OLG Köln, Beschluss vom 16.08.2018 – 9 U 55/18

Oktober 19, 2021

OLG Köln, Beschluss vom 16.08.2018 – 9 U 55/18

Tenor
Die Klägerin wird darauf hingewiesen, dass der Senat beabsichtigt, ihre Berufung gegen das Urteil der 20. Zivilkammer des Landgerichts Köln vom 07.03.2018 – 20 O 384/17 – gem. § 522 II ZPO durch einstimmigen Beschluss zurückzuweisen.

Gründe
I.

Der Senat beabsichtigt, die Berufung der Klägerin im Beschlusswege gem. § 522 II ZPO zurückzuweisen, da das Rechtsmittel offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert und eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist.

Das Landgericht hat mit zutreffender Begründung die Klage abgewiesen und zu Recht sowohl einen Anspruch der Klägerin auf Gewährung von weitergehenden Versicherungsschutzes aus der Rechtsschutzversicherung für die beabsichtigte Klage gegen ihren Unfallversicherer verneint als auch die begehrte Feststellung des Nichtbestehens eines Erstattungsanspruchs der Beklagten für die im Schiedsgutachterverfahren angefallenen Kosten in Höhe von 1.266,16 € versagt. Der Senat nimmt zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug auf die zutreffenden Ausführungen im angefochtenen Urteil. Das Berufungsvorbringen der Klägerin rechtfertigt keine andere rechtliche Beurteilung, das Rechtsmittel ist unbegründet.

Ergänzend ist folgendes anzumerken:

1. Klageantrag zu 1): Gewährung von Versicherungsschutz

Nicht gefolgt werden kann dem Einwand der Klägerin, das Landgericht habe die Klage unter Verkennung des durch die durch die Begriffe „erforderliche Kosten“ und „hinreichende Aussicht auf Erfolg“ vorgegebenen Prüfungsmaßstabs der §§ 1, 18 I b) XXXARB 2000 in rechtlich unzutreffender Weise abgewiesen.

Nach der Rechtsprechung des BGH sind die sachlichen Voraussetzungen an die hinreichende Erfolgsaussicht in der Rechtsschutzversicherung die gleichen wie bei der Gewährung von Prozesskostenhilfe (BGH, Urt. v. 16.09.1987, – IVa ZR 76/86 -, VersR 1987, 1186 ff. in juris Rn. 7; OLG Köln, Urt. v. 06.10.1988, – 5 U 61/88 -, VersR 1989, 359/361). In rechtlicher Hinsicht bedeutet die Auslegung des § 1 XXXARB im selben Sinne wie § 114 ZPO, dass der Standpunkt des Versicherungsnehmers nach den von ihm aufgestellten Behauptungen und den ihm bekannten Einwendungen des Gegners zumindest vertretbar sein muss (BGH, Urt. v. 16.09.1987, – IVa ZR 76/86 -, VersR 1987, 1186 ff. in juris Rn. 7). D.h., dass für die Rechtsschutzgewährung eine zumindest gleich große Wahrscheinlichkeit für einen positiven Ausgang des Rechtsstreits zugunsten des Versicherungsnehmers erforderlich ist (OLG Köln, Urt. v. 06.10.1988, – 5 U 61/88 -, VersR 1989, 359/361; OLG Köln Urt. v. 03.11.1988, – 5 U 23/88 -, VersR 1989, 736/737).

Diese Grundsätze hat das Landgericht nicht verletzt und das Vorliegen der o.g. Voraussetzungen zu Recht verneint. Die von der Klägerin vertretenen Rechtsansichten zu der Frage, ob hinsichtlich ihrer Ansprüche gegen ihren Unfallversicherer Verjährung eingetreten ist, sind nicht vertretbar. Vielmehr ist davon auszugehen, dass die Beklagte die mangelnden Erfolgsaussichten unter Berücksichtigung der zwischen der Klägerin und ihrem Unfallversicherer geführten Korrespondenz – soweit diese vorliegt – wegen Verjährung der Ansprüche der Klägerin aus der Unfallversicherung zu Recht verneint und damit die Gewährung von Rechtsschutz für die beabsichtigte Klage gegen ihren Unfallversicherer berechtigter Weise versagt hat.

a) Entgegen der Ansicht der Klägerin hat die Verjährung hinsichtlich ihrer Ansprüche aus der Unfallversicherung nicht gemäß § 212 I Nr. 1 BGB neu zu laufen begonnen, weil die vom Unfallversicherer am 15.12.2016 vermeintlich ohne Vorbehalt vorgenommene Abschlagszahlung vor dem entsprechenden Abrechnungsschreiben vom 14.12.2016 am 15.12.2016 eingegangen sei.

