OLG Köln, Urteil vom 28.06.2018 – 15 U 150/17

Oktober 20, 2021

OLG Köln, Urteil vom 28.06.2018 – 15 U 150/17

Tenor
1. Auf die Berufung des Beklagten zu 2) wird das Urteil des Landgerichts Köln vom 13.09.2017 (28 O 84/17) teilweise abgeändert und die Klage hinsichtlich des Beklagten zu 2) abgewiesen.

2. Der Beklagte zu 1) wird des Rechtsmittels der Berufung für verlustig erklärt, nachdem er diese zurückgenommen hat.

3. Von den Gerichtskosten erster Instanz und den außergerichtlichen Kosten des Klägers erster Instanz tragen der Beklagte zu 1) und der Kläger je 1/2. Die außergerichtlichen Kosten des Beklagten zu 2) in erster Instanz trägt der Kläger. Im Übrigen findet hinsichtlich der Kosten des Rechtsstreits in erster Instanz keine Kostenausgleichung statt.

Von den Gerichtskosten des Berufungsverfahrens tragen der Beklagte zu 1) 12,5% und der Kläger 87,5%. Von den außergerichtlichen Kosten des Klägers im Berufungsverfahren trägt der Beklagte zu 1) 48%. Die außergerichtlichen Kosten des Beklagten zu 2) im Berufungsverfahren trägt der Kläger. Im Übrigen findet hinsichtlich der Kosten des Berufungsverfahrens keine Kostenausgleichung statt.

4. Dieses Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

5. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe
I.

Der Kläger ist Journalist und hat sich u.a. durch seine Präsenz in und den Umgang mit sog. sozialen Medien im Internet einen Namen gemacht. Der Kläger ist mit einer israelischen Staatsbürgerin, Politikwissenschaftlerin und Politikerin verheiratet, die während ihres Militärdienstes Anfang der 1990er Jahre für den israelischen Militärnachrichtendienst B in einer Fernmeldeeinheit tätig war und zwar in Sachen Kommunikation, Abhören von analogem Funk, Chiffrieren/Dechiffrieren, Triangularpeilung. Auf der L-Website der Ehefrau des Klägers ist insofern die Bezeichnung „Intelligence Officer (Lieutenant)“ vorgehalten (Anlage B 10, Bl. 130 AH II). Die Ehefrau des Klägers, ehemalige Beraterin von T Q, ist für das „Washington Institute“ tätig, wobei wegen der weiteren Einzelheiten auf Anlage B 2, Bl. 218 f. d.A.) verwiesen wird. Der Beklagte zu 2) ist Publizist, der mit seinen Veröffentlichungen zumindest auch ein konspirologisch interessiertes Publikum bedient. Er veröffentlicht fortlaufend jedes Jahr in dem Verlag des Beklagten zu 1) ein Buch mit dem Titel „verheimlicht, vertuscht, vergessen. Was (Jahreszahl des behandelten Vorjahrs) nicht in der Zeitung stand.“

Der Kläger, der mit seiner Familie bei Nizza lebte, hielt sich am 14.07.2016 anlässlich des französischen Nationalfeiertages in Nizza auf und beobachtete dort das dortige LKW-Attentat auf der Uferpromenade. Hiervon fertigte er eine Videoaufnahme mit dem Handy, die er dem C. S. zur Verfügung stellte, wodurch die Aufnahme im Fernsehen ausgestrahlt wurde und sich weiter über das Internet verbreitete. Am 22.07.2016 hielt sich der Kläger, der regelmäßig in München arbeitet, in München auf, erfuhr von dem Amoklauf im Olympia-Einkaufszentrum und berichtete sodann – nach Beendigung der eigentlichen Tat – von dort. Die genauen Hergänge sind zwischen den Parteien umstritten.

