OLG Köln, Urteil vom 07. Dezember 2011 – 2 U 19/11

Juli 10, 2020

OLG Köln, Urteil vom 07. Dezember 2011 – 2 U 19/11
Prozessvoraussetzungen: Beweiserhebung von Amts wegen bei Zweifeln an der Prozessfähigkeit eines Klägers
Tenor
Auf die Berufung des Beklagten wird das am 11. Januar 2011 verkündete Urteil des Einzelrichters der 21. Zivilkammer des Landgerichts Köln, 21 O 144/10, abgeändert und unter Zurückweisung der Anschlussberufung wie folgt neu gefasst:
Die Klage wird als unzulässig abgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen zu tragen.
Dieses Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Dem Kläger wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des nach diesem Urteil beizutreibenden Betrages abzuwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils beizutreibenden Betrages leistet.
Gründe
(Anstelle von Tatbestand und Entscheidungsgründen gemäß § 540 Abs. 1 ZPO)
I.
Der Kläger ist der Sohn der am XX.XX.xxx verstorbenen Frau B. C.; diese hatte 2 Kinder, der Ehemann war bereits vorverstorben. Der Beklagte ist der Sohn der am XX.XX.xxx nachverstorbenen Tochter der Erblasserin (Sterbeurkunde Bl. 9 d.GA.) sowie einer der Enkel der Erblasserin. Die Erblasserin wurde zunächst von dem Kläger sowie seiner Schwester beerbt. Zu dem bisher nicht auseinandergesetzten Nachlass gehört ein Haus in N., in dem sich zwei Wohnungen mit einer Größe von jeweils etwa 45 qm befinden. Die Schwester des Klägers (= Mutter des Beklagten) wurde nach ihrem Tod (zunächst) von ihren 5 Kindern beerbt. Aufgrund der Ausschlagung der Erbschaft durch die übrigen Kinder (siehe Bl. 7, 8, 13 ff., 17 ff. d.GA.) wurde der Beklagte Alleinerbe seiner Mutter. Die Erbengemeinschaft nach der verstorbenen Frau B. C. besteht nunmehr aus den Parteien des vorliegenden Rechtsstreits.
Der Beklagte und seine Mutter zogen nach dem Tod der Erblasserin in das zu dem Nachlass gehörende Haus „M.-straße xxx“ in N. ein, wobei zwischen den Parteien Streit über den genauen Zeitpunkt besteht. Ausweislich der Meldebescheinigung der Gemeinde N. vom 24. April 2010 ist der Beklagte seit dem 15. November 2005 unter der Anschrift „M. Straße xxx“ gemeldet (vgl. Kopie Bl. 68 d.GA.). Seit dem Tod seiner Mutter nutzt der Beklagte das Hausgrundstück allein. Unter dem 1. Dezember 2005 schloss die Mutter des Beklagten mit diesem einen Mietvertrag über die in der 1. OG befindliche Wohnung. Das Mietverhältnis sollte zum 15. November 2005 beginnen und es wurde ein Mietzins von monatlich 202,50 EUR zuzüglich 107,19 EUR Nebenkostenvorauszahlung vereinbart (Kopie des Mietvertrages vom 1. Dezember 2005; Bl. 54 ff. d.GA.).
Mit Schriftsatz vom 22. Januar 2008 (Kopie Bl. 59 f. d.GA.) forderte der Kläger von seiner Schwester die Zahlung einer Nutzungsentschädigung für die Nutzung des Hausgrundstücks. Hierauf teilte der damalige Verfahrensbevollmächtigte der Mutter des Beklagten mit, sie habe ab Januar 2006 monatlich die Zahlung von 200,00 EUR (Kaltmiete) erhalten (vgl. Schriftsatz Bl. 61 f. d.GA.). Mit Schriftsatz der jetzigen Verfahrensbevollmächtigten vom 4. November 2009 führt der Kläger u.a. aus (Bl. 83 d.GA.):
„Seit dem Tod ihrer Mutter bewohnen Sie das Grundstück alleine. Geht man auch für die Monate September, Oktober und November 2009 von einer Nutzungsentschädigung in Höhe von jeweils 315,00 EUR aus, sind unserem Mandanten bisher insgesamt Einnahmen von 13.545,00 EUR entgangen ….
……
Bis das Haus verkauft ist, ist an unseren Mandanten eine monatliche Nutzungsentschädigung in Höhe von mindestens 315,00 EUR zu zahlen. Sollte dieser Betrag nicht bis spätestens zum jeweils 3. Werktag eines Monats …. eingehen, werden wird unserem Mandanten empfehlen, gerichtlich gegen Sie vorzugehen.“
In einem von den Parteien betriebenen Teilungsversteigerungsverfahren wurde ein Gutachten des Sachverständigen G. eingeholt. In dem Gutachten beziffert – so der Tatbestand der angefochtenen Entscheidung – der gerichtlich beauftragte Sachverständige den für das Haus erzielbaren Mietwert mit monatlich 437,25 EUR (vgl. auch das Schreiben des Sachverständigen vom 29. Juli 2010; Bl. 98 f. d.GA.).
Mit der vorliegenden Klage hat der Kläger zunächst u.a. die Zahlung von Mietzinsen bzw. einer Nutzungsentschädigung für folgende Zeiträume beansprucht:
Nutzung durch den Beklagten
vom 15. November 2005 bis 30. August 2009
= 45 Monate x ½ von 202,50 EUR = 4.556,25 EUR
Nutzung durch die Schwester
vom 1. Januar 2007 bis 30. August 2009
= 32 Monate x 215,00 EUR = 6.880,00 EUR
Nutzung durch den Beklagten
vom 30. August 2009 bis 30. April 2010
= 8 Monate x 315,00 EUR = 2.520,00 EUR
insgesamt 13.956,25 EUR
Mit Schriftsatz vom 16. August 2010 (Bl. 100 f. d.GA.) hat der Kläger eine neue Berechnung vorgenommen:
Nutzung durch die Schwester bzw. durch Beklagten
von Dezember 2005 bis August 2010
57 Monate x ½ von 437,25 EUR = 218,63 EUR 12.461,91 EUR
Nutzungsentschädigung
ab September 2010 monatlich 218,63 EUR
Er hat behauptet, sowohl seine Schwester als auch der Beklagte würden das Hausgrundstück seit Dezember 2005 nutzen (Beweis: Parteivernehmung des Beklagten, Bl. 66 d.GA.). Er habe die Miterbin bereits im Dezember 2005 zur Zahlung einer Nutzungsentschädigung aufgefordert (Beweis: Parteivernehmung des Beklagten, Bl. 66 d.GA.). Weiterhin hat er die Auffassung vertreten, der Beklagte sei verpflichtet, an ihn den hälftigen erzielbaren Mietzins von 437,24 EUR, wie er von dem Sachverständigen G. ermittelt worden sei, auszukehren (Kopie des Schreibens des Dipl.-Ing. G. vom 29. Juli 2010, Bl. 98 f. d.GA.).
