OLG Köln, Beschluss vom 29.11.2017 – 7 VA 16/17

Oktober 24, 2021

OLG Köln, Beschluss vom 29.11.2017 – 7 VA 16/17

Tenor
Die Antragsgegnerin wird verpflichtet, unverzüglich schriftlich gegenüber dem Gerichtsvollzieher C mit Amtssitz in Brüssel klarzustellen, dass – entgegen der mit Verfügung vom 08.03.2017 übersandten Zustellungsbescheinigung vom gleichen Tag und der darin unter Ziffer 12.3 enthaltenen Erklärung – den Schriftstücken, die auf sein Ersuchen vom 17.02.2017 hin der Antragstellerin zugestellt worden sind, das Formblatt in Anhang II zur Verordnung (EG) Nr. 1393/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13.11.2007 über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke in Zivil- oder Handelssachen in den Mitgliedstaaten und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1348/2000 des Rates nicht beigefügt war und die Antragstellerin damit unter Verstoß gegen Art. 8 Abs. 1 dieser Verordnung über ihr Annahmeverweigerungsrecht nicht ordnungsgemäß belehrt worden ist.

Im Übrigen werden die Anträge der Antragstellerin zurückgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens werden der Antragstellerin auferlegt.

Der Gegenstandswert wird auf 5.000 € festgesetzt.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe
I.

Die Antragstellerin und die Europäische Union, vertreten durch die Europäische Kommission, sind Beteiligte eines zivilgerichtlichen Verfahrens in Belgien, das in zweiter Instanz vor dem Cour d’appel in Lüttich unter dem Aktenzeichen 2015/RG/773 anhängig war und in dem am 17.11.2016 ein Urteil ergangen ist.

Auf Antrag der Europäischen Union, vertreten durch die Europäische Kommission, übersandte der Gerichtsvollzieher C mit Amtssitz in Brüssel, vertreten durch die stellvertretende Gerichtsvollzieherin C2, am 17.02.2017 u.a. einen in deutscher Sprache abgefassten „Antrag auf Zustellung von Schriftstücken“ gemäß Art. 4 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 1348/2000 des Rates vom 29.05.2000 über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke in Zivil- oder Handelssachen in den Mitgliedstaaten (im Folgenden: EuZustVO 2000) auf dem im Anhang zu dieser Verordnung enthaltenen Formblatt an das Amtsgericht Bonn, das unter Ziffer 2. auch als Empfangsstelle benannt war (Bl. 8 ff. AH). Vorangestellt war der fettgedruckte Zusatz: „Bitte kontrolieren Sie die Adressen vor dem Zustellung!!!“. Als Anschrift der Antragstellerin war unter Ziffer 4. angegeben: „Tstraße 25“ in „E“. Um Zustellung einer Abschrift der vollstreckbaren Ausfertigung des vorgenannten Urteils in niederländischer Sprache sowie einer deutschen Übersetzung gemäß den Rechtsvorschriften des Empfangsstaates (vgl. Ziffern 5. und 6.) wurde gebeten.

Zugleich wurde von ihm eine Urkunde mit Datum vom 17.02.2017 (Bl. 4 f. AH) errichtet, in der es ausweislich der vorgelegten deutschen Übersetzung unter A) heißt:

„Um die Empfängerin mit Wohnsitz in Deutschland, einem Mitgliedstaat der Europäischen Union, hiervon in Kenntnis zu setzen, hat die Unterzeichnete außerdem – nach Maßgabe von Artikel 4 der Verordnung (EG) Nr. 1393/2007 des Rates vom 13. November 2007 über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke in Zivil- oder Handelssachen in den Mitgliedstaaten – heute beim Postamt Brüssel zwei Ausfertigungen dieser Urkunde mit den darin genannten Schriftstücken und einer deutschen Übersetzung sowie einem in deutscher Sprache ausgefüllten Antragsformular als eingeschriebenen Brief und als Einschreiben mit Rückschein aufgegeben an das

Amtsgericht Bonn

Wilhelmstraße 23

53111 Bonn

Deutschland

mit dem Ersuchen

a) den Antrag auf Zustellung dieser Urkunde gemäß Artikel 3 Unterabsatz 1 Buchstabe c der vorgenannten Verordnung an die zuständige Empfangsstelle weiterzuleiten,

b) der Empfängerin eine Abschrift dieser Urkunde sowie die darin erwähnten Schriftstücke gemäß Artikel 7 der vorgenannten Verordnung zuzustellen,

c) das Original der deutschen Zustellungsurkunde der Übermittlungsstelle in Belgien zu übersenden,

d) gemäß Artikel 10 der vorgenannten Verordnung eine Bescheinigung über die Zustellung auszustellen und eine Abschrift des zugestellten Schriftstücks beizufügen.“

