OLG Köln, Beschluss vom 15.04.2020 – 16 W 7/20

Oktober 7, 2021

OLG Köln, Beschluss vom 15.04.2020 – 16 W 7/20

Das Befangenheitsgesuch darf nicht dafür missbraucht werden, eine der Partei missliebige Prozessführung zu verhindern. Für die Überprüfung der Verfahrensführung des Gerichts und der materiellrechtlichen Auffassungen, die es seinen Entscheidungen zugrunde legt, sieht das Gesetz die Rechtsmittel in der Hauptsache vor.

Tenor
Die sofortige Beschwerde der Beklagten vom 21.2.2020 gegen den Beschluss des Landgerichts Bonn vom 10.2.2020 – 20 O 314/16 – wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Gründe
I.

Das Landgericht hat das Ablehnungsgesuch der Beklagten vom 12.12.2019 hinsichtlich der Richterin A als unzulässig und hinsichtlich der Vorsitzenden Richterin am Landgericht Dr. B als unbegründet zurückgewiesen. Die dagegen gerichtete sofortige Beschwerde der Beklagten ist zulässig, aber unbegründet.

1.

Mit der sofortigen Beschwerde äußert die Beklagte die Vermutung, die Richterin A habe unter Verstoß gegen das Gebot des gesetzlichen Richter an dem Beschluss vom 1.10.2019 mitgewirkt. Diese Vermutung stützt sie auf die Dienstlichen Äußerungen der Richterinnen A vom 14.1.2020 und C vom 7.1.2020. Die Richterin A hat sich dahin geäußert, dass ihre Tätigkeit als zweite Berichterstatterin in der 20. Zivilkammer am 12.8.2019 geendet habe und sie seitdem für das vorliegende Verfahren nicht mehr zuständig sei. Die Richterin C hat sich dahin geäußert, dass sie das Dezernat des zweiten Berichterstatters in Nachfolge der Richterin A erst am 1.8.2019 übernommen habe und demzufolge noch an keiner Entscheidung in dieser Sache mitgewirkt habe, insbesondere nicht an dem aufgrund mündlicher Verhandlung vom 24.7.2019 ergangene Hinweis- und Beweisbeschluss vom 1.10.2019.

Verstöße gegen den Grundsatz des gesetzlichen Richters hat die Bekagte, deren Prozessbevollmächtigter von der auf seinen Antrag eingeräumten Gelegenheit, die Geschäftsverteilungspläne der 20. Zivilkammer einzusehen, abgesehen hat, nicht dargetan. Die Richterin A hat an der mündlichen Verhandlung vom 24.7.2019 mitgewirkt. Sie hatte daher nach §§ 329 Abs. 1 S. 2, 309 ZPO ungeachtet ihres Ausscheidens aus der 20. Zivilkammer an der aufgrund dieser Verhandlung verkündeten Entscheidung – dem Hinweis- und Beweisbeschluss vom 1.10.2019 – mitzuwirken. Auch im Übrigen sind Verstöße gegen den Grundsatz des gesetzlichen Richters nicht dargetan.

2.

Das Ablehnungsgesuch gegen die Vorsitzende Richterin am Landgericht Dr. B hat das Landgericht zu Recht als unbegründet zurückgewiesen.

Nach § 42 Abs. 2 ZPO kann der Richter wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen seine Unparteilichkeit zu rechtfertigen. Nicht erforderlich ist, dass der Richter tatsächlich befangen ist. Entscheidend ist allein, ob aus der Sicht des Ablehnenden genügend objektiv Gründe vorliegen, die nach der Meinung einer ruhig und vernünftig denkenden Partei Anlass geben, an der Unvoreingenommenheit des Richters zu zweifeln (Zöller/Vollkommer, ZPO, 33. Aufl., § 42 Rdn. 9 m.w.N.). Im Hinblick auf die von der Beklagten gerügten Prozessführung der Vorsitzenden Richterin am Landgericht Dr. B hat das Landgericht die in Rechtsprechung und Schriffttum allgemein anerkannten Grundsätze unter Bezug auf die Kommentierung bei BeckOK ZPO/Vossler (36. Ed. 1.3.2020), § 42 Rn. 18, und die dort angeführte Judikatur zutreffend wie folgt zusammengefasst:

Aufgrund der Art und Weise der Verfahrensführung und der von dem Richter getroffenen Entscheidungen kann sich eine Besorgnis der Befangenheit aus den oben genannten Gründen nur ergeben, wenn sie auf eine willkürliche Benachteiligung oder Bevorzugung einer Partei schließen lässt. Dass eine getroffene Entscheidung tatsächlich oder jedenfalls nach Auffassung der ablehnenden Partei unrichtig ist, genügt hingegen nicht. Etwas anderes gilt nur dann, wenn die richterliche Entscheidung oder Handlung jeder gesetzlichen Grundlage entbehrt und so grob fehlerhaft erscheint, dass sie sich als willkürlich darstellt. Darüber hinaus kann unter Umständen auch eine auffällige Häufung von sonstigen Verfahrensfehlern zum Nachteil einer Partei die Besorgnis der Befangenheit begründen, wenn sich hierdurch insgesamt der Eindruck einer unsachlichen Einstellung des Richters aufdrängt. Handlungen und Entscheidungen, die auf einer vertretbaren Rechtsauffassung beruhen, müssen dabei allerdings von vornherein außer Betracht bleiben.

Grundsätzlich ist folgendes zu beachten: Das Befangenheitsgesuch darf nicht dafür missbraucht werden, eine der Partei missliebige Prozessführung zu verhindern. Für die Überprüfung der Verfahrensführung des Gerichts und der materiellrechtlichen Auffassungen, die es seinen Entscheidungen zugrunde legt, sieht das Gesetz die Rechtsmittel in der Hauptsache vor.

Unter Anwendung dieser Grundsätze hat das Landgericht eine Befangenheit der Vorsitzenden Richterin am Landgericht Dr. B mit überzeugender und richtiger, keiner Ergänzung bedürftigen Begründung verneint. Hiergegen erinnert die sofortige Beschwerde nichts Erhebliches. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen, dass die Beklagte mit ihrem erst am 12.12.2019 gestellten Befangenheitsgesuch nach §§ 43, 44 Abs. 4 ZPO nur solche Gründe geltend machen kann, die ihr nach der mündlichen Verhandlung vom 24.7.2019 bekannt geworden sind. Soweit sie den Antrag mit den Hinweisen und der Beweisanordnung im Beschluss vom 1.10.2019 begründet, steht der Berechtigung des Befangenheitvorwurfes auch schon entgegegen, dass die Beklagte keinen Gebrauch von der dort eingeräumten Möglichkeit der Stellungnahme gemacht, sondern statt dessen den prozessual verfehlten Versuch unternommen hat, eine Verfahrenskorrektur im Wege des Befangenheitsgesuches zu erzwingen.

II.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Beschwerdewert: 43.615,25 € (Wert der Hauptsache, § 3 ZPO).

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