– Die Klägerin verkennt dabei, dass die Abschlagszahlung des Unfallversicherers in Höhe von 1.460,- € und das Begleitschreiben des Unfallversicherers vom 14.12.2016 nicht zwei selbständig zu überprüfende Handlungen/Erklärungen darstellen und das Landgericht dementsprechend auch nicht eine gebotene Differenzierung und isolierte Überprüfung rechtsfehlerhaft unterlassen hat. Für letzteres bestand deswegen keine Veranlassung, weil zwischen dem Schreiben des Unfallversicherers vom 14.12.2016 einerseits und der darin angekündigten Zahlung von 1.460,- € andererseits ein untrennbarer inhaltlicher und zeitlicher Zusammenhang bestanden hat. Die Klägerin nimmt insoweit eine unzulässige Differenzierung vor, die mit dem Inhalt des Schreibens des Unfallversicherers nicht vereinbar und infolge dessen auch nicht vertretbar ist. Der untrennbare inhaltliche Zusammenhang zwischen dem Schreiben des Unfallversicherers vom 14.12.2016 mit der darin enthaltenen Erklärung der vorgenommenen Regulierung „ohne Anerkennung einer Rechtspflicht“ und der Anweisung der in diesem Schreiben angekündigten Zahlung von 1.460,- € folgt daraus, dass in dem besagten Schreiben zum einen die Grundlagen für den ermittelten Regulierungsbetrag von 8.760,- € und die nach Abzug des Vorschusses verbleibende Restzahlung von 1.460,- € dargestellt worden sind. Außerdem wurde direkt zu Beginn des Schreibens vom 14.12.2016 im fünften Satz insoweit unmissverständlich mitgeteilt, dass die Bereitschaft zur Regulierung der konkret genannten und im Gutachten von Prof. Dr. B. und Herrn Do. vom 25.08.2013 festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen „ohne Anerkennung einer Rechtspflicht“ bestehe. Ausgehend davon, dass der Unfallversicherer das Begleitschreiben nach dem darauf befindlichen Datum am 14.12.2016 verfasst und an diesem Tag auch die Zahlung angewiesen hat, fehlte es nach dem Inhalt des Schreibens schon an seinem erforderlichen Willen, die Zahlung von 1.460,- € vorbehaltslos zu leisten. Dies war aufgrund der Datierung des Begleitschreibens „14.12.2016“ auch für den Prozessbevollmächtigten der Klägerin erkennbar. Dieser konnte wegen zeitgleicher Abfassung des Begleitschreibens und Anweisung der Zahlung trotz zeitlich früherem Zahlungseingang nicht von einer vorbehaltslosen Zahlung des Unfallversicherers ausgehen. Die Eingangszeitpunkte der Zahlung einerseits und des Begleitschreibens andererseits beim Prozessbevollmächtigten der Klägerin waren im Übrigen von Zufälligkeiten, nämlich den unterschiedlichen Bearbeitungszeiten bei der Post und der anweisenden Bank abhängig, auf welche der Unfallversicherer keinen Einfluss hatte. Dem steht nicht entgegen, dass der Unfallversicherer direkt bei der Zahlungsanweisung – insoweit zusätzlich zum Begleitschreiben – beim Verwendungszweck einen entsprechenden Vorbehalt hätte aufnehmen können. Die Unterlassung dessen führt aber aus den dargelegten Gründen nicht dazu, dass der Prozessbevollmächtigte der Klägerin von einer vorbehaltslosen Zahlung bei deren Eingang ausgehen konnte.

