OLG Köln, Urteil vom 12.05.2015 – 15 U 13/15

November 28, 2021

OLG Köln, Urteil vom 12.05.2015 – 15 U 13/15

Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Köln vom 17.12.2014 (28 O 220/14) abgeändert und die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen trägt der Kläger.

Das Urteil ist für die Beklagte gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120% des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird zugelassen.

Gründe
I.

Der Kläger nimmt die Beklagte auf Unterlassung der Bereithaltung von fünf Beiträgen in Anspruch, die in deren Online-Archiv unter www.S.de abgerufen werden können. Die Beiträge berichten über ein Ermittlungsverfahren, das im Jahre 2012 gegen den Kläger wegen des Verdachts des sexuellen Missbrauchs widerstandsunfähiger Personen eingeleitet und wenige Monate später nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellt worden war. Weiter verlangt der Kläger Erstattung seiner außergerichtlichen Anwaltskosten. Hinsichtlich der Einzelheiten sowie der erstinstanzlich gestellten Anträge wird Bezug auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils (Bl. 70 ff. d.A.) genommen.

Mit Urteil vom 17.12.2014 hat das Landgericht der Klage stattgegeben und zur Begründung ausgeführt, dass die weitere Bereithaltung der Berichterstattung über das Ermittlungsverfahren mit Namensnennung des Klägers diesen in seinem Persönlichkeitsrecht beeinträchtige und die Interessen des Klägers schon aufgrund der Einstellung des Ermittlungsverfahrens mangels hinreichenden Tatverdachts das öffentliche Informationsinteresse überwiegen würden. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten der Begründung wird Bezug auf die angefochtene Entscheidung (Bl. 70 ff. d.A.) genommen.

Mit der Berufung verfolgt die Beklagte ihren erstinstanzlichen Klageabweisungsantrag weiter. Sie macht geltend, das Landgericht habe dem Persönlichkeitsrecht des Klägers zu Unrecht den Vorrang gegenüber dem Grundrecht der Pressefreiheit eingeräumt und zudem die höchstrichterliche Rechtsprechung zum elektronischen Archiv nicht hinreichend berücksichtigt. Da die Berichte über den Kläger zunächst eine zulässige Verdachtsberichterstattung dargestellt hätten, sei sie nur verpflichtet, den Berichten einen entsprechenden Nachtrag anzufügen, was unstreitig geschehen ist. Eine Löschung des Beitrags komme dagegen nicht in Betracht. Da die Beiträge nur bei gezielter Suche zu finden seien, müsse bei der Abwägung auch berücksichtigt werden, dass der betreffende Sucher bereits wisse, dass der Kläger in ein staatsanwaltschaftliches Ermittlungsverfahren verwickelt gewesen sei. Auch zum aktuellen Zeitpunkt weise die Ergebnisliste der Suchmaschine „H“ nach der Eingabe „O“ knapp 10.000 Treffer auf und auch andere Medien und Blogger würden über den Fall berichten.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Landgerichts Köln vom 17.12.2014 (28 O 220/14) aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt die angefochtene Entscheidung und vertieft seine erstinstanzlichen Ausführungen. Er behauptet in der Berufungserwiderung, es reiche aus, in der Suchmaske auf der Seite der Beklagten (www.S.de) seinen Namen einzugeben, um die streitgegenständlichen Beiträge abzurufen. Gebe man auf der Suchmaschine „H“ neben seinem Namen auch das Schlagwort „Ermittlungen“ ein, würden neben den Ermittlungen der Sportgerichtsbarkeit des DFB-Kontrollausschusses auch die Beiträge der Beklagten angezeigt, so dass auch der sportlich Interessierte per Zufall auf diese stoßen könne. Auch wenn der Leser durch den Nachtrag über den Ausgang des Ermittlungsverfahrens informiert werde, bestehe die Gefahr, dass „etwas hängen“ bleibe. Soweit andere Medien oder Blogger weiter über die früheren Vorwürfe berichten würden, gehe er gegen jede dieser Veröffentlichungen vor. Im Übrigen gebe es für die Beklagte keine Gleichheit im Unrecht. Der Kläger ist der Ansicht, dass der höchstrichterlichen Rechtsprechung keine generelle Zulässigkeit von Altbeiträgen in Online-Archiven entnommen werden könne. Vielmehr werde jeweils eine Abwägung der widerstreitenden Interessen im Einzelfall vorgenommen.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

II.

