OLG Köln, Urteil vom 23.11.2016 – 11 U 173/15

November 2, 2021

OLG Köln, Urteil vom 23.11.2016 – 11 U 173/15

Tenor
1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil der 7. Zivilkammer des Landgerichts Köln vom 23.10.2015 – 7 O 65/15 – wird zurückgewiesen.

2. Die Kosten der Berufung trägt die Klägerin.

3. Dieses und das angefochtene Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% der vollstreckbaren Forderung oder Hinterlegung abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe geleistet hat.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe
I.

Die Beklagte veräußerte durch notarielle Bauträgerverträge Wohnungseigentumseinheiten in einem „D“ genannten Gebäudekomplex in L, welcher auf den Siegerentwurf eines städtebaulichen Wettbewerbs zurückgeht. Beispielhaft wird auf die als Anlagen K 2.1 und K 2.2 vorgelegten notariellen „Kaufverträge“ vom 28.01.2011 und vom 15.06.2011 sowie den in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat überreichten „Kaufvertrag“ vom 01.12.2010 verwiesen. Vorausgegangen waren Bewerbungen des Objekts durch die Beklagte bzw. die Maklerin gegenüber den Wohnungsinteressenten unter Verwendung eines hochwertigen Verkaufsexposés in zwei Bänden (Anlagen K 4.1).

Die Klägerin nimmt die Beklagte im Wege der Teilklage auf Zahlung einer Preisminderung wegen optischer Mängel am Gemeinschaftseigentum, nämlich wegen im einzelnen von ihr ausgeführter Abweichungen des errichteten Gebäudes von dem in dem Verkaufsexposé beworbenen äußeren Erscheinungsbild, in Anspruch. Mit der Teilklage hat die Klägerin zunächst auf die Wohneinheiten 1 und 40 entfallende Minderungsbeträge von jeweils 5.000,00 €, insgesamt 10.000,00 €, geltend gemacht.

Das Landgericht hat die Klage mit Urteil vom 23.10.2015, auf welches hinsichtlich der weiteren Einzelheiten sowie der Fassung des erstinstanzlichen Klageantrags gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO Bezug genommen wird, mit der Begründung abgewiesen, dass die tatsächliche Bauausführung auch unter Berücksichtigung des Exposés dem vereinbarten Bausoll entspreche.

Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer Berufung, mit welcher sie in der Sache unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens Rechtsverletzungen sowie fehlerhafte Tatsachenfeststellungen rügt.

Die Klägerin hat beantragt,

unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Köln vom 23.10.2015 – 7 O 65/15 – die Beklagte zu verurteilen,

1.

an die Klägerin 10.000,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit und

2.

zum Ausgleich außergerichtlicher Rechtsverfolgungskosten 745,40 €

zu zahlen.

Mit Schriftsatz vom 05.05.2016 hat sie die Klage zum Antrag zu 1 erweitert und beansprucht nunmehr, weiterhin im Wege der Teilklage, anteilige Minderungsbeträge von jeweils 11.000,00 €.

Sie beantragt zu Ziffer 1 nunmehr,

die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 22.000,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen,

wobei auch sie zur Begründung ihr erstinstanzliches Vorbringen wiederholt und vertieft.

Wegen aller weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze sowie auf die Sitzungsniederschrift vom 02.11.2016 Bezug genommen.

II.

Die auch im Umfang der Klageerweiterung gemäß §§ 264 Nr. 2, 529, 531 ZPO zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg.

Die Klägerin hat mit Schriftsatz vom 03.06.2016 (Bl. 302), dem bisherigen Verständnis von Landgericht und Senat entsprechend, klargestellt, dass von ihr im einzelnen vorgebrachte weitere, nämlich technische Mängel nicht Gegenstand des im vorliegenden Verfahren verfolgten Minderungsbegehrens sind. Das Landgericht hat zu den mithin hier allein relevanten Sachmängeln in Form der vorgetragenen optischen Abweichungen der tatsächlichen Bauausführung von dem Inhalt des Verkaufsexposés aber zu Recht und mit zutreffender Begründung festgestellt, dass der – unproblematisch prozessführungsbefugten und aktivlegitimierten – Klägerin insoweit kein Minderungsanspruch zusteht. Der Senat hält insoweit an seinen mit Beschluss vom 14.04.2016 erteilten Hinweisen fest, dass die das Äußere des Gebäudekomplexes ausmachende tatsächliche Bauausführung betreffend Klinkerfassade, Holzbauteile, Balkonbrüstungen und Garagentor dem vereinbarten Bausoll i.S. des § 633 Abs. 2 BGB entspricht, ein zur Minderung gemäß § 638 Abs. 4 BGB berechtigender Mangel in Form einer optischen Abweichung von einem im Exposé dargestellten und beworbenen Erscheinungsbild also nicht vorliegt, und ergänzt diese nach Maßgabe der nachfolgenden Feststellungen.