Der Kläger hat zuletzt beantragt,
den Beklagten zu verurteilen, an ihn 16.217,77 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. Januar 2006 sowie darüber hinaus ab September 2010 eine monatliche Nutzungsentschädigung in Höhe von 217,63 EUR bis zum dritten Werktag jeden Monats zu zahlen.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er hat behauptet, er sei nach dem Tod der Erblasserin aus der Wohnung ausgezogen und erst am 30. September 2009 wieder dort eingezogen. Der Mietvertrag vom 1. Dezember 2005 sei nicht zur Ausführung gelangt (Beweis: Zeugen D., K., H. und I.; Bl. 90, 112 d.GA.), sondern später wieder aufgehoben worden. Seine Mutter sei erst am 1. Januar 2007 eingezogen und habe den Kläger aufgefordert, das Haus „entsprechend seinem Anteil“ (so die Formulierung in dem landgerichtlichen Urteil) zu nutzen. Der monatliche Mietwert belaufe sich auf allenfalls 120,00 EUR. Zudem seien von der Mutter sowie später von ihm selbst in erheblichem Umfang substanzerhaltende Renovierungen vorgenommen sowie sämtliche laufenden Unterhaltskosten sowie die Tilgungsleistungen an die Bausparkasse erbracht worden. Insgesamt hätten sie Tilgungen in Höhe von 3.834,50 EUR, Versicherungsbeiträge in Höhe von 1.138,40 EUR, Unterhaltskosten in Höhe von 2.881,48 EUR sowie weitere allgemeine Kosten in Höhe von 1.275,49 EUR erbracht.
Durch Urteil vom 11. Januar 2011 hat der Einzelrichter der 21. Zivilkammer des Landgerichts den Beklagten zur Zahlung einer Nutzungsentschädigung in Höhe von 9.803,46 EUR verurteilt. Diesen Betrag hat er wie folgt berechnet:
Nutzung Beklagter
Dezember 2005 bis August 2009
45 Monate x 202,50 EUR : ½ = 4.556,25 EUR
Nutzung Schwester des Klägers (= Mutter des Beklagten)
Februar 2008, bis August 2009
18 Monate x ½ von 437,25 EUR x ½ Anteil = 109,32 EUR = 1.967,76 EUR
Nutzung ab Tod der Schwester
September 2009 bis November 2010
15 Monate x ½ von 437,25 EUR = 218,63 EUR = 3.279,45 EUR
insgesamt 9.803,46 EUR
Zudem hat das Landgericht den Beklagten verurteilt, ab Dezember 2010 eine monatliche Nutzungsentschädigung in Höhe von 218,63 EUR, fällig zum 1. des jeweiligen Folgemonats, bis zu seinem Auszug aus dem Haus M.traße xxx in N. oder der Auseinandersetzung der zwischen den Parteien bestehenden Erbengemeinschaft nach Frau D. (sic ! = Mutter des Beklagten) zu zahlen.
Hiergegen richtet sich die Berufung des Beklagten. Er beruft sich nunmehr (erstmals) darauf, dass es sich vorliegend um eine unzulässige Teilauseinandersetzung handele. Zudem macht er geltend, er habe das Grundstück nicht genutzt.
Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Landgerichts Köln, 21 O 144/10, abzuändern und die Klage in vollem Umfang abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Zudem stellt er im Wege der Anschlussberufung die Anträge,
hilfsweise
1. den Beklagten zu verurteilen, an die Erbengemeinschaft nach der am 10. April 2005 in J. verstorbenen Frau B. C., bestehend aus dem Kläger und dem Beklagten als alleiniger Rechtsnachfolger der am 30. August 2009 in N. verstorbenen Frau D. 19.606,92 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus jeweils 202,50 EUR seit dem 1. der Monate 2006 bis Februar 2008, aus jeweils 421,14 EUR seit dem 1. der Monate 2008 bis September 2009 und aus jeweils 437,26 EUR sei dem 1. der Monate Oktober 2009 bis Dezember 2010 zu zahlen,
2. den Beklagten zu verurteilen, an die unter Ziffer 1) bezeichnete Erbengemeinschaft eine monatliche Nutzungsentschädigung in Höhe von 437,26 EUR fällig zum 1. des jeweiligen Folgemonats, bis zu seinem Auszug aus dem Haus M.str. xxx in N. oder der Auseinandersetzung der zwischen den Parteien bestehenden Erbengemeinschaft nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
höchst hilfsweise,
1. festzustellen, dass der Beklagte dem Kläger bei der künftigen Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft nach Frau B. C. , bestehend aus dem Kläger und dem Beklagten als alleiniger Rechtsnachfolger der am 30. August 2009 in N. verstorbenen Frau D. einen Betrag von 9.803,46 EUR schuldet,
2. weiter festzustellen, dass der Beklagte dem Kläger darüber hinaus bei der künftigen Auseinandersetzung der unter Ziffer 1) bezeichneten Erbengemeinschaft ab Dezember 2010 eine monatliche Nutzungsentschädigung in Höhe von 218,63 EUR fällig zum 1. des jeweiligen Folgemonats, bis zu seinem Auszug aus dem Haus M.str. xxx in N. oder der Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft schuldet.
Der Senat hat Beweiserhebung angeordnet über die Prozessfähigkeit des Klägers gemäß Beschluss vom 12. Oktober 2011 durch Einholung eines schriftlichen Gutachtens eines psychiatrischen Sachverständigens. Insoweit ist dem Kläger aufgegeben worden, zu einem von dem Sachverständigen zu bestimmenden Untersuchungstermin zu erscheinen. Mit Beschluss vom 26. Oktober 2011 hat der Senat darauf hingewiesen, dass er in Abänderung seines Beschlusses vom 12. Oktober 2011 von der Einholung des angeordneten Gutachtens absehe, nachdem der Kläger mit einem von ihm persönlich verfassten Schreiben vom 24. Oktober 2011 einer entsprechenden Begutachtung widersprochen hat.
Die Akte der den Kläger betreffenden Betreuungsverfahren XVII 0573/06 Amtsgericht T. und 46 XVII 70/04 Amtsgericht Gummersbach lagen vor und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf das angefochtene Urteil des Landgerichts Köln sowie auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlage Bezug genommen.
II.
1. Gegen die Zulässigkeit der form- und fristgerecht eingelegten und begründeten Berufung des Beklagten sowie der Anschlussberufung des Klägers bestehen keine Bedenken. Die Frage der Prozessunfähigkeit der Klägers kann an dieser Stelle dahinstehen, weil die Prozessunfähigkeit des Klägers nicht die Unzulässigkeit der von dem Beklagten eingelegten Berufung zur Folge hat.
