OLG Köln, Urteil vom 21.07.2016 – 7 U 17/15

November 4, 2021

OLG Köln, Urteil vom 21.07.2016 – 7 U 17/15

Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das am 30.12.2014 verkündete Urteil des Landgerichts Aachen (12 O 223/14) wird zurückgewiesen.

Die Kosten der Berufung werden der Klägerin auferlegt.

Das Urteil und das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar.

Der Klägerin bleibt nachgelassen, die Vollstreckung der beklagten Gemeinde durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht zuvor die beklagte Gemeinde Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe
Im Zeitraum von 2009 bis 2011 wurde für das streitgegenständliche Gebiet eine Studie zum Altbergbau durchgeführt und die Ergebnisse kartographisch dargestellt („Positivkarte“). Diese Positivkarte ging am 09.01.2012 beim Amtsleiter des Fachbereichs 4 der Beklagten, dem Zeugen T ein und stand spätestens Anfang Februar 2012 den Mitarbeitern im Bauamt, u.a. dem Zeugen I, zur Verfügung. Anfang 2012 interessierte sich die Klägerin für einen käuflichen Erwerb des Grundstücks Gemarkung I2, Flur xx, Flurstück xx0 (Nstraße 48), das im Bereich des tagesnahen Grundeigentümerbergbaus liegt, mit der Absicht, in dem unbebauten Teil dieses Grundstücks ein Wohnhaus zu errichten. Sie beauftragte den Architekten und Zeugen P zunächst damit, die grundsätzliche Bebaubarkeit beim Bauamt der Beklagten abzuklären. Am 25.01.2012 suchte der Zeuge P das Bauamt der Beklagten auf und sprach dort mit dem Zeugen I über das Bauvorhaben der Klägerin, ohne dass im Gespräch von diesem ein Hinweis auf die Positivkarte gemacht wurde.

In Hinblick hierauf macht die Klägerin gegen die Beklagte im Wege eines Feststellungsbegehren Ansprüche aus Amtshaftung bzw. aus § 39 OBG NRW wegen unterlassener Aufklärung über die Existenz der sog. Positivkarte geltend.

Das Landgericht hat durch Urteil vom 30.12.2014, auf das wegen der Sachverhaltsdarstellung im Übrigen Bezug genommen wird, die Klage abgewiesen.

Hiergegen hat die Klägerin das Rechtmittel der Berufung eingelegt und begründet. Sie verfolgt ihre erstinstanzlichen Anträge weiter und führte wesentlich an, das Landgericht sei von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen, wenn es ausführe, dass im Zeitpunkt des Gespräches vom 25.01.2012 der Umgang mit der Positivkarte in der Verwaltungspraxis noch nicht eindeutig geklärt gewesen sei. Das Landgericht verkenne nämlich, dass es nach dem eigenen Sachvortrag der Beklagten dieser im Hinblick auf die Positivkarte damals nur um die Klärung der Frage gegangen sei, ob diese Karte vollständig veröffentlicht oder nur einzelfallbezogen als verwaltungsinternes Hilfsmittel angewandt werden sollte. Danach sei jedenfalls über die beabsichtigte Änderung der Verwaltungspraxis zu informieren gewesen. Bei entsprechenden Informationen hätte sie, die Klägerin das Grundstück nicht erworben. Im Übrigen wendet sich die Klägerin gegen die Beweiswürdigung des Landgerichtes.

