehäufung gelten die Vorschriften über die Klageänderung entsprechend. Eine erst in der Berufungsinstanz vorgenommene Klageänderung ist gemäß 533 Nr. 1 ZPO nur zulässig, wenn der Gegner einwilligt oder das Gericht dies für sachdienlich hält. Die Beklagten haben in die Klageänderung nicht eingewilligt. Der Senat hält den mit Schriftsatz vom 31.10.2019 formulierten Antrag zu 5) auf Erteilung einer Datenauskunft gemäß Art. 15 DS-GVO – wie bereits in der mündlichen Verhandlung erörtert – auch nicht für sachdienlich. Die Erteilung einer Auskunft über personenbezogene Daten betrifft einen völlig anderen Streitstoff als den bisher streitgegenständlichen Sachverhalt. Die Klägerin begehrt mit der Klage Schmerzensgeld und Ersatz materieller Schäden wegen behaupteter Behandlungs- und Aufklärungsfehler im Zusammenhang mit einer am 31.03.2009 im A durchgeführten Operation. Nachdem zwischenzeitlich über das Vermögen der Beklagten zu 1) das Insolvenzverfahren eröffnet war, das Insolvenzverfahren dann aber im Hinblick auf einen Insolvenzplan der Beklagten zu 1) wieder aufgehoben wurde, hat die Klägerin ihre Klageanträge sachgemäß auf Feststellung der geltend gemachten Klageforderungen und Teilnahme an der Verteilung gemäß Insolvenzplan (hilfsweise) umgestellt. Die Erteilung einer Auskunft gemäß Art. 15 DS-GVO stellt demgegenüber einen völlig neuen Streitstoff dar. Soweit die Klägerin zur Begründung einer Sachdienlichkeit der vorgenommenen Klageänderung geltend macht, sie müsse sich, bevor sie abschließend ihre Rechte gegen die Beklagte zu 1) verfolgen könne, zunächst darüber orientieren, wie die Beklagte zu 1) – was aus der Auskunft gemäß Art. 15 Abs. 3 DS-GVO hervorgehen werde – ihre Forderung im Zusammenhang mit dem Insolvenzereignis und dem von ihr aufgestellten Insolvenzplan verarbeitet habe, ist dies nicht nachvollziehbar. Ob die Anträge begründet sind, hängt davon ab, ob der Klägerin die geltend gemachten Ansprüche auf Zahlung von Schmerzensgeld und Ersatz materieller Schäden gegen die Beklagten zustehen. Ein Zusammenhang zwischen den Anspruchsvoraussetzungen und personenbezogenen Daten, die die Beklagte zu 1) aufgrund des Insolvenzverfahrens oder dem Insolvenzplan verarbeitet hat, ist nicht ersichtlich.

Die Klageänderung kann auch nicht auf Tatsachen gestützt werden, die der Senat seiner Verhandlung und Entscheidung über die Berufung ohnehin nach § 529 zugrunde zu legen hätte, § 533 Nr. 2 ZPO ist nicht gegeben. Nachdem die Beklagte zu 1) Auskunft über personenbezogenen Daten erteilt hat, besteht Streit zwischen den Parteien, ob die erteilte Auskunft ausreicht. Die Klägerin ist der Auffassung, die Beklagte schulde auch Auskunft über interne Gutachten, über ihren Gesundheitszustand, über interne Gesprächs- und Bearbeitungsnotizen in elektronischer Form oder als Teil eines strukturierten Verzeichnisses in Papier- und Aktenform. Es liegt auf der Hand, dass in diesem Zusammenhang nicht nur rechtliche, sondern auch tatsächliche Fragen relevant werden können, die mit dem bisherigen Streitstoff ersichtlich nichts zu tun haben.

Für eine Abtrennung der Klage auf Auskunftserteilung nach Art. 15 DS-GVO und Verweisung an das zuständige Gericht sieht der Senat keinen Anlass. Eine Trennung von mehreren in einer Klage erhobenen Ansprüchen kann gemäß § 145 Abs. 1 ZPO erfolgen, wenn dies aus sachlichen Gründen geboten ist. Eine in der Berufungsinstanz vorgenommene unzulässige Klageänderung stellt keinen solchen sachlichen Grund dar. Es steht der Klägerin frei, den Berufungsantrag zu 5) zurücknehmen und die Auskunftsklage beim zuständigen Gericht anhängig zu machen.

2.)

Der mit Schriftsatz vom 31.01.2019 angekündigte und in der mündlichen Verhandlung gestellte Antrag, im Wege der Zwischenfeststellungsklage festzustellen, dass die Beklagten zu 1) und 2) gesamtschuldnerisch mit der Versicherungskammer B haftet, ist – wie ebenfalls bereits in der mündlichen Verhandlung erläutert – unzulässig. Die Voraussetzungen des § 256 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor. Die Entscheidung des Rechtsstreits hängt weder ganz noch zum Teil davon ab, ob die Beklagten gemeinsam mit der nicht verklagten Versicherungskammer B als Gesamtschuldner haften.

3.)

Die Prozessbevollmächtigten der Beklagten haben die ihnen nach der mündlichen Verhandlung zugegangenen Schriftsätze des Prozessbevollmächtigten der Klägerin mit Schriftsatz vom 27.12.2019 vollständig erfasst.