1.

Der Senat folgt der Klägerin grundsätzlich darin, dass die aus dem Verkaufsexposé, dort vornehmlich aus Band 1, ersichtliche ästhetischkünstlerische Anmutung des „D“ genannten Gebäudekomplexes sich von derjenigen der tatsächlichen Bauausführung in Details unterscheidet. Das vorhandene Gebäude, das Mitgliedern des erkennenden Senats aus eigener Anschauung bekannt und im Übrigen aus den zur Akte gereichten Lichtbildern (Anlagen K 1.1.-12) ersichtlich ist, schwächt infolge der Gestaltung der Klinkerfassade mit ebenen Steinen und flächenbündigen Fugen das eher Grobe und Rustikale des im Exposé dargestellten Mauerwerks ab, weshalb ein moderner wirkender, glatterer Gesamteindruck entsteht. Die Klägerin verweist auch zutreffend darauf, dass es gegenüber der Darstellung im Exposé Veränderungen u.a. in der Farbgebung bei Fenstern, Türen und Holzbauteilen der Fassade gegeben hat.

Die visuelle Umsetzung des damaligen Bauvorhabens im Verkaufsexposé ist indes selbst dann, wenn dessen Inhalt in die Beurteilung der geschuldeten Beschaffenheit grundsätzlich einzubeziehen sein würde, hier nicht (alleiniger) Maßstab der werkvertraglich geschuldeten Beschaffenheit des Gebäudes. Denn bei den bildlichen Darstellungen vornehmlich in Band 1 des Exposés handelt es sich um Computergrafiken, welche – unstreitig – auf einem Entwurf des Architekten N basieren. Auch wenn das verwendete Grafikprogramm unverkennbar hochwertig ist, birgt eine solcherart geschaffene Architekturdarstellung die Möglichkeit gewisser Abweichungen bei der Umsetzung und Präsentation der geplanten Idee, gerade auch in Details wie der genauen Farbgebung. Das bedeutet aber, dass ein Vertrauen darauf, ein Objekt werde exakt so in der Realität ausgeführt wie in einer Computergrafik visualisiert, schon im Ausgangspunkt nicht gerechtfertigt erscheint.

Im Streitfall wird dies nachhaltig bestätigt durch den Umstand, dass innerhalb des Exposés selbst Abweichungen zwischen der bildlichen Darstellung und der textlichen Fassung der Baubeschreibung auf Seiten 58 ff in Band 2 des Exposés festzustellen sind. Während nämlich die Brüstungen von Loggien und Dachterrassen auf sämtlichen Bildern aus rahmenlos montierten Glasscheiben bestehen, ist in der zugehörigen Baubeschreibung von Loggien/Terrassen in Band 2 des Exposés die Rede von „Brüstungsgeländer aus farbig beschichtetem Metall mit Glasfüllungen…“, wie dies später auch tatsächlich umgesetzt worden ist. Hinzu kommt der von dem Landgericht (LGU 9 zur Fassade) bereits zutreffend hervorgehobene Umstand, dass die grafische Darstellung desselben Gestaltungselements auf den diversen Bildern innerhalb des Exposés verschieden ausfällt.

Dass die Umsetzung der Idee eines Architekten in eine bildliche Darstellung im Detail unterschiedlich ausfallen kann, ohne die Schöpfungshöhe der Leistungen des Entwerfenden zu berühren und die Idee nennenswert zu ändern, bestätigt sich auch aus dem Umstand, dass das entwerfende Büro „N Architekten“, auf dessen „Siegerentwurf“ das Exposé ausdrücklich Bezug nimmt (Band 1, Seite 4), auf seine Homepage (www.N.de) Fotos des tatsächlich errichteten Gebäudekomplexes eingestellt hat, mithin die von der Klägerin beanstandeten optischen Abweichungen zwischen Exposé und Realität offenkundig akzeptiert hat.