Ob eine Zahlung eines Versicherers immer im Kontext mit einem dazugehörigen Abrechnungsschreiben gesehen werden muss, braucht in dieser Allgemeinheit nicht entschieden zu werden. Jedenfalls vorliegend ist dies der Fall, weil in dem Anschreiben vom 14.12.2016 sowohl die später angewiesene Zahlung genannt als auch die zugrunde liegenden Erwägungen mit dem darin aufgrund des Vorbehalts eindeutig zum Ausdruck kommenden Willen des Unfallversicherers, seinen bisherigen Rechtsstandpunkt in der Sache aufrechtzuerhalten, erläutert werden. Ausgehend von einer zeitgleich veranlassten Anweisung der Zahlung am 14.12.2016 entsprechend der Ankündigung im Begleitschreiben würde eine getrennte Überprüfung dieser beiden auf einem einheitlichen Entschluss des Unfallversicherers beruhenden Handlungen zu einer lebensfremden und unzulässigen Aufspaltung eines einheitlichen Lebenssachverhalts führen.

Daraus folgt, dass in Ermangelung einer vorbehaltslosen Zahlung der im Begleitschreiben vom 14.12.2016 enthaltene Zusatz „Zahlung ohne Anerkennung einer Rechtspflicht“ vorliegend Rechtswirkungen entfaltet hat, auch wenn er zeitlich nach der Zahlung dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin zugegangen ist.

– Ein Neubeginn der Verjährung gem. § 212 BGB ergibt sich trotz dieses Vorbehalts im Begleitschreiben vom 14.12.2016 auch dann nicht, wenn man seinen Erklärungsinhalt unter Einbeziehung des gesamten Vorgangs, insbesondere der in der Berufungsbegründung vom 04.06.2018 auf Seite 7 bis 9 (Bl. 91 – 93 d.A.) dargestellten Umstände, bewertet. Diese Umstände offenbaren gerade nicht ein ambivalentes und widersprüchliches Verhalten des Unfallversicherers. Sie verdeutlichen vielmehr, dass dieser von Anfang an weder tatsächlich noch rechtlich eine ausreichende Grundlage für die Ansprüche der Klägerin gesehen hat, dass er durchgängig an seiner endgültigen Leistungsverweigerung im Schreiben vom 26.08.2013 festhalten wollte und auch getan hat und er nur bereit war, die Angelegenheit unter Aufrechterhaltung seiner geäußerten Rechtsstandpunkte in der Sache gleichwohl gütlich beizulegen.

Soweit der Unfallversicherer im Schreiben vom 25.03.2013 (K 20 AH) neben der Leistungsablehnung aus formellen Gründen ausdrücklich nur die Möglichkeit einer freiwilligen Leistung geprüft und im Zusammenhang mit der Beauftragung eines Gutachters mit weiterem Schreiben vom 25.04.2013 (K 21 AH) erklärt hat, dass sich aus der Gutachtenanforderung kein Leistungsanspruch ergebe, folgt daraus unzweideutig, dass die Klägerin daraus keinerlei Rechte oder Zugeständnisse des Unfallversicherers entnehmen konnte und letzterer keinen Vertrauenstatbestand schaffen wollte. Dies gilt auch für die mit Schreiben vom 11.06.2013 avisierte Vorschusszahlung des Unfallversicherers in Höhe von 7.300,- €, die ausdrücklich nur „unter dem Vorbehalt der Rückzahlung“ erfolgte (K 22 AH).

