OLG Köln, Beschluss vom 30.08.2018 – 5 U 145/17

Oktober 19, 2021

OLG Köln, Beschluss vom 30.08.2018 – 5 U 145/17

Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das am 10. August 2018 verkündete Urteil der 27. Zivilkammer des Landgerichts Köln – 27 O 131/15 – wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens werden dem Kläger auferlegt.

Das angefochtene Urteil und dieser Beschluss sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leisten.

Gründe
I.

Der Kläger ist niedergelassener Arzt und betreibt eine Praxis in A. Die Beklagte ist eine Körperschaft des öffentlichen Rechts. Sie gewährt als betriebliche Sozialeinrichtung des Bundeseisenbahnvermögens ihren Mitgliedern Leistungen in Krankheits-, Geburts- und Todesfällen. Der Vorstand der Beklagten kann nach § 29 Abs. 17 ihrer Satzung die Rechnungen bestimmter Ärzte, Psychotherapeuten, Zahnärzte, Dentisten, Apotheker, Krankenhäuser und Angehörige von Heilberufen von der Erstattung ausschließen. Wegen des genauen Satzungswortlautes wird auf Bl. 160 d.A. Bezug genommen.

In den Jahren 2011 bis 2014 beanstandete die Beklagte zahlreiche Rechnungen des Klägers betreffend die Behandlung der Mitglieder B und C sowie derer Familienangehörigen. Die Beklagte nahm umfangreiche Rechnungskürzungen vor, die sie ganz überwiegend mit dem Fehlen einer medizinischen Notwendigkeit der abgerechneten Behandlungen begründete. Die Kürzungen betrugen insgesamt 73.075,51 EUR in Bezug auf einen Gesamtliquidationsbetrag von 89.995,23 EUR (Bl. 125 d.A.).

Der Vorstand der Beklagten beschloss in seiner Sitzung vom 27.03./28.03.2014, die Erstattung von Rechnungen des Klägers künftig auszuschließen (Bl. 161 f d.A.). Der Ausschluss war beschränkt auf die Mitglieder, die über den Ausschluss informiert sind. Mit Schreiben vom 12.05.2014 (Bl. 1 ff des AH) informierte die Beklagte ihre Mitglieder B und C über den Ausschluss des Klägers. Der Ausschluss sei erfolgt, so die Beklagte in ihrem Schreiben, weil in der Vergangenheit wiederholt deutliche Unstimmigkeiten zwischen dem Kläger und der Beklagten bezügliche Rechnungen verschiedener Mitglieder aufgetreten seien. Diese Unstimmigkeiten seien zu Lasten der Mitglieder ausgetragen worden und hätten teilweise in Rechtsstreitigkeiten geendet.

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, der Leistungsausschluss durch die Beklagte und dessen Mitteilung an die Mitglieder B und C stelle einen rechtswidrigen Eingriff in seinen eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb und eine unzulässigen Eingriff in seine Berufsausübungsfreiheit dar. Der Ausschluss seiner Rechnungen von der Erstattung sei nicht wirksam. Die Beklagte habe zu Unrecht angenommen, dass die durch ihn abgerechneten Behandlungsmaßnahmen nicht indiziert, nicht medizinisch notwendig oder nicht wirtschaftlich angemessen gewesen seien. Das Vorgehen der Beklagte sei unverhältnismäßig gewesen, weil sie ihn vor der Ausschließungsentscheidung weder vorher angehört noch abgemahnt habe.

Nachdem gegen ihn ein klageabweisendes Versäumnisurteil ergangen ist, hat der Kläger beantragt,

das Versäumnisurteil aufzuheben und

1a) die Beklagte zu verurteilen, jeweils gegenüber Frau C, D Str. 9, E und Frau B, Fweg 64, G, zu erklären, dass ein wirksamer Ausschluss der Erstattung des Klägers nach § 29 Abs. 17 der Satzung der Beklagten nicht erfolgt ist und die diesbezügliche Mitteilung aus dem Schreiben vom 12.05.2014 als gegenstandslos angesehen werden kann, hilfsweise: Gegenüber den beiden genannten Personen zu erklären, dass die aus dem Schreiben der Beklagten vom 12.05.2014 ersichtliche nachfolgende Erklärung nicht aufrechterhalten bleibt:

