OLG Köln, Beschluss vom 14.05.2020 – 15 W 10/20

Oktober 7, 2021

OLG Köln, Beschluss vom 14.05.2020 – 15 W 10/20

Tenor
Die Kosten des Verfahrens in beiden Instanzen trägt die Antragsgegnerin.

Gründe
Nach dem – auch in einstweiligen Verfügungsverfahren (statt aller Zöller/Althammer, ZPO, 33. Aufl. 2020, § 91a Rn. 58.5.) ebenso wie in Beschwerdeverfahren (statt aller Zöller/Heßler, a.a.O., § 567 Rn. 52) anwendbaren – § 91a ZPO war angesichts der übereinstimmenden Erledigungserklärungen nunmehr nur noch über die Kosten unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen durch Beschluss zu entscheiden. Dies führte zur Kostenlast der Antragsgegnerin, da diese im Vorfeld der zwischenzeitlichen rechtkräftigen Verurteilung des Antragstellers (als erledigendem Ereignis) zum einen im Verfahren voraussichtlich unterlegen wäre und zum anderen im konkreten Fall keine besonderen Gründe dafür ersichtlich sind, dass die Antragsgegnerin trotz des voraussichtlichen Unterliegens ausnahmsweise im Rahmen der Billigkeit nicht ganz oder teilweise mit den Kosten zu belasten ist.

1. Dem Antragsteller stand nach Ansicht des Senats ein Verfügungsanspruch aus § 1004 Abs. 1 BGB i.V.m. § 823 Abs. 1 BGB i.V.m. §§ 22, 23 KUG wegen Verletzung seines Rechts am eigenen Bild durch die angegriffene Berichterstattung zu.

a) Dies ergibt sich allerdings nicht schon allein aus den Vorgaben der sitzungspolizeilichen Verfügung des Oberlandesgerichts Koblenz, da diese nur im Rahmen der Abwägung (jedenfalls) bei § 23 Abs. 2 KUG zu berücksichtigen wären (st. Rspr., vgl. etwa BGH v. 07.06.2011 – VI ZR 108/10, NJW 2011, 3153 Rn. 15; ebenso Fricke, in: Wandtke/Bullinger, UrhG, 5. Aufl. 2019, § 23 KUG Rn. 15; BeckOK Informations- und Medienrecht/Herrmann, Stand: 01.02.2020, § 23 KUG Rn. 43.2).

b) Bei Anwendung der anerkannten Grundsätze des sog. abgestuften Schutzkonzepts im Rahmen der §§ 22, 23 KUG (dazu zuletzt BGH v. 17.12.2019 – VI ZR 504/18, GRUR-RS 2019, 37440 Rn. 12 ff. m.w.N.) stand dem Antragsteller aber auch ungeachtet dessen ein Unterlassungsanspruch gegen die streitgegenständliche Bildberichterstattung zu.