Am frühen Nachmittag des 24.07.2016 übersandte der Beklagte zu 2) – ohne Nennung seiner Eigenschaft als Journalist/Buchautor – eine Email an den Kläger mit Fragen zu den Geschehnissen, verbunden mit der Bitte um „baldige“ Antwort. Die Fragen betrafen u.a. die Zufälligkeit der Anwesenheit des Klägers an den beiden Tatorten, etwaiges Vorwissen des Klägers und mögliche Geheimdienstbeziehungen. Im Nachgang an die am 24.07.2016 stattfindende Emailkorrespondenz zwischen ihm und dem Kläger, wegen deren weiterer Einzelheiten auf Anlagenkonvolut K 2 (AH I = Anlage B 08, Bl. 109 f. AH II) Bezug genommen wird, veröffentlichte der Beklagte zu 2) am Folgetag, dem 25.07.2016, auf der Internetseite des Beklagten zu 1) den Blogbeitrag „München-Anschlag: Das unverschämte Reporterglück des S. H.“ Der Beitrag enthielt einige der hier streitgegenständlichen Passagen, wegen des genauen Inhalts wird im Übrigen auf Anlage K 3 (AH I) Bezug genommen. Der Kläger ging gegen diese Veröffentlichung nicht vor. Damals verbreitete sich vor allem im Internet – nach Äußerungen des Klägers in einem Interview dies allerdings schon beginnend am Morgen nach dem Münchner Attentat – zunehmend der Gedanke, dass der Kläger Vorwissen über die Anschläge gehabt haben müsse. Es wurde ferner vermutet, dass seine Ehefrau Zugang zu Geheimdienstinformationen gehabt habe. Beispielhaft wird auf den Blogbeitrag des Herrn I. in Anlage K 11 (AH I) verwiesen. Der Kläger – der sich und seine Familie zunehmend Anfeindungen ausgesetzt und sich in seiner Internetpräsenz und seiner beruflichen Tätigkeit beeinträchtigt sah – gab gegenteilige öffentliche Stellungnahmen ab. Die Thematik wurde Gegenstand verschiedener Berichterstattungen, wobei wegen der Einzelheiten auf Anlagen K 4 – 7 (AH I) verwiesen wird. Der Kläger nahm gegen einzelne Internet-Veröffentlichungen gerichtliche Hilfe in Anspruch.

Mitte Februar 2017 erschien – ohne erneute Kontaktaufnahme mit dem Kläger und/oder seiner Ehefrau – im Verlag des Beklagten zu 1) das vom Beklagten zu 2) verfasste Buch „verheimlicht, vertuscht, vergessen. Was 2016 nicht in der Zeitung stand“, welches auf S. 198 ff. ein – inhaltlich dem Blogbeitrag des Beklagten zu 2) ähnliches – Kapitel zu den Geschehnissen in Nizza und München u.a. mit den streitgegenständlichen Äußerungen enthält. Wegen der weiteren Einzelheiten dieses Kapitels wird auf die Ablichtungen in Anlage K 1 (AH I = Anlage B02, Bl. 80 ff. AH II) Bezug genommen. Das Buch wurde zum Bestseller und erreichte einen hohen Rang in der T2-Beststellerliste. Der Kläger rief Freunde und Bekannte zu einer kritischen Rezension beim Onlinebuchhändler B2 auf, was wiederum Gegenstand kritischer Äußerungen im Internet wurde, wegen deren Einzelheiten auf Anlage K 10 (AH I) und auf S. 5 ff. der Klageerwiderung des Beklagten zu 2) (Bl. 57 ff. d.A.) nebst Anlagenkonvolut B 1 (AH II) Bezug genommen wird. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes und der erstinstanzlichen Sachanträge wird auf den Tatbestand des angegriffenen Urteils des Landgerichts vom 13.09.2017 (Bl. 145 ff. d.A.) Bezug genommen. Das Landgericht hat mit angegriffenem Urteil unter Klageabweisung im Übrigen die Beklagten verurteilt, es zu unterlassen,

