OLG Köln, Beschluss vom 19.02.2018 – 17 W 198/17

Oktober 23, 2021

OLG Köln, Beschluss vom 19.02.2018 – 17 W 198/17

Tenor
Auf die sofortige Beschwerde wird der Kostenfestsetzungsbeschluss der Rechtspflegerin beim Landgericht Aachen vom 19. Juli 2017 – 7 O 322/14 – teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Aufgrund des Zwischenurteils des Landgerichts Aachen vom 30. September 2016 und aufgrund des Beschlusses des Oberlandesgerichts Köln vom 11. April 2017 – 6 W 133/16 – sind von der Klägerin an Frau Rechtsanwältin B 4.719,82 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 247 BGB seit dem 21. Oktober 2016 aus 3.948,32 € und seit dem 11. Mai 2017 aus weiteren 771,50 € zu erstatten.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens tragen die Klägerin zu 84 % und Rechtsanwältin B zu 16 %.

Eine Reduzierung der Gerichtsgebühren findet nicht statt.

Gegenstandswert für das Beschwerdeverfahren: 5.616,59 €.

Gründe
I.

In einem Vorprozess hatte Rechtsanwältin B den Beklagten und dessen Ehefrau vertreten (LG Köln – 31 O 429/09 -). Dieser endete mit einem außergerichtlichen Vergleich, der für den Beklagten und dessen Ehefrau von Rechtsanwältin B unterzeichnet wurde. Diese hatte sich im Rechtsstreit zuvor schriftsätzlich bestellt und anwaltlich versichert, ordnungsgemäß bevollmächtigt zu sein. Im hier zu Grunde liegenden Rechtsstreit hat der Beklagte die Bevollmächtigung seiner ehemaligen Rechtsvertreterin im Hinblick auf die außergerichtliche Vereinbarung bestritten. Eingangs ihrer zeugenschaftlichen Vernehmung im Termin vom 4. September 2015 berief sich die von der Klägerin benannte Rechtsanwältin B auf ein Zeugnisverweigerungsrecht aufgrund anwaltlicher Verschwiegenheitspflicht gegenüber dem Beklagten und dessen Ehefrau infolge des Vorprozesses. Der im Termin persönlich anwesende Beklagte gab keine Entbindungserklärung ab.

Daraufhin wies das Landgericht die Klage durch Endurteil ab. Auf die sofortige Beschwerde der Klägerin hob das Oberlandesgericht Köln (6 W 131/15) das Urteil auf und verwies die Sache zur Durchführung des Verfahrens über einen Zwischenstreit gemäß § 387 ZPO an das Landgericht zurück. Dieses beraumte nunmehr Termin auf den 26. Februar 2016 an, zu dem Rechtsanwältin B als Zeugin geladen wurde. Der Termin fand statt im Rahmen des Zwischenstreits über die Rechtmäßigkeit der Zeugnisverweigerung. Im Termin erklärte Rechtsanwältin B, da sie lediglich eine Zeugenladung erhalten habe, habe sie sich nicht auf einen Zwischenstreit, in dem sie Partei sei, vorbereiten können. Die Sache wurde unter anderem deswegen vertagt.

Zum Termin vom 9. September 2016 wurde Rechtsanwältin B wiederum mit den für Zeugenladungen vorgesehenen Formularen geladen. Im Sitzungsprotokoll heißt es bei der Benennung der Erschienenen u.a.: „… die Zeugin B als Partei des Zwischenstreits.“ Dem Protokoll ist weiter zu entnehmen, dass, nachdem der Klägervertreter seinen Antrag gestellt hatte, Rechtsanwältin B beantragte „festzustellen, dass sie zur Zeugnisverweigerung berechtigt ist und der Klägerin die Kosten des Zwischenstreits aufzuerlegen.“

Mit Zwischenurteil vom 30. September 2016 erklärte das Landgericht die Zeugnisverweigerung von Rechtsanwältin B für rechtmäßig. Die Kosten des Zwischenstreits legte es der Klägerin auf und setzte den Streitwert nach demjenigen der Hauptsache auf 105.021,00 € fest. Die sofortige Beschwerde der Klägerin gegen die Entscheidung des Landgerichts wies das Oberlandesgericht mit Beschluss vom 11. April 2017 (6 W 133/16) kostenpflichtig zurück.