Der Antrag ging am 22.02.2017 beim Amtsgericht Bonn ein und erhielt das Aktenzeichen 35 AR 1037/17. Nachdem dort noch am gleichen Tag durch eine elektronische Anfrage beim Einwohnermeldeamt die auch in der vorgenannten Urkunde angegebene richtige Anschrift der Antragstellerin, nämlich Tstraße 25 in C3, ermittelt worden war (Bl. 4, 12 AH), wurde am 23.02.2017 die Zustellung der Schriftstücke mit der Post an die Antragstellerin verfügt, ohne dass das Formblatt beigefügt wurde, das in Anhang II zur Verordnung (EG) Nr. 1393/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13.11.2007 über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke in Zivil- oder Handelssachen in den Mitgliedstaaten und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1348/2000 des Rates (im Folgenden: EuZustVO 2007) enthalten ist (Bl. 11 AH). Ausweislich der Postzustellungsurkunde wurden die Schriftstücke am 03.03.2017 in den zur Wohnung der Antragstellerin gehörenden Briefkasten eingelegt (Bl. 13 f. AH). Mit Verfügung vom 08.03.2017 übersandte das Amtsgericht Bonn die Postzustellungsurkunde sowie ein Doppel der „Bescheinigung über die Zustellung bzw. Nichtzustellung von Schriftstücken“ gemäß Art. 10 EuZustVO 2007 (Bl. 15 f. AH) an den Gerichtsvollzieher C. In der Bescheinigung war unter Ziffer 12.2 vermerkt, dass das Dokument „gemäß dem Recht des Empfangsmitgliedstaats zugestellt“ worden sei, und zwar auf dem Postweg ohne Empfangsbestätigung durch Einlegung in den zur Wohnung gehörenden Briefkasten. Ferner heißt es unter Ziffer 12.3:

„Der Empfänger des Schriftstücks wurde schriftlich davon in Kenntnis gesetzt, dass er die Entgegennahme des Schriftstücks verweigern kann, wenn es weder in einer Sprache, die er versteht, noch in einer Amtssprache oder einer der Amtssprachen des Zustellungsortes abgefasst ist oder wenn dem Schriftstück keine Übersetzung in einer dieser Sprachen beigefügt ist.“

Am 18.05.2017 hat die Antragstellerin die Gewährung von Prozesskostenhilfe (assistance judiciaire) zum Zwecke der Anfechtung des Urteils des Cour d’appel in Lüttich beim Cour de cassation in Brüssel beantragt (Bl. 23 ff. AH). Diesen Antrag hat der Cour de cassation mit Beschluss vom 22.05.2017 (Bl. 20 f. AH), der nicht in deutscher Übersetzung vorliegt, – wohl ablehnend – beschieden. Davon erhielt die Antragstellerin am 23.05.2017 Kenntnis.

Auf ihr Schreiben vom 24.05.2017 (Bl. 2 f. AH) erhielt sie vom Amtsgericht Bonn mit Verfügung vom 29.05.2017 (Bl. 1 AH) Ablichtungen aus der Verfahrensakte 35 AR 1037/17.

Mit weiterem Schreiben vom 09.06.2017 (Bl. 51 ff. AH) erklärte die Antragstellerin die Annahmeverweigerung bezüglich der ihr zugestellten Schriftstücke, rügte die Zuständigkeit des Amtsgerichts Bonn sowie verschiedene Verstöße gegen die EuZustVO 2007 und die Rechtshilfeordnung für Zivilsachen (im Folgenden: ZRHO) und bat um Abhilfe im Wege der Folgenbeseitigung.

Mit Bescheid vom 13.06.2017 (Bl. 92 GA) teilte die Antragsgegnerin der Antragstellerin mit, dass nach Art. 25 EuZustVO 2007 jede Bezugnahme auf die aufgehobene Verordnung als Bezugnahme auf die neue Verordnung gelte und daher die Verwendung des „veralteten“ Vordrucks durch den Gerichtsvollzieher in Belgien unschädlich sei. Der Zustellungsauftrag sei gleichwohl durchzuführen gewesen und könne nicht die Unwirksamkeit der Zustellung zur Folge haben. Die Belehrung über die Möglichkeit der Annahmeverweigerung sei gemäß Art. 8 Abs. 1 EuZustVO 2007 für den Fall vorgesehen, dass keine Übersetzung in die Amtssprache des Staates, in dem die Zustellung erfolgt, beigefügt worden sei. Da in dem vorliegenden Fall eine deutsche Übersetzung beigefügt gewesen sei, sei eine Belehrung über das Annahmeverweigerungsrecht nicht erforderlich gewesen. Die Qualität der Übersetzung sei nicht zu prüfen gewesen. Aus dem Erwägungsgrund 14 der EuZustVO 2007 ergebe sich, dass die Empfangsstelle alle für die Zustellung erforderlichen Schritte – hier eine Anfrage beim Einwohnermeldeamt – unternehmen solle. Aus diesen Gründen könne nichts zu Gunsten der Antragstellerin unternommen werden.

Mit Schreiben vom 12.06.2017 (Bl. 29 ff. GA) begehrt die Antragstellerin, gestützt auf § 23 EGGVG, die Feststellung der Rechtswidrigkeit der von der Antragsgegnerin unter dem 23.02. und 08.03.2017 getätigten Verfügungen und der Verpflichtung der Antragsgegnerin, der belgischen Übermittlungsstelle unverzüglich mitzuteilen, dass die am 03.03.2017 erfolgte Zustellung rechtswidrig und damit unheilbar nichtig gewesen sei, sowie den Erlass einer einstweiligen Verfügung, gestützt auf § 29 Abs. 2 EGGVG i.V.m. § 49 FamFG. Zur Begründung verweist sie wiederum auf die fehlende Zuständigkeit des Amtsgerichts Bonn sowie verschiedene Verstöße gegen die EuZustVO 2007 und die ZRHO. Ihren zunächst ebenfalls gestellten Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bezüglich der Versäumung der Frist des § 26 Abs. 1 EGGVG hat sie inzwischen mit der Begründung für erledigt erklärt, dass diese Frist im vorliegenden Fall im Hinblick auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs unbeachtlich sei (Bl. 57 ff. GA).

