OLG Köln, Urteil vom 16.11.2016 – 5 U 159/15

November 2, 2021

OLG Köln, Urteil vom 16.11.2016 – 5 U 159/15

Tenor
I.

Auf die Berufung des Beklagten zu 1. wird das am 27. Oktober 2015 verkündete Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Köln – 3 O 41/14 – teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:

Die Klage wird abgewiesen.

II.

Die Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen werden dem Kläger auferlegt.

III.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

IV.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe
I.

Von der Darstellung der tatsächlichen Feststellungen wird gemäß § 540 Abs. 2 ZPO i. V. m. § 313 a Abs. 1 Satz 1 ZPO abgesehen.

II.

Die Berufung, die ersichtlich nur für den auf Beklagtenseite durch das angefochtene Urteil allein beschwerten Beklagten zu 1. eingelegt werden sollte, ist zulässig.

Die Berufung des Beklagten zu 1. ist auch begründet, worauf der Senat in der mündlichen Verhandlung am 24. Oktober 2016 mit ausführlicher Begründung hingewiesen hat. Auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung am 24. Oktober 2016 [Bl. 162 f. d. A.] wird ergänzend Bezug genommen.

I.

Der Kläger kann von den Beklagten die Erstattung der geltend gemachten Kosten für das Gutachten des Parteisachverständigen Dr. habil. N J in Höhe von 1.207 Euro und auch die Erstattung der Kopierkosten in Höhe von 30,40 Euro nicht verlangen:

Soweit die Ansprüche auf materielles Recht gestützt werden sollten (§§ 280 ff. BGB), handel es sich bei diesen geltend gemachten Erstattungsansprüchen um akzessorische Nebenforderungen, die dem „Schicksal“ der Hauptforderung folgen. Nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung und auch nach ständiger Instanzrechtsprechung können die Kosten für ein Privatgutachten und sonstige Rechtsverfolgungskosten nur dann erstattet werden, wenn auch ein Schadensersatzanspruch in der Sache selbst besteht. Nur in diesem Falle besteht wegen der Rechtsverfolgungskosten Raum für einen diesbezüglichen materiellrechtlichen Anspruch. Ein Schadensersatzanspruch, der originär auf die Erstattung von Sachverständigenkosten und damit der Sache nach auf die Erstattung von fehlgeschlagenen Aufwendungen gerichtet ist, müsste schon von der Zielrichtung der Pflichtverletzung her auf die Bewahrung von solchen Vermögensschäden gerichtet sein. Dies kann bei ärztlichen Sorgfaltspflichten grundsätzlich nicht angenommen werden, denn sie dienen dem Schutz der Rechtsgüter Leben und Gesundheit und nur in besonders gelagerten Ausnahmefällen (etwa Empfängnisverhütung oder genetische Beratung, vgl. BGH NJW 1995, 2407) auch dem Schutz von Vermögensinteressen.

Die vom Kläger in erster Instanz geltend gemachten Hauptforderungen sind aber vom Landgericht abgewiesen worden und Berufung hat der Kläger hiergegen nicht eingelegt.

Zur Begründung seiner gleichwohl vorgenommenen Verurteilung des Beklagten zu 1. zur Zahlung der Kosten für das Privatgutachten in Höhe von 1.207,00 Euro nebst Zinsen und der Kopierkosten in Höhe von 30,40 Euro nebst Zinsen hat sich das Landgericht zu Unrecht auf die Entscheidung des Bundesgerichtshofes in einem Verkehrsunfallprozess [veröffentlicht (u. a.) in VersR 2013, 1194, in NJW 2013, 1823 und in Juris] berufen, auf die auch der Kläger in seiner Berufungserwiderung ohne Erfolg Bezug nimmt. Denn in dieser Entscheidung des Bundesgerichtshofs ging es um die Privatgutachterkosten der obsiegenden Partei; und die Frage, welche Voraussetzungen für einen Anspruch auf Erstattung der Privatgutachterkosten erfüllt sein müssen, hat der Bundesgerichtshof in diesem Streitfall ausschließlich unter dem Gesichtspunkt des prozessualen Kostenerstattungsanspruchs und unter der Prämisse erörtert und entschieden, dass der anspruchsstellenden Partei wegen Obsiegens zur Hauptsache dem Grunde nach ein Anspruch auf Kostenerstattung gegen die unterlegene Partei zusteht, und dass zu klären ist, welche Einzelpositionen im Rahmen dieses Anspruches auf Kostenerstattung zugesprochen werden können [BGH, a. a. O., Juris-Rn. 6 ff., i. V. m. 1].