Die Klägerin beantragt,

unter Abänderung des Urteils des Landgerichtes Aachen vom 30.12.2014 – 12 O 223/14 –

1. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin die Schäden zu ersetzen, die der Klägerin dadurch entstehen, dass ihr Architekt am 25.01.2012 bei der Vorsprache im Bauamt der Beklagten nicht auf die Existenz der sog. Positivkarte (Darstellung der vom Altbergbau betroffenen Flächen) hingewiesen worden ist;

2. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin vorgerichtliche Anwaltskosten i.H.v. 3.600,19 € nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen,

sowie für den Fall, dass eine Haftung der Beklagten nur aus § 39 Abs. 1 lit. b), 40 Abs. 1 OBG NRW als gegeben anzusehen sei, festzustellen, dass die Beklagte den Schadensersatz bzw. die Entschädigung nur Zug um Zug gegen Abtretung der Ansprüche, die der Klägerin in diesem Zusammenhang gegen den Architekten Alfred P zustehen, zu leisten hat.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte ist der Berufung der Klägerin unter Verteidigung der angefochtenen Entscheidung entgegengetreten. Sie führt an: Um der Klägerin alle notwendigen Erkenntnismöglichkeiten zur Bebaubarkeit des Grundstückes zu verschaffen habe es nicht der Positivkarte bedurft; durch das „informelle“ Vorgespräch vom 25.01.2012 seien alle Informationen gegeben worden, um eigenverantwortlich weitere Auskünfte bei der F und/oder der Bergbaubehörde einzuholen. Die Positivkarte bedeute lediglich eine Verwaltungsvereinfachung, nicht aber eine Veränderung in der Genehmigungspraxis; die Verwaltungspraxis habe sich nämlich in dem Bereich, die heute im grauen Bereich der Positivkarte liege, nicht geändert, insbesondere nicht verschärft. Im Baugenehmigungsverfahren sei vor Einführung der Positivkarte regelmäßig auf Verlangen der Bezirksregierung B im Einzelfall die Einholung eines Kurzgutachtens zur bergbaulichen Unbedenklichkeit gefordert worden.

Der Senat hat durch Vernehmung des Zeugen N2 Beweis erhoben. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Sitzungsprotokoll vom 28.04.2016 (Bl. 321-327 Gerichtsakte) Bezug genommen.

Wegen aller weiteren Einzelheiten des beiderseitigen Vorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug verwiesen.

II.

Die prozessual bedenkenfreie Berufung ist unbegründet. Zu Recht hat das Landgericht die Klage abgewiesen. Die geltend gemachten Ersatzansprüche sind nicht gegeben.

Auskünfte, die ein Beamter erteilt, müssen den Stand seiner Erkenntnismöglichkeiten entsprechend sachgerecht, das heißt vollständig, richtig und unmissverständlich sein, so dass der Empfänger der Auskunft entsprechend disponieren kann. Auch dort, wo eine Amtspflicht zur Erteilung der Auskunft nicht besteht, muss diese, wenn sie gleichwohl erteilt wird, diesen Anforderungen entsprechen. Für die Frage, ob die Auskunft den zu stellenden Anforderungen genügt, kommt es entscheidend darauf an, wie sie vom Empfänger aufgefasst wird und werden kann und welche Vorstellungen zu erwecken sie geeignet ist. Maßgeblich ist insoweit nicht die innere Willensrichtung des Auskunft erteilenden Beamten, sondern die Erkenntnismöglichkeit des Empfängers. Klarheit der Auskunft ist insbesondere nötig, wenn Rechts- und Fachkenntnisse nicht vorausgesetzt werden können. Dabei hängt der Umfang der Auskunftspflicht auch vom Inhalt der Frage ab, die der Auskunftssuchende an die Behörde richtet (vergleiche Staudinger BGB Neubearbeitung 2013, Bearb. Wöstmann § 839 Rn. 150). Die bestehende Absicht bzw. der bereits gefasste Beschluss, künftig etwas zu tun, oder die dazu getroffenen Vorbereitungen können als innere Tatsachen gleichfalls Gegenstand einer Auskunft sein (vgl. Staudinger aaO. Rn. 152). Haftungsgrundlage ist dabei § 839 BGB i.V.m. Art 34 GG, so dass ein Verschulden erforderlich ist. Die Haftung der maßgeblichen Anstellungskörperschaft für die unrichtige Auskunft kann aber auch dann zu bejahen sein, wenn diese es versäumt hat, den (subjektiv gutgläubigen) auskunfterteilenden Beamten auf die ihr bekannten Zweifel hinzuweisen (BGH Urteil vom 11.05.1989 – III ZR 88/87 – Rn. 45 zitiert nach juris). Daneben ist jedoch auch eine verschuldensunabhängige, aus § 39 Abs. 1 Buchst. B. OBG NRW herzuleitende Haftung in Betracht zu ziehen. Denn auch eine mündliche Auskunft kann eine Maßnahme im Sinne von § 39 Abs. 1 Buchst. b OBG NRW darstellen, dies dann, wenn und solange der Auskunft nachsuchende Bürger auf ihre Richtigkeit vertrauen durfte (vergleiche Bundesgerichtshof Urteil vom 16.01.1992 – III ZR 18/90 – Rn. 12 zitiert nach juris).