aa) Der Senat hat schon im Urteil vom 21.2.2019 – 15 U 132/18, BeckRS 2019, 2199 Rn. 25 ausgeführt, dass bei einer identifizierenden Bildberichterstattung über einen strafrechtlichen Verdacht – und damit auch hier wegen der Wiederholung der Vorwürfe in der Berichterstattung – zusätzlich zu den in der Rechtsprechung anerkannten Grundvoraussetzungen einer identifizierenden Verdachtsberichterstattung im Rahmen des § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG ein sog. „qualifiziertes öffentliches Interesse“ vorliegen muss. Der Bundesgerichtshof hat dies zuletzt dahingehend konkretisiert, dass „oftmals“ bis zu einem erstinstanzlichen Schuldspruch das Recht auf Schutz der Persönlichkeit das Interesse an einer Abbildung des Straftäters überwiegen wird (BGH v. 18.06.2019 – VI ZR 80/18, BeckRS 2019, 16175 Rn. 33) und gerade mit Blick auf die bei der Abwägung zu berücksichtigende Unschuldsvermutung selbst bei einer Wortberichterstattung strenge Maßstäbe gelten (a.a.O., Rn. 41), bei der Bildberichterstattung aber besonders zurückhaltend zu verfahren ist (a.a.O Rn. 46). So soll „oftmals bis zu einem erstinstanzlichen (nicht notwendig rechtskräftigen) Schuldspruch das Recht des Beschuldigten auf Schutz der Persönlichkeit das Interesse an einer identifizierenden Bildberichterstattung überwiegen… Eine individualisierende Bildberichterstattung über den Beschuldigten eines Strafverfahrens scheidet aber nicht in jedem Fall aus. Vielmehr können es die jeweiligen Umstände rechtfertigen, dass sich der Betreffende nicht bzw. nicht mehr mit Gewicht auf sein allgemeines Persönlichkeitsrecht berufen kann. Dies gilt etwa dann, wenn er kraft seines Amtes oder wegen seiner gesellschaftlich hervorgehobenen Verantwortung bzw. Prominenz in besonderer Weise im Blickfeld der Öffentlichkeit steht und die Medienöffentlichkeit mit Rücksicht hierauf hinzunehmen hat…“ (dies bestätigend BGH v. 17.12.2019 – VI ZR 249/18, GRUR-RS 2019, 37965 Rn. 44; v. 17.12.2019 – VI ZR 504/18, GRUR-RS 2019, 37440 Rn. 15/19).

bb) Unter Anwendung dieser Prämissen bestand hier jedenfalls bis zur erstinstanzlichen Verurteilung ein Unterlassungsanspruch des Antragstellers, dies entgegen der mit der sofortigen Beschwerde angegriffenen Entscheidung des Landgerichts vom 05.02.2020 (Bl. 11 ff. d.A.) sowie des Nichtabhilfebeschlusses vom 26.02.2020 (Bl. 24 d.A.).

(1) Mit dem Landgericht kann zwar nicht auf eine – hier nicht glaubhaft gemachte – besondere Gefährdungslage für den Antragsteller und/oder seine Familie abgestellt werden, die nur bei ausreichend greifbaren tatsächlichen Anhaltspunkten im Rahmen der Abwägung zu Gunsten des Antragstellers zu berücksichtigen gewesen wäre; allein die offenen Erwägungen des Strafsenats im Rahmen der Begründung seiner Anordnung nach § 176 GVG (Anlage ASt 3 f., AH) genügen dazu mit dem Landgericht so nicht.

(2) Aber die Interessen des Antragstellers überwogen damals auch so: Der Antragsteller stand insbesondere nicht schon zuvor etwa kraft seines Amtes oder wegen seiner gesellschaftlich hervorgehobenen Verantwortung bzw. Prominenz in besonderer Weise im Blickfeld der Öffentlichkeit, sondern war in der Öffentlichkeit zuvor gänzlich unbekannt. Richtig ist zwar, dass der Bundesgerichtshof a.a.O. nur ein eher exemplarisches und typisches Beispiel genannt hat und ansonsten eine umfassende Einzelfallabwägung geboten ist. Der Antragsteller unterlag als Berater der Bundeswehr besonderen amtsähnlichen Verschwiegenheits- und Dienstpflichten. Aufgrund der Schwere der auch mit ganz erheblichen Strafandrohungen in § 94 Abs. 2 StGB versehenen Straftat sowie der Besonderheiten des Tatgeschehens (u.a. wegen des Bezugs zum Iran, des Staatsschutzinteresses und der Vorgehensweise des MAD) bestand auch ein besonders hohes öffentliches Interesse am Geschehen, das sich auch in einer Vielzahl anderer Presseberichterstattungen über den Spionagefall niedergeschlagen hat, die hier von durchaus indizieller Bedeutung sein können.

