OLG Köln, Urteil vom 06.04.2017 – 15 U 92/16

Oktober 29, 2021

OLG Köln, Urteil vom 06.04.2017 – 15 U 92/16

Tenor
Auf die Berufung des Beklagten wird das am 18.05.2016 verkündete Urteil der 28. Zivilkammer des Landgerichts Köln (28 O 417/15) abgeändert und die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen hat die Klägerin zu tragen.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe
I.

Die Klägerin ist eine bekannte Kabarettistin und Schauspielerin. Der Beklagte betreibt das Onlineportal www.L.de. Er veröffentlichte dort ein Porträt der Klägerin, auf welches diese zunächst am 19.11.2014 aufmerksam wurde. In dem Porträt finden sich folgende Äußerungen: „Aber über L2‘ Privatleben ist wenig bekannt. Hat sie seit Jahren ein Verhältnis mit dem bekannten türkischstämmigen Kabarettisten T T2?“. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Anlage K2 verwiesen.

Der Manager der Klägerin forderte den Beklagten auf, die streitgegenständliche Passage zu entfernen. Am 24.09.2015 stellte die Klägerin fest, dass der ursprüngliche Beitrag unter Einbeziehung der streitgegenständlichen Passage weiterhin online gestellt war. Daraufhin forderte die Klägerin den Beklagten mit anwaltlichem Schreiben vom selben Tag erfolglos zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung auf. Als Reaktion hierauf wies der Beklagte per E-Mail vom 02.10.2015 auf einen Link zu einem auf www.L.de befindlichen Artikel hin. Unter diesem Link hatte der Beklagte am selbigen Tag einen Artikel mit der Überschrift „L2 contra Köln Reporter“ veröffentlicht, in dem er die Abmahnung thematisierte und dabei die streitgegenständliche Behauptung erneut in Fettdruck äußerte. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Anlage K4 Bezug genommen.

Das Landgericht hat den Beklagten auf Antrag der Klägerin – die in erster Instanz zur Begründung ihres Antrages in Abrede gestellt hat, ein „Verhältnis“ mit Herrn T2 zu haben – zur Unterlassung der vorbezeichneten ? unterstrichenen – Äußerung sowie Erstattung außergerichtlicher Kosten verurteilt. Wegen der Feststellungen des Landgerichts, der in erster Instanz gestellten Anträge sowie der Begründung der Entscheidung wird auf eben diese Bezug genommen (Bl. 99 ff. d.A.).

Mit seiner Berufung verfolgt der Beklagte sein erstinstanzliches Klageabweisungsbegehren unter Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vorbringens weiter.

Nach einem Wechsel seiner Prozessbevollmächtigten behauptet er, die Klägerin sei sogar seit Jahren mit Herrn T2 verheiratet. U.a. zur weiteren Begründung dieser Behauptung bezieht er sich auf – als solche unstreitige – Berichterstattungen ab Anfang Dezember 2016 darüber, dass die Klägerin mit Herrn T2 verheiratet sei; wegen der Einzelheiten wird auf vom Beklagten in Ablichtung vorgelegte Berichterstattungen der C (Print und online) sowie der H verwiesen (Anlagen B18-B20). Zudem hat er sich auf einen – ebenfalls unstreitigen – Instagram-Post des Moderators O S aus August 2016 – abrufbar bis zum 18.01.2017 – mit einem (auch) die Klägerin und Herrn T2 zeigenden Bild und dem Zusatz „Pärchenurlaub“ sowie eine entsprechende Veröffentlichung des Herrn S auf Facebook bezogen (Anlagen B14 bis B15).

Der Beklagte behauptet, dass sich sowohl auf den Seiten der GEMA als auch auf den Seiten der „Akademie för uns kölsche Sproch“ Einträge zu Werken der Klägerin unter dem Namen D T2 befänden (Anlage B24, Bl. 336 ff. d.A.). Schließlich ist der Beklagte der Auffassung, dass sich die Heirat der Klägerin aus dem schon in erster Instanz vorgelegten Bescheid der Meldebehörde der Stadt L3 zu einer Auskunftssperre ergebe (Anlage K 11, Bl. 52 d. Anlagenhefts).

