OLG Köln, Urteil vom 13.10.2016 – 15 U 13/15

November 3, 2021

OLG Köln, Urteil vom 13.10.2016 – 15 U 13/15

Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Köln vom 17.12.2014 (28 O 220/14) wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens sowie diejenigen des Revisionsverfahrens trägt die Beklagte.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120% des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe
I.

Der Kläger, ein deutschlandweit bekannter Fußballprofi, nimmt die Beklagte auf Unterlassung der Bereithaltung von fünf Beiträgen in Anspruch, die in deren Online-Archiv unter www.S.de abgerufen werden können. Die Beiträge berichten über ein Ermittlungsverfahren, das im Jahre 2012 gegen den Kläger wegen des Verdachts des sexuellen Missbrauchs widerstandsunfähiger Personen eingeleitet und wenige Monate später nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellt worden war. Weiter verlangt der Kläger Erstattung seiner außergerichtlichen Anwaltskosten. Hinsichtlich der Einzelheiten sowie der erstinstanzlich gestellten Anträge wird Bezug auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils (Bl. 70 ff. d.A.) genommen.

Auslöser der streitgegenständlichen Berichterstattungen, die die Beklagte in ihrem Online-Archiv zum Abruf bereit hält, war eine Meldung des „L F“ vom 22.1.2012, die unter der Überschrift „Vergewaltigung bei T-Party?“ über die Einleitung des Ermittlungsverfahrens gegen einen der Partygäste berichtete. Der Umstand der Anzeigenerstattung durch eine 21 Jahre alte Frau war ausweislich dieser Berichterstattung von Seiten der Staatsanwaltschaft Dortmund bestätigt worden. Zum genauen Inhalt des Tatvorwurfs gegen den Beschuldigten hatte die Staatsanwaltschaft zu diesem Zeitpunkt nur vage Angaben gemacht. Der Kläger wurde in dem Bericht des „L F“ namentlich genannt, jedoch wurde ausdrücklich klargestellt, dass sich der Strafvorwurf nicht gegen ihn richte.

Die Staatsanwaltschaft Dortmund wandte sich am nächsten Tag (23.1.2012) mit einer Pressemitteilung an die Öffentlichkeit, in welcher es hieß:

„In dem Ermittlungsverfahren zum Nachteil einer 21 Jahre alten Zeugin, die in Bochum einen sexuellen Übergriff während einer privaten Feier im Hause eines C Profifußballers zur Anzeige gebracht hat, hat die Staatsanwaltschaft am heutigen Tage Ermittlungen gegen drei weitere Beschuldigte aufgenommen. Nach Auswertung der bisherigen Ermittlungsergebnisse besteht nun gegen sämtliche Teilnehmer an der Feier mit Ausnahme der Anzeigenden ein Anfangsverdacht wegen sexuellen Missbrauchs Widerstandsunfähiger bzw. wegen Beihilfe zu diesem Vergehen. Es handelt sich um insgesamt vier junge Männer im Alter von 22 bis 28 Jahren, darunter auch den C-Profi. Die Staatsanwaltschaft wird sich mit Rücksicht auf die Persönlichkeitsrechte der Beschuldigten und zum Schutz der Intimsphäre der Zeugin zu Einzelheiten der Tatvorwürfe nicht äußern. Eine Bewertung der Verdachtslage wird erst möglich sein, wenn die am 19.1.2012 gesicherten Spuren untersucht und die Ergebnisse dieser Untersuchung ausgewertet sind. Dies wird erfahrungsgemäß einige Wochen dauern. Bis dahin appelliert die Staatsanwaltschaft an die Medien, von Vorverurteilungen, in die eine wie in die andere Richtung, abzusehen“ (vgl. Bl. 255 d.A.).

Ebenfalls an diesem Tag berichtete die Presseagentur E unter Bezugnahme auf diese Pressemeldung der Staatsanwaltschaft, dass gegen den namentlich genannten Kläger wegen eines Anfangsverdachts wegen sexuellen Missbrauchs Widerstandsunfähiger bzw. Beihilfe zu dieser Tat ermittelt werde. Der genaue Inhalt eines ebenfalls an diesem Tage geführten Telefongesprächs zwischen einem Redakteur der Beklagten und der Staatsanwaltschaft Dortmund ist zwischen den Parteien streitig.