Zur Kostenfestsetzung angemeldet hat Rechtsanwältin B eine 1,3 Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 VV RVG (1.953,90 €), eine 1,2 Terminsgebühr nach Nr. 3104 VV RVG (1.803,60 €) nebst Auslagenpauschale und Mehrwertsteuer, des Weiteren Fahrtkosten sowie Tages- und Abwesenheitsgeld für die Wahrnehmung der Termine vor dem Landgericht Aachen vom 26. Februar und 9. September 2016, insgesamt 4.698,50 €. Für das Beschwerdeverfahren zum Oberlandesgericht Köln hat sie 918,09 € zur Festsetzung angemeldet, nämlich eine 0,5 Verfahrensgebühr nach Nr. 3500 VV RVG nebst Auslagenpauschale und Mehrwertsteuer.

Dem tritt die Klägerin entgegen. Sie ist der Ansicht, Rechtsanwältin B sei im Verfahren als Zeugin, nicht aber als Anwältin beteiligt gewesen. Allenfalls als Zeugenbeistand könne sie Gebühren wie ein Anwalt geltend machen. In dieser Funktion sei sie aber nicht tätig gewesen. Ebenso wenig habe sie angezeigt, dass sie sich im Zwischenstreit als Rechtsanwältin selbst vertrete. Demgemäß sei sie auch als Zeugin geladen worden. Dass Rechtsanwältin B in ihrer Funktion als Zeugin am Termin vom 4. September 2015 teilgenommen habe, ergebe sich auch aus dem Sitzungsprotokoll. Danach sei sie vom Gericht zunächst gebeten worden, vor dem Gerichtssaal zu warten. Erst im Verlauf der Verhandlung sei sie hereingebeten worden. Auch habe Rechtsanwältin B im Verlauf des Termins nicht erklärt, dass sie sich selbst vertrete, auch nicht konkludent. Dies sei von einem Rechtsanwalt gemäß § 78 Abs. 4 ZPO aber zu erwarten. Dass sich ein Rechtsanwalt stets auch als Rechtsanwalt selbst vertrete, ergebe sich weder aus der vorgenannten Norm noch aus § 91 Abs. 2 Satz 3 ZPO. Ebenso wenig sei ein Zeuge verpflichtet, sich von einem Anwalt vertreten zu lassen, § 387 Abs. 2 ZPO. Zudem habe Rechtsanwältin B keine Tätigkeiten entfaltet, für welche sie Gebühren nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz verlangen könnte. Insbesondere habe sie keinen Antrag gestellt festzustellen, dass ihr ein Zeugnisverweigerungsrecht zustehe, ebenso wenig einen Kostenantrag. So erhalte auch der Rechtsanwalt für seine anwaltliche Selbstvertretung vor dem Anwaltsgerichtshof seine Gebühren und Auslagen nicht erstattet. Zudem gehöre der Zwischenstreit zur Instanz, § 19 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 RVG, so dass gesonderte Gebühren nicht ausgelöst würden. Erst nach Vorlage einer endgültigen Kostenentscheidung habe eine Kostenfestsetzung stattzufinden. Rechtsanwältin B habe nur Anspruch auf Ersatz ihrer notwendigen Auslagen.

Diese ist der Ansicht, sie sei im Zwischenstreitverfahren nicht lediglich als Zeugin, sondern als Partei aufgetreten. Die Klägerin habe das Zwischenverfahren selbst eingeleitet und sie dadurch zur Partei gemacht. Allein der Zeuge und der Beweisführer seien Parteien des Zwischenstreitverfahrens. Ihre Ladungen zu den Terminen als Zeugin beruhe auf einem Versehen der Geschäftsstelle. Ob sie sich als Rechtsanwältin selbst vertrete oder sich von einem anderen Rechtsanwalt vertreten lasse, obliege ihrer Entscheidung. Mehrfach habe sie Schriftsätze zur Akte gereicht, wie insoweit unstreitig ist. Mit einem berufsrechtlichen Verfahren sei das Zwischenstreitverfahren nicht zu vergleichen.