Die Prozessbevollmächtigten der Parteien werden höflich gebeten, ihren schriftlichen Vortrag auf das notwendige Maß zu beschränken und zu bündeln. Die Gerichtsakte umfasst bereits jetzt 974 Seiten und wird allein im Hinblick auf die bevorstehende Beweisaufnahme noch um ein beträchtliches Maß weiter anwachsen. Das schriftsätzliche Vorbringen der Prozessbevollmächtigten sollte sich zugunsten einer möglichst ressourcenschonenden und zügigen Bearbeitung des Verfahrens im Rahmen dessen halten, was zur sachgemäßen Vertretung der Prozessparteien unbedingt erforderlich ist.

II.

Es soll Beweis durch Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens über folgende Fragen erhoben werden:

1.)

Hätte die Klägerin vor der Operation am 31.03.2009, bei der eine Zeigefingergrundgelenkprothese rechts implantiert wurde, über die Möglichkeit einer Versteifung des rechten Zeigefingergelenks aufgeklärt werden müssen? Hätte die Arthrodese eine echte Behandlungsalternative dargestellt? Stellten Prothesenimplantation und Arthrodese in der Situation der Klägerin im März 2009, insbesondere vor dem Hintergrund ihrer Beschwerden, ihres Alters, bereits bestehender Einschränkungen im Bereich der linken Hand, gleichwertige Behandlungsmöglichkeiten dar, die zu jeweils unterschiedlichen Belastungen geführt oder unterschiedliche Risiken und Erfolgschancen geboten hätten? Mit welchen Vor- und Nachteilen war aus damaliger Sicht im Fall der Arthrodese und im Fall der Prothesenimplantation zu rechnen?

2.)

Hätte die Klägerin über alternative Implantate (beispielsweise andere Prothesentypen, andere Implantatmaterialien) aufgeklärt werden müssen? Hätte es in Bezug auf das gewählte Metall-Implantat „Toccata mittel“ seinerzeit gleichwertige Implantate gegeben, die für die Klägerin mit unterschiedlichen Belastungen, Risiken und Erfolgschancen verbunden gewesen wären?

3.)

Welche gesundheitlichen Beeinträchtigungen und Beschwerden ergaben und ergeben sich für die Klägerin aufgrund der Operation vom 31.03.2009, verglichen mit dem mutmaßlichen Verlauf bei einer erfolgten Arthrodese?

a)

Wie hätten sich eine Versteifungsoperation im Vergleich zur tatsächlich am 31.03.2009 durchgeführten Operation hinsichtlich Umfang und Folgen unterschieden?

b)

Sind die nachfolgenden Operationen bzw. Klinikaufenthalte durch den Eingriff vom 31.03.2009 verursacht worden oder sind diese unabhängig davon zu sehen? Wären die Operationen auch im Falle einer Versteifungsoperation erforderlich geworden?

– Operation am 12.05.2009 im A

– Stationärer Aufenthalt im Zentrum für spezielle Schmerztherapie und Palliativmedizin vom 04.06. bis zum 16.06.2010

– Operation am 03.02.2011 im C

– Prothesenexplantation am 01.08.2011 im D

– Revisionsoperation am 05.08.2011 im D

– Weitere Operation vom 05.09.2011 im D

– Revisionsoperation vom 25.01.2012 im D

– Revisionsoperation vom 06.03. im D

– Weitere Operation am 26.08.2013 im D

– Ggf. weitere Operationen und Klinikaufenthalte

c)

Liegen die von der Klägerin geklagten Beschwerden und Beeinträchtigungen (insbesondere Schmerzen im Bereich der rechten Hand und des entnommenen Beckenkammspans, Hohlhandbildung) vor? Wenn ja: Haben sie ihre Ursache in der tatsächlich durchgeführten Operation vom 31.03.2009? Wie wäre das mutmaßliche Beschwerdebild bei der Klägerin, wenn am 31.03.2009 der rechte Zeigefinger versteift worden wäre? Mit welchem Grad an Wahrscheinlichkeit kann hierzu eine Aussage getroffen werden?

III.

Der/Die Sachverständige wird gebeten,

1. der Begutachtung die Krankenunterlagen sowie den Akteninhalt zugrunde legen und für den Fall, dass weitere Feststellungen erforderlich sind, das Gericht unterrichten,

2. sich im Rahmen der Begutachtung auch mit dem Gerichtsgutachten von Dr. D auseinanderzusetzen:

3. die Klägerin körperlich zu untersuchen, soweit dies zur Beantwortung der Beweisfragen erforderlich ist.

IV.

1. Mit der Erstellung des Gutachtens wird

der Leiter der Klinik XIV – Orthopädie und Unfallchirurgie – des

G

oder ein/e von ihm zu benennende/r und vom Senat zu bestellende/r Oberarzt/Oberärztin beauftragt.

2. Die Parteien haben die Möglichkeit, eventuelle Einwände gegen die Beauftragung des/der Sachverständigen binnen drei Wochen nach Zustellung dieses Beschlusses schriftsätzlich vorzubringen.

3. Die Beauftragung des/der Sachverständigen ist davon abhängig, dass die Klägerin binnen vier Wochen ab Zustellung dieses Beschlusses einen Auslagenvorschuss in Höhe von 3.000 Euro bei der Gerichtskasse einzahlt.

Gründe
Diese Entscheidung hat neben dem Tenor keinen Entscheidungstext.

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