Mit Urteil vom 17.12.2014 hat das Landgericht der Klage stattgegeben und zur Begründung ausgeführt, dass die weitere Bereithaltung der Berichterstattung über das Ermittlungsverfahren mit Namensnennung des Klägers diesen in seinem Persönlichkeitsrecht beeinträchtige und die Interessen des Klägers schon aufgrund der Einstellung des Ermittlungsverfahrens mangels hinreichenden Tatverdachts das öffentliche Informationsinteresse überwiegen würden. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten der Begründung wird Bezug auf die angefochtene Entscheidung (Bl. 70 ff. d.A.) genommen.

Mit der Berufung verfolgt die Beklagte ihren erstinstanzlichen Klageabweisungsantrag weiter und macht geltend, das Landgericht habe dem Persönlichkeitsrecht des Klägers zu Unrecht den Vorrang gegenüber dem Grundrecht der Pressefreiheit eingeräumt und zudem die höchstrichterliche Rechtsprechung zum elektronischen Archiv nicht hinreichend berücksichtigt. Da die Berichte über den Kläger – so die Ansicht der Beklagten – zunächst eine zulässige Verdachtsberichterstattung dargestellt hätten, sei sie nur verpflichtet, den Berichten einen entsprechenden Nachtrag anzufügen, was unstreitig geschehen ist. Eine Löschung des Beitrags komme dagegen nicht in Betracht. Da die Beiträge nur bei gezielter Suche zu finden seien, müsse bei der Abwägung auch berücksichtigt werden, dass der betreffende Sucher bereits wisse, dass der Kläger in ein staatsanwaltschaftliches Ermittlungsverfahren verwickelt gewesen sei. Auch zum aktuellen Zeitpunkt weise die Ergebnisliste der Suchmaschine „H“ nach der Eingabe „O T Ermittlungen“ knapp 10.000 Treffer auf und auch andere Medien und Blogger würden über den Fall berichten.

Die Beklagte behauptet, ihr Redakteur Herr C habe am 23.1.2012 in einem Telefonat mit der Staatsanwaltschaft Dortmund erfahren, dass inzwischen eine Hausdurchsuchung beim Kläger stattgefunden habe und dass nach der Spurensicherung das Ermittlungsverfahren auf den Kläger erweitert worden sei. Die Beklagte behauptet weiter, bei diesem Telefonat sei beiden Gesprächsteilnehmern klar gewesen, dass mit der Ausweitung des Ermittlungsverfahrens auf sämtliche Partygäste nunmehr auch der Kläger zum Kreis der Beschuldigten gehörte. Insofern ist die Beklagte der Ansicht, dass es unschädlich sei, wenn der Name des Klägers in diesem Telefonat von Seiten der Staatsanwaltschaft nicht ausdrücklich genannt worden sei. Aufgrund des Umstandes, dass nach Einleitung des Ermittlungsverfahrens das Verfahren auf den Kläger ausgedehnt worden sei, hätten – so die Ansicht der Beklagten – hinreichende Beweistatsachen vorgelegen, um über diesen Verdacht berichten zu dürfen.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Landgerichts Köln vom 17.12.2014 (28 O 220/14) aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er behauptet, es reiche aus, in der Suchmaske auf der Seite der Beklagten (www.S.de) seinen Namen einzugeben, um die streitgegenständlichen Beiträge abzurufen. Gebe man auf der Suchmaschine „H“ neben seinem Namen auch das Schlagwort „Ermittlungen“ ein, würden neben den Ermittlungen der Sportgerichtsbarkeit des DFB-Kontrollausschusses auch die Beiträge der Beklagten angezeigt, so dass auch der sportlich Interessierte per Zufall auf diese stoßen könne. Auch wenn der Leser durch den Nachtrag über den Ausgang des Ermittlungsverfahrens informiert werde, bestehe die Gefahr, dass „etwas hängen“ bleibe. Soweit andere Medien oder Blogger weiter über die früheren Vorwürfe berichten würden, gehe er gegen jede dieser Veröffentlichungen vor.