Darüber hinaus wendet sie sich mit Schreiben vom 23.06.2017 (Bl. 74 ff. GA) und 11.07.2017 (Bl. 98 ff. GA) gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 13.06.2017 und bittet ergänzend um dessen gerichtliche Überprüfung.

Ferner begehrt sie mit Schreiben vom 28.08.2017 (Bl. 176 ff. GA) unter Vorlage einer E-Mail des belgischen Gerichtsvollziehers C vom 10.08.2017 (Bl. 281 ff., 284 f. GA) die „Feststellung der Unionsrechtswidrigkeit und der Nichtigkeit der dort von belg. Übermittlungsstelle am 10.08.2017 schriftlich mitgeteilten Auffassung zur angeblichen Vereinbarkeit der belg. Gerichtsvollzieher-Zustellungsurkunden-Inhalte v. 17.02.2017 mit dem Recht des Empfangsstaates Bundesrepublik i.S.v. Art. 7, 9,1 der EG VO 1393/2007, so wie dies von dt. Empfangsbehörden mit Ausfertigung eines zweiten Zustellungszeugnisses v. 08.03.2017 für die rechtsmissbräuchlich wahrheitswidrigen Urkundeninhalte belg. Gerichtsvollzieher-Zustellungsurkunde, errichtet in Brüssel in 17.02.2017, ausdrücklich angeblich förmlich beurkundet worden sei“ (Bl. 176 GA). Sie beantragt „ausdrücklich die oberlandesgerichtliche weitere Feststellung auch der Nichtigkeit der Aussagen der belg. Übermittlungsbehörde v. 10.08.2017, soweit diese sich auf die rechtspflegerische Fehlleistungen im Hause des Antragsgegners ausdrücklich stützen, ‚wonach es mit deutschem Recht des Empfangsmitgliedsstaats‘ i.S.v. Art. 7, 9,1; 26,2 der EG VO 1393/2007, in 08.03.2017 vereinbar gewesen sein soll, wie rechtspflegerisch ungeprüft inzident förmlich am AG Bonn in 08.03.2017 mit zweiter Zustellungsurkunde gem. Art. 10 der EG VO 1393/2007 beurkundet, wonach angeblich die belg. Übermittlungsstelle der EG VO 1393/2007 kollisionsrechtlich, anstelle örtlich wie temporal zuständige dt. Empfangsbehörden i.S.v. Art. 9,2 in 17.0.2017 in Brüssel befugt sei, fiktiv inländisch das Datum kumulativ bewirkter Zustellung nach Maßgabe belg. Remise au Parquet Zustellung förmlich nach belgischem Urkundenrecht gem. Art. 1319 Abs. 2 BGB, analog zu §§ 415 ff. mit gesetzlicher Beweisvermutung für das gesamte Europäische Rechtsgebiet zu beurkunden“ (Bl. 277 f. GA). In diesem Zusammenhang meint sie, dass die „Rechtspflege des Antragsgegners einmal mehr nicht befugt [gewesen sei], die in 22.02.2017 ff. geleisteten Verfügungen bis hin zur Ausfertigung eines Zustellungszeugnisses gem. Art. 10 der EG VO 1393/2007, für das leicht ersichtlich rechtsunwirksam rechtsmissbräuchlich abgefasste belg. Zustellungsersuchen v. 17.02.2017, nebst dort beigefügter belg. Zustellungsurkunde und dort unionsrechtswidrig unter Verstoß gegen Art. 7, 9,1 EG VO 1393/2007 von belg. Übermittlungsstelle förmlich beurkundetem kumulativ fiktivem Zustellungsdatum v. 17.02.2017 unter Verstoß gegen unionsweit bindend vorgeschriebene Prüfungspflichten aus Art. 7, 9,1; 26,2 EG VO 1393/2007, vorzunehmen“ (Bl. 273 GA). Zusammenfassend bittet sie um „Feststellung der Nichtigkeit und Rechtswidrigkeit sowohl der in 22.02.2017 – 08.03.2017 ausgeübten Bundesjustizverwaltungstätigkeit der dt. Empfangsbehörde des AG Bonn in all ihren Einzelverfügungen – wie auch der der schriftlichen rechtsmissbräuchlich unionsrechtswidrigen Mitteilungen belg. Übermittlungsbehörden v. 24.05.2017 und v. 10.08.2017, soweit diese keinerlei materiellen Rechtsfehler zu erkennen vermögen, betreffend die eigenhändig beabsichtigt wahrheitswidrig, mithin unwirksam in Brüssel errichteten und förmlich beurkundeten belg. Urkundeninhalte v. 17.02.2017, unter ausdrücklichem Verweis der belg. Übermittlungsstelle v. 10.08.2017, auf die hierzu rechtspflegerisch unionsrechtswidrig am Amtsgericht Bonn in 08.03.2017 beurkundete ‚Vereinbarkeit mit dem Recht des Empfangsstaats‘ jener belg. Gerichtsvollzieher-Zustellungsurkunden-Inhalte“ (Bl. 279 GA).