Die Eheschließung der Klägerin gehöre zu deren Bereich der Sozialsphäre. Wahre Tatsachenbehauptungen aus der Sozialsphäre müssten aber grundsätzlich hingenommen werden; überwiegende entgegenstehende Interessen der Klägerin seien weder dargetan noch sonst ersichtlich. Der Beklagte bestreitet insoweit mit Nichtwissen, dass die Klägerin durch die streitgegenständliche Berichterstattung – ebenso wie Herr T2 – in den Focus gewaltbereiter Chaoten und Neonazis gerate sowie Vorsorgemaßnahmen zur Sicherung ihres Lebens treffen müsse. Er verweist insoweit darauf, dass auch die Klägerin die rechte Szene in ihrem künstlerischen Wirken kritisiere.

Der Beklagte beantragt,

das am 18.05.2016 verkündete Urteil des Landgerichts Köln, 28 O 417/15, abzuändern und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt die angegriffene Entscheidung und Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens.

Sie ist der Auffassung, das Vorbringen des Beklagten in zweiter Instanz sei im Wesentlichen präkludiert. Der Beklagte müsse beweisen, dass die streitgegenständliche Tatsachenbehauptung zum Zeitpunkt der Veröffentlichung wahr gewesen sei; die vorgelegten Nachweise könnten aber eben diesen Beweis nicht erbringen. Die Klägerin bestreitet, dass sie bereits seit 2012 mit Herrn T2 verheiratet sei. Sie bestreitet ferner, dass sie unter dem Namen „D T2“ beruflich seit Jahren auftrete.

Sie ist der Auffassung, die Berichterstattung in der C-Zeitung sei reine Spekulation. Dies ergebe sich schon daraus, dass die C am Sonntag nur zwei Tage später in einer weiteren Berichterstattung die Frage aufgeworfen habe, ob die Ehe der Klägerin bereits vorbei sei; wegen der Einzelheiten wird auf die in Ablichtung vorgelegte Berichterstattung der C am Sonntag Bezug genommen (Anlage BK1, Bl. 383 d.A.). Die Klägerin bezieht sich wegen der Berichterstattungen der B T2 SE sowie der C GmbH & Co. KG auf eine einstweilige Verfügung des Landgerichts Berlin vom 16.02.2017 (Az. 27 O 13/17, Anlage BK2, Bl. 384 ff. d.A.), zu der sie zudem eine Ablichtung einer eidesstattlichen Versicherung vorlegt (Bl. 387 d.A.). Sie behauptet, sie habe auch wegen der Veröffentlichung in der H gerichtliche Hilfe in Anspruch genommen. Schließlich legt die Klägerin verschiedene Unterlassungserklärungen anderer Medien vor (Anlage BK3, Bl. 388 ff. d.A.).

Die Klägerin behauptet, der Kommentar „Pärchenurlaub“ des Herrn S habe sich auf ihn und dessen Freundin bezogen. Herr S habe das Foto ohne ihre Zustimmung veröffentlicht. Die Klägerin habe sich seit ihrer Kenntnisnahme bemüht, die Veröffentlichung des Fotos zu unterbinden.

II.

Die zulässige Berufung hat auch in der Sache Erfolg.

1.

Die Klägerin hat gegen den Beklagten keinen Anspruch auf die begehrte Unterlassung aus § 1004 Abs. 1 Satz 2 analog, § 823 Abs. 1 BGB in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 GG, Art. 8 Abs. 1 EMRK, weil der Beklagte über eine wahre Tatsache berichtet hat, die der Sozialsphäre der Klägerin zuzuordnen ist.

a) Die Klägerin hat nicht hinreichend bestritten, zum Zeitpunkt der Veröffentlichung der streitgegenständlichen Äußerung mit Herrn T2 verheiratet gewesen zu sein.

Zwar hat sie in erster Instanz in Abrede gestellt, mit Herrn T2 „ein Verhältnis“ zu haben. Auf das umfangreiche Vorbringen des Beklagten in zweiter Instanz hat sie jedoch ? wie mit einer eidesstattlichen Versicherung gegenüber dem Landgericht Berlin – lediglich bestritten, dass sie bereits seit 2012 mit Herrn T2 verheiratet sei. Mit diesem, sich mindestens an der Grenze der ihr nach § 138 Abs. 1 ZPO obliegenden Wahrheitspflicht bewegenden Bestreiten hat die Klägerin indes eine vor dem Veröffentlichungszeitpunkt stattgefundene Eheschließung mit Herrn T2 nicht in Abrede gestellt. Dies gilt insbesondere angesichts dessen, dass die Klägerin ausweislich des von ihr selbst vorgelegten Bescheids der Stadt L3 im Melderegister (auch) unter dem Namen T2 geführt wird und zahlreiche öffentlich einsehbare Einträge zu ihren Werken bei der GEMA sowie „Akademie för uns kölsche Sproch“ unter dem Namen T2 vorhanden sind, was die Klägerin – wenn überhaupt – in Ansehung der vom Beklagten vorgelegten Ausdrucke einer Internetrecherche jedenfalls nicht hinreichend bestritten hat.