Der Kläger ist der Ansicht, dass im Zeitpunkt der Berichterstattung kein Mindestbestand an Beweistatsachen vorlag, um über das gegen ihn gerichtete Ermittlungsverfahren identifizierend zu berichten. Die Staatsanwaltschaft habe – insofern unstreitig – weder in ihrer Pressemeldung noch bei anderen Gelegenheiten seinen Namen genannt. Der Kläger ist der Ansicht, eine amtliche Verlautbarung könne nicht darin gesehen werden, dass die Staatsanwaltschaft bei Anfragen der vorinformierten Presse bestimmte Vorhalte nicht abstreite, zumal sie zu einer wahrheitsgemäßen Auskunft verpflichtet sei. Die Beklagte habe neben dem Anruf bei der Staatsanwaltschaft keine weiteren Recherchen durchgeführt, was in Anbetracht des berichteten Strafverdachts den Anforderungen an ihre journalistische Sorgfalt nicht genüge.

Der Senat hat auf die Berufung der Beklagten zunächst mit seinem am 12.5.2015 verkündeten Urteil unter Aufhebung der erstinstanzlichen Entscheidung die Klage abgewiesen, weil die weitere Bereithaltung der identifizierenden Berichte im Online-Archiv nicht rechtswidrig in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers eingreife und ihm daher kein Unterlassungsanspruch aus § 823 Abs. 1, § 1004 BGB analog i.V.m. Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG zustehe. Zwar stelle das Bereithalten der Berichte im Internet einen Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers dar. Die notwendige Abwägung führe im Streitfall jedoch zu dem Ergebnis, dass der Kläger die weitere Vorhaltung der Berichterstattung im Online-Archiv der Beklagten zu dulden habe. Bei der beanstandeten Berichterstattung der Beklagten handele es sich um wahre Tatsachenbehauptungen in Form der Verdachtsberichterstattung, die ursprünglich angesichts der Schwere des in Rede stehenden Delikts und der Prominenz des Klägers zulässig gewesen seien, da die Beklagte in allen fünf angegriffenen Beiträgen in ausgewogener Art und Weise über den Tatvorwurf und den Gang des Verfahrens berichtet habe. Bei der Abwägung der gegenseitigen Interessen könne nicht festgestellt werden, dass dem Kläger trotz der Einstellung des Ermittlungsverfahrens durch die fortwährende Bereithaltung der Berichterstattung eine besondere Stigmatisierung oder Ausgrenzung drohe. Alle fünf Beiträge entsprächen auch heute noch der Wahrheit und seien angesichts des Nachtrags über die Einstellung des Ermittlungsverfahrens weder unvollständig noch spiegelten sie den Anschein einer nicht bestehenden Aktualität vor. Zwar habe der Kläger ein Interesse daran, mit dem Vorwurf einer Sexualstraftat, dem in der Öffentlichkeit ein besonders hohes Unwerturteil beigemessen werde, nicht mehr konfrontiert zu werden. Allerdings berichte die Beklagte in den angegriffenen Beiträgen nicht in einer Art und Weise, durch die der durchschnittliche Rezipient von einer Schuld oder Strafbarkeit des Klägers ausgehe, sondern stelle lediglich einen früher gegen diesen bestehenden Verdacht dar. Außerdem bestehe aufgrund der Art des Delikts, der Beteiligten sowie der Tatumstände ein hohes öffentliches Informationsinteresse. Zudem gehe von den Beiträgen der Beklagten auch keine erhebliche Breitenwirkung aus, da diese nur bei einer gezielten Suche zu finden seien. Um die durch eine Verdachtsberichterstattung hervorgerufene Störung abzustellen, sei ein Nachtrag geeignet, erforderlich, aber im Hinblick auf den Schutz der Pressefreiheit auch ausreichend.

Das vorstehende Berufungsurteil hat der Bundesgerichtshof mit Urteil vom 16.2.2016 (VI ZR 367/15) aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an den Senat zurückverwiesen.

Im Berufungsverfahren haben die Parteien ergänzend dazu vorgetragen, welche Anhaltspunkte im Zeitpunkt der Berichterstattung als Grundlage dafür vorhanden waren, dass der über den Kläger geäußerte Verdacht zutreffen könnte. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

II.