Schließlich rügt die Antragstellerin mit Schreiben vom 04.09.2017 (Bl. 290 ff. GA), dass die belgische Übermittlungsstelle nicht berechtigt gewesen sei, einen Betrag in Höhe von 528,58 € in Rechnung zu stellen. Es handele sich um eine „offensichtlich wucherisch, betrügerische gerichtsvollzieherische Gebührenüberhebung um 330 Prozent des zulässigen Höchstgebührensatzes in grenzüberschreitender Zustellung nach Maßgabe Art. 11 der EG VO 1393/2007“ für einen „insgesamt wertlosen da unionsrechtswidrigen gerichtsvollzieherischen Zustellungsaufwand“ (Bl. 291, 292 GA). Der Antragsgegnerin wirft sie vor, „keinerlei Vereinbarkeitsprüfung gem. Art. 7, 10, 11, 23, 26,2 der EG VO 1393/2007 mit dem Recht des Empfangsstaats der Bundesrepublik in 22.02.2017 ff. vorgenommen [zu haben], betreffend das belg. Rechtshilfeersuchen v. 17.02.2017 nebst dort beigefügter Gebührenüberhebung à 528 EUR“, sondern „konkludent in 08.03.2017 auch die Rechtskonformität derartiger belg. gerichtsvollzieherischer Gebührenüberhebungen als mit dem Recht des Empfangsstaats gem. Art. 7, 10, 26,2 der EG VO 1393/2007 förmlich rechtspflegerisch beurkundet bestätigt“ zu haben (Bl. 293 GA).

II.

Mit ihren Anträgen hat die Antragstellerin nur teilweise Erfolg.

1.

Soweit sie sich gegen die Entscheidung der Antragsgegnerin wendet, dem Zustellungsersuchen des belgischen Gerichtsvollziehers C vom 17.02.2017 nachzukommen und die darin bezeichneten Schriftstücke zuzustellen, ist der Antrag auf gerichtliche Entscheidung zwar zulässig, aber nur teilweise begründet.

a)

Insoweit liegt ein Justizverwaltungsakt vor, der von der Antragstellerin gemäß §§ 23 ff. EGGVG angefochten werden kann.

KG, Beschl. v. 13.08.2015 – 1 VA 8/15, juris Rn. 4; OLG Frankfurt, Beschl. v. 21.03.1991 – 20 VA 2/91, IPrax 1992, 166 (167); Zöller/Lückemann, ZPO, 31. Aufl. 2016, § 23 EGGVG Rn. 15; Rohe, in: Wieczorek/Schütze, ZPO, 4. Aufl. 2013, Vor §§ 183, 184 Rn. 75; Kissel/Mayer, GVG, 8. Aufl. 2015, § 156 Rn. 69; Geimer, IZPR, 7. Aufl. 2015, Rn. 2168.

Der Zulässigkeit des Antrags auf gerichtliche Entscheidung steht nicht entgegen, dass die Zustellung der Schriftstücke und die Rücksendung der Zustellungsbescheinigung bereits erfolgt sind. Die Unwirksamkeit der Zustellung im internationalen Rechtshilfeverkehr kann auch danach noch geltend gemacht werden.

OLG Düsseldorf, Beschl. v. 21.04.2006 – 3 VA 12/05, Rn. 22; OLG Frankfurt, Beschl. v. 21.03.1991 – 20 VA 2/91, IPrax 1992, 166 (167); Rohe, in: Wieczorek/Schütze, ZPO, 4. Aufl. 2013, Vor §§ 183, 184 Rn. 75; Geimer, IZPR, 7. Aufl. 2015, Rn. 2168.

Ob durch die Einreichung des Antrags am 13.06.2017 bei Gericht die Antragsfrist des § 26 Abs. 1 EGGVG gewahrt worden ist, kann dahinstehen, da diese Frist im vorliegenden Fall keine Anwendung findet. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs ist nämlich jedes staatliche Gericht, das im Rahmen seiner Zuständigkeit die Bestimmungen des Gemeinschaftsrechts anzuwenden hat, gehalten, für deren volle Wirksamkeit Sorge zu tragen, indem es erforderlichenfalls jede entgegenstehende Bestimmung des nationalen Rechts aus eigener Entscheidungsbefugnis unangewendet lässt, ohne dass es die vorherige Beseitigung dieser Bestimmung auf gesetzgeberischem Wege oder durch irgendein anderes verfassungsrechtliches Verfahren beantragen oder abwarten müsste.

EuGH, Urt. v. 09.03.1978 – Rs. 106/77 [„Simmenthal II“], juris Ls. 4 und Rn. 24; vgl. auch Wiedmann, in: Gebauer/Wiedmann, Zivilrecht unter europäischem Einfluss, 2. Aufl. 2010, Kap. 2 Rn. 59.