Das damit prozessual als unstreitig zu behandelnde Vorbringen des Beklagten, dass die Klägerin zum Veröffentlichungszeitpunkt mit Herrn T2 verheiratet war, ist deswegen auch nicht nach § 531 Abs. 2 Satz 1 ZPO präkludiert (vgl. BGHZ 161, 138).

b) Allerdings wird in der streitgegenständlichen Äußerung nicht über die Eheschließung zwischen der Klägerin und Herrn T2 berichtet. Vielmehr wird die Frage aufgeworfen, ob die Klägerin und Herr T2 ein „Verhältnis“ hatten. Offen bleiben kann insoweit, ob es sich um eine echte oder eine rhetorische Frage handelt (vgl. hierzu BVerfGE 85, 23; BVerfG, Beschl. d. 3. Kammer d. Ersten Senats v. 04.11.2013 – 1 BvR 2102/12, 1 BvR 1660/13 -, NJW 2014, 766; BGH, Urt. v. 09.12.2003 – VI ZR 38/03 -, NJW 2004, 1034; BGHZ 203, 239). Denn selbst wenn der Beklagte mit seiner Frage ein entsprechendes „Gerücht“ verbreitet hat, so ist eben dieses Gerücht wahr, weil die Klägerin und Herr T2 sogar verheiratet waren, was zugleich ein „Verhältnis“ zwischen ihnen umfasst. Mit der Äußerung, dass die beiden ein „Verhältnis“ haben, ist – angesichts der tatsächlich bestehenden Ehe – auch keine über die Behauptung einer Beziehung hinausgehende, die Klägerin in ihrem Persönlichkeitsrecht wegen einer negativen Konnotation beeinträchtigende Behauptung verbunden.

c) In Ansehung dessen hat der Beklagte mit der angegriffenen Äußerung nicht rechtswidrig in das Persönlichkeitsrecht der Klägerin eingegriffen.

aa) Wegen der Eigenart des Persönlichkeitsrechts als eines Rahmenrechts liegt seine Reichweite nicht absolut fest, sondern muss erst durch eine Abwägung der widerstreitenden grundrechtlich geschützten Belange bestimmt werden, bei der die besonderen Umstände des Einzelfalls sowie die betroffenen Grundrechte und Gewährleistungen der Europäischen Menschenrechtskonvention interpretationsleitend zu berücksichtigen sind. Der Eingriff in das Persönlichkeitsrecht ist nur dann rechtswidrig, wenn das Schutzinteresse des Betroffenen die schutzwürdigen Belange der anderen Seite überwiegt. Im Streitfall ist das durch Art. 2 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1 GG, Art. 8 Abs. 1 EMRK gewährleistete Interesse der Klägerin am Schutz ihrer Persönlichkeit mit dem in Art. 5 Abs. 1 GG, Art. 10 Abs. 1 EMRK verankerten Recht des Beklagten auf Meinungs- und Medienfreiheit abzuwägen (vgl. BGH, Urt. v. 30.09.2014 – VI ZR 490/12, AfP 2014, 534).

bb) Das Schutzinteresse der Klägerin überwiegt das Interesse des Beklagten an der Berichterstattung nicht.

(1) (a) Die Klägerin ist durch die streitgegenständliche Äußerung lediglich in ihrer Sozialsphäre betroffen.

(aa) Die Sozialsphäre betrifft den Bereich, in dem sich die persönliche Entfaltung im Kontakt mit der Umwelt vollzieht. Demgegenüber umfasst die Privatsphäre sowohl in räumlicher als auch in thematischer Hinsicht den Bereich, zu dem andere grundsätzlich nur Zugang haben, soweit er ihnen gestattet wird; dies betrifft in thematischer Hinsicht Angelegenheiten, die wegen ihres Informationsinhalts typischerweise als „privat“ eingestuft werden, etwa weil ihre öffentliche Erörterung als unschicklich gilt, das Bekanntwerden als peinlich empfunden wird oder nachteilige Reaktionen in der Umwelt auslöst (vgl. BGH, Urt. v. 20.12.2011 – VI ZR 261/10 –, MDR 2012, 279).