Das nach Zurückverweisung der Sache in der Berufungsinstanz wiedereröffnete Verfahren führt zur Zurückweisung der Berufung der Beklagten, da dem Kläger unter Berücksichtigung der rechtlichen Beurteilung des Revisionsgerichts sowie der nach Zurückverweisung getroffenen weiteren Feststellungen die geltend gemachten Unterlassungsansprüche gegen die Wort- und Bildberichterstattung im Archiv der Beklagten zustehen.

Im Einzelnen:

1. Der Kläger hat im Hinblick auf die von der Beklagten zum Abruf bereit gehaltene Wortberichterstattung einen Unterlassungsanspruch aus §§ 823 Abs. 1, 1004 Abs. 2 BGB analog i.V.m. Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG. Denn das weitere Bereithalten dieser Berichterstattung zum (kostenfreien) Abruf im Internet stellt einen rechtswidrigen Eingriff in sein allgemeines Persönlichkeitsrecht dar. Es handelt sich bei den streitgegenständlichen Berichten um ursprünglich unzulässige Verdachtsberichterstattungen und es besteht kein hinreichendes öffentliches Berichterstattungsinteresse, das es rechtfertigen könnte, diese Berichte trotz der ursprünglichen Unzulässigkeit sowie der später erfolgten Einstellung des Ermittlungsverfahrens gegen den Kläger nach § 170 Abs. 2 StPO weiter zum Abruf vorzuhalten.

a. Die von der Beklagten zum Abruf bereit gehaltene Berichterstattung über eine vermeintliche Straftat des Klägers unter Nennung seines Namens greift in dessen Recht auf Schutz seiner Persönlichkeit und Achtung seines Privatlebens ein, weil sie sein angebliches Fehlverhalten öffentlich bekannt macht und seine Person in den Augen der Adressaten negativ qualifiziert. Dieser Eingriff in das Persönlichkeitsrecht des Klägers ist rechtswidrig, weil die Beklagte die Grundsätze der Verdachtsberichterstattung nicht gewahrt hat und damit die vorzunehmende Abwägung (vgl. BGH, Urt. v. 16.2.2016 – VI ZR 367/15, juris Rn. 18; BGH, Urt. v. 17.12.2013 – VI ZR 211/12, juris Rn. 22) zu dem Ergebnis führt, dass das Schutzinteresse des Klägers die schutzwürdigen Belange der Beklagten überwiegt.

Für eine zulässige Verdachtsberichterstattung über den Kläger als möglichen Täter oder Gehilfen eines sexuellen Missbrauchs widerstandsunfähiger Personen fehlte es im Zeitpunkt der Berichterstattung an dem erforderlichen Mindestbestand an Beweistatsachen. Denn die Beklagte verfügte zu diesem Zeitpunkt neben der Tatsache, dass gegen den Kläger ein Ermittlungsverfahren eingeleitet worden war, über keine weiteren Anhaltspunkte, die seine Täterschaft oder Beteiligung an der betreffenden Tat im erforderlichen Mindestmaß wahrscheinlich erscheinen ließen.

aa. Der Bundesgerichtshof hat in seiner Revisionsentscheidung vom 16.2.2016 (VI ZR 367/15) ausgeführt, dass die bloße Tatsache der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens für die Annahme eines Mindestbestands an Beweistatsachen nicht genügt, weil die Staatsanwaltschaft schon bei Vorliegen eines Anfangsverdachts Ermittlungen aufzunehmen hat und ein solcher Anfangsverdacht schon bei entfernteren Verdachtsgründe angenommen werden kann.

bb. Die nach Zurückverweisung des Verfahrens weiter getroffenen Feststellungen des Senats rechtfertigen nicht die Annahme von Umständen, aus denen sich ein Mindestbestand an Beweistatsachen für den von der Beklagten in der Berichterstattung erhobenen Verdacht herleiten ließe.