Indes war andererseits die Gefahr der Anprangerung und Stigmatisierung hier – auch mit Blick auf die Schwere der Vorwürfe – ganz besonders hoch und durch den Duktus der begleitenden Wortberichterstattung mit den freilich vor allem dem Boulevard geschuldeten reißerischen Schilderungen des „Spionage-Thrillers“ eher noch verstärkt. Gerade mit Blick auf die im Beitrag betonte besondere Geheimhaltung im Prozess und den Ausschluss der Öffentlichkeit wird ersichtlich dem Leser nur eine Art „Schlüssellochblick“ in den Gerichtssaal eröffnet, der für den unter hohem Druck stehenden Antragsteller als besonders belastend einzuordnen war. Zu berücksichtigen ist zudem, dass trotz der Schwere der Straftat der Antragsteller keine besonders herausgehobene Stellung in der Bundeswehr innehatte, was das Interesse an seiner Person hätte möglicherweise noch verstärken können (wie etwa im Fall A wegen der Tätigkeit im Kanzleramt). Bei der Abwägung kann und muss zudem vor allem auch der Grad der von der Presse vorgenommenen Anonymisierung Berücksichtigung finden, weil die Beeinträchtigung des Betroffenen besonders hoch wird, wenn etwa die Augenpartie nicht oder nicht ausreichend unkenntlich gemacht ist und die Gesichtszüge nicht oder nicht ausreichend verpixelt sind (so wohl auch BGH v. 18.06.2019 – VI ZR 80/18, BeckRS 2019, 16175 Rn. 47; deutlich zudem BGH v. 17.12.2019 – VI ZR 249/18, GRUR-RS 2019, 37965 Rn. 48). Das Abstellen darauf bedeutet keinen Gegensatz dazu, dass nach st. Rspr. für die Beurteilung, ob ein zeitgeschichtliches Ereignis iSv § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG vorliegt, andererseits rechtlich unerheblich sein muss, ob der mit der Abbildung verfolgte Informationszweck überhaupt auch ohne identifizierende Berichterstattung hätte erreicht werden können (st. Rspr., vgl. BGH v. 17.12.2019 – VI ZR 504/18, GRUR-RS 2019, 37440 Rn. 20), denn vorliegend geht es nur um die in der Abwägung wesentliche Frage des verhältnismäßigen Ausgleichs der widerstreitenden kollidierenden Grundrechtsgüter im Wege der praktischen Konkordanz. Die Anonymisierung mit dem zu knappen Augenbalken hatte hier aber – was der Antragsteller zutreffend rügt – ersichtlich nur Feigenblattcharakter und unterschied sich insofern ganz deutlich von den Veröffentlichungen anderer Presseorgane, die den Antragsteller nicht vergleichbar „vorführten“ und als eine Art Staatsfeind an den medialen Pranger gestellt haben. Mit dem Bildnis, das den Antragsteller mit gut sitzender Frisur und akkurat gestutztem Bart zeigt, geht wegen der unzureichenden Anonymisierung ein hoher Wiedererkennungseffekt einher, bei dem besonders die Gefahr besteht, dass der bildlich gewonnene Eindruck vom Antragsteller dauerhaft beim Rezipienten haften bleibt und sich das Bildnis als vermeintlicher Straftäter vorzeitig verfestigt. Dass die verwendeten Augenbalken im Verfahren BGH v. 18.06.2019 – VI ZR 80/18, BeckRS 2019, 16175 gleicherart ausgestaltet gewesen sein mögen, ändert dabei nichts im Sinne der Antragsgegnerin; auch dort war die Bildveröffentlichung u.a. auch mit Blick darauf vor der erstinstanzlichen Verurteilung des Betroffenen nicht zulässig; um nichts anderes geht es aber auch hier.

2. Eine Zulassung der Rechtsbeschwerde scheidet schon wegen § 574 Abs. 1 S. 2, 542 Abs. 2 S. 1 ZPO aus. Soweit es um eine weitere Konturierung der Rechtsprechung zur Bildberichterstattung in Fällen der Verdachtsberichterstattung geht, wäre ohnehin im Rahmen einer übereinstimmenden Erledigungserklärung wegen solcher materiellrechtlicher Fragen keine Zulassung möglich gewesen (st. Rspr., vgl. etwa BGH v. 12.05.2011 – I ZR 20/10, GRUR 2011, 1140 Rn. 30).

Streitwert: bis zum 04.05.2020 30.000 EUR, ab dann Kosten des Verfahrens in beiden Instanzen

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