Konsequenterweise hat der Unfallversicherer sodann nach Vorliegen der eingeholten Gutachten mit Schreiben vom 26.08.2013 (K 23 AH) eine Leistung an die Klägerin wegen des Fehlens der dafür erforderlichen unfallbedingten Invalidität ernsthaft abgelehnt und nur „entgegenkommenderweise“ angeboten, auf ihr Rückforderungsrecht hinsichtlich der Vorschusszahlung von 7.300,- € zu verzichten, wenn die Klägerin die beigefügte Vergleichs- und Abfindungserklärung unterschrieben zurücksendet. Dieses Vergleichsangebot des Unfallversicherers trotz nicht vorliegender Leistungspflicht aus seiner Sicht steht nicht im Widerspruch zu der zuvor erklärten endgültigen Leistungsablehnung, sondern sollte nur der endgültigen vergleichsweisen Erledigung der Angelegenheit dienen. Der zwischen den Parteien bestehenden Streit über die Unfallbedingtheit der Beeinträchtigungen der Klägerin im Bereich ihrer linken Hand und die Höhe des Invaliditätsgrades sowie die zum damaligen Zeitpunkt noch nicht absehbare Entwicklung der Angelegenheit, insbesondere eine erhebliche Erhöhung der Forderung sowie ein möglicher nicht unerheblicher Kostenaufwand im Falle einer gerichtlichen Geltendmachung der Ansprüche durch die Klägerin, waren auch aus Sicht des Unfallversicherers vernünftige Gründe für die Unterbreitung eines Abfindungsvergleichs mit einem überschaubaren Betrag zur endgültigen vergleichsweisen Erledigung. Es ist daher auch nicht vertretbar, die Erklärung des Unfallversicherers im Schreiben vom 26.08.2013 nicht als klar oder nicht als endgültig zu bezeichnen.

Nicht zu folgen ist der Ansicht der Klägerin, sie und der Unfallversicherer hätten aufgrund des präjudiziellen Verfahrens wenigstens konkludent bis zum Abschluss des sozialgerichtlichen Verfahrens ein Stillhalteabkommen geschlossen. Zwar hat der Unfallversicherer zwei bedingungslose Verjährungsverzichtserklärungen zuletzt bis zum 31.12.2016 abgegeben (vgl. Schreiben vom 23.12.2014 (K 27 AH) und vom 19.11.2015 (K 28 AH)). Es ist allerdings weder klägerseits dargetan noch aus der vorliegenden Korrespondenz ersichtlich, aufgrund welcher Umstände zwischen der Klägerin und dem Unfallversicherer zumindest konkludent ein Stillhalteabkommen zustande gekommen sein soll.

Ein verjährungshemmendes Stillhalteabkommen ist nur anzunehmen, wenn der Schuldner aufgrund einer rechtsgeschäftlichen Vereinbarung berechtigt sein soll, vorübergehend die Leistung zu verweigern, und der Gläubiger sich umgekehrt der Möglichkeit begeben hat, seine Ansprüche weiterzuverfolgen (BGH, Urt. v. 06.07.2000, – IX ZR 134/99 -, NJW 2000, 2661 ff. in juris Rn. 14 m.w.N., Palandt/Ellenberger, BGB, 77. Aufl. 2018, § 205 Rn. 1). Eine solche Vereinbarung kann bspw. vorliegen, wenn im Einvernehmen zwischen Gläubiger und Schuldner die Auseinandersetzung über den Schadensersatzanspruch zurückgestellt werden soll bis zur Beendigung des Rechtsstreits, bis zum Abschluss eines Versuchs zur Schadensbeseitigung oder zur Erreichung „eines aussagekräftigeren Stadiums der Schadenentwicklung (BGH, Urt. v. 06.07.2000, – IX ZR 134/99 -, NJW 2000, 2661 ff. in juris Rn. 14 m.w.N.).