(1) Unstreitig hat die Staatsanwaltschaft Dortmund weder in ihrer Pressemitteilung vom 23.1.2012 noch in anderen (amtlichen) Stellungnahmen den Namen des Klägers als eines Beschuldigten im laufenden Ermittlungsverfahren genannt. Vielmehr hat sie in der Pressemitteilung vom 23.1.2012 ausdrücklich betont, sich mit Rücksicht u.a. auf die Persönlichkeitsrechte der Beschuldigten zu den Einzelheiten der Tatvorwürfe nicht äußern zu wollen und hat darauf hingewiesen, dass eine Bewertung der Verdachtslage erst nach Untersuchung bzw. Auswertung der gesicherten Spuren möglich sei, was einige Wochen dauern könne.

(2) Entgegen der Ansicht der Beklagten kommt dem Umstand, dass die Staatsanwaltschaft Dortmund die Beteiligung des Klägers am Ermittlungsverfahren bei der initiativen Nachfrage durch die Presse nicht (wahrheitswidrig) in Abrede gestellt hat und dass die amtliche Pressemitteilung aufgrund der vorhandenen Vorkenntnisse der Presse bestimmte Rückschlüsse erlaubte, keine einer amtlichen Verlautbarung vergleichbare gesteigerte Vertrauenswirkung zu.

In diesem Zusammenhang behauptet selbst die Beklagte nicht, dass die Staatsanwaltschaft ihrem Redakteur gegenüber den Namen des Klägers als den eines der Beschuldigten im Ermittlungsverfahren genannt hat. Sie beruft sich vielmehr lediglich darauf, dass ihr Redakteur mit der zuständigen Staatsanwältin über das Verfahren gesprochen habe und es „den Gesprächspartners bewusst war, dass es … auch um den Kläger ging“. Dadurch, dass in der Pressemitteilung der Staatsanwaltschaft vom 23.1.2012 ausdrücklich darauf hingewiesen worden sei, dass nunmehr gegen alle Teilnehmer der Party mit Ausnahme der Anzeigenerstatterin ermittelt werde, sei klargestellt worden, dass der Kläger nunmehr als Beschuldigter in das Ermittlungsverfahren verwickelt sei.

Der Umstand jedoch, dass die Presse und damit später auch die Öffentlichkeit aufgrund von Vorinformationen einen solchen Rückschluss ziehen kann, reicht für die Annahme einer amtlichen Verlautbarung oder einer vergleichbaren amtlichen Stellungnahme mit den damit verbundenen gesteigerten Vertrauenswirkungen nicht aus. Denn letztlich kann die Staatsanwaltschaft sich nicht dagegen wehren, dass die Presse bereits von dritter (hier unbekannter) Seite Informationen über die Identität der vom Ermittlungsverfahren Betroffenen hat und damit weitergehende Schlüsse aus amtlichen Mitteilungen ziehen kann, als dies ohne eine Vorinformationen der Fall gewesen wäre. Die Staatsanwaltschaft hat darüber hinaus auch keine Möglichkeit, bei aktiven Nachfragen nach der Beteiligung von bestimmten Personen an staatlichen Verfahren wahrheitswidrig zu antworten und ist damit bei solchen Nachfragen gleichsam in die Defensive gedrängt. Auch aus diesem Grund ist es nicht statthaft, den behördlichen Antworten auf solche Nachfragen bzw. den daraus gezogenen eigenen Schlussfolgerungen die Qualität einer amtlichen Verlautbarung zuzusprechen. Es bleibt vorliegend vielmehr dabei, dass die Staatsanwaltschaft Dortmund sich nicht erkennbar dafür entschieden hat, angesichts der konkreten Ermittlungsergebnisses mit dem Namen des Klägers bzw. der Änderung seines Status im Ermittlungsverfahren von sich aus an die Öffentlichkeit zu gehen.

