OLG Köln, Urteil vom 04.08.2015 – 9 U 82/14

November 20, 2021

OLG Köln, Urteil vom 04.08.2015 – 9 U 82/14

Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das am 14.05.2014 verkündete Urteil der 20. Zivilkammer des Landgerichts Köln – 20 O 296/12 – abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, die Klägerin von der mit Rechnung vom 13.06.2012, Rechnungsnummer 1202925, geltend gemachten Rechtsanwaltsgebührenforderung der Rechtsanwaltskanzlei T & H in Höhe eines Betrages von 5.081,20 € freizustellen.

Die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz tragen die Klägerin zu 25 % und die Beklagte zu 75 %. Die Kosten des Berufungsverfahrens werden der Beklagten auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe
I.

Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß §§ 540 Abs. 2, 313 a Abs. 1 ZPO abgesehen.

II.

Die formell unbedenkliche Berufung der Beklagten hat in der Sache Erfolg.

Die Klägerin hat gegen die Beklagte nach §§ 5 Abs. 1 a S. 1, Abs. 2 a ARB-RU 2000 einen Anspruch auf Übernahme auch der Terminsgebühr ihres Prozessbevollmächtigten in Höhe von 1.713,60 € im Wege der Freistellung.

Die Beklagte ist nach § 5 Abs. 1 a S. 1 ARB-RU 2000 verpflichtet, die Vergütung des für die Klägerin tätigen Rechtsanwalts bis zur Höhe der gesetzlichen Vergütung eines am Ort des zuständigen Gerichts ansässigen Rechtsanwalts zu tragen. Die Klägerin kann nach § 5 Abs. 2 a ARB-RU 2000 verlangen, dass die Beklagte die von ihr zu tragenden Kosten übernimmt, sobald sie nachweist, zu deren Zahlung verpflichtet zu sein oder diese Verpflichtung bereits erfüllt hat. Im Ergebnis hat die Beklagte somit dafür zu sorgen, dass die Klägerin keine Kosten zu tragen hat.

1.

Diesen Anspruch der Klägerin hat die Beklagte – anders als das Landgericht meint – nicht dadurch erfüllt, dass sie der Klägerin Versicherungsschutz für die Abwehr der entsprechenden rechtsanwaltlichen Gebührenforderung zugesagt hat. Dem Rechtsschutzversicherer steht es nicht frei, hinsichtlich von Kosten, die er für unberechtigt hält, dem Versicherungsnehmer den Versicherungsschutz in der Form zu gewähren, dass er ihm Rechtsschutz für einen etwaigen, gegen ihn gerichteten Forderungsprozess seines Rechtsanwalts zusagt und zudem erklärt, den Versicherungsnehmer von einer Verpflichtung im Falle der Verurteilung freizustellen.

a)

Ein solches Wahlrecht des Rechtsschutzversicherers lässt sich mit den gesetzlichen Bestimmungen des Versicherungsrechts nicht vereinbaren.

Die Regelungen des Versicherungsvertragsgesetzes sehen in der Rechtsschutzversicherung die Gewährung von Versicherungsschutz in Form von Abwehrschutz nicht vor (§ 125 VVG).

Dessen Zulässigkeit für die Rechtsschutzversicherung kann auch nicht aus dem Umstand hergeleitet werden, dass dem Versicherungsvertragsgesetz ein Versicherungsschutz in Form von Abwehrschutz grundsätzlich bekannt ist, nämlich in der Haftpflichtversicherung (§ 100 VVG). Die zwischen diesen beiden Versicherungssparten bestehenden erheblichen Unterschiede hinsichtlich Voraussetzungen und Art des Versicherungsschutzes sprechen gegen eine Übertragbarkeit der für die Haftpflichtversicherung geltenden Regeln auf die Rechtsschutzversicherung (BGH NJW 1992, 1509).

Die Haftpflichtversicherung ist darauf gerichtet, den Versicherungsnehmer vor Ansprüchen in Schutz zu nehmen, die von dritter Seite gegen ihn erhoben werden. Hierbei sind die Abwehr unbegründeter und die Erfüllung begründeter Haftpflichtansprüche gleichrangige Hauptleistungen des Versicherers (BGH, NJW-RR 1999, 1037, Rn. 13). Hauptleistung des Rechtsschutzversicherers ist dagegen die Verpflichtung, den Versicherungsnehmer von Kosten für eine von diesem beabsichtigte Rechtsverfolgung oder -verteidigung zu befreien. Anders als in der Haftpflichtversicherung ist der Deckungsschutz der Rechtsschutzversicherung nicht nur vom Vorliegen einer rechtlichen Auseinandersetzung mit einem Dritten abhängig, sondern zusätzlich von der Erfolgsaussicht der Wahrnehmung rechtlicher Interessen sowie fehlender Mutwilligkeit, also vom Ergebnis einer wertenden Prognose des Versicherers (BGH NJW 1992, 1509, Rn. 21).

