OLG Köln, Beschluss vom 25.06.2018 – 5 U 201/17

Oktober 20, 2021

OLG Köln, Beschluss vom 25.06.2018 – 5 U 201/17

Tenor
Der Senat weist die Parteien darauf hin, dass er beabsichtigt, die Berufung des Klägers gegen das am 28.11.2017 verkündete Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Köln – 3 O 10/17 – gemäß § 522 Abs. 2 ZPO als unbegründet zurückzuweisen.

Der Kläger erhält Gelegenheit zur Stellungnahme zu dem Hinweis innerhalb von drei Wochen ab Zustellung dieses Beschlusses (§ 522 Abs. 2 Satz 3 ZPO).

Gründe
I.

Die Berufung hat offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg, weil das angefochtene Urteil weder auf einer Rechtsverletzung beruht noch nach § 529 ZPO zugrunde zu legende Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen (§§ 522 Abs. 2 Nr. 1, 513 Abs. 1 ZPO).

Das Landgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die Klage ist hinsichtlich des Klageantrages zu 1. bereits unzulässig und hinsichtlich des Klageantrages zu 2. unbegründet. Der Umstand, dass das Landgericht die Klage insgesamt für unbegründet gehalten hat, hindert den Senat nicht an einer Zurückweisung der Berufung gemäß § 522 Abs. 2 ZPO (Zöller-Heßler, 32. Auflage 2018, § 522 ZPO, Rn. 36).

1.

Die Klage ist nach dem Klageantrag zu 1. unzulässig, denn ihr fehlt das Rechtsschutzbedürfnis.

a) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs fehlt einer Klage auf Unterlassung oder auf Beseitigung von Äußerungen, die der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung in einem gerichtlichen oder behördlichen Verfahren dienen, das Rechtsschutzbedürfnis. Dem liegt die Erwägung zugrunde, dass auf den Ablauf eines rechtsstaatlich geregelten Verfahrens nicht dadurch Einfluss genommen werden und seinem Ergebnis nicht dadurch vorgegriffen werden soll, dass ein an diesem Verfahren Beteiligter durch Unterlassungs- oder Beseitigungsansprüche in seiner Äußerungsfreiheit eingeengt wird. Ob das Vorbringen wahr und erheblich ist, soll allein in dem seiner Ordnung unterliegenden Ausgangsverfahren geklärt werden (BGH, Urteil vom 22.01.1998, I ZR 177/95, GRUR 1998, 587, 589, Rn. 43 – Bilanzanalyse Pro 7; Urteil vom 10.12.2009, I ZR 46/07, BGHZ 183, 309, Rn. 14 – Fischdosendeckel; Urteil vom 19.07.2012, I ZR 105/11, GRUR 2013, 305 ff, Rn. 14 – Honorarkürzung, juris).

Dies gilt grundsätzlich auch bei Äußerungen in einem rechtsstaatlich geregelten Verfahren, durch die Rechte von am Verfahren beteiligten Dritten betroffen werden, wenn die Äußerungen in einem engen Bezug zum Verfahren stehen. Kann sich der Dritte in dem betreffenden Verfahren nicht gegen die Äußerungen wehren, ist bei der Abwägung der widerstreitenden Interessen allerdings besonders sorgfältig zu prüfen, ob der Dritte die Äußerung hinnehmen muss (BGH, Urteil vom 10.12.2009, I ZR 46/07, BGHZ 183, 309, Rn. 15; Urteil vom 19.07.2012, I ZR 105/11, GRUR 2013, 305 ff, Rn. 15).