Die Berufung der Beklagten ist begründet, so dass das landgerichtliche Urteil abzuändern und die Klage abzuweisen war. Dem Kläger steht gegen die Beklagte kein Unterlassungsanspruch aus §§ 823 Abs. 1, 1004 Abs. 2 BGB analog i.V.m. Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG zu, weil die weitere Bereithaltung der ihn identifizierenden Berichte im Internetarchiv nicht rechtswidrig in sein allgemeines Persönlichkeitsrecht eingreift. Bei der angegriffenen Berichterstattung handelt es sich um eine ursprünglich zulässige Verdachtsberichterstattung und die Beklagte hat der später geänderten Sachlage nach Einstellung des Ermittlungsverfahrens gegen den Kläger durch Beifügung eines ergänzenden Zusatzes hinreichend Rechnung getragen.

Im Einzelnen:

1. Das Bereithalten der Berichte zum (kostenfreien) Abruf im Internet durch die Beklagte stellt einen Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers dar. Denn die Berichterstattung über eine angebliche Straftat unter Namensnennung des Tatverdächtigen beeinträchtigt zwangsläufig dessen Recht auf Schutz seiner Persönlichkeit und Achtung seines Privatlebens, weil sie sein angebliches Fehlverhalten öffentlich bekannt macht und seine Person in den Augen der Adressaten negativ qualifiziert. Unerheblich ist in diesem Zusammenhang, dass die Berichterstattung sich auf den bloßen Verdacht einer Straftat bezieht, denn auch dabei haftet dem noch als unschuldig geltenden Betroffenen der Makel an, dass an der Sache „etwas dran“ sein könnte und es droht eine Vorverurteilung in der Öffentlichkeit (vgl. OLG Düsseldorf, Urt. v. 27.10.2010 – 15 U 79/10, juris Rn. 21). Dem Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers steht auch nicht entgegen, dass die Berichte lediglich auf einer passiven Darstellungsplattform im Internet zum Abruf bereit gehalten werden, da die dort befindlichen Inhalte grundsätzlich jedem interessierten Internetnutzer zugänglich sind (vgl. dazu BGH, Urt. v. 9.2.2010 – VI ZR 243/08, GRUR-Prax 2010, 179; BGH, Urt. v. 15.12.2009 – VI ZR 227/08, AfP 2010, 77).

2. Wegen der Eigenart des Persönlichkeitsrechts als Rahmenrecht liegt seine Reichweite nicht absolut fest, sondern muss erst durch eine Abwägung der widerstreitenden grundrechtlich geschützten Belange bestimmt werden (vgl. BGH, Urt. v. 15.12.2009 – VI ZR 227/08, juris Rn. 11 m.w.N.).

a. Ob dem Betroffenen eines Ermittlungsverfahrens nach dessen Einstellung gemäß § 170 Abs. 2 StPO ein genereller, von einer Interessenabwägung unabhängiger Anspruch auf Unterlassung im Hinblick auf eine frühere identifizierende Verdachtsberichterstattung in Online-Archiven zusteht, ergibt sich aus der bisherigen höchstrichterlichen Rechtsprechung nicht. Soweit der BGH ein generelles Gebot der Löschung aller früheren den Straftäter identifizierenden Darstellungen in Onlinearchiven abgelehnt hat, weil dies dazu führen würde, dass Geschichte getilgt und der Straftäter vollständig vor der ungewollten Darstellung immunisiert würde, obwohl das allgemeine Persönlichkeitsrecht dem Betroffenen keinen uneingeschränkten Anspruch darauf vermittele, in der Öffentlichkeit überhaupt nicht mit seiner (möglichen) Verfehlung konfrontiert zu werden (vgl. BGH, Urt. v. 30.10.2012 – VI ZR 4/12, AfP 2013, 50, juris Rn. 15; BGH, Urt. v. 15.12.2009 – VI ZR 227/08, AfP 2010, 77, juris Rn. 20), bezogen sich die betreffenden Entscheidungen auf einen verurteilten Straftäter bzw. den Betroffenen eines nach § 153a StPO eingestellten Ermittlungsverfahrens und nicht auf den Betroffenen eines nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellten Ermittlungsverfahrens. Auch die Entscheidung des BGH vom 18.11.2014 (VI ZR 76/14), wonach bei zulässiger Verdachtsberichterstattung und späterer Ausräumung des Verdachts nicht die Richtigstellung, sondern nur ein Nachtrag in dem Sinne verlangt werden kann, dass der Verdacht nicht mehr aufrechterhalten wird, trifft den vorliegenden Sachverhalt nicht unmittelbar. Denn in dem dort entschiedenen Fall ging es nicht um die Geltendmachung eines Unterlassungsanspruchs, sondern eines Berichtigungsanspruchs, mithilfe dessen das Presseorgan verpflichtet werden sollte, in der nächsten erreichbaren Ausgabe des Nachrichtenmagazins eine Richtigstellung zu veröffentlichen.