Die nationale Bestimmung des § 26 Abs. 1 EGGVG steht der EuZustVO 2007 als Gemeinschaftsrecht jedenfalls insoweit entgegen, als die Antragstellerin mit ihrem Antrag auch rügt, dass ihr im Rahmen der Zustellung das Formblatt in Anhang II zur EuZustVO 2007 nicht übergeben worden sei. Denn der Europäische Gerichtshof geht davon aus, dass die EuZustVO 2007 eine nationale Bestimmung ausschließt, die vorsieht, dass die vom Fehlen des Formblatts in Anhang II zur EuZustVO 2007 herrührende Regelwidrigkeit der Zustellung durch den Ablauf einer Frist geheilt werden kann, innerhalb deren der Empfänger das Fehlen des Formblatts nicht rügt. Dieses Versäumnis kann nach Ansicht des Europäischen Gerichtshofs nur durch eine Zustellung des Formblatts im Einklang mit den einschlägigen Bestimmungen der EuZustVO 2007 an den Empfänger geheilt werden.

EuGH, Urt. v. 02.03.2017 – C-354/15 [„Henderson“], juris Rn. 67.

Dementsprechend muss sich die Antragstellerin auf das Fehlen des Formblatts selbst dann noch berufen können, wenn die einmonatige Antragsfrist des § 26 Abs. 1 EGGVG verstrichen ist.

b)

Die von der Antragstellerin gerügten Fehler des Zustellungsverfahrens führen, soweit sie vorliegen, allerdings nicht zu einer Unwirksamkeit der vorgenommenen Zustellung. Im Einzelnen gilt Folgendes:

aa)

Die Antragstellerin rügt zwar zu Recht, dass das Zustellungsersuchen nicht auf dem Formblatt in Anhang I zur EuZustVO 2007 übermittelt worden ist, sondern das Formblatt im Anhang zur aufgehobenen EuZustVO 2000 verwendet worden ist. Allerdings gilt – worauf die Antragsgegnerin zu Recht aufmerksam gemacht hat – gemäß Art. 25 Abs. 2 EuZustVO 2007 jede Bezugnahme auf die EuZustVO 2000 als Bezugnahme auf die EuZustVO 2007 nach Maßgabe der Entsprechungstabelle in Anhang III zur EuZustVO 2007, in der die beiden vorgenannten Anhänge gleichgesetzt sind. Im Übrigen wird die Wirksamkeit der Zustellung durch diesen Fehler auch deshalb nicht berührt, weil Art. 4 Abs. 3 EuZustVO 2007, der die Verwendung des Formblatts in Anhang I zur EuZustVO 2007 vorschreibt, allein der Ordnung des Verkehrs zwischen der Übermittlungsstelle und der Empfangsstelle, nicht aber dem Schutz des Empfängers dient.

Vgl. ebenso für die Konsequenzen der Verwendung einer unzulässigen Sprache Rauscher, in: Münchener Kommentar ZPO, 4. Aufl. 2013, Art. 4 EuZustVO 2007 Rn. 8.

bb)

Gleiches gilt im Ergebnis auch für den von der Antragstellerin ebenso gerügten Verstoß gegen § 8 S. 4 ZRHO durch die Aufnahme des fettgedruckten Zusatz: „Bitte kontrolieren Sie die Adressen vor dem Zustellung!!!“ in das Formblatt.

cc)

Dass – worauf die Antragstellerin weiter hinweist – das Amtsgericht Bonn in der Urkunde des belgischen Gerichtsvollziehers C vom 17.02.2017 offensichtlich als Zentralstelle im Sinne der EuZustVO 2007 angesehen und um Weiterleitung an die zuständige Empfangsstelle gebeten wird, während sie in dem beigefügten Formblatt als Empfangsstelle benannt wird, ist für die Wirksamkeit der Zustellung ebenfalls unschädlich, da es sich bei dem Amtsgericht Bonn trotz der unterschiedlichen Bezeichnungen jedenfalls um die gemäß § 1069 Abs. 2 S. 1 ZPO sachlich und örtlich zuständige Empfangsstelle handelt, der gemäß Art. 7 EuZustVO 2007 die Zustellung der übermittelten Schriftstücke obliegt.

dd)

Soweit die Antragstellerin ferner rügt, dass das Amtsgericht Bonn die in dem Formblatt unter Ziffer 4. angegebene Anschrift durch eine Anfrage beim Einwohnermeldeamt überprüft hat, verstößt dies bereits nicht gegen Bestimmungen der EuZustVO 2007. Zwar sind – wie sich Art. 1 Abs. 2 EuZustVO 2007 entnehmen lässt – die Empfangsstellen grundsätzlich nicht verpflichtet, die Anschrift des Empfängers zu erforschen.

Geimer, in: Geimer/Schütze, EuZVR, 3. Aufl. 2010, Art. 1 EuZustVO 2007 Rn. 40; Geimer, IZPR, 7. Aufl. 2015, Rn. 2166; Sujecki, in: Gebauer/Wiedmann, Zivilrecht unter europäischem Einfluss, 2. Aufl. 2010, Kap. 30 Rn. 33.

Allerdings steht es ihnen nach der im Schrifttum herrschenden Ansicht, der sich der Senat anschließt, frei, Untersuchungen der angegebenen Anschrift vorzunehmen und die richtige Anschrift zu ermitteln.

Rohe, in: Wieczorek/Schütze, ZPO, 4. Aufl. 2013, § 183 Rn. 65; Geimer, in: Geimer/Schütze, EuZVR, 3. Aufl. 2010, Art. 1 EuZustVO 2007 Rn. 44; Heiderhoff, in: Rauscher, EuZPR/EuIPR, 4. Aufl. 2015, Art. 1 EuZustVO 2007 Rn. 18 f.; Geimer, IZPR, 7. Aufl. 2015, Rn. 2166; Sujecki, in: Gebauer/Wiedmann, Zivilrecht unter europäischem Einfluss, 2. Aufl. 2010, Kap. 30 Rn. 33.