sowie – insofern erfolgte wegen der geringer angesetzten Höhe des Gegenstandswerts eine Teilklageabweisung – Anwaltskosten i.H.v. 526,58 EUR zu zahlen. Das Landgericht hat die streitgegenständliche Berichterstattung aus Sicht eines Durchschnittsrezipienten wegen der Anordnung der Fragen als Verdachtsberichterstattung über das mögliche Vorhandensein von Vorwissen eingeordnet, welche den Kläger als möglichen Täter einer Straftat nach § 138 StGB darstelle. Es gehe nicht nur um das Aufwerfen von Fragen und Spekulieren aufgrund feststehender Tatsachen, sondern es werde ein Verdacht bezüglich des Vorliegens innerer Tatsachen in den Raum gestellt. Mangels Vorliegens der Voraussetzungen einer zulässigen Verdachtsberichterstattung, hier des erforderlichen „Mindestbestands an Beweistatsachen“, sei die Berichterstattung unzulässig. Daraus folge ein Anspruch auf Erstattung der Anwaltskosten als Rechtsverfolgungskosten aus § 823 Abs. 1 BGB. Wegen der weiteren Einzelheiten der Begründung wird auf die Entscheidungsgründe der angegriffenen Entscheidung (Bl. 145 ff. d.A.) Bezug genommen.

Dagegen haben sich zunächst beide Beklagte mit ihren Berufungen gewandt, wobei der Beklagte zu 1) seine Berufung unter dem 22.12.2017 noch vor der Einreichung der Berufungsbegründung wieder zurückgenommen hat. Der Beklagte zu 2) ist der Ansicht, das Landgericht sei zu Unrecht von einer Verdachtsberichterstattung ausgegangen und habe die Fragen zum „Vorwissen/Wissen“ hier aus dem Gesamtzusammenhang gerissen. Die Regelung des § 138 StGB sei dem Durchschnittsleser unbekannt und ein schweres Vergehen sei dem Kläger in dem Beitrag nicht, auch nicht implizit, vorgeworfen. Unbestimmtes „Vorwissen“ genüge ohnehin nicht, um die Voraussetzungen des § 138 StGB zu erfüllen. Keinesfalls sei Wissen von Detailplanungen suggeriert worden. Er habe nur über die unstreitigen Tatsachen (Anwesenheit an beiden Tatorten in kurzer zeitlicher Abfolge und Tätigkeit der Ehefrau) berichtet. Dies sei vor dem Hintergrund zu sehen, dass der israelische Geheimdienst nach der Berichterstattung in Anlage B 3, Bl. 220 d.A. zwei Monate vor den Attentaten verbesserte Möglichkeiten zur Vorhersage von Attentaten angepriesen hatte. Zudem habe der Beklagte zu 2) nur über die „intellektuelle Frage eines möglichen Vorwissens von den Attentaten oder angeblichen Attentaten, also um die Frage eines kognitiven Prozesses beim Kläger“ (Bl. 262 d.A.) spekuliert, zumal die zufällige Anwesenheit bei beiden Terrorakten in so kurzer Abfolge unwahrscheinlich und ein „negativer Lottogewinn“ sei – was dann Auslöser der Fragen an den Kläger gewesen sei. Zudem habe der Kläger bei seinen Angaben zu seiner Anwesenheit in München und Nizza im Detail widersprüchliche Angaben gemacht und kritische Berichterstattungen so herausgefordert. Sollte ein Verdacht konkreten Vorwissens bei Lesern entstanden sein, sei das dem Beklagten zu 2) nicht zuzurechnen. Jedenfalls lägen angesichts des Mindestmaßes an Beweistatsachen und der Anhörung die Voraussetzungen einer zulässigen Verdachtsberichterstattung über ein Vorwissen vor. Die an den Kläger gerichteten offenen Fragen seien nicht zu beanstanden und nicht nur rhetorisch; der Kläger hätte durch eine Antwort auf die ihm gestellten Fragen die Berichterstattung vermeiden bzw. in seine Richtung beeinflussen können. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Berufungsbegründung (Bl. 203 ff. d.A.) und den Schriftsatz vom 30.04.2018 (Bl. 261 ff. d.A.) verwiesen. Mit nicht nachgelassenem Schriftsatz vom 17.05.2018 (Bl. 258 ff. d.A.), auf den Bezug genommen wird, hat der Beklagte zu 2) eine weitere Presseberichterstattung vorgelegt.

