OLG Köln, Urteil vom 11.03.2016 – 20 U 178/14

November 11, 2021

OLG Köln, Urteil vom 11.03.2016 – 20 U 178/14

Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das am 1. Oktober 2014 verkündete Urteil der 23. Zivilkammer des Landgerichts Köln – 23 O 85/12 – wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens hat der Kläger zu tragen.

Dieses Urteil sowie das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe
I.

Von der Darstellung der tatsächlichen Feststellungen wird gemäß § 540 Abs. 2 ZPO i.V.m. § 313 a Abs. 1 Satz 1 ZPO abgesehen.

II.

Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg. Das Landgericht Köln hat die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen.

1.

Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Erstattung der Kosten für die Behandlung seiner inzwischen verstorbenen Ehefrau (Versicherungsnehmerin) mit dendritischen Zellen.

a) Gemäß § 1 Abs. 1 RB/KK 2008 bietet die Beklagte Versicherungsschutz für Krankheit, Unfälle und andere im Vertrag genannte Ereignisse, wobei in der Krankheitskostenversicherung Ersatz von Aufwendungen für Heilbehandlung und sonst vereinbarte Leistungen erbracht werden. Nach § 1 Abs. 2 S. 1 RB/KK 2008 ist ein Versicherungsfall die medizinisch notwendige Heilbehandlung einer versicherten Person wegen Krankheit oder Unfallfolgen.

Bei der Beurteilung der Frage, ob eine Heilbehandlung medizinisch notwendig ist – mithin ein Versicherungsfall vorliegt -, ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (VersR 1996, 1224), der sich der Senat angeschlossen hat (vgl. Urteil vom 18. Oktober 2013 – 20 U 125/13 -, VersR 2014, 1200), ein objektiver Maßstab anzulegen. Danach ist eine medizinische Behandlung notwendig, wenn es nach den objektiven medizinischen Befunden und Erkenntnissen zum Zeitpunkt der Behandlung vertretbar war, die Maßnahme des Arztes als medizinisch notwendig anzusehen. Davon ist dann auszugehen, wenn eine Behandlungsmethode zur Verfügung steht und angewendet wird, die geeignet ist, die Krankheit zu heilen, zu lindern oder ihrer Verschlimmerung entgegen zu wirken. Bei schweren, lebensbedrohenden oder lebenszerstörenden Erkrankungen – wie dem metastasierten Mammakarzinom der Versicherungsnehmerin – ist die objektive Vertretbarkeit der Behandlung bereits dann zu bejahen, wenn sie nach medizinischen Erkenntnissen im Zeitpunkt ihrer Vornahme als wahrscheinlich geeignet angesehen werden konnte, auf eine Verhinderung der Verschlimmerung der Erkrankung oder zumindest auf ihre Verlangsamung hinzuwirken (BGH a.a.O.; Senat, Urteil vom 15. Juni 2012 – 20 U 45/11-). Es ist insoweit nicht zu fordern, dass der Behandlungserfolg näher liegt als sein Ausbleiben. Ausreichend ist vielmehr, wenn die Behandlung mit nicht nur ganz geringer Erfolgsaussicht die Erreichung dieses Behandlungsziels als möglich erscheinen lässt.

Nach § 4 Abs. 6 RB/KK 2008 leistet die Beklagte im vertraglichen Umfang Ersatz der Kosten für Untersuchungs- und Behandlungsmethoden und Arzneimittel, die von der Schulmedizin überwiegend anerkannt sind. Sie leistet darüber hinaus für Methoden und Arzneimittel, die sich in der Praxis als ebenso erfolgversprechend bewährt haben oder die angewandt werden, weil keine schulmedizinischen Methoden oder Arzneimittel zur Verfügung stehen. Im Grundsatz müssen Methoden der alternativen Medizin damit in ihrer Wirksamkeit einer ebenfalls zu Gebote stehenden Methode der Schulmedizin gleichkommen (vgl. Senat, Urteil vom 15. Juni 2012; OLG Stuttgart NJOZ 2010,882). Daraus folgt jedoch nicht, dass bei alternativen Methoden eine Erfolgsdokumentation vorliegen müsse, die derjenigen der Schulmedizin vergleichbar ist; denn typischerweise verfügen die verschiedenen Richtungen der alternativen Medizin gerade nicht über solche Dokumentationen, weil sie weniger verbreitet sind und es auch wegen der Definition des Behandlungserfolgs schwieriger ist, ihre Erfolge zu belegen.

b) Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme handelt es sich bei der durchgeführten Therapie mit dendritischen Zellen nicht um eine Methode, die nach den dargestellten Grundsätzen als medizinisch notwendig anzusehen ist.

