OLG Köln, Beschluss vom 18.10.2018 – 4 U 90/18

Oktober 19, 2021

OLG Köln, Beschluss vom 18.10.2018 – 4 U 90/18

Tenor
Der Senat beabsichtigt, die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Bonn vom 08.06.2018 durch Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen.

Es besteht Gelegenheit zur Stellungnahme innerhalb einer Frist von drei Wochen nach Zugang dieses Beschlusses.

Gründe
I.

Die zulässige Berufung ist nach derzeitiger Beurteilung durch den Senat nicht begründet. Das Landgericht ist zu Recht und mit zutreffender Begründung davon ausgegangen, dass der Kläger durch seine Erklärung vom 12.11.2017 seine Willenserklärung, die zum Abschluss des Darlehensvertrages vom 09.07.2013 geführt hat, nicht mehr wirksam widerrufen konnte, weil zu diesem Zeitpunkt die Widerrufsfrist bereits abgelaufen war.

1. Die Widerrufsbelehrung, die die Beklagte dem Kläger in dem Vertrag erteilt hat, war ordnungsgemäß und führte dazu, dass die Widerrufsfrist von 14 Tagen bereits im Jahre 2013 zu laufen begonnen hat und somit bei Abgabe der Widerrufserklärung längst verstrichen war. Die Widerrufsbelehrung entspricht in Form und Inhalt dem Muster für eine Widerrufsinformation für Verbraucherdarlehensverträge (Anlage 6 zu Art. 247 § 6 Abs. 2 EGBGB in der vom 04.08.2011 bis zum 12.06.2014 geltenden Fassung; künftig a. F.) und kommt deshalb unabhängig von ihrer inhaltlichen Richtigkeit in den Genuss der Gesetzlichkeitsfiktion, die sich aus Art. 247 § 6 Abs. 2 S. 3 EGBGB a. F. ergibt.

2. Zu Unrecht macht die Berufung auch geltend, die Widerrufsfrist habe deshalb nicht zu laufen begonnen, weil dem Kläger nicht alle Pflichtangaben gemäß § 492 Abs. 2 BGB erteilt worden seien. Was unter den Pflichtangaben zu verstehen ist, ergibt sich aus Art. 247 § 6 Abs. 1 EGBGB a. F., auf den § 492 Abs. 2 BGB verweist. Richtig ist zwar, dass zu den Pflichtangaben danach auch der Nettodarlehensbetrag gehört (Art. 247 § 3 Abs. 1 Nr. 4 EGBGB a. F.), entgegen der in der Berufung vertretenen Auffassung ist dieser jedoch im Vertrag auch angegeben. Ausweislich der Legaldefinition in Art. 247 § 3 Abs. 2 S. 2 EGBGB a. F. ist der Nettodarlehensbetrag der Höchstbetrag, auf den der Darlehensnehmer aufgrund des Darlehensvertrages Anspruch hat. Dies sind im vorliegenden Fall 40.000,00 € und das ist gerade der Betrag, der auf Seite des Darlehensvertrages als Auszahlungsbetrag angegeben ist. Die Bezeichnung als „Auszahlungsbetrag“ statt als „Nettodarlehensbetrag“ ist dabei unschädlich, denn das Gesetz verlangt lediglich die Angabe dieses Betrages, nicht aber die Angabe der entsprechenden Bezeichnung. Hierdurch kann beim Verbraucher auch kein Irrtum entstehen. „Auszahlungsbetrag“ und „Nettodarlehensbetrag“ sind Synonyme, wie sich auch aus der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (Urteil vom 28.10.2014 – XI ZR 348/13 -, WM 2014, 2261 Rn 24) ergibt.

3. Auch der Umstand, dass die Beklagte unmittelbar vor der Widerrufsinformation in ihre Allgemeinen Geschäftsbedingungen eine Beschränkung des Aufrechnungsrechtes aufgenommen hat, die nach neuester Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs wegen Verstoßes gegen §307 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 1 BGB unwirksam ist (BGH, Urteil vom 20.03.2018 – XI ZR 309/16 -, WM 2018, 1049 Rn 12 ff.), kann der Berufung nicht zum Erfolg verhelfen.

a) Das Aufrechnungsverbot ist – ungeachtet seines Standortes unmittelbar vor der Widerrufsinformation – selbst nicht Teil der Widerrufsinformation. Die unzulässige Klausel kann deshalb keine unmittelbare Bedeutung für die Gesetzmäßigkeit der Widerrufsinformation haben.

b) Es besteht aber auch keine „Fernwirkung“ in dem Sinne, dass aus der unzulässigen Aufrechnungsklausel eine Fehlerhaftigkeit der Widerrufsinformation folgen würde. .Allerdings hat der Bundesgerichtshof seine Entscheidung zur Unzulässigkeit der fraglichen Klausel u. a. auch damit begründet, dass hierin eine „unzulässige Erschwerung des Widerrufsrechts“ liege (a. a. O., Rn 19). Daraus folgt aber nicht, dass deswegen auch die Widerrufsinformation fehlerhaft wäre. Einer solchen Schlussfolgerung, wie sie die Berufung zieht, stehen mehrere gewichtige Gründe entgegen.