Die Rechtspflegerin hat die Kostenfestsetzung antragsgemäß vorgenommen. Zur Begründung hat sie ausgeführt, Rechtsanwältin B habe sich im Zwischenstreit selbst vertreten. Dort habe sie die Stellung einer Partei innegehabt, nicht nur die einer Zeugin. Da sie auch einen anderen Rechtsanwalt mit ihrer Vertretung hätte beauftragen können, sei sie als sich selbst vertretende Rechtsanwältin zu honorieren. Die Rechtspflegerin hat der sofortigen Beschwerde der Klägerin nicht abgeholfen und die Sache dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.

II.

Die gemäß §§ 104 Abs. 3 Satz 1, 567 ff ZPO statthafte und auch ansonsten unbedenklich zulässige sofortige Beschwerde hat in der Sache selbst überwiegend keinen Erfolg. Rechtsanwältin B kann von der Klägerin 4.719,82 € erstattet verlangen. Umsatzsteuer steht ihr nicht zu.

1.

Der Rechtsanwalt kann sich in einer eigenen Angelegenheit in den Grenzen der §§ 45 ff BRAO selbst vertreten (Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 76. Aufl., § 78 Rn. 56). Aus § 78 Abs. 4 ZPO ergibt sich, dass der Rechtsanwalt bei seinem Auftreten als Rechtsanwalt zu behandeln ist. Der Rechtsanwalt als Partei kann also verlangen, so behandelt zu werden, wie ein Rechtsanwalt, ohne dass er sich selbst zum Prozessvertreter zu bestellen braucht (RG Gruchot 48 (1904), 393, 394; KG NJW 1955, 593; Toussaint MK-ZPO, 5. Aufl., § 78 Rn. 29). Zumindest kann sich die Absicht, als Rechtsanwalt auftreten zu wollen, aus den Umständen ergeben (Musielak/Voit/Weth, ZPO, 14. Aufl., § 78 Rn. 27). Im Zweifel ist anzunehmen, dass der Rechtsanwalt als solcher vor Gericht auftritt (BFH DB 1985, 28). Die Personenverschiedenheit von Rechtsanwalt und Mandant ist kein kennzeichnendes Merkmal des Anwaltsmandats (BGH NJW 2011, 232 Tz. 21 – juris -). Erlangt der Rechtsanwalt im Falle der Selbstvertretung einen Kostenerstattungsanspruch, kann er diejenigen Gebühren und Auslagen erstattet verlangen, die er erhalten würde, wenn er einen Dritten vertreten hätte, § 91 Abs. 2 Satz 3 ZPO.

2.

Dies vorausgeschickt kann es nicht zweifelhaft sein, dass Rechtsanwältin B im Hinblick auf die Wahrnehmung der Verhandlungstermine im Rahmen des Zwischenstreits am 26. Februar und 9. September 2016 Kostenerstattung als Rechtsanwältin verlangen kann.

a)

Die beiden Termine betrafen ausschließlich den Zwischenstreit, bei dem es einzig um die Klärung der Frage ging, ob Rechtsanwältin B ein Zeugnisverweigerungsrecht zusteht oder nicht. Parteien des Zwischenstreits sind der Zeuge und der Beweisführer, nicht aber dessen Prozessgegner (Zöller/Greger, ZPO, 32. Aufl., § 387 Rn. 3). Der Zeuge erhält für seine Teilnahme am Termin keine Zeugenentschädigung, dies selbst dann nicht, wenn er, etwa weil er auf sein Zeugnisverweigerungsrecht verzichtet, doch noch sogleich vernommen wird (RGZ 43, 409; Zöller/Greger, a.a.O.). Die Kosten des Zwischenstreitverfahrens trägt bei berechtigter Weigerung der Beweisführer, anderenfalls der Zeuge (Zöller/Greger, a.a.O., Rn. 5).