Aus diesem Grunde kann letztlich auch dahinstehen, dass bzw. aufgrund welcher Umstände die Staatsanwaltschaft sich (intern) dazu entschlossen hat, den Kläger nicht mehr als Zeugen, sondern als Beschuldigten im Ermittlungsverfahren zu führen. Ob dies nämlich, wie es die Beklagte vorträgt (Bl. 231 d.A.), aufgrund neuer Erkenntnis aus der Hausdurchsuchung und der Spurensicherung oder vielmehr, wie es der Kläger vorträgt (Bl. 259 d.A.), „aus reiner Routine heraus“ und „der guten Ordnung halber“ erfolgt ist, ist für die hier streitige Frage des Vorliegens eines Mindestbestands an Beweistatsachen unerheblich. Denn jedenfalls hat die Staatsanwaltschaft auch diese Änderung des Status des Klägers vom Zeugen zum Beschuldigten nicht zum Anlass genommen, selbiges in einer amtlichen Verlautbarung unter Nennung seines Namens mitzuteilen.

(3) Weitere mögliche Anhaltspunkte für die Beurteilung der Frage, ob der gegen den Kläger erhobene Verdacht im Zeitpunkt der damaligen Berichterstattung zutreffend sein könnte, hat die Beklagte im Verfahren nicht geltend gemacht. Sie hat weder behauptet, dass ihrem Redakteur im Telefonat mit der Staatsanwaltschaft am 23.1.2012 weitere Einzelheiten zu den Ermittlungsergebnissen mitgeteilt worden sind, die dazu hätten führen können, den Tatvorwurf gegen den Kläger als erhärtet anzusehen, noch kann sie sich auf die Berichterstattung in anderen Medien, wie z.B. im L F vom 22.1.2012 oder von Seiten der Presseagentur E vom 23.1.2012 berufen. Denn dabei handelt es sich nicht um Quellen, die verlässliche Beweistatsachen liefern könnten, sondern nur um Meldungen anderer Medien, die letztlich mit dem unbekannten Informanten sowie der Staatsanwaltschaft auf dieselben Informationsquellen zurückgreifen konnten, die auch der Beklagten zur Verfügung standen. Schließlich hat auch der Verteidiger des Klägers in der von ihm eingeholten Stellungnahme keinerlei Angaben gemacht, die die Schlussfolgerung zulassen, dass sich ein eventueller Tatverdacht gegen den Kläger erhärtet hätte.

b. Da die Wortberichterstattungen mangels Vorliegens eines Mindestbestands an Beweistatsachen ursprünglich unzulässig waren, ist auch ihr weiteres Bereithalten in dem Online-Archiv der Beklagten unzulässig, soweit sie – wie es mit der Klage angegriffen ist – den Kläger weiterhin identifizieren.

Unter Berücksichtigung der für den Senat nach § 563 Abs. 2 ZPO bindenden rechtlichen Beurteilung des Revisionsgerichts, wonach bei einer ursprünglich unzulässigen Wortberichterstattung grundsätzlich davon auszugehen ist, dass ihr weiteres Bereithalten in einem Archiv bei Identifizierung des Klägers unzulässig ist und auch die Ergänzung der Beiträge vom 23.1.2012, 26.1.2012 und 11.2.2012 um den Zusatz in der Fußzeile keine davon abweichende Wertung erlaubt, sind vorliegend keine Umstände ersichtlich, die es rechtfertigen, die Berichterstattungen weiter zum Abruf bereit zu halten. Da nach den Ausführungen des Revisionsgerichts ein anerkennenswertes Öffentlichkeitsinteresse wegen der Unzulässigkeit der ursprünglichen Berichterstattung schon von Anfang an als sehr gering eingeschätzt werden muss und zudem das Verfahren gegen den Kläger später gemäß § 170 Abs. 2 StPO mangels ausreichender Beweisgrundlage eingestellt wurde, hätte die Beklagte gewichtige Gründe dafür anführen müssen, die entsprechende Berichterstattung dennoch weiter zum Abruf bereit zu halten. Dies hat sie nicht getan. Die von ihr in diesem Zusammenhang geltend gemachte Gefahr einer Beeinträchtigung der Pressefreiheit, die daraus resultieren soll, dass Medienunternehmen verpflichtet würden, ihre archivierte Berichterstattung auf Änderungsbedarf zu untersuchen, hält der Senat vorliegend nicht für durchgreifend. Denn zum einen hat der Kläger die Beklagte zunächst außergerichtlich unter Angabe der entsprechenden Seiten aufgefordert, die identifizierende Berichterstattung zu unterlassen und hat keine proaktive Prüfpflicht der Beklagten geltend gemacht. Zum anderen wäre ein eventueller Arbeitsaufwand, den die Beklagte für die Kontrolle der archivierten Berichte bei entsprechenden Beanstandungen durchzuführen hätte, im Hinblick darauf, dass diese Berichte einen Strafverdacht gegen den Kläger mit erheblicher öffentlicher Missbilligung referieren, der Beklagten auch zumutbar, um die Beeinträchtigung des Klägers zu beseitigen.