Bereits in dem „Erläuternden Bericht zum Übereinkommen aufgrund von Artikel K.3 des Vertrags über die Europäische Union über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke in Zivil- und Handelssachen in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union“ vom 26.06.1997 wird darauf hingewiesen, dass „die betreffende Stelle des Empfangsmitgliedstaats, der ein Antrag auf Zustellung eines Schriftstücks an einen Empfänger zugeht, dessen Anschrift unvollständig oder nicht richtig ist, damit nicht davon befreit [wird], mit ihr zur Verfügung stehenden einfachen Mitteln Nachforschungen anzustellen“.

ABl EG 1997 C 261/28.

Auch betont der Europäische Gerichtshof in ständiger Rechtsprechung, dass die Ziele der Wirksamkeit und der Schnelligkeit der Übermittlung von Verfahrensschriftstücken mit dem Erfordernis der Gewährleistung eines angemessenen Schutzes der Verteidigungsrechte des Empfängers dieser Schriftstücke in Einklang gebracht werden müssen.

EuGH, Urt. v. 16.09.2015 – C-519/13 [„Alpha Bank Cyprus“], juris Rn. 33; EuGH, Beschl. v. 28.04.2016 – C-384/14 [„Alta Realitat“], juris Rn. 51; EuGH, Urt. v. 02.03.2017 – C-354/15 [„Henderson“], juris Rn. 72.

Mit den erstgenannten Zielen wäre es nicht vereinbar, wenn das Amtsgericht Bonn für verpflichtet gehalten würde, ohne eine eigene – im Übrigen mit begrenztem Arbeitsaufwand verbundene – Überprüfung der angegebenen Anschrift der Antragstellerin das zuzustellende Schriftstück zusammen mit dem Zustellungsantrag gemäß Art. 6 Abs. 4 EuZustVO 2007 an das Amtsgericht Düsseldorf weiterzuleiten, nur damit dieses die Unterlagen nach einem erfolglosen Zustellungsversuch und einer Anfrage beim Einwohnermeldeamt wieder zurück zum Amtsgericht Bonn sendet. Dass dadurch die Verteidigungsrechte der Antragstellerin in irgendeiner Art und Weise eingeschränkt worden sind, ist nicht ersichtlich.

ee)

Soweit die Antragstellerin schließlich rügt, dass den zugestellten Schriftstücken – unstreitig – nicht das Formblatt in Anhang II zur EuZustVO 2007 beigefügt war, ist ihr zuzugeben, dass dadurch gegen Art. 8 Abs. 1 EuZustVO 2007 verstoßen worden ist.

Die von der Antragsgegnerin vertretene Ansicht, dass es der Beifügung einer Belehrung über das Annahmeverweigerungsrecht durch Beifügung dieses Formblatts nicht bedurft habe, da Übersetzungen der zuzustellenden Schriftstücke eingereicht und zugestellt worden seien, entspricht zwar der von der deutschen Regierung in der Rechtssache C-519/13 [„Alpha Bank Cyprus“] geäußerten Position, die der Generalanwalt Wathelet in seinen Schlussanträgen wie folgt zusammengefasst hat:

„Die deutsche Regierung ist der Auffassung, die Empfangsstelle müsse das Formblatt nach Anhang II der Verordnung Nr. 1393/2007 nur dann beifügen, wenn ein Schriftstück im Sinne von Art. 8 Abs. 1 der Verordnung nicht in eine der in Art. 8 Abs. 1 Buchst. a und b der Verordnung genannten Sprachen übersetzt worden sei. Die in Art. 8 Abs. 1 vorgesehene Informationspflicht sei nämlich im Sinne ‚einer gesonderten Prüfpflicht der Empfangsstelle‘ ausgestaltet, die aufgrund der bei ihr als Behörde oder Gericht vorhandenen Sachkunde eine eigene Prüfung vornehme. Die Empfangsstelle habe demzufolge stets zu prüfen, ob der in Art. 8 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1393/2007 genannte Empfänger von seinem Recht, die Annahme des Schriftstücks zu verweigern, mittels des Formblatts in Kenntnis zu setzen sei. Die streitige Verfügung stelle ein Schriftstück im Sinne von Art. 8 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1393/2007 dar, da mangels Übersetzung nicht ausgeschlossen werden könne, dass sie einen in prozessualer Hinsicht wesentlichen Inhalt habe, was eine eigenständige Belehrungspflicht der Empfangsstelle gemäß dieser Vorschrift begründe“.

Dem ist der Europäische Gerichtshof jedoch nicht gefolgt. Vielmehr hat er in der vorgenannten Rechtssache entschieden und seitdem mehrfach wiederholt, dass die Empfangsstelle, wenn sie die Zustellung eines Schriftstücks bewirkt oder veranlasst, ausnahmslos und ohne Ermessensspielraum verpflichtet ist, dem betreffenden Schriftstück das Formblatt in Anhang II zur EuZustVO 2007 beizufügen, mit dem der Empfänger über sein Recht belehrt wird, die Annahme des Schriftstücks zu verweigern.