2. Auf die zulässige Berufung hin war das angefochtene Urteil wie aus dem Tenor ersichtlich abzuändern. Die Klage ist unzulässig, da in dem vorliegenden Fall nicht die Prozessfähigkeit festgestellt werden kann. Prozessunfähig ist gemäß § 52 ZPO i.V.m. § 104 Nr. 2 BGB, wer sich in einem die freie Willensbildung ausschließenden Zustand krankhafter Störung der Geistestätigkeit befindet, sofern nicht der Zustand seiner Natur nach ein vorübergehender ist. Ein Ausschluss der freien Willensbestimmung ist anzunehmen, wenn der Betroffene nicht mehr in der Lage ist, seine Entscheidungen von vernünftigen Erwägungen abhängig zu machen. Dabei können die Geschäftsunfähigkeit und damit die Prozessfähigkeit wegen einer geistigen Störung auch nur für einen beschränkten Kreis von Angelegenheiten – etwa die mit einem bestimmten Streitkomplex zusammenhängenden Verfahren – ausgeschlossen sein (BGHZ 143, 122, 125).
Sind – wie hier – konkrete Anhaltspunkte dafür gegeben, dass Prozessunfähigkeit einer Partei vorliegen könnte, so hat das Gericht wegen dieser Frage, da es um eine Prozessvoraussetzung geht, von Amts wegen Beweis zu erheben, wobei es nicht an die förmlichen Beweismittel des Zivilprozesses gebunden ist, weil der Grundsatz des Freibeweises gilt (vgl. nur BGH, NJW 1996, 1059; BGHZ 143, 122 [124]). Verbleiben nach Erschöpfung aller erschließbaren Erkenntnisquellen hinreichende Anhaltspunkte für eine Prozessunfähigkeit, so gehen etwa noch vorhandene Zweifel zu Lasten der betroffenen Partei (BGH, aaO).
Nach diesen Maßstäben ist der Kläger für das vorliegende Verfahren als prozessunfähig anzusehen, weil die Zweifel an der Prozessunfähigkeit des Klägers durch die Beweisaufnahme nicht ausgeräumt worden sind. Aus den Akten ergaben sich Hinweise darauf, dass dem Kläger die erforderliche Prozessfähigkeit fehlt. So ist bereits in der Sitzung vor dem Landgericht vom 1. Juni 2010 (Bl. 73 d.GA.) erklärt worden, dass der Kläger früher unter Betreuung stand. Entsprechend bestand für Senat Veranlassung zur Überprüfung der Prozessfähigkeit des Klägers von Amts wegen. Nach Beiziehung der Betreuungsakten haben sich ganz erhebliche Anhaltspunkte dafür ergeben, dass der Kläger seit vielen Jahren wegen einer „blande verlaufenden Psychose aus dem schizophrenen Formenkreis“ an einer krankhaften Störung der Geistestätigkeit leidet, welche die freie Willensbestimmung ausschließt. Aus den Unterlagen folgt, dass der Kläger bereits im Jahre 2009 und damit zum Zeitpunkt der Mandatierung seiner Prozessbevollmächtigten und der Einreichung der Klage berechtigte Zweifel an der Geschäfts- und Prozessfähigkeit des Klägers bestehen.
Diese Zweifel werden genährt durch mehrere gegen den Kläger eingeleitete Betreuungsverfahren. So wurde beim Amtsgericht T. unter dem Aktenzeichen XVII 0573/06 ein Betreuungsverfahren geführt, nachdem sowohl das OLG O. als auch das Kammergericht im Jahre 2005 eine Einrichtung einer Betreuung angeregt haben. In diesem sowie in anderen Verfahren sind dann eine Reihe von Gutachten erstattet worden, die jeweils zu dem Ergebnis gelangen, der Kläger sei geschäfts- und prozessunfähig. So hat der Landgerichtsarzt bei dem Landgericht S. U., der Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie, Forensische Psychiatrie und Neurologie ist, unter dem 8. März 2006 in einem gegen den Kläger gerichteten Strafverfahren ein neurologisch-psychiatrisches Sachverständigengutachten erstattet, in dem dieser auf der Grundlage einer eingehenden Untersuchung des Klägers am 25. Januar 2006 sowie der bei den Akten befindlichen Unterlagen zu folgendem Ergebnis gelangt (Bl. 65 ff. d.BA.):
„Diagnostisch besteht bei Herrn E. eine paranoide Entwicklung bei querulatorischer Persönlichkeit.
Die paranoide Entwicklung tritt überwiegend bei Männern, meist zwischen dem 45. und 60 Lebensjahr auf. Bei den Erkrankten handelt es sich in der Regel um entsprechend disponierte Menschen, die einen langen Kampf voller kleinerer Beeinträchtigungen und Enttäuschungen erlebt haben. Bei diesen Personen ist die Sensibilisierung stark fortgeschritten. Das Schlüsselerlebnis eines tatsächlich oder vermeintlich erlittenen Unrechts wird zu einer überwertigen Idee, die zunehmend das gesamte Handeln und Denken bestimmt.
Es zeigt sich auch bei Herrn E. in typischer Weise, dass die fortschreitende Entwicklung des Denkens und der Handlungsmotivation bezüglich der von ihm empfundenen „Verfolgungen“ und des sich dagegen „selbst Verteidigen müssens“ zu einer ausufernden Aggressivität und starken Belastungen geführt hat. Das fanatische Agieren des Herrn E. führt dazu, dass sich schließlich ein starkes Missverhältnis zwischen seinen primären Anliegen und den daraus folgenden Aktionen bzw. Reaktionen zeigt.
Auch bei Herrn E. ist das gesamte Verhalten von einer Mischung aus einer missionarischen Penetranz sowie einer fanatischen und verbalen Aggressivität gekennzeichnet. Durch diesen Circulus-vitiosus schädigt sich Herr E. fortschreitend ständig und löst sich auch zunehmend aus allen seinen sozialen Bindungen. Aufgrund seines ausgeprägten Realitätsverlustes kann er nicht mehr realisieren, dass Frau P. nicht seine Vorsorgebevollmächtigte ist. Wie Frau P. bei ihrer Vernehmung im Verfahren 142 Js 95134/05, Staatsanwaltschaft S., Zweigstelle T., auf Seite 62 angegeben hat, ist Herr E. der Bruder ihrer Mutter. Herr E. habe selbst eine Vorsorgevollmacht geschrieben und sie ihr zugeschickt. Diese habe aktuell keine Bedeutung, sie sei auch nicht notariell beglaubigt. Herr E. habe ihr diese Vorsorgevollmacht einfach nur zugeschickt. Sie wisse nicht, warum Herr E. sie als Verfasserin der Schreiben angebe, das sei ihr auch mehr als unangenehm.
Die im Namen von Frau P. verfassten Schriftstücke weisen eine andere Handschrift auf als die Schriftprobe der Frau P. (vgl. Blatt 63 der vorgenannten Akte).
