OLG Köln, Beschluss vom 27.03.2017 – 12 U 39/16

Oktober 29, 2021

OLG Köln, Beschluss vom 27.03.2017 – 12 U 39/16

Tenor
1.

Die Berufung der Kläger gegen das am 01.07.2016 verkündete Urteil der 17. Zivilkammer des Landgerichts Bonn, 17 O 228/15, wird zurückgewiesen.

2.

Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen die Kläger je zur Hälfte.

3.

Das angefochtene Urteil und dieser Beschluss sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Kläger dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrages abwenden, sofern nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

4.

Der Streitwert für die Berufungsinstanz wird auf 40.957,77 € festgesetzt.

Gründe
I.

Die Parteien streiten über Ansprüche aufgrund eines von den Klägern erklärten Widerrufs ihrer auf den Abschluss eines Darlehnsvertrages gerichteten Willenserklärung vom 31.01.2006. Unter dem 30.01.2012 vereinbarten die Parteien die Aufhebung des zwischen ihnen bestehenden Vertragsverhältnisses. Die nach der Aufhebungsvereinbarung seitens der Kläger noch zu zahlenden Beträge beglichen diese am 31.01.2012. Unter dem 26.06.2014 erklärten sie den Widerruf.

Wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Sachvortrages sowie wegen der erstinstanzlichen Anträge wird auf den Tatbestand der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, das Widerrufsrecht der Kläger sei zur Zeit der Erklärung des Widerrufs verwirkt gewesen. Zwar habe die bei Abschluss des Darlehensvertrages erteilte Widerrufsbelehrung den gesetzlichen Anforderungen nicht genügt. Jedoch sei unter Berücksichtigung der seit Abschluss des Darlehensvertrages verstrichenen Zeit, der abgeschlossenen Aufhebungsvereinbarung und der beiderseitigen vollständigen Erfüllung der aus dieser Vereinbarung sich ergebenden Verpflichtungen von Verwirkung auszugehen, zumal die Bank trotz unterbliebener Nachbelehrung nach Abwicklung der Aufhebungsvereinbarung schutzwürdig habe darauf vertrauen dürfen, dass ein Widerruf nicht mehr erklärt werde.

Hiergegen richtet sich die Berufung der Kläger. Sie sind der Ansicht, ein Unternehmer, der eine fehlerhafte Widerrufsbelehrung erteilt habe, könne niemals schutzwürdig im Sinne des § 242 BGB sein. Zu berücksichtigen sei, dass Darlehensrückzahlung und Vertragsaufhebung erst zu einem Zeitpunkt erfolgt seien, zu dem der Beklagten die Fehlerhaftigkeit der Belehrung bekannt gewesen sei oder hätte bekannt sein müssen, was sie gleichwohl nicht veranlasst habe, die Kläger nachzubelehren. Es fehle auch am Umstandsmoment. Die Beklagte habe sich nicht darauf einrichten dürfen, die Kläger würden nicht mehr widerrufen, da die Beklagte das Risiko einer fehlerhaften Belehrung trage. Demgegenüber sei auf Seiten der Kläger nicht erkennbar gewesen, dass ihr Widerrufsrecht fortbestanden habe, weswegen auch der Abschluss der Aufhebungsvereinbarung alleine das Umstandsmoment nicht ausfüllen könne. Es fehle zudem an Vortrag der Beklagten zu unzumutbaren Nachteilen bei Zulassung des Widerrufs. Die Kläger wiederholen und vertiefen ihren Vortrag zur Fehlerhaftigkeit der erteilten Widerrufsbelehrung sowie zu den Rechtsfolgen bei Annahme eines wirksamen Widerrufs.

Die Kläger beantragen,

unter Abänderung des am 01.07.2016 verkündeten Urteils des Landgerichts Bonn, Az.: 17 O 228/15 die Beklagte zu verurteilen,

1.

an die Kläger € 40.959,77 nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz ab dem 01.12.2015 aus € 140.389,84 zu zahlen,

2.

Die Beklagte wird verurteilt, die Kläger als Gesamtgläubiger als Nebenforderung von den außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten der Sozietät Q. in Höhe von € 774,33 nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit freizuhalten.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt die angefochtene Entscheidung.