Dem Schreiben des Prozessbevollmächtigten der Klägerin vom 22.12.2014 (K 26 AH) ist schon nicht zu entnehmen, dass mit dem Unfallversicherer ein solches Stillhalteabkommen geschlossen werden sollte, insbesondere letzterer berechtigt sein sollte, die von ihm geforderte Leistung zeitweise zu verweigern. Es wurde klägerseits lediglich wegen des drohenden Verjährungsablaufs im Hinblick auf die anstehende Beweisaufnahme im sozialgerichtlichen Verfahren und die beabsichtigte Verwertung des Ergebnisses auch gegenüber dem Unfallversicherer um Verzicht auf die Verjährungseinrede gebeten, um nicht bloß zur Verjährungshemmung gegen diesen eine weitere Klage anstrengen zu müssen. Daraus ergab sich gerade nicht, dass die Klägerin sich der Möglichkeit begeben wollte, für eine gewisse Zeit während der Dauer des vermeintlichen Stillhaltabkommens ihre Ansprüche aus der Unfallversicherung weiterzuverfolgen. Ebenso wenig kann daraus ausdrücklich oder gar konkludent entnommen werden, dass die Parteien den Ausgang des sozialgerichtlichen Verfahrens abwarten wollten. Anderes ergibt sich auch nicht aus dem Antwortschreiben des Unfallversicherers vom 23.12.2014 (K 27 AH), worin dieser nur einen Verjährungsverzicht bis zum 31.12.2015 bestätigt hat. Ein befristeter Verzicht des Schuldners auf die Erhebung der Verjährungseinrede soll dem Gläubiger im Zweifel nur die gerichtliche Geltendmachung des Anspruchs vor Ablauf der Verzichtsfrist ermöglichen (BGH, Urt. v. 07.05.2014, – XII ZB 141/13 -, NJW 2014, 2267 ff. in juris Rn. 20).

Aus der nachfolgenden Mitteilung des Unfallversicherer im Schreiben vom 15.11.2016 (K 31 AH), dass ein weiterer Verzicht auf die Verjährungseinrede über den 31.12.2016 nicht möglich sei und der Aufforderung zur Rückzahlung der Vorschusszahlung vom 11.06.2016 über 7.300,- € bis 30.11.2016 ergab sich wiederum eindeutig, dass der Unfallversicherer an seiner Leistungsverweigerung wegen fehlender unfallbedingter Invalidität gemäß Schreiben vom 26.08.2013 (K 23 AH) festhalten wollte. In Ermangelung eines getroffenen Stillhalteabkommens war der Unfallversicherer an dieser Erklärung auch nicht gehindert.

Nicht gefolgt werde kann der Ansicht der Klägerin, der Unfallversicherer habe mit Schreiben vom 24.11.2016 (K 32) auf die Einrede der Verjährung bis zum 31.03.2017 verzichtet. In diesem Schreiben hat der Unfallversicherer seine Bereitschaft zum Verjährungsverzicht bis zum 31.03.2017 nur unter der Bedingung angekündigt, dass auch die Klägerin ihrerseits versichert, auf eine Einrede der Verjährung hinsichtlich des Rückforderungsanspruchs in Höhe von 7.300,- € des Unfallversicherers zu verzichten. Diese Bedingung ist nicht eingetreten, weil die Klägerin darauf nicht zeitnah reagiert und keine entsprechende Verjährungsverzichtserklärung abgegeben hat. Soweit ihr Prozessbevollmächtigter dies mit Schreiben vom 09.05.2017, also nach über 5 Monaten, nachgeholt hat (K 40 AH), war dies nicht mehr rechtzeitig i.S.d. § 147 BGB und auch nicht mehr möglich, nachdem der Unfallversicherer bereits mit Schreiben vom 04.05.2017 die Verjährungseinrede erhoben hatte.

Der Unfallversicherer ist auch nicht nach Übermittlung des im sozialgerichtlichen Verfahren eingeholten Gutachtens mit Schreiben vom 14.12.2016 in die Regulierung eingetreten und hat darin auch keine normale Abrechnung einer Invaliditätsleistung mit Anerkenntniswirkung vorgenommen.

Ein Anerkenntnis i.S.d. § 212 I Nr. 1 BGB liegt nach ständiger Rechtsprechung vor, wenn sich aus dem tatsächlichen Verhalten des Schuldners gegenüber dem Gläubiger klar und unzweideutig ergibt, dass dem Schuldner das Bestehen der Schuld bewusst ist und angesichts dessen der Gläubiger darauf vertrauen darf, dass sich der Schuldner nicht auf den Ablauf der Verjährung berufen wird. Der Schuldner muss dabei sein Wissen, zu etwas verpflichtet zu sein, klar zum Ausdruck bringen (BGH, Urt. v. 23.08.2012, – VII ZR 155/10 -, WM 2013, 1525 f. in juris Rn. 11). Bei der dafür vorzunehmenden Würdigung aller Einzelfallumstände ist maßgeblich, ob der Schuldner aus Sicht des Gläubigers nicht nur aus Kulanz oder zur gütlichen Beilegung eines Streits, sondern in dem Bewusstsein handelt, zur Erbringung der geforderten Leistung verpflichtet zu sein (BGH, Urt. v. 23.08.2012, – VII ZR 155/10 -, WM 2013, 1525 f. in juris Rn. 12 m.w.N.). Von einem solchen Bewusstsein des Unfallversicherers konnte die Klägerin auch aus ihrer Sicht nicht vertretbar ausgehen.