Bei der jetzigen Untersuchung haben sich keine Hinweise für eine akut psychotische Symptomatik wie Halluzinationen oder Illusionen ergeben. Differenzial-diagnostisch könnte jedoch auch eine blande verlaufende Psychose aus dem schizophrenen Formenkreis vorliegen.
Aufgrund des ausgeprägten Realitätsverlustes ist die Einsichtsfähigkeit des Herrn E. bezüglich der ihm zur Last gelegten Taten, insbesondere bezüglich seines „Kampfes“ gegen die Justiz, Behörden etc. aufgehoben.
Bei den bei Herrn E. vorliegenden psychischen Erkrankungen handelt es sich um eine krankhafte seelische Störung im Sinne der Kriterien des § 20 StGB.
Zusammenfassend stelle ich fest:
1. Aufgrund der vorliegenden querulatorischen Persönlichkeitsentwicklung und der paranoiden Störung ist die Einsichtsfähigkeit des Herrn E. in das Unrecht seines Tuns bezüglich seines „Kampfes“ gegen Behörden, Amtspersonen etc. aufgehoben. Die Voraussetzungen des § 20 StGB liegen für diesen Bereich positiv vor (generelle und spezielle Schuldfähigkeit zu den Tatzeitpunkten).
2. Herr E. ist krankheitsbedingt nicht in der Lage, den Sinn und Zweck der gegenüber ihn erhobenen Vorwürfe zu verstehen und sich entsprechend zu verteidigen. Aufgrund der Aufhebung seiner Einsichtsfähigkeit ist er auch verhandlungsunfähig.
3. Generell wäre Herr E. zwar reisefähig. Aufgrund der Aufhebung seiner Einsichtsfähigkeit ist er jedoch nicht in der Lage, den Sinn und Zweck sowie auch die Notwendigkeit einer Gerichtsverhandlung zu erkennen und sich entsprechend zu verhalten.
Bezüglich der bei Herrn E. vorliegenden psychischen Erkrankung bestehen bei ihm weder ein Krankheitsgefühl noch eine Krankheitseinsicht.
Generell könnte durch einen Behandlungsversuch (adäquat nervenärztliche Behandlung) eine Verbesserung des Gesundheitszustandes des Herrn E. eintreten. Herr E. wird sich jedoch aufgrund seiner völligen Krankheitsuneinsichtigkeit jeglicher Behandlung massiv widersetzen. Sofern eine Untersuchung der Verhandlungsfähigkeit nötig werden sollte, sollte sie in frühestens 2 Jahren erfolgen.
Mit einer wesentlichen Besserung des jetzt festgestellten Gesundheitszustandes des Herrn E. ist nach ärztlichem Ermessen in absehbarer Zeit nicht zu rechnen.
Nachbemerkung:
Aufgrund der völligen Krankheitsuneinsichtigkeit des Herrn E. ist er nicht in der Lage, den Sinn und Zweck auch der jetzigen Begutachtung und des Begutachtungsergebnisses zu verstehen.
Es sollten deshalb die von Herrn E. an Gerichte sowie sonstige Amtsbehörden gerichteten Briefe nicht bearbeitet werden. Es sollte Herrn E. insbesondere keine Mitteilung über den Ausgang der Verfahren gemacht werden, da zu befürchten ist, dass sich dadurch wieder seine Erkrankung verstärkt.
Nervenärztlicherseits liegen die Voraussetzungen zur Nichtbearbeitung der von Herrn E. gestellten Anträge vor. Herr E. sollte ferner auch nicht über die Nichtbehandlung seiner Anträge informiert werden. Auch der Inhalt meines Gutachtens sollte Herrn E. aus den vorgenannten Gründen, sofern möglich, nicht zugänglich gemacht werden.“
In einem weiteren in dem Rechtsstreit 5 U 8/05 Oberlandesgericht O. erstatteten Gutachten vom 17. Oktober 2006 ist dieser Sachverständige dann zu folgendem Ergebnis gelangt (Bl. 181 f. d.BA.):
„Auch bei kritischer Durchsicht der derzeit bekannten Aktenlage (gegenständliches Verfahren beim OLG O.) zeigen sich die typischen Symptome der paranoiden Entwicklung, wie ich sie auch in meinem Vorgutachten beschrieben habe.
Aufgrund der hierfür typischen Schreiben des Herrn E., insbesondere zur Ablehnung des Herrn Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht C.1 und auch im Schreiben an den Präsidenten des Oberlandesgerichts O. zeigte sich ein deutlicher Verlust der Realität. Sobald Herr E. bemerkt, dass ein Verfahren eine für ihn negative Wendung nimmt, verfällt er in typischer Weise, wie auch in zahlreichen anderen mir bekannten Verfahren in Anschuldigungen wie „Neofaschist“, „Rassist“, Vorwurf der Amtsanmaßung, Urkundenfälschung, Unterschlagung, Bestechung etc.
In einem Schriftstück im vorgenannten Akt hat er ebenfalls wieder mit P. unterschrieben. Es ist jedoch davon auszugehen, dass diese Unterschrift von Herrn E. stammt. Er hat wohl mit dem Namen P. unterschrieben. Frau P. selbst verneint jeglichen Kontakt zu Herrn E., siehe meine Ausführungen in meinem Gutachten vom 08.03.2006, Blatt 13.
Herr E. ist wahnhaft (= unkorrigierbar) davon überzeugt, dass er Recht habe.
Die bei Herrn E. vorliegende paranoide Entwicklung tritt überwiegend bei Männern auf, meist zwischen dem 45. und 60. Lebensjahr. Bei den Erkrankten handelt es sich in der Regel um entsprechend disponierte Menschen, die einen langen Kampf voller kleinerer Beeinträchtigungen und Enttäuschungen erlebt haben. Bei diesen Personen ist die Sensibilisierung stark fortgeschritten. Das Schlüsselerlebnis eines tatsächlich oder vermeintlich erlittenen Unrechts wird zu einer überwertigen Idee, die zunehmend das gesamte Handeln und Denken bestimmt.
Dieses Krankheitsbild zeigt sich auch nach derzeit bekannter Aktenlage in dem gegenständlichen Verfahren vor dem Oberlandesgericht O. 5 U 8/05.
Insbesondere die Schriftstücke des Herrn E. ab Seite 316 ff. der Akten zeigen in typischer Weise, dass die fortschreitende Entwicklung des Denkens und der Handlungsmotivation bezüglich der von Herrn E. empfundenen „Verletzungen“ und die Nichtgewährung des von ihm als rechtmäßig empfundenen „Schadensausgleiches“ durch ein sich „selbst Verteidigen müssen“ zu einer ausufernden Aggressivität und starken Belastungen geführt hat. In typischer Weise agiert Herr E. teils fanatisch, so dass sich schließlich ein starkes Missverhältnis zwischen seinen primären Anliegen und den daraus folgenden Aktionen bzw. Reaktionen zeigt.