b. Es sind daher im vorliegenden Fall das Recht des Klägers auf Schutz seiner Persönlichkeit und Achtung seines Privatlebens aus Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG, Art. 8 Abs. 1 EMRK mit dem in Art. 5 Abs. 1 GG, Art. 10 EMRK verankerten Recht der Beklagten auf Meinungs- und Medienfreiheit abzuwägen (vgl. zum Abwägungserfordernis: BGH, Urt. v. 15.12.2009 – VI ZR 227/08, AfP 2010, 77, juris Rn. 12; BGH, Urt. v. 9.2.2014 – VI ZR 244/08, juris Rn. 12; BGH, Urt. v. 30.10.2012 – VI ZR 4/12, AfP 2013, 50, juris Rn. 11). Diese Abwägung führt unter Berücksichtigung der maßgeblichen Interessen des vorliegenden Falles zu dem Ergebnis, dass der Kläger die weitere Vorhaltung der Berichterstattung im Online-Archiv der Beklagten zu dulden hat:

aa. Zunächst ist zu berücksichtigen, dass es sich bei den beanstandeten Berichten der Beklagten um wahre Tatsachenbehauptungen handelt, die in Form der Verdachtsberichterstattung aufgestellt wurden. Wahre Tatsachenbehauptungen müssen in der Regel auch dann hingenommen werden, wenn sie nachteilig für den Betroffenen sind. Eine wahre Darstellung verletzt nur dann das Persönlichkeitsrecht des Betroffenen, wenn sie einen Persönlichkeitsschaden anzurichten droht, der außer Verhältnis zu dem Interesse an der Verbreitung der Wahrheit steht. Dies kann insbesondere dann der Fall sein, wenn die Aussagen geeignet sind, eine erhebliche Breitenwirkung zu entfalten und eine besondere Stigmatisierung des Betroffenen nach sich zu ziehen, so dass sie zum Anknüpfungspunkt für eine soziale Ausgrenzung und Isolierung zu werden drohen (vgl. BGH, Urt. v. 15.12.2009 – VI ZR 227/08, AfP 2010, 77 m.w.N.).

Ursprünglich handelte es sich im vorliegenden Fall angesichts der Schwere des betreffenden Deliktes sowie der Prominenz des Klägers um eine zulässige Verdachtsberichterstattung, da die Beklagte in allen fünf angegriffenen Beiträgen in ausgewogener Art und Weise über den Tatvorwurf und den Gang des Verfahrens berichtet hat. Der Tatvorwurf wurde in sachlicher und zurückhaltender Form unter Berufung auf die amtlichen Quellen geschildert. Der Kläger selbst bzw. sein damaliger Verteidiger kamen zu Wort und es wurden auch entlastende Details angeführt bzw. die Frage einer eventuellen Schuld des Klägers ausdrücklich offen gelassen. Bei einer solchen zulässigen Verdachtsberichterstattung über eine Straftat hat das Informationsinteresse im Allgemeinen den Vorrang, wenn es sich um eine aktuelle Berichterstattung handelt. Die Verdachtsberichterstattung wird aber durch die nachträgliche Änderung der Umstände, wie sie durch die Einstellung des Ermittlungsverfahrens eingetreten ist, nicht rückwirkend unrechtmäßig (vgl. BGH, Urt. v. 30.10.2012 – VI ZR 4/12, AfP 2013, 50, juris Rn. 22); sie ist nicht nachträglich unwahr geworden, sondern lediglich überholt.