2. Der Kläger hat weiter einen Unterlassungsanspruch aus §§ 1004 Abs. 1 S. 2, 823 Abs. 1, Abs. 2 BGB i.V.m. §§ 22, 23 KUG, Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG im Hinblick auf die als Teil der Berichte vom 23.1.2012, 26.1.2012, 22.1.2012 und 27.4.2012 vorgehaltenen und ihn zeigenden Bildnisse, weil er in deren Veröffentlichung weder eingewilligt hat (§ 22 S. 1 KUG) noch es sich um Bildnisse aus dem Bereich der Zeitgeschichte handelt (§ 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG), die ohne Verletzung der berechtigten Interessen des Abgebildeten verbreitet werden dürfen (§ 23 Abs. 2 KUG).

a. Die Beurteilung, ob ein Bildnis dem Bereich der Zeitgeschichte im Sinne von § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG zuzuordnen ist, erfordert eine Abwägung zwischen den Rechten des Abgebildeten aus Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG, Art. 8 Abs. 1 EMRK einerseits und den Rechten der Presse aus Art. 5 Abs. 1 GG, Art. 10 Abs. 1 EMRK andererseits. Maßgebend ist hierbei das Interesse der Öffentlichkeit an vollständiger Information über das Zeitgeschehen, wobei dieser Begriff alle Fragen von allgemeinem gesellschaftlichem Interesse umfasst. Allerdings besteht das Informationsinteresse nicht schrankenlos. Vielmehr wird der Einbruch in die persönliche Sphäre des Abgebildeten durch den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit begrenzt. Bei der Gewichtung der kollidierenden Interessen kommt dem Anlass und dem Gegenstand der Berichterstattung maßgebliche Bedeutung zu, wobei der Informationsgehalt der Bildberichterstattung unter Berücksichtigung der zugehörigen Textberichterstattung zu ermitteln ist. Entscheidend ist insbesondere, ob die Medien im konkreten Fall eine Angelegenheit von öffentlichem Interesse ernsthaft und sachbezogen erörtern, damit den Informationsanspruch des Publikums erfüllen und zur Bildung der öffentlichen Meinung beitragen oder ob sie – ohne Bezug zu einem zeitgeschichtlichen Ereignis – lediglich die Neugier der Leser befriedigen (vgl. BGH, Urt. v. 8.3.2012 – VI ZR 125/12, AfP 2013, 399 m.w.N.).

Geht es um eine identifizierende Bildberichterstattung über den Verdacht einer Straftat, so ist darüber hinaus zu beachten, dass eine solche Berichterstattung in das Recht des Abgebildeten auf Schutz seiner Persönlichkeit eingreift, weil sie sein angebliches Fehlverhalten öffentlich bekannt macht und seine Person in den Augen der Adressaten von vornherein negativ qualifiziert (vgl. BGH, Urt. v. 9.2.2010 – VI ZR 243/08, juris Rn. 34). Insbesondere ist auch in diesem Zusammenhang im Hinblick auf die Unschuldsvermutung die Gefahr in den Blick zu nehmen, dass die Öffentlichkeit die bloße Einleitung eines Ermittlungsverfahrens mit dem Nachweis der Schuld gleichsetzt und dass der Eindruck, der Abgebildete sei ein Straftäter, selbst bei einer späteren Einstellung des Ermittlungsverfahrens nicht beseitigt wird. Ob im Einzelfall dem Recht auf Schutz der Persönlichkeit oder dem Informationsinteresse Vorrang gebührt, hängt unter anderem von dem Verdachtsgrad ab, dem der Beschuldigte ausgesetzt war und gegebenenfalls noch ist.

b. Unter Beachtung dieser Grundsätze ist das Bereithalten der Bildnisse des Klägers zum Abruf im Internet unzulässig, weil es unter Abwägung der jeweils betroffenen Rechtspositionen schon an einem Ereignis der Zeitgeschichte im Sinne von § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG fehlt.