Hintergrund dieser Erwägungen ist, dass die ungehinderte Durchführung staatlich geregelter Verfahren im Interesse der daran Beteiligten, aber auch im öffentlichen Interesse nicht mehr als unbedingt notwendig behindert werden darf. Die Verfahrensbeteiligten müssen, soweit nicht zwingende rechtliche Grenzen entgegenstehen, vortragen können, was sie zur Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung für erforderlich halten. Dabei müssen, wenn dies der Verfahrensgegenstand rechtfertigt, auch Tatsachenbehauptungen und -bewertungen mit Bezug auf am Verfahren nicht beteiligte Dritte zum Inhalt des Vorbringens gemacht werden können. Es ist dann allein Aufgabe des mit der Entscheidung in dem betreffenden Verfahren befassten Organs, die Erheblichkeit und Richtigkeit des jeweiligen Vorbringens für seine Entscheidung zu beurteilen. Es geht nicht an, dass die Verfahrensführung mehr als unabdingbar notwendig von außen beeinflusst wird, indem Dritte durch gerichtliche, an einen Verfahrensbeteiligten gerichtete Unterlassungsgebote außerhalb des Ausgangsverfahrens vorgeben, was in diesem vorgetragen und damit zum Gegenstand der betreffenden Verfahren gemacht werden darf (BGH, Urteil vom 10.12.2009, I ZR 46/07, BGHZ 183, 309, Rn. 16; Urteil vom 19.07.2012, I ZR 105/11, GRUR 2013, 305 ff, Rn. 16).

Eine gesonderte Klage auf Unterlassung ist ausnahmsweise dann zulässig, wenn ein Bezug der den Dritten betreffenden Äußerungen zum Ausgangsverfahren nicht erkennbar sind, diese auf der Hand liegend falsch sind oder sich als unzulässige Schmähung darstellen, bei der nicht die Auseinandersetzung in der Sache, sondern die Diffamierung des Dritten im Vordergrund steht (BGH, Urteil vom 10.12.2009, I ZR 46/07, BGHZ 183, 309, Rn. 17; Urteil vom 19.07.2012, I ZR 105/11, GRUR 2013, 305 ff, Rn. 16).

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes fehlt das Rechtsschutzbedürfnis für eine Unterlassungsklage gemäß der oben beschriebenen Grundsätze nicht nur in den Fällen, in denen Äußerungen in einem gerichtlichen Verfahren untersagt werden sollen. Privilegiert sind grundsätzlich auch Äußerungen, die der Rechtsverfolgung oder -verteidigung in einem behördlichen Verfahren dienen oder die im Vorfeld einer gerichtlichen Auseinandersetzung erfolgen (BGH, Urteil vom 14.06.1977, VI ZR 111/75, Rn. 16; Urteil vom 16.11.2004, VI ZR 298/03, Rn. 18; Urteil vom 19.07.2012, I ZR 105/11, GRUR 2013, 305 ff, Rn. 20).

b) Ausgehend von diesen höchstrichterlich aufgestellten Grundsätzen ist ein Rechtsschutzbedürfnis für den Klageantrag zu 1. nicht gegeben.

Hintergrund der durch den Kläger beanstandeten Äußerung ist eine Auseinandersetzung der Beklagten mit der Patientin G über die Erstattung der Kosten, die durch ein vom Kläger in Region 36 inseriertes Implantat entstanden war. Die Beklagte hatte schon vor der Behandlung eine Kostenübernahme für das Implantat in Region 36 (die Kostenübernahme für Implantate 35, 37 und 46 wurde zugesagt) mit der Begründung abgelehnt, dass die Region laut Behandlungsplan durch ein Brückenglied versorgt werde. Nach Durchführung der Behandlung und Insertion aller vier geplanter Implantaten in den Regionen 35-37 und 46 legte die Patientin die Kostenrechnung des Klägers der Beklagten zur Erstattung vor. Die Beklagte lehnte eine Erstattung für das Implantat in Region 36 erneut ab. Nachdem die Patientin der Beklagten ein Schreiben des Klägers vorgelegt hatte, mit dem dieser die Notwendigkeit eines Implantates aus seiner Sicht begründete, forderte die Beklagte bei der Patientin weitere Unterlagen an, ließ diese durch die sie beratenden Zahnärzte Dres. F überprüfen und teilte der Patientin anschließend mit Schreiben vom 07.09.2016 das Ergebnis der Überprüfung mit. Sie erklärte, dass sich in der Region 36/37 auf allen vorgelegten Einzelröntgenaufnahmen ein nicht entfernter Wurzelrest befinde und damit ein erhöhtes Risiko hinsichtlich eines dauerhaften Erfolges der implantologischen und prothetischen Maßnahme bestünde. Zudem hätte der Unterkiefer in den Regionen 35 bis 37 fachgerecht und ohne Nachteile mit zwei Implantaten und einer implantatgetragenen Brückenkonstruktion saniert werden können.