Bis zu seinem Schreiben vom 14.12.2016 ist der Unfallversicherer – wie zuvor dargelegt – im Rahmen der laufenden Korrespondenz zu keiner Zeit von seiner endgültigen Leistungsverweigerung wegen fehlender unfallbedingter Invalidität abgerückt, so dass er dies im Schreiben vom 14.12.2016 auch nicht ausdrücklich wiederholen musste. Aufgrund der fortgeltenden Leistungsverweigerung und der Berufung auf eine Obliegenheitsverletzung konnte die angebotene Zahlung von insgesamt 8.760,- € in Verbindung mit dem Zusatz „ohne Anerkennung einer Rechtspflicht“ nur als Kulanzzahlung und nicht als Anerkenntnis dem Grunde verstanden werden. Letzteres scheitert im Übrigen daran, dass der Unfallversicherer seine „Abrechnung“ auf der Grundlage eines von der ERGO – dem weiteren Unfallversicherer der Klägerin – eingeholten Gutachtens von Prof. Dr. B. und Herrn Do. vom 25.08.2013 (zu K 34 AH) und einer darin festgestellten erheblich geringeren Gesamtinvalidität von 6 % aufgrund der Beeinträchtigungen am linken Daumen und linken Zeigefinger vorgenommen hat. Abgesehen davon, dass in dem Gutachten von Prof. Dr. B. und Herrn Do. vom 25.08.2013 eine Unfallbedingtheit der festgestellten Beeinträchtigungen nicht bestätigt worden ist, lag der vom Unfallversicherer aufgrund dessen zugrunde gelegte Grad der Gesamtinvalidität von 6 % weit unter dem, was die Klägerin aufgrund des Gutachtens von Dr. D. vom 27.06.2016 (K 6 AH) aus dem sozialgerichtlichen Verfahrens (MdE 30 %) und dem Bescheid der Stadt Bonn (GdB 50 %) gemäß dem anwaltlichen Schreiben vom 02.12.2016 (K 33 AH) anerkannt haben wollte. Dass der Unfallversicherer im Schreiben vom 14.12.2016 keinen Vorbehalt hinsichtlich der Verjährungseinrede gemacht hat, ist unerheblich. Da er mit Schreiben vom 19.11.2015 auf die deren Erhebung nur bis zum 31.12.2016 verzichtet hatte, war er daran auch nur bis zum Ablauf dieser Frist gebunden. Daraus ergab sich allerdings kein Vertrauenstatbestand für die Klägerin dahingehend, dass der Unfallversicherer die Verjährungseinrede danach nicht mehr erheben würde. Der Verjährungsverzicht hat regelmäßig zum Inhalt, dass der Schuldner bis zum Ablauf der von ihm eingeräumten Frist die Einrede der Verjährung nicht erheben wird (BGH, Urt. v. 07.05.2014, – XII ZB 141/13 -, NJW 2014, 2267 ff. in juris Rn. 19). Ein weitergehender Verzichtswille konnte weder den Verjährungsverzichtserklärungen des Unfallversicherers vom 23.12.2014 (K 27 AH) und 19.11.2015 (K 28 AH) noch der nachfolgenden Korrespondenz entnommen werden. Insbesondere wurde damit kein schutzwürdiges Vertrauen der Klägerin dahingehend begründet, dass der Unfallversicherer nach Ablauf der Verzichtsfrist die Verjährungseinrede nicht erheben und in weitere Verhandlungen mit ihr über den Anspruchsgrund eintreten würde. Dem stand entgegen, dass der Unfallversicherer mit Schreiben vom 24.11.2016 (K 32 AH) – anders als in den beiden vorangegangenen Schreiben – einen Verjährungsverzicht über den 31.12.2016 bis zum 31.03.2017 nicht mehr bedingungslos erklärt hat. Die Klägerin wäre daher bei bevorstehendem Ablauf der Verjährungsfrist gehalten gewesen, den Anspruch gegen den Unfallversicherer innerhalb der eingeräumten Frist, spätestens aber bis zum tatsächlichen Ablauf der Verjährungsfrist geltend zu machen.