2.

Die Berufung hat aber auch dann keinen Erfolg, wenn, anders als zu vorstehend Ziffer 1 vertreten, die bildliche Darstellung im Verkaufsexposé zum detailgetreuen Maßstab der werkvertraglich geschuldeten Beschaffenheit der verkauften Eigentumswohnungen und Stadthäuser des Komplexes „D“ gemacht würde. Denn auf die bildlichen Darstellungen in dem Verkaufsexposé, auf welche die Klägerin allein abhebt, kommt es schon aus Rechtsgründen nicht an.

Die Beklagte verweist zutreffend darauf, dass die bisherige höchstrichterliche Rechtsprechung, welche Angaben des Verkäufers in einem Exposé in die Beurteilung einer Beschaffenheitsvereinbarung einbezogen hat, durch das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 06.11.2015 – V ZR 78/14 – (ergänzend auch BGH, Urteil vom22.04.2016 – V ZR 23/15) eine entscheidende Veränderung erfahren hat. Danach führt eine Beschreibung von Eigenschaften eines Grundstücks oder Gebäudes durch den Verkäufer vor Vertragsschluss, die in der notariellen Urkunde keinen Niederschlag findet, in aller Regel nicht zu einer Beschaffenheitsvereinbarung nach § 434 Abs. 1 Satz 1 BGB, weil Informationen über Eigenschaften der Kaufsache von den beurkundungsbedürftigen Vereinbarungen der Parteien zu unterscheiden sind (BGH a.a.O. Tz. 15). Durch vorvertragliche Angaben des Verkäufers in einem Exposé kommt mithin eine entsprechende konkludente Beschaffenheitsvereinbarung nach § 434 Abs. 1 Satz 1 BGB nicht zustande (BGH a.a.O. Tz. 21 unter ausdrücklicher Aufgabe seiner bisherigen Rechtsprechung).

Nach Auffassung des Senats ist diese Rechtsprechung auch im Streitfall einschlägig.

Die Definition eines kaufrechtlichen Sachmangels nach § 434 Abs. 1 Satz 1 BGB stimmt mit dem hier zugrunde gelegten werkvertraglichen Mangelbegriff des § 633 Abs. 2 Satz 1 BGB überein; entscheidend ist die Beschaffenheitsvereinbarung der Parteien. Soweit der Bundesgerichtshof a.a.O. maßgebliches Gewicht auf die Auswirkungen der Beurkundungsbedürftigkeit eines Vertrages gelegt und deshalb den beurkundeten Vereinbarungen den Vorrang vor einfachschriftlichen vorvertraglichen Beschaffenheitsvereinbarungen beigemessen hat, gilt entsprechendes im Streitfall. Denn die von den Mitgliedern der klagenden WEG zum Erwerb der noch zu errichtenden einzelnen Eigentumswohnungen bzw. Stadthäuser geschlossenen notariellen Kaufverträge, wie exemplarisch als Anlagen K 2.1 und 2.2 sowie in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat vorgelegt, vereinen, wie bei Bauträgerverträgen üblich, werk- bzw. werklieferungsvertragliche und kaufvertragliche Elemente. Da sie einen Grundstückserwerb zum Gegenstand haben und deshalb der Beurkundungspflicht unterliegen, rechtfertigt sich eine Heranziehung der zitierten Rechtsprechung zur Beschaffenheitsvereinbarung auch, soweit sich die Gewährleistung wegen Mängeln der Kaufsache infolge der in der geschuldeten Errichtung einen Gebäudes liegenden Besonderheiten des Bauträgervertrags nach den Vorschriften des Werkvertrags richtet.

Diese Erwägungen gelten insbesondere auch vor dem Hintergrund, dass der Bundesgerichtshof in Entscheidungen der jüngeren Zeit (vgl. BGH, Urteil vom 25. Februar 2016 – VII ZR 156/13 -, Rn. 24, juris, und BGH, Urteil vom 25. Februar 2016 – VII ZR 49/15 -, Rn. 28, juris) offen gelassen hat, ob für – wie hier – nach Inkrafttreten des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes geschlossene Bauträger-Verträge noch an der bisherigen Rechtsprechung festzuhalten ist, dass auf die Veräußerung fertig gestellter Eigentumswohnungen grundsätzlich Werkvertragsrecht anwendbar sei.