Der Beklagte zu 2) beantragt sinngemäß,

das Urteil des Landgerichts Köln vom 13.09.2017 – 28 O 84/17 – abzuändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Kläger verteidigt die angegriffene Entscheidung unter Vertiefung seines erstinstanzlichen Vorbringens. Das Landgericht sei zu Recht und mit zutreffender Begründung von einer unzulässigen Verdachtsberichterstattung ausgegangen. Dem Kläger werde zu Unrecht konspiratives Vorwissen von Terroranschlägen und ein Kapital-Schlagen daraus unterstellt. Sowohl ein vermeintliches „Vorwissen“ als auch ein vermeintlicher Zutrag von Informationen aus Geheimdienstkreisen seien als Tatsachenbehauptungen dem Beweis zugänglich. Zudem sei ein Unterstellen einer Straftat für eine Persönlichkeitsrechtsverletzung nicht erforderlich, wenn nur – wie hier – der soziale Geltungswert betroffen sei. Der Beklagte zu 2) habe in der angegriffenen Passage nicht nur subjektiv bewertet, sondern er habe einen Zufall als (vermeintlich) praktisch unmöglich ausgeschlossen. Er habe unter dieser Prämisse als einzige natürliche Schlussfolgerung eine Kolportage aus dem Geheimdienstbereich als möglich erscheinen lassen, die in den Augen seines der Konspirologie gegenüber aufgeschlossenen Publikums allein Sinn ergeben habe. Es gehe nach dem weitgehend inhaltsleeren Gesamtkontext mit unschlüssigen Vermutungen in Frageform nicht um (zulässige) Spekulationen bzw. Bewertungen auf einer feststehenden Tatsachenbasis und eine Kritik an der Tätigkeit des Klägers, die dem unvoreingenommenen Leser die eigene Bewertung überlasse wie in den Entscheidungen BGH v. 27.09.2016 – VI ZR 250/13 oder BVerfG v. 16.03.2017 – 1 BvR 3085/15. Der mit der Leichtgläubigkeit seines an Verschwörungstheorien interessierenden Publikums arbeitende Beklagte zu 2) habe vielmehr mit seiner halluzinierten These geheimdienstlichen Vorwissens aufgrund einer angedichteten Ehe mit einer „skrupellosen Propaganda-Geheimagentin“ bzw. „dämonischen Geheimagentin“ den Bereich einer Sachverhaltsbewertung verlassen und seine These dem konspirologisch interessierten Publikum so überhaupt erst plausibel gemacht. Der Beklagte zu 2) habe als erster über die Ehefrau des Klägers in sexistischer, antisemitischer und sensationsheischender Weise wirre Geheimdienstthesen aufgestellt und sei so ursächlich geworden für die zahlreichen späteren Verdächtigungen Dritter, die sich jeweils auch auf den Beklagten zu 2) berufen hätten. Vordergründig seine Hände in Unschuld waschend und nur mit Andeutungen arbeitend, habe der Beklagte zu 2) so mit Hilfe kontrollierter Influencer, Youtubechannels, gesteuerten Interviews usw. die von ihm konstruierte Version als Verschwörungstheorie verbreitet und zur eigenen Gewinnmaximierung genutzt.

Insbesondere eine Geheimdiensttätigkeit der Ehefrau sei haltlos behauptet und durch nichts belegt. Die zufällige Anwesenheit des Klägers an zwei Tatorten sei nicht so unwahrscheinlich wie vom Beklagten zu 2) formuliert und es sei auch gar nicht erkennbar, wer denn welche Vorteile von dem im Beitrag vermuteten Geschehen gehabt haben sollte. Der vorgelegte Artikel zu „predictive policing“ des israelischen Geheimdienstes beziehe sich zudem nur auf die Vorhersage von Anschlägen in der israelischen Grenzregion und sei nicht übertragbar. Zudem sei es völlig abwegig, dem israelischen Geheimdienst das bewusste Nichtweitergeben von Informationen an die Sicherheitsbehörden befreundeter Staaten zu unterstellen.

