OLG Köln, Beschluss vom 26.02.2018 – 16 W 6/18

Oktober 23, 2021

OLG Köln, Beschluss vom 26.02.2018 – 16 W 6/18

Tenor
Auf die sofortige Beschwerde des Streithelfers vom 23.1.2018 wird der Beschluss der 23. Zivilkammer des Landgerichts Köln vom 10.1.2018 – 23 O 223/14 – abgeändert und das Landgericht angewiesen, das Verfahren fortzusetzen.

Gründe
I.

Mit der Klage hat die Klägerin den Beklagten auf Zahlung von 99.492,02 € nebst Zinsen in Anspruch genommen. Die Klägerin ist am 30.12.2014 verstorben. Auf Antrag des Prozessbevollmächtigten der Klägerin hat das Landgericht das Verfahren durch Beschluss vom 6.2.2015 nach § 246 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 ZPO ausgesetzt. Der Streithelfer hat durch Überleitungsanzeige gem. 93 SGB XII vom 2.2.2015 wegen ungedeckter Heimkosten den streitgegenständlichen Anspruch in Höhe von 22.087,75 € auf sich übergeleitet und mit Schriftsatz vom 6.5.2015 erklärt, dass er das Verfahren in Höhe des übergeleiteten Anspruches nebst Zinsen aufnehme und in den Rechtsstreit eintrete. Eine mit Schritsatz vom 5.7.2016 erhobene Hauptinterventionsklage, die er gegen den Beklagten und zuletzt gegen Herrn U N L als vom Nachlassgericht mitgeteilten Erben der Klägerin gerichtet hatte, hat der Streithelfer in der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht am 18.12.2017 zurückgenommen. Ferner ist er dem Rechtststreit mit Schriftsatz vom 26.1.2017 auf Seiten der Klägerin bzw. deren Erben als Nebenintervenient beigetreten. Der Beklagte hat einem Parteiwechsel und der Übernahme des Rechstreits durch den Streihelfer widersprochen. Er bestreitet auch, dass Herr U N L Erbe geworden ist. Das Landgericht hat dem Antrag des Streithelfers, das Verfahren wieder aufzunehmen und Termin zu bestimmen, zurückgewiesen. Hiergegen wendet sich der Streithelfer mit der sofortigen Beschwerde.

II.

Die nach § 252 ZPO statthafte sofortige Beschwerde ist zulässig und begründet.

1.

Die Überleitung eines Anspruchs nach § 93 SGB XII ist eine Fall der Rechtsnachfolge im Sinne des § 265 ZPO (vgl. BGH NJW 2012, 3624 zu § 94 SGB XII). Zutreffend nimmt das Landgericht an, dass der Streithelfer nicht im Wege des Parteiwechsels in den Rechtstreit eingetreten sei, weil dafür sowohl die Zustimmung der Erben der verstorbenen Klägerin als auch die – wegen § 265 Abs. 2 S. 2 ZPO durch Sachdienlichkeit nicht zu ersetzende – Zustimmmung des Beklagten erforderlich wären (BGH NJW 2012, 3624). Ob die fehlende Zustimmung der Erben im Hinblick darauf unbeachtlichwäre, dass die Erben gegenüber dem Streithelfer materiellrechtlich zur Zustimmung verpflichtet sein könnten (dazu Becker-Eberhard in: Münchener Kommentar ZPO, 4. Aufl, § 265 Rdn. 95; Musielak/Voit/Foerste, ZPO, 14. Aufl., § 265 Rdn. 13; Wieczorek/Schütze/Assmann, ZPO, 4. Aufl., § 265 Rdn. 103), kann dahinstehen, da jedenfalls der Beklagte seine Zustimmung ausdrücklich verweigert hat.

2.