Soweit, worauf der Senat in anderem Zusammenhang bereits darauf hingewiesen hat, die – wie ausgeführt von den Visualisierungen im Detail abweichende – Textfassung der Baubeschreibung auf Seiten 58 ff in Band 2 des Exposés, wie im Übrigen auch die dort abgebildeten Grundrisse, praktisch unverändert in die einzelnen notariellen Kaufverträge der WEG-Mitglieder übernommen worden ist, führt dies nicht zu einer Einbeziehung des Exposés in die Vertragsurkunde im Rechtssinne. Denn auch wenn die beurkundeten Kaufverträge – ohne dies allerdings kenntlich zu machen – in Form der Anlage 3 zur Urkunde die fragliche textliche „Baubeschreibung“ aus Band 2 des Exposés tatsächlich übernommen haben (vgl. Ziffer 2.2.2 der Verträge), sind die bildlichen Darstellungen des Exposés, aus denen sich die optischen Abweichungen in der Bauausführung allenfalls ergeben können, mangels Beurkundung nicht zum Gegenstand von Beschaffenheitsvereinbarungen geworden.

3.

Schließlich rechtfertigt das Berufungsvorbringen aber auch dann keine Abänderung der angefochtenen Entscheidung, wenn auf der Grundlage der bisherigen Rechtsprechung bei der Beurteilung einer geschuldeten werkvertraglichen Leistung und entsprechenden Vertragsauslegung dem Prospekt des Verkäufers wesentliche Bedeutung beizumessen sein sollte (vgl. BGH, Urteil vom 25. Oktober 2007 – VII ZR 205/06 -, Rn. 18, juris) und weiter die Aussagekraft bzw. Verbindlichkeit des Exposés entgegen den Ausführungen zu Ziffer 1. dieses Beschlusses unterstellt wird.

Die Vertragsauslegung der Kammer zur vereinbarten Beschaffenheit des Gebäudes trägt dem Inhalt des Exposés unter ergänzender Berücksichtigung des im Verkaufsprospekt Band 2 enthaltenen „Haftungsvorbehalts“ sowie den Regelungen in Ziffern 2.2.2 und 2.2.3 der notariellen Kaufverträgen zutreffend Rechnung.

Das Landgericht hat in diesem Zusammenhang insbesondere zutreffend festgestellt, dass die Klausel in Ziffer 2.2.3 der Kaufverträge einer Inhaltskontrolle standhält. Soweit dort „Änderungen in der Bauausführung und -ausstattung … vorgenommen werden (können), wenn dies durch etwaige behördliche Auflagen, technisch notwendige Änderungen, Sonderwünsche des Käufers oder andere wesentliche Gründe erforderlich wird“, sowie der Verkäufer „anstelle der festgelegten Leistungen gleichwertige andere, insbesondere gleichwertige andere Ausstattungsgegenstände verwenden“ darf, „wenn es die Umstände erfordern oder dies bauliche Verbesserungen mit sich bringt“, wird die notwendige Abgrenzung, wann zu einer Änderung der Bauausführung berechtigende triftige Gründe vorliegen (vgl. BGH, Urteil vom 23. Juni 2005 – VII ZR 200/04 -, Rn. 18, juris), gerade geleistet.

Der Senat macht sich deshalb ergänzend die auf Grund dieser Vertragsauslegung getroffenen, nicht ergänzungsbedürftigen Feststellungen des Landgerichts (LGU 9 ff) zu eigen, dass nach Maßgabe des Bausolls an den im einzelnen beanstandeten Gestaltungselementen die gerügten Mängel nicht bestehen.

4.

Die prozessualen Nebenentscheidungen über die Kosten und die vorläufige Vollstreckbarkeit beruhen auf §§ 97, 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision nach § 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor. Die Rechtssache hat keine über den Einzelfall hinausgehende grundsätzliche Bedeutung, und eine Entscheidung des Revisionsgerichts ist in Ansehung der zitierten höchstrichterlichen Entscheidungen auch nicht zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird festgesetzt auf 10.000,00 € bis zum 09.05.2016 und auf 22.000,00 € danach.

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