bb. Bei einer Abwägung der gegenseitigen Interessen unter Berücksichtigung der Umstände des vorliegenden Falles kann nicht festgestellt werden, dass dem Kläger durch die fortwährende Bereithaltung der (wahren) Berichterstattung eine besondere Stigmatisierung oder Ausgrenzung droht, weil er im Rahmen einer erheblichen Breitenwirkung dauerhaft mit dem damaligen Tatvorwurf in Verbindung gebracht werden kann. Dies gilt auch unter Berücksichtigung der Gefahr, dass die Öffentlichkeit die bloße Einleitung eines Ermittlungsverfahrens mit dem Nachweis der Schuld gleichsetzt und deshalb auch im Fall einer späteren Einstellung oder eines Freispruchs vom Schuldvorwurf „etwas hängen“ bleibt (vgl. BGH, Urt. v. 30.10.2012 – VI ZR 4/12, AfP 2013, 50, juris Rn. 14).

Die Beklagte hat in ihren Beiträgen die Voraussetzungen der Verdachtsberichterstattung eingehalten und wahrheitsgemäß, ausgewogen sowie ohne Vorverurteilung des Klägers über den Verlauf des Verfahrens berichtet. Alle fünf Beiträge entsprechen auch heute noch der Wahrheit und sind weder unvollständig – da ein Nachtrag auf die erfolgte Einstellung des Ermittlungsverfahrens vorhanden ist – noch spiegeln sie den Anschein einer nicht bestehenden Aktualität vor. Das Ermittlungsverfahren gegen den Kläger hat in der berichteten Form tatsächlich stattgefunden, so dass die weitere Bereithaltung dem anerkennenswerten Interesse der Öffentlichkeit entspricht, die sich nicht nur über aktuelles Zeitgeschehen, sondern auch über vergangene Ereignisse informieren möchte (vgl. BGH, Urt. v. 15.12.2009 – VI ZR 227/08, AfP 2010, 77, juris Rn. 20). Die Medien nehmen ihre Aufgabe, in Ausübung der Meinungsfreiheit die Öffentlichkeit zu informieren und an der demokratischen Willensbildung mitzuwirken, auch dadurch wahr, dass sie nicht mehr aktuelle Veröffentlichungen für interessierte Mediennutzer verfügbar halten. Auch würde die Meinungs- und Medienfreiheit in unzulässiger Weise eingeschränkt, wenn auch eine als Altmeldung gekennzeichnete Berichterstattung nach einer gewissen Zeit oder nach Veränderung der zugrunde liegenden Umstände ohne weiteres unzulässig wäre (vgl. BGH v. 15.12.2009 – VI ZR 227/08, AfP 2010, 77, juris Rn. 21).

Das Interesse des Klägers liegt demgegenüber darin, mit dem Vorwurf des damaligen Ermittlungsverfahrens in der Öffentlichkeit nicht mehr in Verbindung gebracht zu werden. Die Gefahr einer Stigmatisierung besteht hier zwar im höheren Maße als bei dem Vorwurf, eine falsche eidesstattliche Versicherung abgegeben zu haben (vgl. BGH, Urt. v. 30.10.2012 – VI ZR 4/12, AfP 2013, 50), da es um einen Vorwurf aus dem Bereich des Sexualstrafrechts ging, das in der Öffentlichkeit regelmäßig mit einem besonders hohen Unwerturteil belegt wird. Zugunsten des Klägers ist weiter zu berücksichtigen, dass das Ermittlungsverfahren nicht mit einer Einstellung nach § 153a StPO endete (vgl. dazu BGH, Urt. v. 30.10.2012 – VI ZR 4/12, AfP 2013, 50, juris Rn. 25), sondern mit einer Einstellung nach § 170 Abs. 2 StPO, die inhaltlich eher einem Freispruch vergleichbar ist.

