OLG Köln, Beschluss vom 21.07.2016 – 15 W 42/16

November 4, 2021

OLG Köln, Beschluss vom 21.07.2016 – 15 W 42/16

Tenor
Die sofortige Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Landgerichts Aachen 24.05.2016, vorgelegt mit Nichtabhilfebeschluss vom 12.07.2016 (8 O 168/16), wird zurückgewiesen.

Gründe
Die in formeller Hinsicht unbedenkliche Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg.

1.

Das Landgericht hat dem Antragsteller die begehrte Prozesskostenhilfe zu Recht versagt, weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung keine Aussicht auf Erfolg hat, § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO.

a) Dabei kann dahin stehen, ob nicht bereits der für den begehrten Erlass einer einstweiligen Verfügung erforderliche Verfügungsgrund fehlt, weil der Antragsteller die Frist für die Einlegung der Beschwerde gegen den die begehrte Prozesskostenhilfe zurückweisenden Beschluss bis zum letzten Tag ausgeschöpft hat, was zu seiner sog. Selbstwiderlegung der Dringlichkeit führen kann.

b) Jedenfalls hat das Landgericht einen Verfügungsanspruch aus § 1004 Abs. 1 Satz 2 analog, § 823 Abs. 1 BGB in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG, Art. 8 Abs. 1 EMRK sowie § 1004 Abs. 1 Satz 2, § 823 Abs. 1, Abs. 2 BGB in Verbindung mit §§ 22, 23 KUG, Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG, Art. 8 Abs. 1 EMRK zu Recht verneint.

aa) Nach Auffassung des Senats fehlt es bereits an der erforderlichen Erstbegehungsgefahr, weil weder dargetan noch gar glaubhaft gemacht ist, in welcher Weise der Antragsteller in dem beabsichtigten zweiteiligen Spielfilm der Antragsgegnerin dargestellt werden wird, insbesondere ob und in welcher Weise er benannt oder identifiziert, wie seine Beteiligung an der von ihm begangenen Straftat beschrieben und wie er bildlich dargestellt werden wird. Es ist nicht einmal glaubhaft gemacht, dass bereits ein Drehbuch existiert, worauf im Übrigen nicht deswegen zwingend zu schließen ist, weil bereits Komparsen gesucht werden. Selbst wenn aber ein Drehbuch bereits verfasst sein sollte, wäre die erforderliche Erstbegehungsgefahr nicht allein deswegen gegeben (vgl. Hans. OLG Hamburg, Urt. v. 10.04.2007 – 7 U 143/06 -, ZUM 2007, 483 m. zust. Anmerkung Fricke).

bb) Einen darüber hinaus gehenden, von einer bereits inhaltlich ausgestalteten Veröffentlichung unabhängigen (generellen) Anspruch darauf, dass die Antragsgegnerin keinen Spielfilm über seine Tat und deren Umstände veröffentlicht, hat der Antragsteller nicht.

(1) Zu Recht hat das Landgericht zwischen dem Persönlichkeitsrecht des Antragstellers aus Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG – insbesondere unter Berücksichtigung der maßgebenden Lebach-Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum Resozialisierungsinteresse des Antragstellers (vgl. BVerfGE 35, 202; BVerfG, Beschl. d. 1. Kammer des Ersten Senats v. 10.06.2009 – 1 BvR 1107/09 -, AfP 2009, 365; vgl. auch BGH, Urt. vom 26.05.2009 – VI ZR 191/08 -, NJW 2009, 3576; BGHZ 183, 353; BGH, Urt. v. 13.11. 2012 – VI ZR 330/11 -, MDR 2013, 151) – sowie der Meinungs- und Kunstfreiheit der Antragsgegnerin aus Art. 5 Abs. 1, Abs. 3 GG abgewogen.

(a) Zwar gewinnt mit zeitlicher Distanz zum Strafverfahren und nach Befriedigung des aktuellen Informationsinteresses der Öffentlichkeit das Interesse des Betroffenen, von einer Reaktualisierung seiner Verfehlung verschont zu bleiben, zunehmend an Bedeutung. Das Persönlichkeitsrecht bietet Schutz vor einer zeitlich uneingeschränkten Befassung der Medien mit der Person des Straftäters und seiner Privatsphäre. Hat die das öffentliche Interesse veranlassende Tat mit der Verfolgung und Verurteilung die gebotene rechtliche Sanktion erfahren und ist die Öffentlichkeit hierüber hinreichend informiert worden, lassen sich wiederholte Eingriffe in das Persönlichkeitsrecht des Täters im Hinblick auf sein Interesse an der Wiedereingliederung in die Gemeinschaft nicht ohne weiteres rechtfertigen (vgl. BGHZ 183, 353).