II.

1.

Die zulässige Berufung unterliegt gemäß § 522 Abs. 2 ZPO der Zurückweisung im Beschlusswege, weil sie nach einstimmiger Überzeugung des Senats aus den zutreffenden Gründen der angefochtenen Entscheidung, die durch das Berufungsvorbringen nicht entkräftet werden, offensichtlich unbegründet ist (§ 522 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO). Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung (§ 522 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 ZPO). Weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordern eine Entscheidung des Berufungsgerichts (§ 522 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 ZPO). Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung ist auch nicht aus anderen Gründen geboten (§ 522 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 ZPO).

Der von den Klägern mit Schriftsatz vom 16.03.2017 (Bl. 394-399 d. A.) geäußerte Einwand, einem Vorgehen nach § 522 ZPO stehe es entgegen, dass die Frage der Verwirkung von Widerrufsrechten bei Verbraucherdarlehensverträgen von den Obergerichten teilweise unterschiedlich behandelt werde, weswegen durch Urteil zu entscheiden und die Revision zuzulassen sei, greift nicht durch.

Die für die Behandlung des Verwirkungseinwandes maßgeblichen Grundsätze sind durch gefestigte höchstrichterliche Rechtsprechung geklärt (so insbesondere BGH, Urteil vom 12.07.2016, XI ZR 501/15, MDR 2016, 1194, zitiert nach juris, Rn. 41; Urteil vom 12.07.2016, XI ZR 564/15 , NJW 2016, 3512, zitiert nach juris, Rn. 37; Urteil vom 11.10.2016, XI ZR 482/15, MDR 2017, 222, zitiert nach juris, Rn. 30 f.). Inwieweit dagegen bei Anwendung dieser Grundsätze im Einzelfall tatsächlich Verwirkung anzunehmen ist, richtet sich demgegenüber nach den vom Tatrichter festzustellenden und zu würdigenden Umständen des Einzelfalls (BGH a.a.O., sowie Beschluss vom 17.01.2017, XI ZR 82/16, zitiert nach juris). Auf Beurteilungen anderer Obergerichte in anderen, nicht gleich gelagerten Fällen, kommt es daher nicht maßgeblich an, wobei hinsichtlich der von der Berufung zitierten Entscheidung des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 24.01.2017 (Az. 6 U 96/16, zitiert nach juris, Rn. 59-76) zudem klarzustellen ist, dass diese mit der vorzitierten höchstrichterlichen Rechtsprechung nicht in Einklang steht.

2.

Der Senat erachtet die Klage in Übereinstimmung mit dem angefochtenen Urteil als unbegründet, weil von Verwirkung auszugehen ist. Die Berufung zeigt keine Gesichtspunkte auf, die eine Änderung der angefochtenen Entscheidung rechtfertigen. Der Senat hält auch unter Würdigung des Klägervortrags mit Schriftsatz vom 16.03.2017 (Bl. 394-399 d. A.) an der mit Hinweisbeschluss vom 15.02.2017 mitgeteilten Bewertung der Sach- und Rechtslage in dem vorliegenden Einzelfall fest.

a)