Auch im gegenständlichen Verfahren ist das gesamte Verhalten des Herrn E. von einer Mischung aus einer missionarischen Penetranz und einer fanatischen und verbalen Aggressivität gekennzeichnet. Im Rahmen dieses Circulus-vitiosus schädigt sich Herr E. fortschreitend ständig. Er löst sich auch zunehmend aus seinen sozialen Bindungen. Auch in diesem Verfahren zeigt sich der ausgeprägte Realitätsverlust dadurch, dass er z.B. Begriffe des BGB’s mit sozial-rechtlichen Begriffen vermischt und hier entsprechende Argumentationen als „wahr“ darstellt. Herr E. ist nach wie vor wahnhaft (= unkorrigierbar) davon überzeugt, dass Frau P. seine Vorsorgebevollmächtigte sei. Dies widerspricht jedoch eindeutig den Angaben der Frau P. (s.o.). Wie der Vernehmung der Frau P. im Verfahren 142 Js 95134/05, Staatsanwaltschaft S., Zweigstelle T., zu entnehmen ist, habe nicht sie, sondern Herr E. selbst ohne ihr Wissen die Vorsorgevollmacht geschrieben. Auch für einen Nichtschriftsachverständigen zeigen sich deutliche Unterschiede in von Herrn E. und Frau P. verfassten Schriftstücken (siehe Schriftprobe der Frau P. im vorgenannten Verfahren).
Aufgrund meiner Untersuchungen sowie auch bei kritischer Würdigung der derzeit bekannten Aktenlage haben sich keine Hinweise für eine akut psychotische Symptomatik wie. Halluzinationen oder Illusionen ergeben. Neben der paranoiden Entwicklung mit querulatorischen Zügen könnte auch eine blande verlaufende Psychose aus dem schizophrenen Formenkreis bei Herrn E. vorliegen. Die Diagnose selbst ist jedoch nicht entscheidend, sondern ausschließlich die Auswirkungen der hier vorliegenden Erkrankungen auf die Geschäfts- und Prozessfähigkeit.
Der ausgeprägte Realitätsverlust führt dazu, dass die Fähigkeit des Herrn E. eigenverantwortlich durch Rechtsgeschäfte, also durch Willenserklärungen und Verträge, gewollte Rechtsfolgen herbeizuführen, aufgehoben ist. Herr E. befindet sich in einem die freie Willensbestimmung ausschließenden Zustand krankhafter Störung der Geistestätigkeit. Herr E. ist wegen der bei ihm vorliegenden Erkrankungen nicht mehr in der Lage, einen Prozess selbst oder durch einen selbstbestellten Vertreter führen zu lassen, also Prozesshandlungen selbst wirksam vorzunehmen oder vornehmen zu lassen. Wegen des ausgeprägten Realitätsverlustes und der Wahnentwicklung ist Herr E. in dem gegenständlichen Verfahren, Oberlandesgericht O., 5 U 8/05, sowie auch in sonstigen gerichtlichen und außergerichtlichen Verfahren prozess- und geschäftsunfähig.
Zusammenfassend stelle ich fest:
Wegen des ausgeprägten Realitätsverlustes und der Wahnentwicklung ist Herr E. in dem gegenständlichen Verfahren, Oberlandesgericht O. , 5 U 8/05, sowie auch in sonstigen gerichtlichen und außergerichtlichen Verfahren prozess- und geschäftsunfähig.“
Diese Feststellungen werden dann von dem Sachverständige in seinem neurologisch-psychiatrischen Gutachten vom 7. Februar 2007 betreffend ein Verfahren zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung (Bl. 220 ff. d.BA.) nochmals bestätigt. Dort heißt es (Bl. 226 d.BA.):
„Wie ich bereits ausgeführt habe, befindet sich Herr E. aufgrund seiner Erkrankung in einem die freie Willensbildung ausschließenden Zustand krankhafter Störung der Geistestätigkeit. Er ist nicht prozessfähig, er ist also nicht mehr in der Lage, einen Prozess selbst oder durch einen selbstbestellten Vertreter führen zu lassen, also Prozesshandlungen selbst wirksam vorzunehmen oder vornehmen zu lassen. Herr E. ist deshalb nicht in der Lage, den Sinn und Zweck einer eidesstattlichen Versicherung zu erfassen und entsprechende Entscheidungen zu treffen.“
In einem weiteren Gutachten vom 19. Juni 2008 hat der Sachverständige u.a. ausgeführt (Bl. 438 ff. d.BA.):
„Beantwortung der Fragen des Gerichts:
1. Bei Herrn E. bestehen eine psychische Erkrankung, eine geistige sowie eine körperliche Behinderung (paranoid-querulatorische Wahnentwicklung, DD: blande verlaufende Psychose aus dem schizophrenen Formenkreis, …….
2. Herr E. ist krankheitsbedingt nicht in der Lage, seine Angelegenheiten im Bereich der Gesundheitsfürsorge, der Bestimmung des Aufenthaltes, der Wohnungs-, Vermögens- und Rentenangelegenheiten, der Vertretung in gerichtlichen und außergerichtlichen Verfahren sowie gegenüber Behörden, auch in Zivilprozessen und Nebenverfahren selbst zu besorgen. Die notwendige Betreuung umfasst alle Bereiche (im juristischen Sinne), auch den Bereich der Kontrolle des Post- und Fernmeldeverkehrs.
3. …..
Nachbemerkung:
1. Ich habe sämtliche Untersuchungen und Befragungen selbst durchgeführt.
Das Gutachten stützt sich auf die übersandte Akte sowie eine eingehen de Untersuchung von Herrn E. am 10.06.2008 in seiner Wohnung inS.1.
2. Es wurden die in der Psychiatrie üblichen Untersuchungsmittel angewandt (psychiatrische Exploration sowie Psychodiagnostik).
3. …..“
Bei seiner mündlichen Anhörung durch das OLG O. am 26. Juni 2008 in einem vor dem dortigen Gericht von dem hiesigen Kläger geführten Rechtsstreit hat der Sachverständige dann ausweislich des Sitzungsprotokolls u.a. ausgeführt (Bl. 456 ff. d.BA.):
„Zur Geschäfts- und Prozessfähigkeit des Klägers beziehe ich mich vorab auf mein schriftliches Gutachten vom 17.10.2006. Wie dort näher dargelegt, besteht bei Herrn E. eine wahnhafte Entwicklung. Aufgrund der persönlichen Eindrücke, die ich von Herrn E. gewonnen habe und der Schriftstücke des Herrn E., die ich gesehen habe, komme ich zu der Überzeugung, dass diese wahnhafte Entwicklung schon vor Sommer 2002 bestanden hat. Zumindest bestand damals eine partielle Geschäftsunfähigkeit hinsichtlich des hier vorliegenden Zivilprozesses. Die querulative Entwicklung von Herrn E. zeichnete sich schon in früherer Zeit ab. Ich habe zwar heute meine Unterlagen zu meiner Einschaltung als Sachverständiger in Strafverfahren nicht dabei, meine aber aus der Erinnerung heraus, dass ich bereits im Jahr 2002 vom Amtsgericht T. in einer Strafsache gegen Herrn E. gutachterlich tätig werden sollte. Damals ging es um die Schuldfähigkeit von Herrn E.. Auch in dem Strafverfahren bin ich aufgrund der Aktenlage und des persönlichen Eindrucks zu dem Ergebnis der Schuldunfähigkeit gekommen. Herr E. hat eine ausgeprägte Zwecktendenz, d. h. er passt sein Verhalten dem jeweils von ihm erstrebten Ergebnis an. So auch in dem hiesigen Zivilprozess.