Eine vollständige Immunisierung vor der ungewollten Darstellung persönlichkeitsrelevanter Geschehnisse ist damit jedoch nicht gemeint. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht vermittelt dem Betroffenen keinen uneingeschränkten Anspruch darauf, in der Öffentlichkeit überhaupt nicht mehr mit seiner Verfehlung konfrontiert zu werden. Wer den Rechtsfrieden bricht, durch seine Tat und ihre Folgen Mitmenschen oder Rechtsgüter der Gemeinschaft angreift oder verletzt, muss sich nicht nur den hierfür in der Rechtsordnung verhängten strafrechtlichen Sanktionen beugen. Er muss grundsätzlich auch dulden, dass das von ihm selbst durch seine Tat erregte Informationsinteresse der Öffentlichkeit in einer nach dem Prinzip freier Kommunikation lebenden Gemeinschaft auf den dafür üblichen Wegen befriedigt wird (vgl. BGH, Urt. vom 26.05.2009 – VI ZR 191/08 -, NJW 2009, 3576).

Nicht einmal die Verbüßung der Straftat führt dazu, dass ein Täter den uneingeschränkten Anspruch erwirbt, mit der Tat „allein gelassen zu werden“. Maßgeblich ist vielmehr stets, in welchem Ausmaß das Persönlichkeitsrecht einschließlich des Resozialisierungsinteresses des Straftäters von der Berichterstattung unter den konkreten Umständen des Einzelfalls beeinträchtigt wird. Für die Intensität der Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts kommt es auch auf die Art und Weise der Darstellung, insbesondere auf den Grad der Verbreitung des Mediums an (vgl. BGH, Urt. v. 13.11. 2012 – VI ZR 330/11 -, MDR 2013, 151).

(b) Der Antragsteller hat – wie das Landgericht zutreffend ausführt – nicht nur eine schwere, sondern eine spektakuläre, in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland aufgrund deren Umstände einzigartige Straftat begangen. Seine Tat ist untrennbar mit seiner Person und seinem Namen verbunden sowie – nicht nur wegen der Straftat selbst, sondern insbesondere der Einbeziehung der Medien – der Öffentlichkeit in Erinnerung geblieben. Seine Straftat und deren Umstände sind – unter namentlicher Benennung des Antragstellers – in öffentlich zugänglichen Archiven dokumentiert (z.B. Wikipedia, Anlage AG5) und haben auch noch erhebliche Zeit nach deren Begehung Anlass zu Berichterstattungen gegeben (so z.B. durch Spiegel TV im Jahre 2008, Anlage AG3).

Ferner haben der Antragsteller sowie sein Strafverteidiger – und jetziger Verfahrensbevollmächtigter – den Antragsteller und die von ihm begangene Straftat selbst in der Öffentlichkeit dadurch in Erinnerung gerufen, dass sie öffentlich zum (weiteren) Vollzug der verhängten lebenslangen Freiheitsstrafe sowie der anschließenden Sicherungsverwahrung Stellung genommen haben (Anlagen AG1, 2 und 4).

Schließlich ist das Landgericht zu Recht davon ausgegangen, dass zwar die Strafe verbüßt ist, aber weder glaubhaft gemacht noch anderweit ersichtlich ist, dass eine Entlassung des Antragstellers unmittelbar bevorsteht,

(2) In Ansehung dessen folgt der Senat dem Landgericht, welches nach Abwägung der verfassungsrechtlich geschützten Belange der Parteien zu Recht zu dem Ergebnis gelangt ist, dass der Antragsteller keinen Anspruch auf Unterlassung eines Spielfilms hat, in dem sein Vor- und Nachname genannt und seine Tatbegehung durch einen Schauspieler dargestellt wird. Vor allem aber hat der Antragsteller aus den genannten Gründen keinen Anspruch darauf, dass die Antragsgegnerin überhaupt keinen Spielfilm über seine Tat und deren Umstände veröffentlicht, auch wenn seine Tat mittlerweile 28 Jahre zurückliegt und er sich seitdem überwiegend rechtstreu verhalten hat.

2.

Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst, § 127 Abs. 4 ZPO.

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