Der Streithelfer kann das Verfahren aber nach §§ 67, 239 Abs. 1 ZPO wieder aufnehmen.

a) Das Landgericht lehnt eine Aufnahme des Verfahrens nach § 239 ZPO ab. Zur Begründung führt es aus: Der Streithelfer habe nach § 265 Abs. 2 S. 3 ZPO nur die Stellung eines nicht selbständigen Streitgenossen (§ 69 i.V.m. § 61 ZPO). Als solcher könne er nicht die Forführung des Prozesses veranlassen, sondern nur mit solchen Prozesshandlungen beitreten, die mit denen der Hauptpartei harmonierten. Im Fall einer verzögerten Aufnahme stehe nach dem eindeutigen Wortlaut des § 239 Abs. 2 ZPO nur dem Gegner, nicht aber dem Gläubiger die Möglichkeit zu, die Rechtsnachfolger zur Verhandlung zur Hauptsache laden zu lassen. Dementsprechend könne sie auch einem Nebeninterevenienten der verstorbenen Kägerin nicht zustehen.

b) Dem ist nicht zu folgen:

aa) Es trifft zwar zu, dass der Beschwerdeführer nach § 265 Abs. Abs. 2 S. 3 ZPO nur die Stellung eines unselbständigen Streithelfers hat. Als solcher kann er jedoch nach § 67 ZPO alle Prozesshandlungen vornehmen, die die Partei selbst vornehmen könnte, soweit sie nicht im Widerspruch zu den Erklärungen und Handlungen der Partei stehen (Jacoby in: Stein/Jonas; ZPO, 23. Aufl., § 67 Rdn. 3; Schultes in: Münchener Kommentar ZPO § 67 Rdn. 6; Musielak/Voit/Weth § 67 Rdn. 6; Zöller/Althammer, ZPO, 32. Aufl., § 67 Rdn. 3). Die Erben der Klägerin können nach der – vom Landgericht nicht in den Blick genommenen – Vorschrift des § 239 Abs. 1 ZPO das Verfahren jederzeit aufnehmen. Diese Befugnis zur Ausübung dieser Prozesshandlung steht nach § 67 ZPO auch dem Streithelfer zu, wenn die Aufnahme nicht im Widerspruch zu den Erben der Klägerin steht.

Allerdings wird im Schrifftum teilweise ausgeführt, der Streithelfer könne bei Unterbrechung oder Aussetzung des Vorprozesses wegen eines in der Person der Hauptpartei liegenden Grundes das Verfahren nicht aufnehmen; anderenfalls besäße die Hauptpartei, die infolge der Unterbrechung oder Aussetzung nicht handlungsfähig sei, keine Widerspruchsmöglickeit (Wieczorek/Schütze/Mansel § 67 Rdn. 80 f.; Zöller/Althammer § 67 Rdn. 8, 10 a.E.). Dabei bezieht man sich auf die Rechtsprechung zur Unterbrechung des Verfahrens wegen der Insolvenz der Hauptpartei nach § 240 ZPO. In diesem Fall hat jedoch auch die Partei selbst kein Recht zur Aufnahme des Rechtstreits, weil dieses nach § 85 InsO ausschließlich dem Insolvenzverwalter zusteht, so dass einer Nebenintervention die verfahrensrechtliche Grundlage fehlt (BGH ZInsO 2009, 432 = BeckRS 2009, 05601; NJW-RR 2010, 1351; ZInsO 2014, 1232 = ZIP 2014, 1304 = MDR 2014, 794). Das liegt hier anders, da die Erben als Rechtsnachfolger der verstorbenen Klägerin in ihrer Prozessführungsbefugnis nicht beeinträchtigt sind.

bb) Die Aufnahme des Verfahrens steht auch nicht im Widerspruch zu den Handlungen und Erklärungen der oder des Erben als Hauptpartei. Dabei ist es vorliegend unerheblich, ob der Widerspruch im Anwaltsprozess nur von einem postulationsfähigen Prozessvertreter der Hauptpartei vorgebracht werden kann (so Wieczorek/Schütze/Mansel § 67 Rdn. 16 m.w.N.). Ein Widerspruch der Erben selbst – sei es von Herrn U-NU oder von den unbekannten Erben – ist nicht erklärt worden. Auch ein Widerspruch der sie vertretenen Prozessbevollmächtigten liegt nicht vor.