b) Aufgrund dessen sind auch die Ausführungen des Landgerichts zur Verjährungshemmung gemäß § 203 BGB nicht zu beanstanden. Die davon abweichende Rechtsansicht der Klägerin, sie habe aufgrund eines mit dem Unfallversicherer abgeschlossenen Stillhalteabkommens bis zum Abschluss des sozialgerichtlichen Verfahrens und der von ihm abgegebenen Verjährungsverzichtserklärungen davon ausgehen können, dieser werde sich nach Abschluss des Sozialgerichtsverfahrens auf weitere Erörterungen über die Berechtigung des Anspruchs und den Umfang der Invaliditätsleistung einlassen, nicht vertretbar. Insoweit wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die vorangegangenen Ausführungen verwiesen.

c) Dementsprechend sind auch die Ausführungen des Landgerichts zur Verjährungshemmung gemäß § 15 VVG und zum Inhalt des in diesem Zusammenhang bedeutsamen Schreibens des Unfallversicherers vom 26.08.2013 mit der darin enthaltenen Leistungsablehnung nicht zu beanstanden. Auch insoweit wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die obigen Ausführungen verwiesen.

d) Soweit nach den zutreffenden Ausführungen im angefochtenen Urteil hinsichtlich des Anspruchs der Klägerin auf Invaliditätsleistungen wegen vermeintlich unfallbedingter Invalidität, also des sog. Stammrechts, Verjährung eingetreten ist und die hiergegen erhobenen Einwendungen der Klägerin nicht zu einer vertretbaren abweichenden Bewertung führen können, konnte auch für die mit dem Klageantrag zu 2) gegenüber dem Unfallversicherer geltend gemachten Rentenansprüche keine gesonderte Verjährungsfrist zu laufen beginnen. Denn deren Schicksal ist vom Schicksal des Stammrechts abhängig (vgl. Prölss/Martin/Armbrüster, VVG, 30. Aufl. 2018, § 15 VVG Rn. 5; BGH, VersR 1955, 97; OLG Hamm, Urt. v. 26.11.2014, – 20 W 35/14 -, VersR 2015, 705 f. in juris; OLG Koblenz, Urt. v. 17.12.2010, – 10 U 1417/09 – VersR 2011, 1294 in juris Rn. 33).

e) Die Erhebung der Verjährungseinrede durch den Unfallversicherer kann auch unter Berücksichtigung der Einwendungen der Klägerin nicht vertretbar gemäß § 242 BGB als treuwidrig bewertet werden.