Mit dem Verweis auf einen nicht entfernten Wurzelrest in der Region 36/37 und dem damit verbundenen erhöhten Risiko eines Misserfolges der implantologischen und prothetischen Maßnahmen verteidigte sich die Beklagte gegen das Erstattungsbegehren der Patientin G. Sie war als privater Krankenversicherer zur Prüfung verpflichtet, ob die Behandlung medizinisch notwendig war, denn die medizinische Notwendigkeit der Behandlung ist Voraussetzung für die Annahme eines Versicherungsfall, §§ 1 Abs. 2 MB/KK, § 192 Abs. 1 VGG. Indem die Beklagte auf die mangelnde Eignung der Implantatinsertion für einen dauerhaften Behandlungserfolg hinwies, verneinte sie die Annahme eines Versicherungsfalles und ihre Einstandspflicht. Die Äußerung diente damit der Rechtsverteidigung der Beklagten im Vorfeld einer gerichtlichen Auseinandersetzung. Die Äußerung ist damit privilegiert und kann mit der Unterlassungsklage nicht angegriffen werden.

Der Kläger ist nicht völlig rechtlos gestellt: Er hat die Möglichkeit, die Argumentation der Beklagten überprüfen zu lassen, indem er die Patientin auf Erstattung der Behandlungskosten in Anspruch nimmt, welche der Beklagten den Streit verkünden kann, oder die Patientin kann die Beklagte auf Erstattung der Behandlungskosten verklagen (vgl. BGH, Urteil vom 19.07.2012, I ZR 105/11, Rn. 22; OLG Düsseldorf, Urteil vom 28.05.2014, 15 U 45/14, Rn. 43). Im Übrigen ist bei der Abwägung hinsichtlich der Frage, ob der Kläger die Beklagte auf Unterlassung in Anspruch nehmen kann oder die Äußerung hinnehmen muss, auch zu berücksichtigen, dass die beanstandete Äußerung ausschließlich gegenüber der Patientin G und nicht gegenüber einem größeren Kreis von Personen erfolgt und damit die vom Kläger befürchtete Beschädigung seines Rufes nicht ernstlich zu besorgen ist.

Nicht gefolgt werden kann der Argumentation der Berufung, die Entscheidung des Bundesgerichtshofes vom 19.07.2012 (Az. I ZR 105/11, GRUR 2013, 305 ff – Honorarkürzung) sei auf den vorliegenden Fall nicht übertragbar, weil der Bundesgerichtshof den unmittelbaren Zusammenhang zwischen der vorprozessualen Äußerung und der Rechtsverteidigung im Prozess mit der Vorschrift des § 100 VVG begründet habe und es eine vergleichbare Vorschrift im Bereich der privaten Krankenversicherung nicht gebe. Der BGH hat in der zitierten Entscheidung ausgeführt, die beanstandete Äußerung des Haftpflichtversicherers, mit der dieser eine Kürzung von Sachverständigenkosten unter Verweis auf pauschale Vergütungssätze bei der Abwicklung von Unfallschäden begründet hatte, stehe „in unmittelbarem Zusammenhang mit der Rechtsverteidigung im Prozess“, was sich „insbesondere aus § 100 VVG“ ergebe. Nach § 100 VVG ist der Haftpflichtversicherer verpflichtet, den Versicherungsnehmer von Ansprüchen freizustellen, die von einem Dritten auf Grund der Verantwortlichkeit des Versicherungsnehmers für eine während der Versicherungszeit eintretende Tatsache geltend gemacht werden, und unbegründete Ansprüche Dritter abzuwehren.