Zwar bestand im Zeitpunkt der Berichterstattung im Hinblick auf das gegen den Kläger anhängige Ermittlungsverfahren zum einen wegen der Art des Strafvorwurfs und zum anderen wegen seiner Prominenz ein erhebliches öffentliches Berichterstattungsinteresse. Auch hatten die veröffentlichten Fotos nach der Art ihrer Gewinnung und Darstellung keinen eigenständigen Verletzungsgehalt, denn es handelt sich um kontextneutrale Aufnahmen des Klägers bei Ausübung seines Berufs als Fußballspieler. Die Veröffentlichung solcher kontextneutraler Aufnahmen ist nach den Grundsätzen der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. BGH, Urt. v. 18.9.2012 – VI ZR 291/10, juris Rn. 28 m.w.N.) und des Bundesverfassungsgerichts (vgl. BVerfG NJW 2001, 1921; BVerfG NJW 2006, 2835) unbedenklich. Jedoch ist bei der Abwägung, ob der vorliegende Berichtsgegenstand ein Ereignis der Zeitgeschichte im Sinne von § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG darstellt, entscheidend zugunsten des Klägers zu berücksichtigen, dass er durch Anlass und Gegenstand der Berichterstattung mit Bildnissen, die ihn in seinem Beruf als Fußballspieler zeigen, unmittelbar mit dem Verdacht in Verbindung gebracht wird, eine schwere Sexualstraftat begangen zu haben. Da jedoch die Voraussetzungen einer zulässigen Verdachtsberichterstattung nicht vorlagen, durfte der Kläger auch nicht mittels der veröffentlichen Bildnisse für die Rezipienten identifizierbar abgebildet werden. In der Veröffentlichung der Bildnisse liegt eine über die namentliche Nennung in der Wortberichterstattung hinausgehende Beeinträchtigung seines Persönlichkeitsrechts, weil er durch die Veröffentlichung der Bildnisse auch für denjenigen Rezipientenkreis als möglicher Täter eines Sexualdeliktes dargestellt wird, der ihn namentlich nicht kennt. Für die Erhebung eines solchen Verdachts in Verbindung mit einer bildlichen Identifizierung des Klägers bestand in dem Zeitpunkt, zu dem die Meldung erstmals online gestellt wurde, keine Rechtfertigung. Denn mangels einer hinreichenden Tatsachengrundlage, die dazu dienen konnte, den gegen den Kläger erhobenen Tatvorwurf zu stützen, waren die Bildnisse Teil der unzulässigen Verdachtsberichterstattung. Wie bereits dargelegt, hat weder die Staatsanwaltschaft Dortmund unter Angabe des Namens des Klägers über einen gegen diesen gerichtetes Ermittlungsverfahren berichtet, noch gab es aus Sicht der Beklagten andere Anhaltspunkte, die den Tatvorwurf gegen den Kläger hätten stützen können.

c. Jedenfalls aber verletzt die Bereithaltung der streitgegenständlichen Bildnisse im Online-Archiv der Beklagten die berechtigten Interessen des Klägers im Sinne von § 23 Abs. 2 KUG, weil es angesichts der zwischenzeitlich erfolgten Einstellung des gegen ihn gerichteten Verfahrens nach § 170 Abs. 2 StPO kein überwiegendes öffentliches Berichterstattungsinteresse mehr gibt, welches im Hinblick auf die schon ursprünglich unzulässige Bildberichterstattung, den nunmehr vollständig entfallenen Verdachtsgrad sowie das Rehabilitationsinteresse des Klägers eine weitere Bereithaltung dieser Bildnisse rechtfertigt.

3. Die prozessualen Nebenentscheidungen ergeben sich hinsichtlich der Kosten aus § 91 Abs. 1 ZPO und hinsichtlich der vorläufigen Vollstreckbarkeit aus § 709 ZPO. Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO nicht gegeben sind.

Streitwert des Berufungsverfahrens: 20.000 Euro

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