Eine eingehende Anamnese des Herrn E. wurde von mir anlässlich einer Untersuchung am 25.01.2006 durchgeführt. Herr E. versuchte damals auf konkrete Fragen auszuweichen. Er verschleierte Tatsachen. Inwieweit seine Angaben zutrafen, habe ich nicht im Einzelnen überprüft. Einige Äußerungen, die ersichtlich unrichtig waren, habe ich aber im Gutachten dargestellt. Die Angaben über seine damals vorhandenen Erkrankungen waren allerdings plausibel.
Es ist richtig, dass sich die wahnhafte Entwicklung im Laufe dieses Prozesses verstärkt hat. Aus meiner Kenntnis hat Herr E. eine Vielzahl von Prozesse geführt, insbesondere auch im sozialgerichtlichen Bereich. Die Sozialgerichtsakten konnte ich nicht einsehen, aber es zieht sich wie ein roter Faden durch die jeweiligen Verfahren, dass Herr E. nach relativ harmlosen Ereignissen hohe Ansprüche versucht durchzusetzen. Es ist generell so, dass Herr E. nach einem Unfallereignis sofort an Schadensersatzansprüche denkt und diese Ansprüche dann als immer größer werdend einschätzt. Das ist keine willentliche von ihm gesteuerte Angelegenheit, sondern Ausfluss seiner Krankheit. Auch im vorliegenden Rechtsstreit schätze ich die Ursache, nämlich den Unfall mit der Inline-Skaterin, als harmlos ein. Was Herr E. hieraus „gemacht hat“, ergibt sich aus den Akten.
Es besteht kein Zweifel, dass Herr E. derzeit geschäfts- und prozessunfähig ist. Im Zusammenhang mit dem Betreuungsverfahren beim Amtsgericht T. habe ich Herrn E. am 10.06.2008 erneut erlebt. Zusammen mit der Betreuungsrichterin und zwei Polizeibeamten war ich am Eingang zu seiner Wohnung, Herr E. hatte die Tür geöffnet und es kam zu einer Unterredung zwischen der Betreuungsrichterin und ihm. Teilweise habe ich ebenfalls mit Herrn E. sprechen können. Bei dieser Gelegenheit konnte ich Herrn E. erneut beobachten und explorieren. Unter dem 19.06.2008 habe ich ein neues Gutachten erstellt, das ich beim Amtsgericht T. eingereicht habe. Es kommt zu dem o. g. Ergebnis der Geschäfts- und Prozessunfähigkeit. Das Gutachten kommt auch zu dem Ergebnis, dass Herr E. in vollem Umfang betreuungsbedürftig ist und zwar einschließlich der Kontrolle des Post- und Fernmeldeverkehrs. Darüber hinaus besteht eine Betreuungsbedürftigkeit für die Vertretung in gerichtlichen und außergerichtlichen Verfahren sowie gegenüber Behörden auch in Zivilprozessen und Nebenverfahren. Die Durchschrift des Gutachtens, die als Durchschrift nicht unterschrieben ist, habe ich heute dabei. Von ihr können Ablichtungen gefertigt werden. Das Original des Gutachtens weicht von diesem Dokument nicht ab.
Eine Anhörung durch das Gericht wäre bei Herrn E. nur mit Hilfe von mehreren Polizeibeamten möglich, da Herr E. erfahrungsgemäß bei Voranmeldung seine Wohnungstüre nicht öffnet. Durch den Kontakt mit Polizeibeamten und Justizpersonen verstärkt sich der Verfolgungswahn des Herrn E.. Dies führt auch zu erheblichen psychophysischen Auswirkungen, die für seine Gesundheit schädlich sind. Hinsichtlich des Schriftverkehrs mit Herrn E. habe ich diesbezüglich bereits in meinem schriftlichen Gutachten Ausführungen gemacht.“
Gegen diese gutachterlichen Ausführungen bestehen keine Bedenken. Der Sachverständige hat zur Erstellung seines Gutachtens nicht nur eine eigene psychiatrische Untersuchung des Klägers vorgenommen, sondern auch den Inhalt der Betreuungsakten umfänglich einbezogen. Entsprechend hat das Amtsgericht T. mit Beschluss vom 30. Juni 2008 (Bl. 447 d.BA.) die Betreuung mit dem Aufgabenbereich „Alle Angelegenheiten, incl. Entgegennahme, Öffnen und Anhalten der Post sowie Entscheidung über Fernmeldeverkehr.“ angeordnet. Diese ist zwar auf die Beschwerde des hiesigen Klägers mit Beschluss des Landgerichts S. vom 19. März 2009 (7 T 337/08) wieder aufgehoben worden. Indes war Grund nicht etwa eine fehlende Voraussetzung für eine Anordnung der Betreuung, sondern eine – von dem Beschwerdegericht angenommene – Betreuungsunfähigkeit. Entsprechend heißt es in dem Beschluss (Bl. 727 ff. d.BA.) u.a.:
„Nach § 1896 Abs. 2 BGB darf ein Betreuer nur für Aufgabenkreise bestellt werden, in denen eine Betreuung erforderlich ist. Die Bestellung eines Betreuers verlangt die konkrete Feststellung, dass sie – auch unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes – notwendig ist, weil der Betroffene auf entsprechende Hilfen angewiesen ist und weniger einschneidende Maßnahmen nicht in Betracht kommen. Diese Notwendigkeit entfällt, wenn sich der angestrebte Zweck durch die vorgesehene Maßnahme nicht erreichen lässt. Dies ist u.a. dann der Fall, wenn die Bestellung eines Betreuers keinen Erfolg verspricht (vgl. BT-Drucks. 11/4528 S. 147). So liegt es hier: Ausweislich der von der Kammer eingeholten Information verweigert der Betroffene jegliche Kooperation. Kontaktversuche des Betreuers sind ebenso wie die des von ihm beauftragten Rechtsanwalts erfolglos geblieben. Angesichts des durch den Betroffenen gezeigten Verhaltens, das in der Akte dokumentiert ist, ist auch nicht zu erwarten, dass dieser seine Einstellung ändert. Aus den Ausführungen des Sachverständigen in seinem Gutachten vom 19.6.2008 ergibt sich nichts anderes Der Sachverständige führt dort zwar aus, dass die Betreuung auch gegen den Willen und ggfs. ohne Mitwirkung des Betroffenen angeordnet werden müsse, da er sich sonst weitere erhebliche, ggfs. lebensbedrohliche Gesundheitsschädigungen sowie erhebliche wirtschaftliche Schäden zufügen werde. Weder aus dem Gutachten selbst noch aus dem sonstigen Akteninhalt geht indes hinreichend hervor, dass diese Befürchtung gerechtfertigt wäre.