Auch auf die Entscheidung des OLG Köln vom 9. Juli zu Aktenzeichen 17 W 105/13 [veröffentlicht in Juris] hat sich das Landgericht zu Unrecht berufen. Denn mit diesem Beschluss hatte das OLG Köln über das Tragen der Kosten ebenfalls unter dem Gesichtspunkt des prozessualen Kostenerstattungsanspruchs für ein Privatgutachten zu entscheiden, das in einem Arzthaftungsstreitfall von dem Haftpflichtversicherer der im Wege der Arzthaftung in Anspruch genommenen Behandler eingeholt worden war. Und hierzu hat der 17. Senat des OLG Köln entschieden, dass auf der Behandlerseite das Einholen eines Privatgutachtens wegen der medizinischen Sachkunde der Behandler nicht erforderlich sei mit der Folge, dass die Kosten für das Privatgutachten nicht als erforderliche Kosten der Rechtsverfolgung angesehen werden könnten, und dass deshalb in dem fraglichen Streitfall die Frage dahinstehen bleiben könne, ob der Prozessgegner, d. h. die Patientenseite, vom Ansatz her auch für die Privatgutachterkosten des formal an dem Prozess nicht beteiligten Haftpflichtversicherers der beklagten Behandler in Anspruch genommen werden kann. Ob entsprechend dieser Beurteilung in jedem Falle eines von Behandlerseite eingeholten Parteigutachtens angenommen werden kann, dass dies zur Rechtsverfolgung nicht erforderlich ist, bedarf im Rahmen der hier zu treffenden Entscheidung keiner Klärung; jedenfalls ergibt sich aus dem vom Landgericht zitierten Beschluss des OLG Köln in keiner Weise, dass einem im Arzthaftungsprozess klagenden Patient trotz Unterliegens zur Hauptsache ein Anspruch auf Erstattung der Privatgutachterkosten zustehen könnte.

Auch aus den von dem Kläger zitierten Gerichtsentscheidungen ergibt sich dies nicht. So äußert sich der Bundesgerichtshof in seinen in NJW 2004, 3024, und in NJW 2007, 1450, veröffentlichten Entscheidungen ebenso wie in der oben bereits angesprochenen Entscheidung [VersR 2013, 1194 = NJW 2013, 1823] zu der Frage der konkreten Voraussetzungen für einen Anspruch auf Erstattung der Kosten für ein Privatgutachten ausschließlich unter der Voraussetzung, dass wegen Obsiegens im Prozess oder aus sonstigen Gründen dem Anspruchsteller dem Grunde nach ein Anspruch auf Kostenerstattungsanspruch zusteht und dass es ausschließlich um die Frage geht, welche konkreten Einzelpositionen unter welchen Voraussetzungen zu diesem Kostenerstattungsanspruch gehören können [BGH, NJW 2004, 3042, Juris-Rn. 32, sowie BGH, NJW 2007, 1450, Juris-Rn. 11 ff.]. In dem zuletzt zitierten Streitfall hat er insoweit entschieden, dass die Kosten für ein Privatgutachten nur dann als Einzelposition des Kostenerstattungsanspruches angesehen und zugesprochen werden können, wenn sie in angemessener Relation zu dem Schadensbetrag stehen, hinsichtlich dessen die Partei, die diese Privatgutachterkosten geltend macht, obsiegt [BGH, NJW 2007, 1450, Juris-Rn. 11 ff.].

Auch aus der nicht veröffentlichten Entscheidung des OLG Celle, die der Kläger im Abdruck zu den Akten gereicht hat, ergibt sich zu der Frage, ob der unterliegenden Prozesspartei ein Anspruch auf Erstattung der Privatgutachterkosten zustehen kann, nichts Belastbares; denn der Entscheidung kann nicht entnommen werden, welche Partei in der Hauptsache obsiegt hat.