Die Verwirkung als Unterfall der unzulässigen Rechtsausübung wegen der illoyal verspäteten Geltendmachung von Rechten setzt neben einem Zeitmoment, für das die maßgebliche Frist mit dem Zustandekommen des Verbrauchervertrages zu laufen beginnt, auch ein Umstandsmoment voraus (BGH, Urteil vom 12.07.2016, XI ZR 564/15, zitiert nach juris, Rn. 37). Ein Recht ist verwirkt, wenn sich der Schuldner wegen der Untätigkeit seines Gläubigers über einen gewissen Zeitraum hin bei objektiver Beurteilung darauf einrichten darf und eingerichtet hat, dieser werde sein Recht nicht mehr geltend machen, so dass die verspätete Geltendmachung gegen Treu und Glauben verstößt (BGH, a.a.O.). Zum Zeitablauf müssen außerdem besondere, auf dem Verhalten des Berechtigten beruhende Umstände hinzutreten, die das Vertrauen des Verpflichteten rechtfertigen, der Berechtigte werde sein Recht nicht mehr geltend machen (BGH, a.a.O.). Dabei hängt die Frage, ob tatsächlich ein Fall der Verwirkung vorliegt, stets von den vom Tatrichter festzustellenden Umständen des Einzelfalles ab (BGH, a.a.O.), ohne dass insofern auf Vermutungen zurückgegriffen werden kann. Gerade bei beendeten Verbraucherdarlehensverträgen kann das Vertrauen des Unternehmers auf ein Unterbleiben des Widerrufs nach diesen Maßgaben schutzwürdig sein, auch wenn die von ihm erteilte Widerrufsbelehrung ursprünglich den gesetzlichen Vorschriften nicht entsprach und er es in der Folgezeit versäumt hat, den Verbraucher nachzubelehren (BGH, Urteil vom 11.10.2016, XI ZR 482/15, zitiert nach juris, Rn. 30). Das gilt in besonderem Maße, wenn die Beendigung des Darlehensvertrages auf einen Wunsch des Verbrauchers zurückgeht (BGH, wie vor).

b)

Nach diesen Maßstäben sieht der Senat – im Einklang mit der angefochtenen Entscheidung – in Würdigung sämtlicher relevanter Umstände des vorliegenden Einzelfalls sowohl das Zeit- als auch das Umstandsmoment als erfüllt an.

Bei einem Widerruf rund 8 Jahre nach Abschluss des Darlehensvertrages liegt das erforderliche Zeitmoment ohne Weiteres vor. Auch das Umstandsmoment ist im vorliegenden Fall erfüllt. Nach der zitierten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs liegt die Annahme von Verwirkung bei auf Wunsch des Darlehensnehmers vorzeitig beendeten Darlehensverträgen schon per se nahe. So liegt der Fall hier, denn es waren die Kläger, die zu Beginn des Jahres 2012 wegen einer vorzeitigen Rückzahlung des Darlehens an die Beklagte herangetreten sind. Wenn dann noch – wie hier – zwischen vollständiger Abwicklung des Darlehensvertrages und Erklärung des Widerrufs fast 2 ½ Jahre liegen, kann es nach Auffassung des Senats keinem vernünftigen Zweifel unterliegen, dass die Beklagte sich auf schutzwürdiges Vertrauen darauf, dass ein Widerruf nicht mehr erfolgen werde, berufen kann. Entgegen der Ansicht der Kläger kann gegen eine Verwirkung das Fehlen einer Nachbelehrung nicht ins Feld geführt werden, da eine solche vom Unternehmer nach Beendigung eines Vertrages nicht mehr erwartet werden kann (BGH, Urteil vom 11.10.2016, XI ZR 482/15, zitiert nach juris Rn. 31; vgl. auch OLG Frankfurt, 19 U 13/16, Urteil vom 14.12.2016, zitiert nach juris, Rn. 33).

Die Annahme der Verwirkung scheitert schließlich auch nicht an der fehlenden Darlegung unzumutbarer Nachteile der Beklagten. Im Einklang mit der Rechtsprechung des 13. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln (vgl. Urteil vom 11.01.2017 – 13 U 203/16, Seite 7 f.) hält auch der erkennende Senat es für offenkundig, dass eine Bank, deren Geschäftsgegenstand darin besteht, mit den Geldern ihrer Kunden in der Weise zu arbeiten, dass einerseits Gelder verwahrt, andererseits Darlehen gegeben werden, zurückgezahlte Gelder neu verwendet. Auf dieser Grundlage ist für sie die Rückabwicklung eines Darlehens Jahre nach dessen vollständiger beiderseitiger Erfüllung als unzumutbarer Nachteil zu bewerten (ebenso OLG Schleswig, Beschl. v. 15.10.2015, 5 U 111/15, NZB gegen den Zurückweisungsbeschluss des OLG Schleswig vom 18.1.2016 zurückgewiesen durch BGH, Beschl. v. 17.1.2017, XI ZR 82/16).

3.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 97 Abs. 1, 100 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO und die

Festsetzung des Streitwertes auf den §§ 47, 48 GKG, 3 ZPO.

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