Die Erben werden von den bisherigen Prozessbevollmächtigten der verstorbenen Klägerin vertreten. Deren Prozessvollmacht besteht nach § 86 ZPO fort. Das gilt unabhängig davon, ob die verstorbene Klägerin von unbekannten Erben oder aber – was der Beklagte bestreitet – von Herrn U N L beerbt worden ist. Zwar hat sich für diesen Rechtsanwalt N2 bestellt (Schriftsatz vom 8.12.2016 Bl. 263 d.A., der sein Mandat am 21.1.2016 niedergelegt hat, Bl. 265 d.A.). Dessen Bestellung erfolgte jedoch allein zur Verteidigung gegen die – rechtlich selbständige – Hauptinterventionsklage und nicht in dem – nach Rücknahme der Hauptinterventionsklage – allein streitgenständlichen Erstverfahren (vgl. Wieczorek/Schütze/Mansel, § 64 Rdn. 55). Die Vollmacht der bisherigen Prozessbevollmächtigten bleibt von diesem Vorgang unberührt, so dass ihre Vollmacht auch für den Fall des Erbeneintritts von Herrn U N L weiterhin besteht. Der Fortbestand der Vollmacht (§ 86 Hs. 2 ZPO) ist im Anwaltsprozess nach § 88 Abs. 1 ZPO zudem nur auf Verlangen des Gegners nachzuweisen (Zöller/Althammer § 86 Rdn. 13).

Die klägerischen Prozessbevollmächtigten sind dem Aufnahmeantrag des Streithelfers bislang nicht entgegengetreten. Ein Widerpruch kann direkt erklärt werden oder sich indirekt aus dem prozessualen Gesamtverhalten der Hauptpartei ergeben (Wieczorek/Schütze/Mansel, § 67 Rdn. 16 ff.). Untätigkeit der Hauptpartei stellt kein Hindernis für eigene Prozesshandlungen des Nebenintervenienten dar; deshalb darf der Nebenintervenient Prozesshandlungen so lange vornehmen, wie sich ein – ausdrücklich erklärter oder aus dem Gesamtverhalten im Prozess zu entnehmender – entgegenstehender Wille der Hauptpartei nicht feststellen lässt (BGHZ 165, 358, 361 = NJW 2006, 773; Musielak/Voit/Weth, § 67 Rdnr. 9; Zöller/Althammer § 67 Rdn. 9). Selbst die Niederlegung des Mandats des Prozessbevollmächtigten der Hauptpartei mit der Begründung, sie habe die Prozessführung aufgegeben, genügt nicht, um eine Weiterbetreiben durch den Nebeninterveniententen als unzulässig anzusehen (Wieczorek/Schütze/Mansel § 67 Rdn. 15). Steht ein möglicher Widerspruch nicht mit der nötigen Eindeutigkeit fest, ist die Prozesshandlung des Nebenintervenienten im Zweifel als wirksam anzusehen (BGH WM 2016, 1955 Rn. 27; Wieczorek/Schütze/Mansel § 67 Rdn. 16; Stein/Jonas/Jacoby § 67 Rdn. 14). Nach diesen Maßstäben liegt ein Widerspruch des Prozessbevollmächtigten derzeit nicht vor. Ein Widerspruch ist insbesondere nicht in dem Antrag auf Aussetzung des Verfahrens nach § 246 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 ZPO zu sehen, zumal dieser vor dem Eintritt des Streithelfers gestellt worden ist. Ein eindeutiger Wille, dem Streithelfer die Möglichkeit der prozessualen Geltendmachung der – in Höhe geltend gemachter Heimkosten übergeleiteten – Klageforderung zu verweigern, lässt sich dem nicht entnehmen.

III.

Eine Kostententscheidung ist nicht veranlasst, da die Kosten der sofortigen Beschwerde Teil der Prozesskosten sind, über die im Hauptsacheverfahren zu entscheiden ist (Zölller/Greger § 252 Rdn. 3 m.w.N.).

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