OLG Köln, Beschluss vom 20.06.2016 – 17 W 98/16

November 5, 2021

OLG Köln, Beschluss vom 20.06.2016 – 17 W 98/16

Die sofortige Beschwerde wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Klägerin.

Gegenstandswert für das Beschwerdeverfahren: 1.215,60 €

Gründe
I.

Nachdem sich Prozessbevollmächtigte für die Beklagte bei Gericht bestellt und Verteidigungsabsicht angezeigt hatten, einigten sich die Parteien außergerichtlich. Entsprechendes teilten die Prozessbevollmächtigten der Beklagten dem Landgericht dahingehend mit, dass sich die Klägerin verpflichtet habe, die Klage zurückzunehmen. Dies geschah mit Schriftsatz vom 1. September 2015. Auf Antrag der Beklagten erließ das Landgericht Kostenbeschluss gemäß § 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO zum Nachteil der Klägerin.

Zur Festsetzung angemeldet hat die Beklagte u. a. eine 1,2 Terminsgebühr nach Nr. 3104 VV RVG in Höhe von 1.215,60 €.

Die Beklagte ist der Ansicht, die Voraussetzungen von Nr. 3104 Abs. 1 Nr. 1, 3. Alt. VV RVG seien gegeben. Zwischen den Parteien sei in einem Verfahren, für das mündliche Verhandlung vorgeschrieben sei, ein Vergleich dahingehend geschlossen worden, dass die Klägerin die Klage zurücknehme. Dass das Gericht noch eine Kostenentscheidung habe treffen müssen, stehe dem nicht entgegen. Dabei spiele es auch keine Rolle, ob dies wegen einer Erledigungserklärung oder wegen einer Klagerücknahme erforderlich sei. Mit der genannten Gebührenvorschrift werde bezweckt, dass der Rechtsanwalt, der schriftlich einen Vergleich aushandele, nicht schlechter gestellt werden solle als derjenige, der dies mündlich tue.

Die Klägerin ist der Ansicht, eine Terminsgebühr sei nicht angefallen. Eine Besprechung im Sinne von Vorb. 3 Abs. 3 VV RVG habe nicht stattgefunden. Es seien lediglich Schriftsätze gewechselt worden, wie insoweit unstreitig ist. Die Gebührenziffer, auf die sich die Beklagte berufe, sei ebenfalls nicht einschlägig. Es fehle an einem Vergleich. Sie habe sich lediglich verpflichtet, die Klage zurückzunehmen. Eine Terminsgebühr könne höchstens bei einer Erledigungserklärung infolge eines schriftlich geschlossenen Vergleichs anfallen. Auch das sei hier nicht der Fall gewesen. Es fehle an einem gegenseitigen Nachgeben; man habe sich lediglich geeinigt. Gerade dann falle eine Terminsgebühr aber nicht an. Die Beklagte habe mit Schriftsatz eine Einigung angeboten, der sie zugestimmt habe. Ein Verhandeln, also den Austausch von Argumenten und Rechtspositionen, habe es nicht gegeben. Der Rechtsanwalt solle aber mit einer Terminsgebühr für das mühsame Aushandeln der Einigung belohnt werden, was es hier aber gerade nicht gegeben habe.

Die Rechtspflegerin hat die Kostenfestsetzung antragsgemäß vorgenommen. Sie meint, die Voraussetzungen der Nr. 3104 Abs. 1 Nr. 1, 3. Alt. VV RVG lägen vor. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu § 98 ZPO reiche eine bloße Einigung aus, d. h. ein gegenseitiges Nachgeben sei nicht erforderlich. Selbiges müsse auch hier gelten, da ansonsten ein Redaktionsversehen vorläge. Es sei kein Grund dafür ersichtlich, warum es bei einer Terminsgebühr eines gegenseitigen Nachgebens bedürfe, um den Gebührentatbestand auszulösen. Darauf, ob die Verhandlungen besonders mühselig gewesen seien, komme es nicht an.

Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrem Rechtsmittel.