EuGH, Urt. v. 16.09.2015 – C-519/13 [„Alpha Bank Cyprus“], juris Rn. 58; EuGH, Beschl. v. 28.04.2016 – C-384/14 [„Alta Realitat“], juris Rn. 68; EuGH, Urt. v. 02.03.2017 – C-354/15 [„Henderson“], juris Rn. 56.

Zur Begründung heißt es:

„Es ist deshalb davon auszugehen, dass Art. 8 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1393/2007 zwei zwar miteinander in Zusammenhang stehende, aber gleichwohl verschiedene Regelungen enthält, nämlich zum einen normiert er das materielle Recht des Empfängers des Schriftstücks, dessen Annahme allein aus dem Grund zu verweigern, dass es nicht in einer Sprache abgefasst ist, von der anzunehmen ist, dass er sie versteht, oder keine Übersetzung in einer solchen Sprache beigefügt ist, und zum anderen die förmliche Belehrung über das Bestehen dieses Rechts durch die Empfangsstelle. Mit anderen Worten bezieht sich die Voraussetzung betreffend die für das Schriftstück geltende Sprachenregelung entgegen dem, was die Empfangsstelle offenbar annahm, nicht auf die Belehrung des Empfängers durch die Empfangsstelle, sondern ausschließlich auf das dem Empfänger zustehende Verweigerungsrecht. […]

Unter diesen Umständen ist offensichtlich, dass die Verweigerung selbst zwar insoweit klar bedingt ist, als der Empfänger des Schriftstücks sie nur in dem Fall wirksam geltend machen kann, dass das betreffende Schriftstück nicht in einer Sprache abgefasst ist, die er versteht, oder in der Amtssprache des Empfangsmitgliedstaats oder, wenn es in diesem Mitgliedstaat mehrere Amtssprachen gibt, der Amtssprache oder einer der Amtssprachen des Ortes, an dem die Zustellung erfolgen soll, oder keine Übersetzung in eine dieser Sprachen beigefügt ist (vgl. in diesem Sinne zehnter Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 1393/2007). […]

Gleichwohl ist Voraussetzung für die Ausübung dieses Verweigerungsrechts, dass der Empfänger des Schriftstücks im Voraus ordnungsgemäß schriftlich über das Bestehen seines Rechts belehrt worden ist.

Folglich ist die Empfangsstelle, wenn sie die Zustellung eines Schriftstücks an den Empfänger bewirkt oder veranlasst, in jedem Fall verpflichtet, dem betreffenden Schriftstück das Formblatt in Anhang II der Verordnung Nr. 1393/2007 beizufügen, mit dem der Empfänger über sein Recht belehrt wird, die Annahme des Schriftstücks zu verweigern.

Im Übrigen ist klarzustellen, dass diese Pflicht keine besonderen Schwierigkeiten für die Empfangsstelle mit sich bringt, da es ausreicht, dass diese Stelle dem zuzustellenden Schriftstück den vorgedruckten Text – wie er in der Verordnung in allen Amtssprachen der Union vorgesehen ist – beifügt.

Die vorstehende Auslegung ermöglicht somit die Gewährleistung von Transparenz – indem der Empfänger eines Schriftstücks in die Lage versetzt wird, den Umfang seiner Rechte zu erfahren – und zugleich eine einheitliche Anwendung der Verordnung Nr. 1393/2007 (vgl. entsprechend Urteile Leffler, C-443/03, EU:C:2005:665, Rn. 46, und Weiss und Partner, C-14/07, EU:C:2008:264, Rn. 60), ohne zu einer Verzögerung bei der Übermittlung dieses Schriftstücks zu führen; vielmehr trägt sie dazu bei, die Übermittlung zu vereinfachen und zu erleichtern.“

EuGH, Urt. v. 16.09.2015 – C-519/13 [„Alpha Bank Cyprus“], juris Rn. 51 ff.

Dementsprechend sieht auch die ZRHO, bei der es sich um eine vom Bund und den Ländern erlassene Verwaltungsvorschrift handelt, die gemäß Ziffer 1 der Allgemeinen Einführung für die Abwicklung des Rechtshilfeverkehrs bindend ist, in § 103 S. 2 vor, dass die Belehrung über das Annahmeverweigerungsrecht in jedem Fall vorzunehmen ist, und zwar unabhängig von der Sprache des zuzustellenden Schriftstücks. In dem Länderteil Belgien zur ZRHO, der gemäß § 1 Abs. 2 ZRHO den Bestimmungen des Allgemeinen Teils vorgeht, heißt es unter III. 1. c) ebenfalls ausdrücklich:

„Der Zustellungsempfänger ist über ein etwaiges Annahmeverweigerungsrecht unter Verwendung des Formblattes in Anhang II zur EuZustVO zu belehren (Artikel 8 Absatz 1 EuZustVO).“