Da es – wie oben dargelegt – zwischen den Parteien kein, auch kein konkludent geschlossenes Stillhalteabkommen im Hinblick auf das seit Oktober 2014 anhängige Verfahren der Klägerin vor dem Sozialgericht Köln gegen die Berufsgenossenschaft gegeben hat, war die Ablehnung eines weiteren Verjährungsverzichts über den 31.12.2016 hinaus durch den Unfallversicherer im Schreiben vom 15.11.2016 weder plötzlich noch unerwartet und führt insbesondere nicht zur Treuwidrigkeit des später im Mai 2017 erhobenen Verjährungseinwandes. Es gab auch – wie bereits ausgeführt – keine weitere bedingungslose Verjährungsverzichtserklärung des Unfallversicherers bis zum 31.03.2017. Weder aufgrund einer solchen noch aufgrund der mit Schreiben vom 14.12.2016 ausdrücklich unter dem Vorbehalt „ohne Anerkennung einer Rechtspflicht“ angekündigten und angewiesenen Zahlung von 1.460,- € bei gleichzeitigem Verzicht auf die Rückforderung des zuvor geleisteten Vorschusses konnte die Klägerin vertretbar davon ausgehen, der Unfallversicherer werde die Verjährungseinrede nach Ablauf des 31.12.2016 nicht erheben. Dies schon allein deshalb nicht, weil der Unfallversicherer einen Verzicht auf die Einrede der Verjährung über den 31.12.2016 ausdrücklich als nicht möglich abgelehnt hatte. Auch aus den nachfolgenden Erklärungen des Unfallversicherers im Schreiben vom 24.11.2016 (K 32 AH) – Verjährungsverzicht bis 31.03.2017 unter der Bedingung eines Verzichts der Klägerin auf die Verjährungseinrede hinsichtlich des Rückforderungsanspruchs in Höhe von 7.300,- € – und vom 14.12.2016 (K 34 AH) – Ankündigung und Anweisung einer Regulierungszahlung von weiteren 1.460,- € „ohne Anerkennung einer Rechtspflicht“ – ergaben sich nicht einmal ansatzweise Anhaltspunkte dafür, dass der Unfallversicherer nach dem 31.12.2016 die Verjährungseinrede nicht erheben würde. Ein anderer Rechtsstandpunkt entbehrt jeglicher Grundlage und ist nicht vertretbar.

2. Klageantrag zu 2): Feststellung des Nichtbestehens des Kostenerstattungsanspruchs der Beklagten:

Ebenso wenig zu beanstanden ist die Abweisung des Klageantrags zu 2), weil die Leistungsverweigerung seitens der Beklagten mangels hinreichender Erfolgsaussichten der beabsichtigten Klage gegen den Unfallversicherer aufgrund der Verjährung der damit geltend gemachten Ansprüche berechtigt und der demgegenüber vertretene Rechtsstandpunkt der Klägerin – wie dargelegt – nicht vertretbar war.

Die Klausel in § 18 V XXXARB 2000, Stand 2007-01-01, verstößt im Übrigen auch nicht gegen § 307 BGB, weil diese – so die Ansicht der Klägerin – wegen des uneingeschränkten Wortlauts eine Kostentragungspflicht des Versicherungsnehmers bei Einleitung eines Schiedsgutachterverfahrens durch den Versicherer vorsehe. In § 18 XXXARB 2000, Stand 2007-01-01, ist die Einleitung eines Schiedsgutachterverfahrens durch den Versicherers schon gar nicht vorgesehen, geschweige denn für diesen Fall eine Kostentragungspflicht des Versicherungsnehmers angeordnet. Nach § 18 II XXXARB 2000, Stand 2007-01-01, ist der Versicherungsnehmer unter den dort genannten Voraussetzungen innerhalb eines Monats auf die Möglichkeit der Einleitung eines Schiedsgutachterverfahrens hinzuweisen. § 18 III XXXARB 2000, Stand 2007-01-01, regelt die tatsächliche Vorgehensweise wenn der Versicherungsnehmer die Durchführung des Schiedsgutachterverfahrens verlangt. Dementsprechend trifft die in § 18 V S. 2 XXXARB 2000, Stand 2007-01-01, angeordnete Kostentragungspflicht den Versicherungsnehmer nur in dem Fall, dass in einem von ihm selbst veranlassten Schiedsgutachterverfahren die Leistungsverweigerung des Versicherers nach dem Schiedsspruch berechtigt war, wobei diese Kostentragungspflicht auf die eigenen Kosten des Versicherungsnehmers und die des Schiedsgutachters beschränkt ist. Hierdurch wird der Versicherungsnehmer nicht unangemessen benachteiligt.

II.

Die Klägerin erhält Gelegenheit, zu diesem Hinweis binnen drei Wochen ab Zugang dieses Beschlusses Stellung zu nehmen (Eingang bei Gericht). Auf die kostenrechtliche Privilegierung einer Berufungsrücknahme – statt 4 fallen nur 2 Gerichtsgebühren an (Nr. 1222 KV zu § 3 II GKG) – wird hingewiesen.

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