Sie verweist zur Begründung nochmals darauf, dass in Nr. 3104 Abs. 1 Nr. 1, 3. Alt. VV RVG ausdrücklich der Abschluss eines „Vergleichs“ vorausgesetzt werde, mithin ein gegenseitiges Nachgeben erforderlich sei. Daran fehle es vorliegend. Eine „Einigung“ wie in Nr. 1000 VV RVG reiche für die Terminsgebühr gerade nicht aus. Deshalb sei entgegen der Ansicht der Rechtspflegerin die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu § 98 ZPO nicht einschlägig. Hintergrund der Einigungsgebühr sei zudem die Belohnung der Rechtsanwälte und die Entlastung der Gerichte. Das gelte aber nicht für die Terminsgebühr. Ein Redaktionsversehen liege nicht vor. Zu Unrecht gehe die Rechtspflegerin davon aus, dass es „Verhandlungen“ gegeben habe. Schriftlich habe die Beklagte einen Vorschlag gemacht, den sie ebenso schriftlich angenommen habe.

Die Beklagte verteidigt die Entscheidung der Rechtspflegerin als richtig. Entgegen der von der Klägerin vertretenen Ansicht liege ein Vergleich mit gegenseitigem Nachgeben vor. Die Klägerin habe dem Landgericht mit Schriftsatz vom 1. September 2015, wie unstreitig ist, zur Begründung der Klagerücknahme mitgeteilt, „sie habe nunmehr eine Bürgschaft der Hauptschuldnerin der Klägerin akzeptiert, obwohl dies so im Mietvertrag nicht vorgesehen gewesen sei, und es sei diesbezüglich ein Nachtrag geschlossen worden“.

Die Rechtspflegerin hat dem Rechtsmittel nicht abgeholfen und die Sache dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.

II.

Die gemäß § 104 Abs. 3 Satz 1, 567 ff. ZPO i. V. m. § 11 Abs. 1 RPflG statthafte und auch ansonsten unbedenklich zulässige sofortige Beschwerde hat in der Sache selbst keinen Erfolg. Rechtsfehlerfrei hat die Rechtspflegerin das Vorliegen der Voraussetzungen für das Entstehen einer Terminsgebühr bejaht.

1.

Nach dem – sehr weit gefassten – Text der Nr. 3104 Abs. 1 Nr. 1, 3. Alt. VV RVG entsteht eine Terminsgebühr (auch dann), wenn in einem Verfahren, für das mündliche Verhandlung vorgeschrieben ist, ein schriftlicher Vergleich geschlossen wird. Dass dessen Zustandekommen gemäß § 278 Abs. 6 ZPO seitens des Gerichts festgestellt wird als Voraussetzung für die Erfüllung des Gebührentatbestandes, lässt sich der Gesetzesfassung nicht entnehmen und kann auch nicht in sie hineingelesen werden (Müller-Rabe, in: Gerold/Schmidt u. a., RVG, 22. Aufl., Nr. 3104 VV RVG Rdn. 54). Vielmehr entspricht es dem anlässlich der Einführung des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes ausdrücklich geäußerten Willen des Gesetzgebers, den Rechtsanwälten einen Anreiz in gebührenrechtlicher Hinsicht zu geben, eine Gebühr durch Besprechungen oder Vereinbarungen mit dem Prozessgegner ohne Beteiligung des Gerichts zu geben, die auf die Vermeidung oder Erledigung eines Rechtsstreits gerichtet sind. Dieser Gedanke kommt insbesondere in Vorb. 3 Abs. 3 Nr. 2 VV RVG zum Ausdruck, wonach der Rechtsanwalt bereits dann eine Terminsgebühr verdient, wenn er an Besprechungen mitwirkt, die auf die Vermeidung oder Erledigung des Verfahrens gerichtet sind, allerdings erfolglos bleiben. Kommt es jedoch auf Grund lediglich schriftlich geführter Korrespondenz zu einer Einigung, so ist kein Grund ersichtlich, diesen Rechtsanwalt schlechter zu stellen, als denjenigen, der mit dem Bevollmächtigten der Gegenseite unmittelbar, das heißt, mündlich oder telefonisch in Kontakt getreten ist (Müller-Rabe, a.a.O.; Riedel/Sußbauer/Ahlmann, RVG, 10. Aufl., Nr. 3104 VV RVG Rdn. 15 a. E.; Wahlen/Onderka/N.Schneider, in: N.Schneider/Wolf, RVG, 7. Aufl., Nr. 3104 Rdn. 77; N.Schneider AGS 2004, 477; AG/KOMPAKT 2016, 2 ff., 8 Ziff. 5; s. a. BGH MDR 2007, 302 Tz. 6 – juris -).