Schließlich beruft sich der Kläger auch ohne Erfolg auf die Entscheidung des Senates vom 17. Januar 2011 zu Az. 5 W 39/10 OLG Köln – 9 O 277/10 LG Bonn [nicht veröffentlicht]. Denn in dieser Entscheidung ging es lediglich um die Frage, in welchem Umfange einem Patienten für einen beabsichtigten Arzthaftungsprozess Prozesskostenhilfe bewilligt werden kann, und dementsprechend in erster Linie um die Frage, in welchem Umfange eine hinreichende Erfolgsaussicht der beabsichtigten Rechtsverfolgung im Sinne von § 114 ZPO angenommen werden kann. Und ausschließlich in diesem Kontext ist der Senat in diesem Beschluss auf die geltend gemachten Privatgutachterkosten eingegangen, wobei er Prozesskostenhilfe in Bezug auf einen Teil des geltend gemachten Schmerzensgeldes, in Bezug auf den geltend gemachten Feststellungsantrag und auch in Bezug auf die geltend gemachten Privatgutachterkosten bewilligt hat. In dem anschließenden Hauptsacheverfahren zu Aktenzeichen 9 O 277/10 LG Bonn ist die Klage der Patientenseite wegen des nicht gelungenen Nachweises eines schadensursächlichen Behandlungsfehlers insgesamt und damit auch hinsichtlich der Privatgutachterkosten zurückgewiesen worden, wobei die gegen dieses Urteil eingelegte Berufung zu Aktenzeichen 9 O 277/10 LG Bonn – 5 U 181/12 OLG Köln ohne Erfolg blieb.

Scheidet somit ein Anspruch des Klägers gegen den Beklagten zu 1. auf Erstattung der geltend gemachten Privatgutachterkosten aus den vorstehenden Gründen schon vom Ansatz her aus, können die zwischen den Parteien streitigen Fragen, ob der Kläger die Kosten für das Privatgutachten selbst gezahlt hat, und ob die von dem Parteisachverständigen Dr. J im Einzelnen abgerechneten Positionen der Höhe nach gerechtfertigt sind, dahinstehen.

II.

Die mit der Berufungserwiderung vorgenommene Klagerweiterung des Klägers ist unzulässig. In Bezug auf die Beklagten zu 2. und 3. gilt dies schon deshalb, weil diese beiden Beklagten bei verständiger Auslegung der Berufungsschrift im Lichte der beigefügt gewesenen Ausfertigung der angefochtenen Entscheidung nicht Partei des Berufungsverfahrens geworden sind, was jedenfalls durch die diesbezügliche Klarstellung auf S. 1 der Berufungsbegründungsschrift des Beklagten zu 1. vom 29. Januar 2016 [Bl. 143 d. A.] für den Kläger auch hinreichend klar erkennbar war. Und in Bezug auf den Beklagten zu 1. liegen die Voraussetzungen des § 533 ZPO ersichtlich nicht vor.

Vorsorglich sei ergänzend angemerkt, dass dem Kläger gegen die Beklagten der im Wege der Klageerweiterung geltend gemachte Anspruch aber auch in der Sache nicht zusteht, weil er mit seiner Klageforderung in vollem Umfange rechtskräftig unterlegen ist und er deshalb von den Beklagten Kostenerstattung nicht verlangen kann.

III. Prozessuale Nebenentscheidungen:

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1, § 97 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 10, § 711 ZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO hierfür nicht vorliegen. Die entscheidungserheblichen Fragen sind solche des Einzelfalls.

Streitwert für das Berufungsverfahren: [1.237,40 € + 1.370,88 € =] 2.608,28 Euro

Haben Sie Fragen? 

Rufen Sie uns an oder schreiben Sie uns eine E-Mail, damit wir die grundsätzlichen Fragen klären können.

© Rechtsanwalt Krau. All rights reserved.
Powered by wearehype.eu.
© Rechtsanwalt Krau. All rights reserved.
Powered by wearehype.eu.