Die dendritische Zelltherapie ist keine von der Schulmedizin überwiegend anerkannte Behandlungsmethode. Das haben sowohl der vom Landgericht beauftragte Sachverständige Prof. Dr. T als auch der Sachverständige Prof. Dr. C in seinem zweitinstanzlichen Gutachten klargestellt und ist im Übrigen auch zwischen den Parteien nicht streitig.

aa) Bei Einleitung und Durchführung der dendritischen Zelltherapie haben schulmedizinische Methoden für die Behandlung der Versicherungsnehmerin zur Verfügung gestanden.

Der Sachverständige Prof. Dr. C hat ausgeführt, nach der S3-Leitlinie zum Mammakarzinom hätten mehrere Indikationen zur adjuvanten Chemotherapie vorgelegen, die von der Versicherungsnehmerin abgelehnt worden seien. Als etablierte Therapie eines disseminiert metastasierten Mammakarzinoms sei die Verabreichung einer Kombination der Medikamente Paclitaxel und Bevacizumab anzusehen. Ende 2010/Anfang 2011 habe bei der Versicherungsnehmerin eine solche Behandlung auch stattgefunden, die aber schon nach dem ersten Zyklus auf Wunsch der Patientin abgebrochen worden sei; in jener Phase sei ein „Staging“ der Metastasen zur Überprüfung des Ansprechens auf diese Therapie noch nicht möglich gewesen. Als etablierte Therapie hätten alternativ die Präparate Platin und Gemcitabin in Kombination, aber auch andere Substanzen zur Verfügung gestanden. Die besten Remissionsraten würden mit einer Kombination aus einem Taxan und einem Anthrazyklin oder Antimetaboliten erzielt. Letztlich bleibe in der metastasierten Situation die Chemotherapie der zentrale Ansatz einer sinnvollen Therapie; die verfolgten Ziele seien hier die Lebensverlängerung, die Linderung Tumorassoziierter Symptome und das Erreichen eines akzeptablen Levels der Lebensqualität.

Den nachvollziehbaren und überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. C zufolge, die im Ergebnis auch mit dem Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. T übereinstimmen, hätte die Versicherungsnehmerin daher mit schulmedizinischen Methoden, nämlich der im Gutachten beschriebenen Chemotherapie entweder mit der Kombination Paclitaxel/Bevacizumab über mehrere Zyklen oder – bei mangelndem Erfolg oder Unverträglichkeit – mit einer Mehrzahl anderer Medikamente behandelt werden können. Dabei hat der Sachverständige betont, dass es sich zwar im Wesentlichen um palliative Therapien gehandelt hätte, durch diese aber zumindest die Zeit bis zum Fortschreiten der Erkrankung hätte verlängert werden können und eine Linderung der Symptome sowie ein akzeptables Maß an Lebensqualität erreichbar gewesen wären. Zudem seien die mit der Chemotherapie verbundenen Nebenwirkungen individuell unterschiedlich stark ausgeprägt und durch eine Vielzahl potenter Medikamente therapierbar.

bb) Die Behandlung mit dendritischen Zellen hat sich jedenfalls bei dem in Rede stehenden Krankheitsbild nicht – im Sinne der Versicherungsbedingungen – in der Praxis als ebenso erfolgversprechend bewährt wie die schulmedizinische Methode der Chemotherapie.

Bereits der Sachverständige Prof. Dr. T hat in seinem für das Landgericht erstatteten Gutachten darauf hingewiesen, dass für den Bereich des metastasierten Brustkrebses keine relevante Fallzahl existiere, nach welcher infolge einer Behandlung mit dendritischen Zellen eindeutige Remissionen, Verbesserungen der Symptomatik oder ein längeres Überleben hätten erwartet werden können; hierzu gebe es beim größten Weltkongress über Brustkrebs seit Jahren auch keine positiven Beiträge mehr.

Der Sachverständige Prof. Dr. C hat, im Ergebnis mit Prof. Dr. T übereinstimmend, ausgeführt, die ersten klinische Studien seien an Melanom-Patienten durchgeführt worden, wobei eine signifikante Remission der Tumorerkrankung nur in einer sehr kleinen Subpopulation habe erzielt werden können. Zwar werde auch für andere Tumorerkrankungen wie beispielsweise das Mammakarzinom vereinzelt von erfolgreichen Fällen berichtet, jedoch hätten die überzeugenden in vitro-Daten in klinischen Studien weniger gut belegt werden können, was am ehesten dadurch bedingt sei, dass eine erhöhte Immunantwort in vitro nicht immer mit einer objektiven Tumorregression einhergehe. Die DC-Therapie scheine vor allem bei immunogenen Tumoren wie dem malignen Melanom oder bei Nierenzellkarzinomen sinnvoll zu sein; zu diesen immunogenen Tumoren zähle das Mammakarzinom aber nicht. Zudem fehle es bislang an randomisierten Studien der klinischen Phase III; insgesamt reiche die aktuelle Datenlage mit Stand 2011 für eine Empfehlung der DC-Therapie nicht aus. Danach existieren keine hinreichenden Anhaltspunkte für eine auch nur mögliche Wirksamkeit der dendritischen Zelltherapie jedenfalls bei Erkrankungen der hier vorliegenden Art.