Der Umstand, dass die Empfangsstelle bei der Zustellung eines Schriftstücks an den Empfänger das Formblatt in Anhang II zur EuZustVO 2007 nicht beigefügt hat, führt nach Ansicht des Europäischen Gerichtshofs aber nicht zu einer Unwirksamkeit des Zustellungsverfahrens. Weder enthalte die EuZustVO 2007 eine dahingehende Bestimmung noch sei eine solche Folge mit dem in dieser Verordnung verfolgten Ziel vereinbar, eine unmittelbare, schnelle und wirksame Form der Übermittlung von Schriftstücken in Zivil- oder Handelssachen zwischen den Mitgliedstaaten vorzusehen. Vielmehr handele es sich um eine Unterlassung, der nach den Bestimmungen dieser Verordnung abgeholfen werden könne. Dementsprechend habe die Empfangsstelle den Empfänger des Schriftstücks unverzüglich von seinem Annahmeverweigerungsrecht in Kenntnis zu setzen, indem sie ihm das Formblatt in Anhang II zur EuZustVO 2007 übermittelt. Für den Fall, dass der Empfänger nach dieser Belehrung von seinem Recht zur Verweigerung der Annahme des betreffenden Schriftstücks Gebrauch macht, sei es Sache des im Übermittlungsmitgliedstaat angerufenen nationalen Gerichts, zu entscheiden, ob eine solche Verweigerung unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände des Einzelfalls gerechtfertigt sei.

EuGH, Urt. v. 16.09.2015 – C-519/13 „Alpha Bank Cyprus“, juris Rn. 59 ff.; EuGH, Beschl. v. 28.04.2016 – C-384/14 „Alta Realitat“, juris Rn. 71; EuGH, Urt. v. 02.03.2017 – C-354/15 „Henderson“, juris Rn. 57 f.

Einer erneuten Übermittlung des Formblatts in Anhang II zur EuZustVO 2007 durch das Amtsgericht Bonn bedarf es im vorliegenden Fall aber nicht, da die Antragstellerin bereits mit Schreiben vom 09.06.2017 die Verweigerung der Annahme erklärt hat. Dementsprechend scheidet auch eine darauf gerichtete Anordnung des Senats gemäß § 28 Abs. 2 S. 1 EGGVG aus. Vielmehr obliegt dem Cour de cassation als dem mit dem Rechtsstreit befassten Gericht in Belgien die Beurteilung der Auswirkungen der erklärten Annahmeverweigerung auf die Zustellung (vgl. auch § 102 Abs. 4 ZRHO).

c)

Da es im Rahmen dieser Beurteilung auch auf die unterlassene Belehrung der Antragstellerin über das Annahmeverweigerungsrecht ankommen kann und die von der Antragsgegnerin mit Verfügung vom 08.03.2017 an den Gerichtsvollzieher C übersandte „Bescheinigung über die Zustellung bzw. Nichtzustellung von Schriftstücken“ gemäß Art. 10 EuZustVO 2007 in Ziffer 12.3 diesbezüglich eine unzutreffende Aussage enthält, ist die Antragsgegnerin aber zur Richtigstellung dieser Aussage zu verpflichten.

2.

Ob die in der Urkunde des belgischen Gerichtsvollziehers C vom 17.02.2017 erwähnten weiteren Zustellungen von Schriftstücken tatsächlich vorgenommen worden sind, ob sie mit europäischem oder belgischem Recht vereinbar sind sowie ob und ggf. zu welchem Zeitpunkt sie nach belgischem Recht wirksam geworden sind, unterliegt weder der Prüfung durch das Amtsgericht Bonn im Rahmen der Rechtshilfe noch durch den Senat im Rahmen des Verfahrens nach § 23 EGGVG.

3.

Soweit sich die Antragstellerin darüber hinaus

gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 13.06.2017 wendet und um dessen gerichtliche Überprüfung bittet,

die Feststellung der „Unionsrechtswidrigkeit“ bzw. „Rechtswidrigkeit“ und „Nichtigkeit“ der Mitteilungen des belgischen Gerichtsvollziehers C zu der von ihm errichteten Urkunde vom 17.02.2017 begehrt und

die Höhe des von ihm im Zusammenhang mit der Zustellung in Rechnung gestellten Betrags beanstandet,

handelt es sich nicht um Justizverwaltungsakte im Sinne von § 23 Abs. 1 S. 1 EGGVG, die vom Senat überprüft werden könnten. Entgegen der Ansicht der Antragstellerin hat die Antragsgegnerin mit der Vornahme der Zustellung der übersandten Schriftstücke und der Rücksendung der Zustellungsbescheinigung auch nicht die „Rechtskonformität [von Handlungen der belgischen Übermittlungsstelle] … mit dem Recht des Empfangsstaats“, d.h. deren Vereinbarkeit mit deutschem Recht, „konkludent bestätigt“, so dass eine Überprüfung auch unter diesem Gesichtspunkt nicht erfolgen kann.

4.

Der Erlass der von der Antragstellerin begehrten einstweiligen Anordnung kam nicht in Betracht, da auf diese Weise die Entscheidung in der Hauptsache in unzulässiger Weise vorweggenommen worden wäre.

Vgl. Kissel/Mayer, GVG, 8. Aufl. 2015, § 28 EGGVG Rn. 25; Pabst, in: Münchener Kommentar ZPO, 5. Aufl. 2017, Vorbem. zu § 23 EGGVG Rn. 12.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 1 Abs. 2 Nr. 19, § 22 Abs. 1 GNotKG, die Bestimmung des Gegenstandswerts auf § 36 Abs. 3 GNotKG. Eine Kostenerstattung nach § 30 EGGVG kam nicht in Betracht.

Für die Zulassung der Rechtsbeschwerde gemäß § 29 Abs. 2 EGGVG bestand kein Anlass, weil das Verfahren weder grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordern.

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