Im Ergebnis fällt die Abwägung dieser widerstreitenden Belange hier zu Lasten des Klägers aus: Das Argument der Unschuldsvermutung kann er nicht für sich ins Feld führen, da dieses auch bei § 170 Abs. 2 StPO nicht einschlägig ist. Die Unschuldsvermutung soll nämlich nur vor Nachteilen schützen, die einem Schuldspruch oder einer Strafe gleichkommen. Jedoch berichtet die Beklagte in den angegriffenen Beiträgen nicht in einer Art und Weise, dass der durchschnittliche Rezipient von einer Schuld oder Strafbarkeit des Klägers ausgeht, sondern stellt lediglich den gegen ihn früher bestandenen Verdacht dar. Weiter besteht gerade hinsichtlich vermeintlicher Sexualdelikte wie dem vorliegenden, bei dem eine junge Frau als einziger weiblicher Gast auf einer Privatfeier im Haus eines prominenten Fußballspielers Opfer von K.O.-Tropfen und einer anschließenden Vergewaltigung geworden sein soll, aufgrund der Art des Deliktes, der Beteiligten sowie der Tatumstände ein hohes öffentliches Informationsinteresse. Daneben ist zu berücksichtigen, dass von den Beiträgen der Beklagten auch keine erhebliche, sondern nur eine eingeschränkte Breitenwirkung ausgeht. Entgegen dem Vorbringen des Klägers in der Berufungserwiderung sind die Beiträge nämlich nur bei gezielter Suche zu finden, wobei neben dem Namen des Klägers auch der Zusatz „Ermittlungen“ oder „Ermittlungsverfahren“ eingegeben werden muss. Aus diesem Grunde kann auch die Frage offen bleiben, ob der Kläger mit seinem entsprechenden Vortrag in der Berufungsinstanz ausgeschlossen ist, weil er die Feststellungen im Tatbestand des landgerichtlichen Urteils (vgl. Seite 4 UA „gezielte Suche zum Ermittlungsverfahren“) nicht mit einem Berichtigungsantrag angegriffen hat.

Schließlich ist zugunsten der Beklagten auch zu berücksichtigen, dass sich der Interessenausgleich zwischen dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht sowie der Meinungs- und Medienfreiheit in den Grenzen des Notwendigen und Zumutbaren halten muss (vgl. BGH, Urt. v. 18.11.2014 – VI ZR 76/14). Unter Abwägung der beiderseitigen Grundrechtspositionen muss die schonendste Maßnahme gewählt werden, die zur Beseitigung des Störungszustandes geeignet ist, woraus sich ergibt, dass es im Falle einer rechtmäßigen Verdachtsberichterstattung – so sich denn der Verdacht als nicht gerechtfertigt herausstellt – nicht erforderlich ist, dass der Äußernde von seiner Erklärung abrückt. Würde eine zulässige Verdachtsberichterstattung, nachdem der Verdacht sich nicht bestätigt hat, nachträglich mit Sanktionen (Löschung, ev. Kostentragung) belegt, steht zu befürchten, dass der Kommunikationsprozess leidet, weil in diesem Fall risikofrei nur noch unumstößliche Wahrheiten geäußert werden dürften. Kann es andererseits dem Betroffenen auch nicht zugemutet werden, dass sein berechtigtes Interesse an einer Rehabilitierung zum Schutze der Pressefreiheit gänzlich zurücktritt, führt die Güterabwägung zu einer für die Presse weniger einschneidenden Maßnahme. Um die durch eine Verdachtsäußerung hervorgerufene Störung abzustellen, ist es geeignet, erforderlich aber auch ausreichend, dass – wie hier geschehen – auf Verlangen des Betroffenen nachträglich mitgeteilt wird, dass der berichtete Verdacht nach Klärung des Sachverhalts nicht aufrechterhalten wird (vgl. BGH, Urt. v. 18.11.2014 – VI ZR 76/14; OLG Düsseldorf, Urt. v. 27.10.2010 – 15 U 79/10, MMR 2011, 554).

3. Die prozessualen Nebenentscheidungen ergeben sich hinsichtlich der Kosten aus § 91 Abs. 1 ZPO und hinsichtlich der vorläufigen Vollstreckbarkeit aus § 709 ZPO. Die Revision war zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO vorliegen: Die Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung, weil das Auftreten der Frage, ob bzw. unter welchen Umständen dem Betroffenen eines nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellten Ermittlungsverfahrens hinsichtlich einer Archivierung der früheren identifizierenden Verdachtsberichterstattung ein Unterlassungsanspruch zusteht, in der höchstrichterlichen Rechtsprechung ungeklärt und in einer Vielzahl von Fällen zu erwarten ist.

Streitwert des Berufungsverfahrens: 20.000 €

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