(bb) Eine Eheschließung ist dem Bereich der Sozialsphäre zuzuordnen (vgl. Burkhardt in: Wenzel, Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 5. Auflage 2003, Kapitel 5, Rn. 66). Es handelt es sich um einen Vorgang, durch den der Einzelne als ein in der Gemeinschaft lebender Bürger in Kommunikation mit anderen tritt, durch sein Verhalten auf andere einwirkt und damit die Belange des Gemeinschaftslebens berührt (vgl. zu den letztgenannten Voraussetzungen BGH, Urt. v. 21.11.2006 – VI ZR 259/05 -, NJW-RR 2007, 619). Neben einem Treuebekenntnis der Ehegatten bewirkt die Eheschließung die Erlangung bestimmter Rechtspositionen in der sozialen Gemeinschaft und wird durch einen staatlichen Akt mit Außenwirkung vollzogen (vgl. Senat, Urt. v. 17.05.2016 – 15 U 177/15 -, n.v.). Dementsprechend ist auch der Umstand, dass sie ein „Verhältnis“ hatten, ihrer Sozialsphäre zuordnen, weil dies mit der (amtlich) bekannt gewordenen Eheschließung notwendig verbunden ist.

(b) Ferner ist der Schutzbereich des allgemeinen Persönlichkeitsrechts der Klägerin unter dem Gesichtspunkt des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung betroffen, welches sich als Befugnis des Einzelnen darstellt, grundsätzlich selbst darüber zu entscheiden, ob und wann sowie innerhalb welcher Grenzen seine persönlichen Daten in die Öffentlichkeit gebracht werden (vgl. BGH, Urt. v. 13.01.2015 – VI ZR 386/13 -, NJW 2015, 776; Urt. v. 21.11.2006 – VI ZR 259/05 -, AfP 2007, 44; BVerfGE 54, 148; 35, 220). Dass das vom Beklagten offenbarte Verhältnis der Klägerin zu Herrn T2 deren Sozialsphäre zuzuordnen ist, steht der Annahme eines Eingriffs in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung nicht entgegen (vgl. BGH, Urt. v. 13.01.2015 – VI ZR 386/13 -, NJW 2015, 776).

(2) (a) Eine Berichterstattung über wahre Tatsachen aus der Sozialsphäre darf nur im Falle schwerwiegender Auswirkungen auf das Persönlichkeitsrecht mit negativen Sanktionen verknüpft werden, so etwa dann, wenn eine Stigmatisierung, soziale Ausgrenzung oder Prangerwirkung zu besorgen sind. Tritt der Einzelne als ein in der Gemeinschaft lebender Bürger in Kommunikation mit anderen, wirkt er durch sein Verhalten auf andere ein und berührt er dadurch die persönliche Sphäre von Mitmenschen oder Belange des Gemeinschaftslebens, dann ergibt sich aufgrund des Sozialbezuges nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts eine Einschränkung des Bestimmungsrechts desjenigen, über den berichtet wird (vgl. BVerfGE 97, 391; BVerfG, Beschl. der 1. Kammer des Ersten Senats v. 23.02.2000 – 1 BvR 1582/94 – NJW 2000, 2413, 2414; BVerfG, Beschl. der 1. Kammer des Ersten Senats v. 17.12.2002 – 1 BvR 755/99 und 756/99 ? AfP 2003, 43; auch BGH, Urt. v. 21.11.2006 – VI ZR 259/05 -, AfP 2007, 44; Urt. v. 20.12.2011 – VI ZR 262/10 – , ZUM-RD 2012, 253); dies gilt auch, wenn zugleich das Recht auf informationelle Selbstbestimmung betroffen ist (vgl. BGH, Urt. v. 13.01.2015 – VI ZR 386/13 -, NJW 2015, 776), weil nicht allein deswegen ein (rechtswidriger) Eingriff in die Privatsphäre der Klägerin zu bejahen ist (vgl. Senat, Urt. v. 17.05.2016 – 15 U 177/15 -, n.v.).

(b) Der schlichte Umstand einer Eheschließung sowie eines – damit verbundenen – „Verhältnisses“, also einer Beziehung mit Herrn T2, bewirkt weder eine Stigmatisierung, noch eine soziale Ausgrenzung noch gar eine Prangerwirkung, was letztlich auch die Klägerin nicht in Abrede stellt.