Voraussetzung für all diese Anspruchsgründe ist aber, dass die Auskunft eine geeignete Grundlage für die ins Auge gefassten Maßnahmen darstellt, also eine „Verlässlichkeitsgrundlage“ für auf sie gestützte Aufwendungen, Investitionen und dergleichen bilden kann (BGH, NJW 2002, 432 ff., 433 zitiert nach beckonline).

Hieran fehlt es jedoch.

Unstreitig ist, dass im Gespräch vom 25.01.2012 die Positivkarte nicht erwähnt worden ist. Die Klägerin vermisst einen solchen Hinweis bzw. einen Hinweis darauf, dass die Absicht bestanden habe, die Positivkarte einzuführen. In der Positivkarte ist das streitgegenständliche Grundstück grau unterlegt. In der Legende zu dieser Positivkarte ist festgehalten, dass die grau unterlegten Flächen dem Erfordernis der Einschaltung eines Bergbausachverständigen unterliegen und im Regelfall die Notwendigkeit von Vor-Ort-Untersuchungen besteht. Zum Schluss heißt es dann noch unter „Anmerkung“:

„Die Kartendarstellung umfasst ausschließlich Restriktionen, die sich aus dem tages- und oberflächennahen Altbergbau für die Geländeoberfläche ergeben. Hinsichtlich eventueller Auswirkungen des Tiefbergbau auf Grundstück und Bauvorhaben ist auch weiterhin die F GmbH zu beteiligen.“