In der Rechtsschutzversicherung ist die Leistungszusage des Versicherers nur auf einen Teilausschnitt der wirtschaftlichen Folgen beschränkt, die eine rechtliche Auseinandersetzung für den Versicherungsnehmer hat, nämlich auf die hiermit verbundenen Kosten. Das Ergebnis der Prozessführung selbst ist dagegen unter keinem Gesichtspunkt eine eigene Rechtsangelegenheit des Rechtsschutzversicherers. Ob die Prozessführung günstig für den Versicherungsnehmer endet oder nicht, bleibt allein dessen Risiko, und nur ihn trifft auch das Resultat seiner Interessenwahrnehmung. Ein etwaiger Prozessverlust des Versicherungsnehmers bringt daher die einmal entstandene Leistungspflicht des Rechtsschutzversicherers nicht wieder zum Erlöschen. Dessen wirtschaftliches Interesse ist allein darauf gerichtet, dass keine durch die Rechtsverfolgung von ihm zu erstattenden Kosten entstehen. Es erstreckt sich somit nicht auf die Ansprüche des Versicherungsnehmers selbst, sondern nur auf die Art ihrer Durchsetzung (BGH NJW 1961, 1113; 1992, 1509). Während also der Rechtsschutzversicherer nur dem Kostenrisiko eines Rechtsstreits ausgesetzt ist, trägt der Haftpflichtversicherer auch das gesamte Sachrisiko (van Bühren, AnwBl 2013, 797, 799). Er hat gegebenenfalls den Haftpflichtprozess gegen den Dritten zu führen, und zwar – wenn auch im Namen des Versicherungsnehmers – in eigener Verantwortung, auf eigene Kosten und auf eigenes Risiko; er hat gegebenenfalls durch Zahlungen an den Dritten den Versicherungsnehmer von der Inanspruchnahme aus einem gegen ihn erwirkten Zahlungstitel freizustellen; schließlich hat er an den Versicherungsnehmer selbst Zahlung zu leisten, wenn dieser den Dritten bereits zulässigerweise befriedigt hat (BGH NJW 1992, 1509, Rn. 11).

b)

Auch der zwischen den Parteien geschlossene Versicherungsvertrag und die zugrundeliegenden Allgemeinen Versicherungsbedingungen eröffnen kein entsprechendes Wahlrecht der Beklagten.

Von einem Wahlrecht der Beklagten, die Klägerin unter Übernahme der hierfür anfallenden Kosten auf die Abwehr anwaltlicher Gebührenansprüche zu verweisen, ist hierin keine Rede. Stattdessen heisst es in § 5 Abs. 2 a ARB-RU 2000, dass der Versicherungsnehmer vom Versicherer die „Übernahme“ der vom Versicherungsnehmer zu tragenden Kosten verlangen könne.

Versicherungsbedingungen sind nach ständiger Rechtsprechung so auszulegen, wie ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer sie bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs verstehen muss. Eine derartige Auslegung ergibt hier, dass die Klägerin nicht mit einer „Erfüllung“ der Leistungspflicht der Beklagten durch deren Zusage rechnen musste, sie gewähre der Klägerin Abwehrschutz gegen die Gebührenforderung ihres Rechtsanwalts. Sehen Allgemeine Versicherungsbedingungen vor, dass der Versicherer die Kosten des Versicherungsnehmers – wie gemäß §§ 1, 2 ARB 75 – zu „tragen“ oder – wie nach § 5 Abs. 2 a ARB 2000 – zu „übernehmen“ hat, so bedeutet dies aus Sicht eines verständigen Versicherungsnehmers, dass die Versicherung bei Vorliegen der notwendigen Voraussetzungen zu einer entsprechenden Zahlung oder Freistellung verpflichtet ist (OLG Düsseldorf, Urt. v. 27.06.2014 – 4 U 222/12 – juris, Rn. 87; AG München VersR 2013, 753).

c)

Ein bloßer Verweis des Versicherungsnehmers durch den Versicherer auf die Abwehr anwaltlicher Gebührenansprüche führt im Übrigen dazu, dass der Versicherungsnehmer gegenüber dem Versicherer in eine Defensivposition gedrängt wird, die mit der gebotenen Berücksichtigung der beiderseitigen Interessen im Rahmen des Versicherungsvertrages nicht vereinbar ist.