Zunächst einmal ist der Zweck der Widerrufsinformation zu berücksichtigen. Dieser geht zum einen dahin zu gewährleisten, dass der Verbraucher seinen Widerruf form- oder fristgerecht erklären kann. Dieser Zweck ergibt sich aus der gesetzgeberischen Vorgabe über den Inhalt der Widerrufsbelehrung in Art. 247 § 6 Abs. 2 S. 1 und 2 EGBGB a. F. Danach muss die Belehrung nämlich „Angaben zur Frist und zu anderen Umständen für die Erklärung des Widerrufs“ enthalten. Darüber hinaus ist der Verbraucher auch noch darauf hinzuweisen, welche Verpflichtung für ihn aufgrund des Widerrufs besteht. Dagegen ist eine Aufklärung über die Ansprüche, die dem Verbraucher infolge seines Widerrufes zustehen, von Gesetzes wegen nicht geboten und auch in der Musterwiderrufsbelehrung nicht enthalten. Das unterscheidet die Widerrufsbelehrung gemäß Art. 247 § 6 Abs. 2 EGBB a.F. deutlich von derjenigen gemäß §§ 312 Abs. 2, 357 BGB, auf die der Bundesgerichtshof seine Entscheidung gestützt hat, dass eine wirksame Widerrufsbelehrung nur vorliegt, wenn der Verbraucher auch über seine Gegenansprüche informiert wird (BGH, Urteil vom 12.04.2007 – VII ZR 122/06 -, WM 2007, 1115 Rn 16). Nach § 312 Abs. 2 BGB in der in der Zeit vom 01.01.2002 bis 10.06.2010 geltenden Fassung musste sich die Widerrufsbelehrung auf die Rechtsfolgen des Widerrufs erstrecken und dazu gehören auch die dem Verbraucher hieraus erwachsenden Ansprüche. Diese Beschränkung der Informationspflicht im Gesetz zeigt, dass es nicht Zweck der gemäß Art. 247 § 6 Abs. 2 EGBGB a.F. bei Verbraucherdarlehen zu erteilenden Widerrufsbelehrung ist, den Verbraucher umfassend über alle Konsequenzen des Widerrufs zu unterrichten.

b) Insbesondere würde eine andere Auslegung aber auch zu einem nicht auflösbaren Konflikt mit der in Art. 247 § 6 Abs. 2 S. 3 EGBGB a.F. enthaltenen Gesetzlichkeitsfiktion führen. Nach der Entscheidung des Gesetzgebers gilt die Informationspflicht gemäß Art. 247 § 6 Abs. 2 S. 1 und 2 EGBGB a.F. als erfüllt, wenn die erteilte Information dem Muster gemäß Anlage 6 entspricht, wie dies hier der Fall ist. Diese Regelung lässt aber nur einen Vergleich zwischen der Widerrufsinformation und dem Muster zu und steht damit der Einbeziehung sonstiger Umstände, wie sie sich etwa aus den Allgemeinen Geschäftsbedingungen ergeben können, entgegen. In der Konsequenz der vorstehenden Überlegungen liegt es, dass der Bundesgerichtshof entschieden hat, dass „eine formal und inhaltlich den gesetzlichen Anforderungen genügende Widerrufsbelehrung nicht dadurch undeutlich (wird), dass die Vertragsunterlagen an anderer, wie hier drucktechnisch nicht hervorgehobener Stelle einen inhaltlich nicht ordnungsgemäßen Zusatz enthalten“ (BGH, Urteil vom 10.10.2017 – XI ZR 443/16 -, WM 2017, 2248 Rn 25).

II.

Es besteht keine Veranlassung, durch Urteil über diese Berufung zu entscheiden. Der Fall wirft keine entscheidungserheblichen Fragen von grundsätzlicher Bedeutung auf. Eine Entscheidung durch Urteil ist auch nicht zum Zwecke der Rechtsfortbildung oder der Sicherung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung geboten. Zwar hat das Landgericht Ravensburg in einer neueren Entscheidung (Urteil vom 21.09.2018 – 2 O 21/18) zur Frage der Bedeutung der unwirksamen Aufrechnungsklausel für die Ordnungsgemäßheit der Belehrung eine abweichende Auffassung vertreten. Diese Entscheidung betraf jedoch eine Informationspflicht aufgrund eines im elektronischen Geschäftsverkehr abgeschlossenen Darlehensvertrages gemäß § 312 Abs. 1 BGB in der in der Zeit vom 04.08.2011 bis zum 31.07.2012 geltenden Fassung i. V. m. Art. 246 § 3 EGBGB, aus der sich schon gar keine Verpflichtung zur Erteilung von Widerrufsinformationen ergibt. Darüber hinaus wird in dieser Entscheidung nicht begründet, warum außerhalb der eigentlichen Widerrufsinformation liegende Umstände, deren Wirksamkeit beeinflussen sollen, sondern lediglich auf die vom Bundesgerichtshof für die Unwirksamkeit der Aufrechnungsklausel, also eine ganz andere Frage, herangezogene Begründung abgestellt.

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