Eine Terminsgebühr fällt jedoch dann nicht an, wenn die Parteien, ohne dass es zu einer Einigung gekommen ist, den Rechtsstreit lediglich übereinstimmend für erledigt erklären oder der Kläger die Klage zurücknimmt und das Treffen einer Kostenentscheidung dem Gericht überlassen und es auch insoweit zu keiner mündlichen Verhandlung kommt (BGH MDR 2007, 1454; OLG Rostock AGS 2008, 283; Senat, Beschluss vom 13. Februar 2007 – 17 W 9/07 -; Beschluss vom 6. April 2016 – 17 W 67/16 -). Dasselbe hat zu gelten, wenn der Kläger die Klage zurücknimmt, ohne dass sich die Parteien anderweitig geeinigt haben.

2.

Hiernach kann es nicht zweifelhaft sein, dass eine Terminsgebühr zu Gunsten der jetzigen Verfahrensbevollmächtigten der Beklagten entstanden ist. Die Parteien haben sich außergerichtlich vergleichsweise geeinigt.

a)

Mit Schriftsatz vom 1. September 2015 hat die Klägerin mitgeteilt, die verfahrensgegenständlichen Erweiterungsflächen seien zwischenzeitlich durch die Beklagte an sie, die Klägerin, übergeben worden. Im Vorfeld habe die Beklagte nunmehr doch eine von ihrer, der Klägerin, Hausbank vorgelegte Bürgschaft akzeptiert, wobei in Abweichung von den diesbezüglichen Regelung im Mietvertrag auch ein entsprechender Nachtrag geschlossen worden sei. Deshalb werde die Klage zurückgenommen.

Dem lässt sich entnehmen, dass ein gegenseitiges Nachgeben vorliegt, so dass es auf die Streitfrage, ob eine bloße Einigung ausreichend ist oder wegen der Formulierung „Vergleich“ im Text der Nr. 3104 Abs. 1 Nr. 1 VV RVG ein Nachgeben erforderlich ist, nicht ankommt (s. hierzu: Müller-Rabe, Rdn. 65; Riedel/Sußbauer/Ahlmann, Rdn. 14; Wahlen/Onderka/N. Schneider, Rdn. 76).

b)

Der Vergleich ist schriftlich zu Stande gekommen. Es reicht aus, wenn sich die Parteien ohne Mitwirkung des Gerichts einigen. Es ist auch nicht erforderlich, dass der Vergleich in einer einzigen Urkunde festgehalten wird. Wie dargestellt soll auch der Rechtsanwalt, der sich auf schriftlichem Wege erfolgreich bemüht, mit dem Prozessgegner eine endgültige Lösung zu erzielen, für sein Tätigwerden belohnt werden. Dass dafür aber der Austausch außergerichtlicher Schreiben nicht genügen sollte, sondern eine Verkörperung der Einigung in einer separaten Urkunde erforderlich wäre, würde eine durch nichts gerechtfertigte Formalie darstellen.

c)

Der Erfüllung des Gebührentatbestandes steht schließlich auch nicht entgegen, dass ein Beschluss gemäß § 269 ZPO ohne mündliche Verhandlung ergehen kann und durch seinen Erlass grundsätzlich keine Terminsgebühr ausgelöst wird (Müller-Rabe, Rdn. 28). Anders ist es nämlich dann – und so liegt der Fall hier -, wenn die Klagerücknahme Teil der von den Parteien getroffenen Einigung ist, und in Erfüllung der Vereinbarung der Kläger die Klage zurücknimmt, so dass das Gericht nunmehr – auf Antrag – nur noch eine Kostenentscheidung zu treffen hat.

3.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 97 Abs. 1 ZPO.

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