Der angegriffene Beschluss des Amtsgerichts war daher aufzuheben und von der Anordnung einer Betreuung abzusehen.“
Eine weitere Aufklärung der Frage der Prozessfähigkeit war dem Senat nicht möglich, da der Kläger mit Schreiben vom 24. Oktober 2011 mit einer entsprechenden Begutachtung seiner Person nicht einverstanden erklärt hat, und sich aus der beigezogenen Akten ergibt, dass der Kläger immer wieder Untersuchungen durch Ärzte, das Gericht oder Mitarbeiter der Betreuungsstelle verhindert, so beispielsweise im Dezember 2005/Januar 2006 (Vermerk des Landratsamtes T.-Bogen vom 14. Dezember 2005; Bl. 13 d.BA.; Vermerk vom 10. Januar 2008; Bl. 20 d.BA.), im Dezember 2006/Januar 2007 (Aktennotiz des Sachverständigen Dr. T.1 vom 29. Januar 2007; Bl. 205 d.BA.), am 20. Februar 2007 (Protokoll der nichtöffentlichen Sitzung des Vormundschaftsgerichts T.; Bl. 223 d.BA.), im Oktober 2007 (nervenärztliche Stellungnahme des Sachverständigen Dr. T.1 vom 17. Oktober 2007; Bl. 301 f. d.GA.). Der Senat konnte von der Person des Klägers auch keinen persönlichen Eindruck gewinnen, da dieser – trotz Anordnung des persönlichen Erscheinens und ordnungsgemäßer Ladung – nicht zum Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Senat erschienen ist.
Eine Prozessfähigkeit des Klägers folgt auch nicht aus der in dem Betreuungsverfahren ergangenen Entscheidung des Oberlandesgerichts N.1 vom 9. Februar 2009, 33 Wx 199/08 (Bl. 667 ff. d.GA.). Das Rechtsbeschwerdegericht hat nicht die angeordnete Betreuung deshalb aufgehoben, weil es von einer fehlenden Notwendigkeit der Einrichtung einer Betreuung ausgegangen ist. Vielmehr hat das Gericht die angeordnete umfängliche Betreuung als zu umfassend erachtet und insoweit weitere Sachaufklärung für erforderlich erachtet, da auf der Grundlage des eingeholten Gutachtens keine umfassende Betreuung angeordnet werden könne. Die Feststellung des Sachverständigen bezüglich der von ihm diagnostizierten paranoid-querulatorischen Entwicklung würde sich ausschließlich auf Gerichtsprozesse und auf das Betreuungsverfahren beziehen. Nur insoweit sei der vom Sachverständigen diagnostizierte Realitätsverlust erkennbar.
Für eine Prozessfähigkeit des Klägers spricht schließlich nicht die von ihm vorgelegte „Ärztliche Bescheinigung“ des Dr. med. F. vom 2. September 2011. Aus dieser ergibt sich bereits nicht, dass der Unterzeichner den Kläger überhaupt im Hinblick auf die Frage der Prozessfähigkeit untersucht hat und insoweit überhaupt eine eigene zuverlässige Einschätzung abgeben kann. So heißt es in der Bescheinigung, der Kläger sei bei dem Arzt nur „in gelegentlicher hausärztlicher Betreuung.“ Zudem sind die Ausführungen des Arztes widersprüchlich. So wird in der Bescheinigung aufgrund „des Umfangs der Erkrankungen“ die Notwendigkeit einer „Vertretung“ bejaht, gleichzeitig aber auch aufgezeigt, das der Patient „selbstständig auf Grund eigener Einsichts- und Handlungsfähigkeit mit eigenständiger und dauerhafter Willensbildung auftreten“ könne. Auf die von dem Arzt in seiner Bescheinigung angesprochene Frage, ob der hiesige Kläger über eine „Vorsorgebevollmächtigung“ entscheiden kann, kommt es für die Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits nicht an. Im Übrigen ist Herr Dr. F. als „Allgemeinarzt“ aufgrund seiner Ausbildung nicht in der Lage, die hier streitentscheidende Frage der Prozessfähigkeit ausreichend zu beantworten. Nach der ständigen obergerichtlichen Rechtsprechung, der sich der Senat anschließt, bedarf es für die Begutachtung der Geschäftsfähigkeit und des Geisteszustandes einer besonderen Sachkunde, über die regelmäßig nur Ärzte für Neurologie und/oder Psychiatrie, auf diesen Fachgebieten erfahrene Klinikärzte, Amtsärzte der Gesundheitsämter bei einer entsprechenden psychiatrische Vorbildung sowie – in Bayern – auch die Landgerichtsärzte verfügen (vgl. auch Keidel/Sternal, FamFG, 17. Auflage 2011, § 30 Rn. 86 m.w.N.).
Im Übrigen hat sich der Kläger ausweislich der beigezogenen Akten in anderen Verfahren ausdrücklich auf seine Prozessunfähigkeit berufen, so unter anderem in einem Verfahren vor dem Landgericht Berlin (4 O 484/04) sowie dem Kammergericht (4 W 35/05; vgl. Schreiben des Kammergerichts vom 28. August 2005; Bl. 93 d.BA.), in einem Verfahren betreffend die Abgabe der eidesstattlichen Versicherung (3 M 3303/2006 Amtsgericht T.) und in einem Verfahren vor dem Bayerischen Landessozialgericht (L 2 P 34/07; L 2 B 911/07 P ER; Bl. 321 d.BA.). In den beiden erstgenannten Verfahren hat er eine ärztliche Bescheinigung des Dr. med. A. vom 4. November 2004 vorgelegt (Bl. 94 d.BA.), ausweislich derer er – der Kläger – „prozess- und reiseunfähig“ ist.
Da vorliegend nach Erschöpfung aller erschließbaren Erkenntnisse hinreichende Anhaltspunkte für eine Prozessunfähigkeit verbleiben, gehen nach der ständigen, vom Senat geteilten obergerichtlichen Rechtsprechung etwa noch vorhandene Zweifel zu Lasten der betroffenen Partei, hier des Klägers (BGH, NJW 1996, 1059 [1060]; BGHZ 142, 122 [124] = NJW 2000, 289; NJW-RR 2011, 284; BAGE 93, 248 [251] = NZA 2000, 613; BAG, NJW 2009, 3051).