In der Tat ist beim streitgegenständlichen Grundstück die Frage des tagesnahen Grundeigentümerbergbaus problematisch, wie der weitere Geschehensablauf nach Ankauf durch die Klägerseite gezeigt hat. In Hinblick auf den tagesnahen Grundeigentümerbergbau galt aber schon immer: Die Gemeinde musste die Bezirksregierung B stets beteiligen, die dann regelmäßig Stellung nahm, mit der Folge, dass i.d.R. ein Bergbaugutachten erforderlich wurde, wie der Zeuge N2 bekundet hat. Bezogen auf den Wunsch der Klägerin, das Grundstück kaufen zu wollen, hätte ein Hinweis auf die Positivkarte einen größeren Erkenntnisgewinn dann jedoch nicht bedeutet. Zwischen den Parteien ist allerdings der Inhalt des Gespräches vom 25.01.2012 streitig. Nach der Behauptung der Beklagten soll bei dem Gespräch am 25.01.2012 der Zeuge I eine Anfrage bei der Bezirksregierung in B empfohlen haben und weiter darauf hingewiesen haben, dass die Bebaubarkeit entscheidend von dem Ergebnis der Klärung von früheren oberflächennahen Bergbauaktivitäten in dem Bereich abhänge, in dem das Grundstück liege. Das Landgericht geht in der angefochtenen Entscheidung davon aus, der Zeuge I habe in dem Gespräch vom 25.01.2012 nicht nur auf die Schächte des F, sondern auf den Altbergbau insgesamt, also auch auf den oberflächennahen Bergbau hingewiesen. Ob dem gefolgt werden kann, erscheint nicht unzweifelhaft, kann aber letztendlich dahinstehen. Wenn man zugunsten der Klägerin allein die Zeugenaussage P zugrundelegt, war die Bergbauproblematik jedenfalls generell Gegenstand des Gespräches vom 25.01.2012, ohne dass dies bezogen auf den tagesnahen Grundeigentümerbergbau im Gespräch vertieft worden ist; der Bauamtsmitarbeiter I soll – befragt nach etwaigen Schwierigkeiten – nach der Aussage P nur gesagt haben, den Bauantrag der F vorzulegen bzw. daran zu denken, die Statik dem F vorzulegen. Diese vom Zeugen P wiedergegebenen Erklärungen des Mitarbeiters des Bauamtes konnten jedoch schon keine ausreichend verlässliche Grundlage für die Entscheidung, die streitgegenständliche Grundfläche zu kaufen, bilden. Bei der Haftung wegen falscher Auskünfte kommt es aber entscheidend darauf an, ob das nach Erhalt der Auskunft entfaltete Vertrauen schutzwürdig ist. Es ist deshalb zunächst festzustellen, ob die konkrete Auskunft überhaupt geeignet war, eine Vertrauensgrundlage bzw. Verlässlichkeitsgrundlage für Investitionen zu bilden (BGH, NJW 2002, 432 ff., 433 zitiert nach beckonline). Dabei sind als Gesichtspunkte, die den Vertrauensschutz ausschließen können, nicht nur objektive Umstände, sondern auch subjektive Kenntnisse und sich aufdrängende Erkenntnismöglichkeiten (auch eines für den Bauherrn anfragenden Architekten) zu würdigen (vergleiche Oberlandesgericht Koblenz Urteil vom 12.12.2007 – 1 U 180/07 – zitiert nach juris Rn. 35.).

Wie sich aus der von Beklagtenseite überreichten Empfehlung der Architektenkammer O (Anlage 10 des Schriftsatzes der Beklagten vom 20.10.2015; vergleiche Anlagenheft I 18 ff., 23, dort Seite 6 unten,) ergibt, war es aber Sache des Architekten P, sich in Hinblick auf die Bergbauproblematik selbst zu vergewissern. Wenn demgegenüber die Klägerin mit Schriftsatz vom 25.05.2016 die Behauptung aufstellt, von Seiten der Beklagten sei dem Architekten der Fertighausfirma bzw. dem Zeugen P erklärt worden, bevor es die Positivkarte gegeben habe („vor zwei Jahren“), hätte es dort keine Probleme gegeben (vergleiche Bl. 351 Gerichtsakte), so lässt sich dies schon nicht in Übereinstimmung mit dem Schreiben der F vom 22.8.2013 (Bl. 32- 33 Gerichtsakte) bringen, in dem ausgeführt wird, es sei gängige und geübte Praxis der Bezirksregierung B, im Hinblick auf den Schacht von einer Schachtschutzzone von 20 m im Radius auszugehen. Letztlich ist aber entscheidend, dass das streitgegenständliche Grundstück in einem Bereich liegt, dass generell bergbaurechtliche Probleme aufwirft, die auch in die Zuständigkeit der Bezirksregierung B fallen, und zwar unabhängig davon, ob es eine Positivkarte gibt. Die bergbaurechtliche Problematik war jedoch durch den Architekten P als von Seiten der Klägerin beauftragter Fachmann eigenständig abzuklären, eben durch eine Anfrage in B und gegebenenfalls durch Einschaltung eines Bergbausachverständigen, so wie es nunmehr in der Positivkarte für den Bereich des streitgegenständlichen Grundstückes vorgesehen ist.

Die prozessualen Nebenentscheidungen ergeben sich aus §§ 97, 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Es besteht kein Anlass, die Revision zuzulassen. Die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor. Es handelt sich um eine Einzelfallentscheidung ohne grundsätzliche Bedeutung.

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