b)

Dass Rechtsanwältin B die beiden in Rede stehenden Termine als sich selbst vertretende Rechtsanwältin wahrgenommen hat, ergibt sich ohne weiteres aus den Umständen des hier zu entscheidenden Einzelfalles. Im Termin vom 26. Februar 2016 erklärte sie, da sie, was insoweit zutreffend ist, lediglich als Zeugin geladen worden sei, obwohl sie im Rahmen des Zwischenstreites eine Parteistellung inne habe, habe sie sich nicht entsprechend vorbereitet. Unter anderem deswegen wurde der Termin vertagt. Die Frage, inwieweit Rechtsanwältin B einer besonderen Vorbereitung bedurft hätte, kann dahinstehen. Aus dem Umstand, dass sie betont hat, im betreffenden Termin eine Parteistellung inne zu haben, ergibt sich bei einer Würdigung der vorstehend in Rechtsprechung und Literatur vertretenen Ansichten, dass sie, ohne dies explizit zu erklären, als sich selbst vertretende Rechtsanwältin erschienen war. Diese Einschätzung wird vertieft durch den Inhalt des Sitzungsprotokolls vom 9. September 2016. Diesem ist zu entnehmen, dass Rechtsanwältin B einen eigenen Antrag gestellt hat, nämlich zur Hauptsache und sogleich einen Kostenantrag. Wenn auch das Verfahren gemäß § 387 ZPO nicht dem Anwaltszwang unterliegt, so ist das Verhalten und das Prozesshandeln von Rechtsanwältin B als anwaltstypisch zu bezeichnen und lässt ohne weiteres den Schluss darauf zu, dass sie nicht nur als sich selbst vertretende Partei, sondern auch als sich selbst vertretende Rechtsanwältin erschienen und aufgetreten ist. Demgemäß steht ihr auf der vom Landgericht getroffenen Kostengrundentscheidung gegen die Klägerin ein Kostenerstattungsanspruch gemäß § 91 Abs. 2 Satz 3, Abs. 1 ZPO zu. Dasselbe gilt für das Beschwerdeverfahren, das die Klägerin gegen den Erlass des Endurteils durch das Landgericht eingeleitet hatte.

Dass sie von der Geschäftsstelle rechtsirrtümlich als Zeugin zu den zwei Verhandlungsterminen des Zwischenstreits geladen wurde, kann ihr nicht zum Nachteil gereichen, zumal ihr, wie dargelegt, ein Anspruch auf Zeugenentschädigung gar nicht zugestanden hätte. Soweit sich die Klägerin in der Beschwerdebegründung mit dem Verhandlungstermin vom 4. September 2015 befasst, ist dies nicht nachvollziehbar, weil dieser Termin noch im Rahmen des Hauptsacheverfahrens stattfand.

c)

Der Höhe nach hat die sofortige Beschwerde der Klägerin aber insoweit Erfolg, als die Rechtspflegerin die Mehrwertsteuer in Höhe von 896,77 € (750,18 € + 146,59 €) mit festgesetzt hat. Umsatzsteuer kann Rechtsanwältin B nicht verlangen.

Vertritt sich ein Rechtsanwalt selbst in eigener Sache, liegt kein steuerbarer Umsatz vor, wenn die Angelegenheit zu seinem beruflichen Bereich gehört. In einem solchen Fall liegt mangels Ausführung von Leistungen für Zwecke „außerhalb des Unternehmens“ ein der Umsatzsteuer unterliegender Eigenverbrauch nach § 3 Abs. 9 a Nr. 2 UStG nicht vor (BGH NJW-RR 2005, 363; OLG Hamburg MDR 1999, 764; OLG München MDR 2003, 177; KG RVGreport 2004, 354, 355; Zöller/Herget, § 91 Rn. 13 „Umsatzsteuer“). So liegt der Fall hier.

3.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 Abs. 1, 97 Abs. 1 ZPO; Nr. 1812 KV-GKG.

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