Die Fallkonstellationen sind nach Auffassung des Senates durchaus miteinander vergleichbar: Wie der Haftpflichtversicherer verpflichtet ist, unbegründete Ansprüche abzuwehren, ist auch der Krankenversicherer im Interesse der Gesamtheit seiner Versicherungsnehmer gehalten, sich gegen unbegründete Ansprüche zu verteidigen. Dabei hat er zu überprüfen, ob die Behandlung, deren Kosten der Versicherungsnehmer erstattet verlangt, medizinisch notwendig war. Die Äußerung der Beklagten im Schreiben vom 07.09.2016, die Implantatversorgung in Region 36 sei nicht geeignet gewesen, einen dauerhaften Behandlungserfolg zu erzielen, steht in einem unmittelbaren Zusammenhang mit ihrer Rechtsverteidigung. Es ist daher kein Grund ersichtlich, warum die durch den Bundesgerichtshof aufgestellten Grundsätze in dem Fall, in dem ein Krankenversicherer in einem an seinen Versicherungsnehmer gerichteten Schreiben Ausführungen zu dem Ergebnis einer medizinischen Behandlung und der Erstattungsfähigkeit der dadurch entstandenen Kosten macht, keine Anwendung finden sollten (vgl. insoweit auch OLG Düsseldorf, Urteil vom 28.05.2014, 15 U 45/14, Rn. 38 ff, juris).

c) Entgegen der Annahme des Klägers liegt kein Fall vor, der eine Ausnahme von dem Grundsatz der Privilegierung rechtfertigen würde. Die Unrichtigkeit der Äußerung hat für die Beklagte keinesfalls auf der Hand gelegen. Die Beklagte hat sich sachverständig durch die Zahnärzte Dres. F beraten lassen. Diese sind nach Auswertung der ihnen überlassenen Behandlungsunterlagen, insbesondere nach Befundung postoperativer Röntgenaufnahmen zu dem Ergebnis gelangt, dass sich auf allen Einzelröntgenaufnahmen ein verbliebener bzw. nicht entfernter Wurzelrest befindet. Selbst wenn sich diese Annahme im Ergebnis als unrichtig erweisen sollte, war die Behauptung der Beklagten jedenfalls nicht auf der Hand liegend falsch. Dies gilt selbst dann, wenn man annähme, die Beklagte hätte gewusst oder wissen müssen, dass eine Socket preservation stattgefunden hatte. Es musste sich der Beklagte nicht aufdrängen, dass die sie beratenden Zahnärzte einem Irrtum unterlagen, weil sie das eingebrachte Knochenersatzmaterial fälschlicherweise für einen Wurzelrest hielten. Und auch den Zahnärzten Dres. F – auch wenn es hierauf mangels einer Verschuldenszurechnung nicht ankommt – musste es sich nicht aufdrängen, dass der von ihnen auf den Einzelröntgenaufnahmen festgestellte Befund keinesfalls ein Wurzelrest, sondern Knochenersatzmaterial sein musste. Denn nach unwidersprochen gebliebenem Vortrag der Beklagten stellen sich Wurzelrest und eingebrachtes Knochenersatzmaterial nach Extraktion röntgenologisch in ähnlicher Weise dar. Danach kann den Zahnärzten Dres. F- den Klägervortrag, auf den Röntgenaufnahmen habe sich kein Wurzelrest sondern Knochenersatzmaterial gezeigt, als wahr unterstellt – allenfalls eine fahrlässig falsche, nicht aber eine bewusste, weil auf der Hand liegende unrichtige Tatsachenbehauptung unterstellt werden.

Es liegt auch kein Fall der unzulässigen Schmähung des Klägers vor. Die Äußerung der Beklagten hatte einen sachlichen Bezug und ist offensichtlich nicht in der Absicht erfolgt, den Kläger zu diffamieren.

2.

Da der Kläger die Beklagte nicht auf Unterlassung in Anspruch nehmen kann, kann er auch nicht die durch die Inanspruchnahme der Beklagten angefallenen vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten erstattet verlangen.

II.

Bei dieser Sachlage gibt die Berufung zu einer Abänderung des angefochtenen Urteils insgesamt keine Veranlassung. Die Rechtssache hat keine rechtsgrundsätzliche Bedeutung (§ 522 Abs. 2 Nr. 2 ZPO). Weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordern eine Entscheidung des Senats aufgrund mündlicher Verhandlung (§ 522 Abs. 2 Nr. 3 ZPO); eine mündliche Verhandlung erscheint unter Berücksichtigung aller weiteren Aspekte des Rechtsstreites auch aus sonstigen Gründen nicht geboten (§ 522 Abs. 2 Nr. 4 ZPO).

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