Das Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. C überzeugt den Senat. Es befasst sich eingehend mit der Erkrankung der Versicherungsnehmerin, gibt detailliert den Kenntnisstand der Medizin zur Therapie mit dendritischen Zellen wieder und bietet plausible Schlussfolgerungen. Zudem stimmt es mindestens im Ergebnis mit den Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. T überein. Im Übrigen wird selbst in der vom Kläger vorgelegten Stellungnahme von Frau Dr. N zum Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. T eingeräumt, dass es zur dendritischen Zelltherapie „lediglich einige wenige klinische Studien“ gebe, und die „Falldarstellung“ der Dres. O, N und Q in der E für Onkologie 2004 – eine aktuellere Veröffentlichung wird nicht erwähnt – betrifft eine einzige Patientin und kann schon deshalb nicht repräsentativ sein.

Ohne Erfolg macht der Kläger schließlich geltend, der von dem Sachverständigen Prof. Dr. C gezogene Schluss, die dendritische Zelltherapie bei der Versicherungsnehmerin sei keine medizinisch notwendige Behandlung gewesen, stehe im logischen Widerspruch zu den Feststellungen im Gutachten; es fehle nämlich an einschlägigen Studien, welche die Wirksamkeit der Dendritentherapie „per se und auch im Vergleich zu standardisierten Verfahren“ untersuchen und gegebenenfalls bestätigen würden. Der Sachverständige habe selbst ausgeführt, eine „wissenschaftlich bewiesene signifikante Überlegenheit“ der Dendritentherapie gegenüber der klassischen Chemotherapie habe noch nicht festgestellt werden können. Dass die Wirksamkeit bislang nicht nachgewiesen sei, bedeute – so der Einwand des Klägers – aber nicht, dass es keine Wirksamkeit gegeben habe; im Übrigen gehe es nicht um eine Überlegenheit der dendritischen Zelltherapie gegenüber der klassischen Chemotherapie. Zwar trifft es zu, dass der Sachverständige Prof. Dr. C an zwei Stellen seines Gutachtens den Begriff der „Überlegenheit“ verwendet hat, während die medizinische Notwendigkeit der alternativen Behandlungsmethode im vorliegenden Fall keine Überlegenheit gegenüber der Chemotherapie voraussetzt. Aus den Ausführungen des Sachverständigen geht indes – und das ist entscheidend – klar hervor, dass es keine randomisiert getesteten Studien für die Wirksamkeit der Behandlung metastasierter Mammakarzinome mit dendritischen Zellen gibt. Das Fehlen jeglichen brauchbaren Datenmaterials für die Wirkung der dendritischen Zelltherapie kann entgegen der Ansicht des Klägers aber nicht dazu führen, dass die beklagte Versicherung Kosten für eine Behandlungsmethode zu erstatten hat, deren medizinischer Nutzen lediglich nicht auszuschließen ist. Erstattungspflichtig ist der Krankenversicherer nur für Behandlungen, die erwiesenermaßen medizinisch notwendig sind; den Nachweis hat der Versicherungsnehmer als Anspruchsteller zu erbringen (Bach/Moser-Kalis, Private Krankenversicherung, 4. Auflage 2009, § 1 MB/KK Rn. 38, § 4 MB/KK Rn. 58 m.w.N.). Dem Kläger ist der von ihm zu führende Beweis jedoch nicht gelungen.

2.

Ein Anspruch auf Erstattung vorgerichtlich angefallener Rechtsverfolgungskosten scheidet mangels Bestehens eines Hauptanspruchs aus.

3.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10., 713 ZPO.

4.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision nach § 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor. Die Sache hat weder grundsätzliche Bedeutung noch bedarf es einer Entscheidung des Revisionsgerichtes zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung. Vielmehr beruht die Entscheidung lediglich auf einer Würdigung der konkreten Umstände des vorliegenden Einzelfalls.

Berufungsstreitwert: 16.598,96 €

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