„Der Vorstand der H hat beschlossen, Erstattungen von Rechnungen des Herrn Dr. med. I, Bonner Str. 172-176 in A künftig auszuschließen. Der Ausschluss erfolgt, weil in der Vergangenheit wiederholt deutliche Unstimmigkeiten zwischen dem Behandler und der H bzgl. der Rechnungen verschiedener Mitglieder aufgetreten sind. Diese Unstimmigkeiten wurden zu Lasten der Mitglieder ausgetragen und endeten teilweise in Rechtsstreitigkeiten. Der Ausschluss soll für sie und ihre mitversicherten Angehörigen für Aufwendungen gelten, die für Behandlungen berechnet werden, die nach dieser Information über den Ausschluss erfolgt sind“,

1b) die Beklagte zu verurteilen, es zu unterlassen, ihren Mitgliedern oder sonstigen Dritten wortgleich oder sinngemäß zu erklären, Rechnungen des Klägers seien nach § 29 Abs. 17 der Satzung der Beklagten von der Erstattung ausgeschlossen worden und der Klägerin für den Fall der Zuwiderhandlung Ordnungsgeld bis zur Höhe von EUR 250.000,–und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, Ordnungshaft bis zu 6 Monate anzudrohen mit der Maßgabe, dass die Ordnungshaft insgesamt 2 Jahre nicht übersteigen darf,

1c) hilfsweise: festzustellen, dass ein wirksamer Ausschluss von Erstattung von Rechnungen des Klägers nach § 29 Abs. 17 der Satzung der Beklagten nicht gegeben ist,

1d) höchst hilfsweise, den Ausschluss des Klägers von der Leistungserstattung durch die Beklagte vom 12.05.2014 aufzuheben.

Die Beklagte hat beantragt,

das Versäumnisurteil vom 07.07.2016 aufrechtzuerhalten.

Sie hat behauptet, die Rechnungen des Klägers seien medizinischsachverständig überprüft worden. Dabei habe sich ergeben, dass die abgerechneten Leistungen vielfach medizinisch nicht indiziert gewesen seien. Die Prüfung der Rechnungen hätte einen unverhältnismäßigen Aufwand erfordert. Sie ist der Auffassung, aus diesem Grund sei der Ausschluss der Rechnungen des Klägers von der künftigen Erstattung gerechtfertigt gewesen.

Mit Urteil vom 10.08.2017, gegen das der Kläger form- und fristgerecht Berufung eingelegt hat, hat das Landgericht das Versäumnisurteil vom 07.07.2016 aufrechterhalten. Wegen der Einzelheiten wird auf das angefochtene Urteil (Bl. 263 ff d.A.) Bezug genommen.

Mit der Berufung verfolgt der Kläger seine erstinstanzlichen Klageanträge in unveränderter Form weiter. Er meint, das Landgericht habe zu Unrecht einen betriebsbezogenen Eingriff abgelehnt. Die Annahme, der durch die Beklagte ausgesprochene Rechnungsausschluss habe bloße Reflexwirkung auf die Tätigkeit des Klägers, weil die Mitglieder der Beklagten selbst entscheiden könnten, ob sie die Leistungen des Klägers weiter in Anspruch nehmen wollten, beruhe auf lebensfremden Erwägungen. Angesichts der hohen Kosten einer ambulanten ärztlichen Behandlung sei es allenfalls eine theoretische Möglichkeit, dass ein Patient eine ärztliche Behandlung durch den Kläger ohne Leistungserstattung durch die Beklagte wünsche. Die Auffassung, dass ein Arzt, der in der Vergangenheit überhöht abgerechnet habe, auch zukünftig von der Behandlung aller Versicherten ausgeschlossen bleibe, führe zu einer Pauschalverurteilung des Arztes. Dies sei umso weniger einsichtig, als bei der Behandlung moribunder Erkrankungen von extrem hohen Kosten auszugehen sei, und es in Bezug auf die sachverständige Einschätzung, welche Behandlung medizinisch notwendig und angemessen sei, keine naturwissenschaftlich gesicherten Antworten gebe. Die Auffassung der Gerichte, eine Krankenversicherung könne sich auch die Ausschlussentscheidungen anderer Krankenversicherungen zu eigen machen, ohne selbst eine schädigende Übermaßbehandlung darzulegen, führe dazu, dass der Kläger seinen Arztberuf in freier Praxis nicht ausüben könne. Es sei auch nicht ersichtlich, wie ein Arzt beweisen können solle, dass der einmal angenommene Grund für den Leistungsausschluss nicht mehr vorliege. Eine Erklärung, dass er zukünftig bei maximaler Behandlung nur gemäß dem Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherungen abrechne, sei ihm nicht zumutbar. Würde das Abrechnungsverbot, so wie es der Senat im Jahr 1998 entschieden habe, solange Bestand haben, bis der Krankenversicherer den Ausschluss aufhebe oder sich mit dem Arzt verständige, könnte die Ausschließung endlos fortdauern, ohne dass dies in einem Verfahren in irgendeiner Weise überprüft werden könne.