Indem der Rechtsschutzversicherer den Versicherungsnehmer darauf verweist, sich auf Kosten des Versicherers gegen die Gebührenforderung seines Anwalts zu verteidigen, leistet er nicht auf den vom Versicherungsnehmer geltend gemachten Versicherungsfall, sondern bietet stattdessen eine Leistung an, die sich auf einen tatsächlich noch nicht eingetretenen, jedenfalls aber noch nicht angemeldeten Versicherungsfall bezieht, nämlich die Abwehr von Gebührenansprüchen des Prozessbevollmächtigten des Versicherungsnehmers (OLG Düsseldorf, Urt. v. 27.04.2014 – 4 U 222/12 – juris, Rn. 91). Müsste der Versicherungsnehmer dies als Erfüllung des ursprünglich von ihm angemeldeten Versicherungsfalles gegen sich gelten lassen, wäre er gezwungen, anstelle des bisherigen Versicherungsfalles einen anderen Versicherungsfall zu verfolgen, auch wenn er dies eigentlich nicht beabsichtigt, etwa weil er die Gebührenforderung seines Rechtsanwalts für begründet hält. Eine derartige Pflicht des Versicherungsnehmers besteht indes nicht. Der Rechtsschutzversicherer kann nur zwischen der vom Versicherungsnehmer beantragten Kostenübernahme und ihrer (ggf. teilweisen) Versagung wählen, nicht aber zwischen den verschiedenen Versicherungsfällen. Erfolgreich und ohne seine vertraglichen Pflichten zu verletzten, kann der Rechtsschutzversicherer die Kostenübernahme allerdings nur dann verweigern, wenn die gegen den Versicherungsnehmer gerichtete Gebührenforderung unbegründet ist (OLG Düsseldorf, Urt. v. 27.04.2014 – 4 U 222/12 – juris, Rn. 91).

d)

Eine andere Ansicht verweist zunächst darauf, dass der Versicherungsnehmer in der Rechtsschutzversicherung gegen den Versicherer einen Anspruch auf Kostenfreistellung (d.h. Schuldbefreiung) habe, der sich nur dann ausnahmsweise in einen Zahlungsanspruch des Versicherungsnehmers umwandele, wenn dieser die angeforderten Kosten bereits gezahlt habe. Aus der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH NJW 1970, 1594, Rn. 50) ergebe sich zudem, dass zum Wesen eines jeden Freistellungsanspruchs nicht nur die Befriedigung begründeter Ansprüche, sondern auch die Abwehr unbegründeter Ansprüche gehöre. Ausserdem stehe es nach dem Urteil des Bundesgerichtshofs vom 14.03.1984 – IV a ZR 24/82 – VersR 1984, 530, einem Freistellungsschuldner grundsätzlich frei, auf welche Weise er seinen Freistellungsanspruch erfülle. Daher habe der Rechtsschutzversicherer ein Wahlrecht, in welcher Form er seiner Freistellungsverpflichtung gegenüber dem Versicherungsnehmer nachkommen wolle; neben der Übernahme der von ihm für berechtigt gehaltenen Kosten könne er sich hinsichtlich von Kosten, die er für unberechtigt halte, auch dafür entscheiden, dem Versicherungsnehmer den Versicherungsschutz in der Form zu gewähren, dass er ihm für einem vom Drittgläubiger zu erwartenden Forderungsprozess Rechtsschutz gewähre und erkläre, den Versicherungsnehmer von einer Verpflichtung im Falle seiner Verurteilung freizustellen. Ob und in welcher Höhe eine Kostenschuld des Versicherungsnehmers bestehe, sei dann in einem Prozess zwischen dem Kostengläubiger – dem Prozessbevollmächtigten – und dem Versicherungsnehmer zu klären. Die Interessen des Versicherungsnehmers würden bei dieser Lösung gewahrt. Werde die Berechtigung von Forderungen des Prozessbevollmächtigten nämlich in einem Rechtsstreit zwischen dem Versicherungsnehmer und dem Prozessbevollmächtigten geklärt, so sei das Ergebnis dieses Rechtsstreits nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH VersR 1992, 568, Rn. 17 ff.) für den Versicherer in dem Sinne bindend, dass auch ein Prozessverlust des Versicherungsnehmers die einmal entstandene Leistungspflicht des Versicherers nicht wieder zum Erlöschen bringe. Andererseits würde eine Klärung dieser Frage in einem Rechtsstreit zwischen dem Versicherungsnehmer und dem Versicherer den Prozessbevollmächtigten nicht binden, so dass der Versicherungsnehmer in die Situation geraten könne, im Prozess gegen den dann leistungsfreien Versicherer zu unterliegen, in einem Nachfolgeprozess aber vom Prozessbevollmächtigten mit Erfolg in Anspruch genommen zu werden; in diesem Falle müsse der Versicherungsnehmer die Kosten zahlen, ohne dass der Versicherer verpflichtet sei, diese seinerseits dem Versicherungsnehmer zu erstatten (Entscheidung des Versicherungsombudsmannes v. 22.08.2005, Az. 3132/03; Bauer in: Harbauer, Rechtsschutzversicherung (ARB), 8. Aufl., Rn. 10 zu § 5 ARB 2000, Rn. 10 zu § 20 ARB 2000; Bauer, Anm. zu AG München r+s 2013, 129).