(aa) Vielmehr behauptet sie eine Gefährdung ihrer Person bei einem Bekanntwerden ihrer Beziehung zu Herrn T2. Denn dieser behandele in der Öffentlichkeit außerordentlich sensible Themen satirisch (u.a. Lesungen von Textstellen aus Hitlers „Mein Kampf“ sowie aus einer Rede von Goebbels), befinde sich aufgrund dessen in der ständigen Gefahr gewaltsamer Übergriffe und werde sogar mit dem Tode bedroht, nämlich von „gewaltbereiten Chaoten“ und insbesondere Neonazis. Als das „Gerücht“ erstmalig aufgekommen sei, habe es entsprechende Übergriffe auch auf sie gegeben. Die Gefährdungslage sei erst wieder „abgeebbt“, nachdem die die Klägerin gegen eine derartige Presseberichterstattung vorgegangen sei. Da Herr T2 Schutzmaßnahmen ergriffen habe, könne sie als „weiches Ziel“ in den Focus derartiger Personen rücken.

(bb) Es kann dahin stehen, ob mit der Behauptung einer solchen (vermeintlichen) Gefährdung eine Berichterstattung über eine wahre Tatsache aus der Sozialsphäre angesichts der vorbeschriebenen Einschränkung des Bestimmungsrechts des Betroffenen sanktioniert werden kann. Denn das diesbezügliche Vorbringen der Klägerin ist zum einen unsubstantiiert, weil eine konkrete Gefährdungslage gerade nicht konkret beschrieben wird. Jedenfalls und zum anderen – sowie für den Senat maßgebend – ist die Klägerin selbst in der Öffentlichkeit mit „außerordentlich sensiblen“ Themen präsent. Sie scheut es gerade nicht, polarisierend in der Öffentlichkeit aufzutreten, und zwar auch und insbesondere mit Bezug zu „Neonazis“; insoweit genügt der Verweis auf ihr auf You-Tube verfügbares und vom Beklagten in Bezug genommenes Video „Wie blöd du bist“. Weshalb sie in Ansehung ihres diesbezüglichen öffentlichen Verhaltens durch das Bekanntwerden einer Beziehung mit Herrn T2 zusätzlich gefährdet sein sollte, erschließt sich dem Senat nicht.

(3) Nach alledem und einer Gesamtbetrachtung sämtlicher Umstände überwiegen die Schutzinteressen der Klägerin das Berichterstattungsinteresse des Beklagten nicht, so dass dahin stehen kann, ob die Klägerin sich hinsichtlich der Beziehung mit Herrn T2 selbst geöffnet hat, ob die Beziehung bereits vor der streitgegenständlichen Veröffentlichung einer größeren Öffentlichkeit bekannt war und hierdurch das Gewicht des Eingriffs gemindert ist sowie ob schließlich durch die Berichterstattung ab Anfang Dezember 2016, mit der die Heirat der Klägerin der breiten Öffentlichkeit bekannt geworden ist, jedenfalls die Wiederholungsgefahr entfallen ist.

(4) Mit diesem Abwägungsergebnis ist allerdings keine Wertung des Senats dahin verbunden, dass der Beklagte folgenlos über bloße „Gerüchte“ berichten darf; vielmehr ist die Entscheidung davon geprägt, dass der Beklagte mit diesem „Gerücht“ – auch wenn er dies zum Zeitpunkt der Veröffentlichung (wohl) nicht wusste – eine wahre Tatsache aus der Sozialsphäre behauptet hat. Eine wahre Tatsachenbehauptung aus der Sozialsphäre kann aber nicht deswegen verboten werden, weil die Wahrheit dem Äußernden zum Äußerungszeitpunkt nicht bewusst ist.

2.

Mangels Anspruchs in der Hauptsache hat die Klägerin auch keinen Anspruch auf Erstattung außergerichtlicher Rechtsverfolgungskosten.

3.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf § 709 Satz 1, Satz 2 ZPO.

4.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO nicht vorliegen. Weder kommt der Rechtssache grundsätzliche Bedeutung zu noch erfordern Belange der Rechtsfortbildung oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs; der Senat hat im Einzelfall über die Zulässigkeit der Äußerung einer wahren Tatsache aus der Sozialsphäre der Klägerin entschieden.

Berufungsstreitwert: 25.000,00 €.

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