Die Beklagte verteidigt die angefochtene Entscheidung und tritt dem Berufungsvorbringen im Einzelnen entgegen.

II.

Die Berufung der Klägerin war gemäß § 522 Abs. 2 ZPO durch Beschluss zurückzuweisen.

Die Berufung hat nach einstimmiger Überzeugung des Senats offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg. Die Rechtssache hat auch keine grundsätzliche Bedeutung. Weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordern eine Entscheidung des Senats aufgrund mündlicher Verhandlung, die auch sonst nicht geboten ist. Zur Begründung nimmt der Senat Bezug auf den Hinweisbeschluss vom 7.6.2018, an dem der Senat auch nach erneuter Überprüfung der Sach- und Rechtslage uneingeschränkt festhält.

Die Stellungnahme des Klägers in seinem Schriftsatz vom 18.7.2018 gibt keinen Anlass zu einer Änderung. In dieser Stellungnahme verweist der Kläger zunächst ohne Erfolg auf die aus seiner Sicht missverständlichen Formulierungen in der Berufungserwiderung, denn diese haben weder auf die Frage der Zulässigkeit noch der (Un-)Begründetheit der Klage Einfluss. Die betroffene Passage in der Berufungserwiderung bezieht sich auf die Äußerung in der Berufungsbegründung, wonach der angegriffene Vorstandsbeschluss über den Einzelfall hinaus „wirke“, worauf die beklagte Körperschaft sinngemäß erwiderte, von einer „Wirkung“ gegenüber Dritten könne mangels Mitteilung des Beschlusses gegenüber Dritten nicht ausgegangen werden. Hier liegt aus Sicht des Senats am ehesten ein unterschiedliches Verständnis des Begriffs „Wirkung“ vor, nicht aber eine für die Entscheidung des Rechtsstreits bedeutsame streitige Rechts- oder Tatsachenfrage. Der Senat hat in seinem Hinweisbeschluss in keiner Weise auf eine etwa nicht gegebene „Drittwirkung“ abgestellt, sondern das Verständnis des Klägers, der Beschluss des Vorstandes könne sich im Hinblick auf alle bei dem Kläger behandelten Mitglieder der Beklagten auf ihn negativ auswirken, zugrunde gelegt. Sollten die Ausführungen der Beklagten dahin zu verstehen sein, dass der Beschluss nur den Ausschluss von der Erstattung bezüglich der beiden konkret betroffenen Mitglieder B und C betreffe und auch künftig keine weitergehende Bedeutung für andere Mitglieder haben solle, so würden die Erwägungen des Senates im Hinweisbeschluss erst recht gelten, denn dann wären die Schutzinteressen des Klägers in noch weit geringerem Umfang betroffen. Insoweit kommt es auf den nunmehr gestellten Hilfsantrag auch nicht an. Dass die Beklagte ihrerseits die Gelegenheit zur Klarstellung, die mit Verfügung vom 20.7.2018 gewährt wurde, nicht genutzt hat, ändert ebenfalls nichts an der Fortgeltung der im Hinweisbeschluss dargelegten Erwägungen.

Keiner Vertiefung bedarf ferner die unter Ziffer 2 des Schriftsatzes vom 18.7.2018 aufgeworfene Frage der Darlegungs- und Beweislast für die Voraussetzungen der medizinischen Vertretbarkeit früherer in Rechnung gestellter Behandlungen, um die Vorstandsentscheidung für die Zukunft rückgängig zu machen. Auf diese Frage kann es für die Entscheidung über die gestellten Anträge nicht ankommen.