Dem vermag der Senat nicht zu folgen.

Zum einen lässt sich diese Ansicht – wie oben dargelegt – weder mit den gesetzlichen Bestimmungen des Versicherungsrechts noch mit dem zwischen den Parteien geschlossenen Versicherungsvertrag und den zugrundeliegenden Allgemeinen Versicherungsbedingungen in Einklang bringen und führt darüber hinaus zu einer nicht interessengerechten Verschiebung der Rechtspositionen der Partner des Versicherungsvertrages.

Zum anderen überzeugt die dogmatische Herleitung dieser Ansicht nicht, und auch die Interessen des Versicherungsnehmers gebieten eine derartige Handhabung nicht, sondern stehen ihr sogar entgegen.

Der genannten Entscheidung BGH NJW 1970, 1594, Rn. 50, ist lediglich zu entnehmen, dass zum Wesen eines Freistellungsanspruchs grundsätzlich auch die Abwehr unbegründeter Ansprüche gehört, nicht allerdings, dass eine solche durch Gewährung von Abwehrschutz erfolgen könne und nicht nur durch eine Ablehnung seitens des Rechtsschutzversicherers. Die in diesem Zusammenhang ins Feld geführten Wahlmöglichkeiten des Freistellungsschuldners beschränkten sich nach dem Urteil des Bundesgerichtshofs vom 14.03.1984 – IV a ZR 24/82 – VersR 1984, 530, darauf, dass der Rechtsschutzversicherer seine Zahlung an den Versicherungsnehmer oder an den Kostengläubiger oder an die Prozessbevollmächtigten zur Weiterleitung an die Gerichtskasse erbringen kann; die Gewährung eines Abwehrschutzes ist nicht Gegenstand der genannten Entscheidung. Soweit von den Befürwortern eines Wahlrechts des Rechtsschutzversicherers auf zwei Aufsätze von Wendt (r+s 2010, 221, 229; r+s 2012, 209, 211) verwiesen wird, versteht der Senat diese mit dem OLG Düsseldorf (Urt. v. 27.04.2014 – 4 U 222/12 – juris, Rn. 90) so, dass dort lediglich die Möglichkeit des Rechtsschutzversicherers Erwähnung findet, unbegründete Forderungen in eigenen Verhandlungen mit dem Anwalt abzuwehren, und auf die hiermit zusammenhängende Pflicht des Rechtsschutzversicherers hingewiesen wird, den Versicherungsnehmer zu unterstützen, der sich gegen eine unbegründete anwaltliche Gebührenforderung aus einem Rechtsschutzfall zur Wehr setzen möchte.