Der Kläger habe zudem keinen Anlass für Kritik gegeben, insbesondere keine widersprüchlichen Angaben zu seiner Anwesenheit in München gemacht, zumal er von dort nicht „live“ berichtet habe und nur seine Tochter bzw. einen Freund aus der Berichterstattung habe heraushalten wollen. Auch seine Angaben zu Nizza seinen konsistent. Der vom Beklagten zu 2) gekünstelt hergestellte Zusammenhang mit der haltlosen Berichterstattung über die Ehefrau des Klägers stelle mit Blick auf Art. 6 Abs. 1 GG eine Persönlichkeitsrechtverletzung dar; jedenfalls müsse der Kläger die stigmatisierende Berichterstattung nicht dulden

Der Kläger behauptet zudem im nachgelassenen Schriftsatz vom 29.05.2018 erstmals, er habe sich im Zusammenhang mit der zunehmenden Hetze gegen ihn und seine Familie ab Januar 2017 in therapeutische Behandlung begeben müssen, eine Kündigung seiner Rechtsschutzversicherung wegen der zahlreichen Verfahren erhalten und erleide existenzbedrohende Spannungen in seinem Arbeitsverhältnis zum C.S.. Wegen einer vom Beklagten zu 2) gesteuerten weiteren Kampagne im Kontext mit der erstinstanzlichen Verhandlung habe er im August 2017 sodann einen Zusammenbruch erlitten und sei weiterhin behandlungsbedürftig – auch im Hinblick auf ein weiteres kampagnenartiges Vorgehen des Beklagten zu 2) gegen ihn wie im Detail auf S. 24 – 29 des nachgelassenen Schriftsatzes vom 29.05.2018 (Bl. 315 ff. d.A.) nebst Anlagen geschildert.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Berufungserwiderung (Bl. 229 f. d.A.) und die nachgelassenen Schriftsätze vom 29.05.2018 (Bl.292 ff. d.A. und Bl. 355 ff. d.A.) Bezug genommen.

II.

Nachdem der Beklagte zu 1) seine Berufung am 22.12.2017 zurückgenommen hat(§ 516 ZPO), war nur noch über die Berufung des Beklagten zu 2) zu entscheiden. Diese ist zulässig und hat in der Sache Erfolg.

1. Entgegen dem Landgericht steht der geltend gemachte Unterlassungsanspruch dem Kläger unter keinem denkbaren Gesichtspunkt, insbesondere nicht aus § 1004 Abs. 1 BGB analog, § 823 Abs. 1 BGB, Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. Art 1 Abs. 1 GG zu.

a) Mit der beiderseitigen gleichartigen Benennung zustellungsfähiger Anschriften haben sich die in zweiter Instanz gerügten Zulässigkeitsprobleme – die nicht nur die Berufung des Beklagten zu 2), sondern auch die von Amts wegen zu prüfende Zulässigkeit der Klage selbst betroffen hätten (vgl. OLG Stuttgart v. 03.01.2011 – 5 U 94/09, BeckRS 2011, 16758; BeckOK-ZPO/Bacher, Ed. 28, § 253 Rn. 46.1 m.w.N.), erledigt.

b) Zwar bestehen keine durchgreifenden prozessualen Bedenken im Hinblick auf die allein als Angriff gegen eine angebliche Verdachtsberichterstattung ausgerichtete Antragstellung (vgl. bereits Senat v. 16.01.2018 – 15 U 164/17, n.v. in einem Parallelverfahren). Soweit vorprozessual noch das angebliche Behaupten eines Eindrucks als sog. versteckte Tatsachenbehauptung abgemahnt worden ist, hat sich der Kläger mit dem Antrag auf eine Verdachtsberichterstattung beschränkt. Bei dieser soll es im Kern darum gehen, dass in den in den Antrag aufgenommenen Teilen der Berichterstattung (direkt und/oder zwischen den Zeilen) der der Verdacht eines (möglichen) Vorliegens von „Vorwissen“ als eine sog. innere Tatsache hervorgerufen worden sein soll. Das wäre letztlich ein „Minus“ zu der definitiven Behauptung der Vorhandenseins der entsprechenden inneren Tatsache im Wege einer Eindruckserweckung (zur Abgrenzung von Verdachtsäußerung und Tatsachenbehauptung allg. auch Senat v. 16.03.2017 – 15 U 134/16, BeckRS 2017, 133470 Tz. 11 m.w.N.).