Schließlich enthalten auch die Erwägungen des Klägers unter Ziffer 3 des Schriftsatzes vom 18.7.2018 keine weitergehenden Aspekte. Wenn der Kläger hier erneut darauf hinweist, die Entscheidung trage „maßgeblich“ dazu bei, dass er künftig aus seinem Beruf als Arzt keinerlei Einkünfte mehr werde erzielen können, wenn er von „Marktabschottung“ spricht, wenn er darauf verweist, der Entscheidung könnte sich – quasi grundlos – eine Vielzahl von anderen Leistungserbringern, namentlich zahlreiche private Krankenversicherer, anschließen, so ist all dies für den Senat nicht nachvollziehbar und für die hier zu treffende Entscheidung ohne Relevanz. Eine existenzbedrohende Wirkung der hier in Rede stehenden Vorstandsentscheidung der Beklagten ist nicht ansatzweise vorgetragen und auch nicht erkennbar. Insbesondere ist nicht vorgetragen, dass der Beklagte „maßgeblich“ seine Einkünfte von Mitgliedern der beklagten Körperschaft bezieht. Es ist auch nicht nachvollziehbar, inwiefern private Krankenversicherer sich ohne weiteres der Entscheidung der Beklagten anschließen könnten. Immerhin verlangt § 5 Abs.1 c) MBKK, der die Voraussetzungen für den Ausschluss eines bestimmten Arztes von der Leistungspflicht regelt und dem die Satzung der Beklagten nachgebildet ist, das Vorliegen eines „wichtigen Grundes“. Diese Bestimmung ist wiederum nach allgemeinem Verständnis streng auszulegen, in der Rechtsprechung ist von „ultima ratio“ bzw. „Unzumutbarkeit“ die Rede (vgl. hierzu etwa OLG Köln, Urt. v. 25.7.1989,- 15 U 95/89 -, Recht und Schaden 1990, 135 ff.; vgl. im Übrigen die Nachweise bei Kalis in Bach/Moser, Private Krankenversicherung, 5. Aufl., 2015, § 5 MBKK Rn. 45 ff., 47; Prölls/Martin, VVG, 30. Aufl. 2018, § 5 MBKK RN. 12, jeweils m.z.w.N.).

Auf die in der zumindest älteren Literatur und Rechtsprechung umstrittene Frage, inwieweit dem Kläger aus Gründen effektiven Rechtsschutzes ein unmittelbarer eigener Anspruch gegenüber den ihn ausschließenden jeweiligen Leistungserbringern zusteht (hier insbesondere aus §§ 1004 BGB analog, 823 Abs.1 BGB wegen eines Eingriffs in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb), kommt es im vorliegenden Fall nicht an, weshalb der Senat insoweit auch bewusst diese Frage weiter offen lässt. An der früheren Rechtsprechung auch des erkennenden Senates, wonach von einem Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb nicht auszugehen sei, weil es am Merkmal der Unmittelbarkeit fehle (vgl. hierzu OLG Köln, Urteil vom 21. Dezember 1995 – 5 U 268/93 -, VersR 1996, 490), ist nach modernerem Verständnis und insbesondere neuerer höchstrichterlicher Rechtsprechung (BGHZ 193, 227 ff.; ) möglicherweise nicht mehr festzuhalten. Aus diesem Grund stellt der Senat auch im vorliegenden Fall ebenso wie in dem vergleichbaren Fall das OLG Hamm (Urt. v. 12.12.2016, 6 U 214/15) auf die konkrete Abwägung der beiderseitigen Schutzinteressen ab. Im Übrigen bliebe dem Kläger weiterhin die Möglichkeit, sich die unmittelbar bestehenden Ansprüche des Versicherungsnehmers/Mitgliedes gegen den Krankenversicherer/Leistungserbringer abtreten zu lassen oder sich an dessen Rechtsstreit als Nebenintervenient bzw. Streithelfer zu beteiligen, wie der Kläger es auch in der Vergangenheit immer wieder getan hat.

Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Berufungsstreitwert: 83.075.- €

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