Kann danach – jedenfalls im Zusammenhang mit dem vorliegenden Rechtsstreit – nicht von einer Geschäfts- und damit Prozessfähigkeit ausgegangen werden, so hätte es, um dennoch die Geschäfts- und damit die Prozessfähigkeit bejahen zu können, des Nachweises eines „lichten Augenblicks“ bedurft (BGH, NJW 1988, 3011); eine bloß theoretische Möglichkeit eines „lichten Augenblicks“ genügt für die Annahme der Geschäftsfähigkeit nicht. Dass ein solcher vorlag, ist nicht erwiesen. Dagegen spricht letztlich auch, dass der Sachverständige U. bei dem Kläger über Jahre hinweg stets eine Geschäfts- und Prozessunfähigkeit festgestellt hat und er in seinem Gutachten vom 25. Januar 2006 festgestellt hat, dass mit einer wesentlichen Besserung des von ihm festgestellten Gesundheitszustandes nach ärztlichem Ermessen in absehbarer Zeit nicht zu rechnen ist.
Dem Kläger kann auch nicht für die Durchführung des von ihm geführten Rechtsstreits ein Prozesspfleger (§ 57 Abs. 1 ZPO) bestellt werden, wie der Vorsitzende des Senats bereits mit Beschluss vom 8. November 2011 entschieden und hierzu ausgeführt hat:
„Nach § 57 Abs. 1 ZPO hat der Vorsitzende des Prozessgerichts dann, wenn eine nicht prozessfähige Partei verklagt werden soll, ihr auf Antrag bis zum Eintritt eines gesetzlichen Vertreters einen besonderen Vertreter (Prozesspfleger) zu bestellen, wenn andernfalls Gefahr im Verzug besteht. Tragender Grund dieser gesetzlichen Regelung ist es, dass die prozessuale Geltendmachung von Rechten nicht an der mangelnden Vertretung des Gegners scheitern soll (vgl. BGHZ 93, 1 [9]; OVG Koblenz, NVwZ-RR 1988, 693 [694]; Zöller/Vollkommer, ZPO, 28. Aufl. 2010, § 57 Rdn. 1 mit weit. Nachw. aus der Rechtsprechung); die Bestimmung sieht deshalb nur die Bestellung eines Prozesspflegers für den Beklagten vor. Auf den Fall der Prozessunfähigkeit eines Klägers ist sie daher nach nahezu einhellig vertretener Auffassung nicht anwendbar (vgl. OLG Koblenz, Urteil vom 25. November 2009 – 1 U 1611/06 -, juris; Sächs. OVG, Beschluss vom 1. Juli 2011 – 5 B 84/11 -, juris; Musielak/Weth, ZPO, 8. Aufl. 2011, § 57, Rdn. 1; Zöller/Vollkommer, a.a.O.; vgl. auch BGH NJW 1962, 1510 f.). § 57 ZPO gilt hier nach seinem Wortlaut und seinem Sinn nicht. Vielmehr ist für einen prozessunfähigen Kläger durch das Vormundschaftsgericht ggfls. ein Betreuer zu bestellen.
Allerdings hat das Bundesarbeitsgericht in einem Beschluss vom 28. Mai 2009 (NJW 2009, 3051 [3052 unter Ziff. 4]) angenommen, die entsprechende Anwendung des § 57 Abs. 1 ZPO auf den Kläger sei dann angezeigt, wenn das Prozessgericht ihn für prozessunfähig erachtet, während das für die Bestellung eines Betreuers zuständige Gericht seine Geschäfts- und Prozessfähigkeit bejaht. Denn in einem solchen Fall dürfe die Rechtsverfolgung nicht an der unterschiedlichen Beurteilung der Prozessfähigkeit durch verschiedene Gerichte oder Behörden scheitern. Ein derartiger Fall ist hier indes nicht gegeben. Vielmehr hat, das Landgericht S. die zuvor angeordnete Betreuung des Klägers durch Beschluss vom 19. März 2009 allein deshalb aufgehoben, weil der Kläger jeglichen Kontakt zu dem bestellten Betreuer ablehne. Es bedarf deshalb hier keiner Entscheidung, ob der genannten Ansicht des Bundesarbeitsgericht gefolgt werden kann (verneinend OLG Koblenz, a.a.O., bei Sachs, FamRZ 2011, 1550 [1552, re. Sp.] offenbar auch als OLG Karlsruhe bezeichnet).
Abgesehen hiervon fehlt es vorliegend auch an der in § 57 Abs. 1 ZPO bezeichneten Gefahr. Der Prozessbevollmächtigten des Klägers ist die Betreuungsakte auf ihren Antrag vom 18. Dezember 2009 noch im Dezember 2009 zur Einsicht (in ihrer damaligen Kanzlei) übersandt worden. Seither hatte sie u.a. auch Kenntnis von dem Gutachten des Landgerichtsarztes bei dem Landgericht S. vom 19. Juni 2008, von dem Beschluss des Oberlandesgerichts N.1 vom 9. Februar 2009 und von dem genannten Beschluss des Landgerichts S. vom 19. März 2009. Für die Bestellung eines (allgemeinen) gesetzlichen Vertreters hätte mithin schon seit Ende 2009 Sorge getragen werden können.“
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 97 Abs. 1, 91 Abs. 1 ZPO; die Abweisung der Klage als unzulässig führt in kostenrechtlicher Hinsicht zu einem vollständigen Unterliegen des Klägers.
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision nach § 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor. Die maßgeblichen Fragen im Zusammenhang mit der Prozessunfähigkeit einer Partei sind in der höchstrichterlichen Rechtsprechung abschließend geklärt; die Beurteilung des Streitfalles beruht nur auf einer einzelfallbezogenen Würdigung.
Streitwert für das Berufungsverfahren: 24.853,92 EUR
hiervon entfallen auf die Berufung des Beklagten:
Zahlungsantrag 9.803,46 EUR
Zahlung einer monatlichen Nutzungsentschädigung
in Höhe von 218,63 EUR: 2.623,56 EUR
(§§ 48 GKG, 3 ZPO)
insgesamt: 12.427,02 EUR
und auf die Anschlussberufung des Klägers
Zahlungsantrag: 19.606,92 EUR
künftige Zahlungen 12x 437,25 EUR 5.247,00 EUR
insgesamt 24.853,92 EUR
(der von dem Beklagte zitierte §§ 19 Abs. 2 GKG ist bereits im Jahre 2004 geändert worden. Entsprechende Regelungen finden sich nunmehr in §§ 45 Abs. 1 S. 2, S. 3 GKG. Soweit eine Entscheidung über die Hilfsanträge ergeht, führt dies auch unter Berücksichtigung des § 45 GKG zu einer Erhöhung des Streitwertes. Der Kläger begehrt mit dem Hilfsantrag die Feststellung, dass der Beklagte zur Zahlung von 19.906,92 EUR und für die Zukunft in Höhe von 437,26 EUR verpflichtet ist. Verurteilt worden ist der Beklagte lediglich zur Zahlung von 9.803,46 EUR sowie monatlich 218,63 EUR.

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