Der Umstand, dass der Versicherungsnehmer – wie oben dargelegt – je nach seinem Vorgehen Gefahr laufen kann, letztlich keine Erstattung der fraglichen Kosten zu erhalten, vermag ein Wahlrecht des Versicherers zwischen Freistellung und Abwehrschutz nicht zu begründen. Der Versicherungsnehmer ist nämlich in seiner Entscheidung frei, mit wem er in diesem Dreiecksverhältnis einen Rechtsstreit führen und ob er das vorgenannte Risiko eingehen will. Es sind keine rechtlichen Gründe dafür ersichtlich, dass einem Rechtsschutzversicherer die Möglichkeit zukommen müsste, den Versicherungsnehmer gegen seinen Willen dazu zu zwingen, einen Gebührenstreit mit seinem Anwalt zu führen. Im Gegenteil stehen dem erhebliche schutzwürdige Belange des Versicherungsnehmers entgegen. Dieser kann nämlich trotz der o.g. Gefahr ein Interesse daran haben, keinen Rechtsstreit mit seinem Anwalt zu führen, um das zu diesem bestehende Vertrauensverhältnis nicht zu belasten. Lässt der Versicherungsnehmer die Berechtigung der Gebühren dementsprechend in einem Prozess zwischen dem Versicherungsnehmer und dem Versicherer klären, ist er zudem zwar durch die o.g. Gefahr belastet, befindet sich aber prozessual in einer sogar günstigeren Position, da ihm der Prozessbevollmächtigte als Zeuge gegen den Rechtsschutzversicherer zur Verfügung steht (Graf, VersR 2013, 753, 757; Häcker zfs 2010, 188, 189).

Schließlich spricht gegen ein Wahlrecht des Rechtschutzversicherers, dass es dann ohne sachlichen Grund für eine Differenzierung von dem zufälligen Umstand, ob der Versicherungsnehmer die Anwaltsgebühren bereits selbst gezahlt hat oder nicht, abhinge, ob der Versicherer den Versicherungsnehmer auf einen Gebührenrechtsstreit mit seinem Anwalt verweisen kann. Zahlt der Versicherungsnehmer nämlich die streitigen Gebühren selbst an seinen Anwalt, scheidet wegen dessen Befriedigung ein Gebührenprozess zwischen Anwalt und Versicherungsnehmer aus, so dass der Versicherer den Versicherungsnehmer hierauf nicht mehr verweisen kann. In diesem Fall kann sich der Versicherer vor seiner Zahlungspflicht nur durch eine Ablehnung der Versicherungsleistung schützen; die Berechtigung dieser Ablehnung muss dann doch in einem Prozess zwischen dem Versicherungsnehmer und dem Versicherer geklärt werden, in welchem die Rechtmäßigkeit der fraglichen Gebühren geprüft wird (Graf, VersR 2013, 753, 757).

2.

Die Terminsgebühr ist vorliegend auch angefallen.

Gemäß § 5 Abs. 1 a S. 1 ARB 2000 trägt der Rechtsschutzversicherer die Vergütung eines für den Versicherungsnehmer tätigen Rechtsanwalts nur im Umfang der „gesetzlichen Vergütung“. Wegen der in dieser Formulierung liegenden Bezugnahme auf das gesetzliche Gebührenrecht entspricht dies denjenigen Gebühren des Rechtsanwalts, die im Prozessrechtsverhältnis nach den Regelungen des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes und der Zivilprozessordnung erstattungsfähig sind (BGH NJW 2011, 232).

Die Terminsgebühr nach Nr. 3104 VV zum RVG entsteht gemäß § 2 Abs. 2 RVG, Teil 3 Vorb. 3 Abs. 3 Variante 3 VV u.a. dann, wenn der Rechtsanwalt nach Erteilung des Klageauftrags an einer auf die Vermeidung oder Erledigung des Verfahrens gerichteten, ohne Beteiligung des Gerichts geführten Besprechung mitwirkt (BGH NJW 2011, 530). Voraussetzung ist allerdings, dass dem Rechtsanwalt im Zeitpunkt der Besprechung bereits ein unbedingter Klageauftrag erteilt worden ist. Erteilt der Mandant dem Rechtsanwalt zunächst nur einen unbedingten Auftrag zur außergerichtlichen Anspruchsdurchsetzung und nur für den Fall, dass dies misslingt einen (insoweit bedingten) Klageauftrag, so liegt ein unbedingter Klageauftrag erst in dem Augenblick vor, in dem die Bedingung eintritt, also die außergerichtliche Durchsetzung scheitert. Hiervon ist insbesondere auszugehen, wenn der Rechtsanwalt dem Gegner eine Frist zur außergerichtlichen Anspruchserfüllung gesetzt hat und diese ergebnislos verstrichen ist (Müller-Rabe in: Gerold/Schmidt, RVG, 21. Aufl., Rn. 17 zur Vorbemerkung 3 VV; Schneider/Thiel, Das neue Gebührenrech für Rechtsanwälte, § 3, Rn. 740).

Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme hat die Klägerin ihrem Rechtsanwalt zunächst Anfang 2011 einen unbedingten Auftrag zur außergerichtlichen Anspruchsdurchsetzung gegen die A Versicherung und für den Fall, dass dies misslingt auch einen insoweit bedingten Klageauftrag erteilt. Dies haben sowohl die Klägerin im Rahmen ihrer Anhörung nach § 141 Abs. 1 ZPO als auch der Zeuge T, der Rechtsanwalt der Klägerin, bei seiner zeugenschaftlichen Vernehmung lebensnah und überzeugend angegeben.

Am 24.05.2011 unterbreitete der Zeuge T dann der A Versicherung einen zu den Akten gereichten Vergleichsvorschlag mit Fristsetzung für die Annahme bis zum 10.06.2011. Nachdem diese Frist unstreitig ergebnislos verstrichen war, wurde der bis dahin bedingte Klageauftrag der Klägerin nach den oben genannten Grundsätzen zu einem unbedingten Klageauftrag. Der Zeuge T fertigte sodann einen entsprechenden Klageentwurf, den er am 01.02.2012 der hiesigen Beklagten zwecks Einholung einer Deckungszusage übersandte.

Ebenfalls am 01.02.2012 nahm der Zeuge T telefonischen Kontakt zur A Versicherung mit dem Ziel einer eventuell doch noch möglichen außergerichtlichen Einigung auf und wies die mit ihm verbundene Mitarbeiterin der A Versicherung in dem Gespräch auf den bereits gefertigten Klageentwurf und die laufende Deckungsanfrage beim Rechtsschutzversicherer hin. Dies steht auf Grund der glaubhaften Angaben des Zeugen T zur Überzeugung des Senats fest. Die Bekundungen des Zeugen stehen in Übereinstimmung mit einem von ihm im Rahmen der Beweisaufnahme vorgelegten Vermerk aus seiner Handakte, der die Tatsache eines Telefonats mit einer Mitarbeiterin I oder I2 der A Versicherung an jenem Tage ausweist. Die hinsichtlich des Namens seiner Gesprächspartnerin unscharfe Erinnerung des Zeugen T fügt sich zu dem Umstand, dass nach dem Inhalt der von den Parteien vorgelegten außergerichtlichen Korrespondenz des Zeugen mit der A Versicherung bei dieser eine Frau I3 beschäftigt war und mit dem Zeugen auch korrespondiert hat. Als nachvollziehbares Motiv für den fraglichen Anruf vermochte der Zeuge sein Bestreben mitzuteilen, der Mandantin trotz der an sich bereits gescheiterten Vergleichsverhandlungen möglichweise im letzten Augenblick doch noch einen langwierigen Rechtsstreit ersparen zu können. Schließlich sprach das erkennbare Bemühen des Zeugen um eine wahrheitsgemäße Aussage, welches sich in der freimütigen Offenbarung von Erinnerungslücken und Kenntlichmachung verbleibender Unschärfen äußerte, für die Richtigkeit seiner Angaben.

Durch dieses Telefonat vom 01.02.2012 ist nach dem oben dargelegten Grundsätzen die vom Zeugen T geltend gemachte Terminsgebühr angefallen.

Dem steht nicht entgegen, dass der Zeuge ebenfalls am 01.02.2012 auch ein Schreiben an die A Versicherung richtete, in welchem er dieser eine erneute Frist für die Annahme eines etwaigen Vergleichs bis zum 13.02.2013 setzte. Hierdurch konnte die bereits entstandene Terminsgebühr nicht wieder entfallen, und zwar unabhängig davon, ob der Klageauftrag hierdurch möglicherweise wieder zu einem bedingten geworden ist. Der Zeuge vermochte sich nämlich mit Sicherheit daran zu erinnern, dass er dieses Schreiben an die A Versicherung erst nach dem o.g. Telefonat verfasst und abgesandt hat. Auch von der Richtigkeit dieser Angabe ist der Senat mit Blick auf das Aussageverhalten des Zeugen sowie das von ihm geschilderte Motiv für den Telefonanruf überzeugt.

III.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 Abs. 1, 92 Abs. 1, 708 Nr. 10, 713 ZPO.

IV.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision nach § 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor. Die Rechtssache hat keine über den Einzelfall hinausgehende grundsätzliche Bedeutung, und eine Entscheidung des Revisionsgerichts ist auch nicht zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich.

Streitwert für das Berufungsverfahren: 1.713,60 €

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