c) Indes liegt im konkreten Fall – streitgegenständlich ist ausschließlich die im Klageantrag genannte konkrete Buchpassage und nicht etwa das weitere publizistische Wirken des Beklagten zu 2) im Buch, der Folgeauflage, in dem zunächst herausgegebenen Blogbeitrag, sonst im Internet und in etwaigen Videos – nach Ansicht des Senats keine Verdachtsberichterstattung vor.

aa) Dabei ist – worauf im Übrigen der Klageantrag auch allein abzielt – bei der Würdigung der Frage einer Rechtsverletzung durch das Erwecken eines Verdachts, der Kläger habe über ein „Vorwissen“ von den Attentaten verfügt, nicht maßgeblich abzustellen auf die von den Parteien und vom Landgericht diskutierte Frage nach dem Erwecken (ggf. auch) des Verdachts sogar des Begehens einer Straftat durch den Kläger (etwa mit Blick auf § 138 StGB). Denn es steht außer Frage, dass auch ohne Strafbarkeit schon das mögliche Vorhandensein eines Vorwissens als sog. innere Tatsache bei einem im Folgenden von den Tatorten berichtenden Journalisten durchaus geeignet wäre, dessen sozialen Geltungsanspruch erheblich zu mindern. Auch eine Verdachtsäußerung zu sonstigen Verfehlungen ist jedoch unter das Rechtsinstitut der Verdachtsberichterstattung zu fassen (vgl. bereits Senat v. 24.04.2018 – 15 U 9/18, n.v. und allgemein OLG Hamburg v. 08.04.2008 – 7 U 21/08, AfP 2008, 404; Burkhard, in: Wenzel, Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 5. Aufl. 2003, Kap. 10 Rn. 154; Soehring, in: Soehring/Hoene, PresseR, 5. Aufl. 2013, § 16 Rn. 24a). Unterschiede gegenüber der Verdachtsberichterstattung über Straftaten ergeben sich beim Maß des für die Zulässigkeit der identifizierenden Berichterstattung erforderlichen berechtigten Interesses (Soehring, a.a.O. sowie Rn. 24c).

bb) Die zutreffende Sinndeutung einer Äußerung ist unabdingbare Voraussetzung für die richtige rechtliche Würdigung ihres Aussagegehalts. Maßgeblich für die Deutung einer Äußerung ist die Ermittlung ihres objektiven Sinns aus der Sicht eines unvoreingenommenen und verständigen Publikums. Ausgehend vom Wortlaut, der allerdings den Sinn nicht abschließend festlegen kann, ist bei der Deutung der sprachliche Kontext, in dem die umstrittene Äußerung steht, zu berücksichtigen. Bei der Erfassung des Aussagegehalts muss die beanstandete Äußerung ausgehend von dem Verständnis eines unbefangenen Durchschnittslesers und dem allgemeinen Sprachgebrauch stets in dem Gesamtzusammenhang beurteilt werden, in dem sie gefallen ist. Sie darf nicht aus dem sie betreffenden Kontext herausgelöst einer rein isolierten Betrachtung zugeführt werden (st. Rspr., vgl. BGH v. 16.01.2018 – VI ZR 498/16, BeckRS 2018, 2270 Tz. 20; v. 27.09.2016 – VI ZR 250/13, NJW 2017, 482 Tz. 12 jeweils m.w.N.). Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist das Landgericht vorliegend zu Unrecht von einer Verdachtsberichterstattung hinsichtlich des möglichen Vorliegens von „Vorwissen“ beim Kläger über die beiden Attentate ausgegangen.

(1) Soweit das Landgericht gemeint hat, dass man aus Sicht des Durchschnittsrezipienten hier zwar nicht von der (definitiven) Behauptung des Vorhandenseins eines entsprechenden Vorwissens beim Kläger ausgehen könne, aber von Seiten des Beklagten zu 2) jedenfalls zum Ausdruck gebracht werde, dass man einen entsprechenden Verdacht aufgrund vermeintlicher Indizien hege und nicht nur die Verbindung zwischen dem Kläger und seiner Frau aufzeige, hat es dies vor allem auf die nach Ansicht des Landgerichts sonst nicht verständliche Abfolge der mitgeteilten Fragen gestützt („War er wirklich rein zufällig bei beiden Attentaten anwesend? Oder hatte er Vorwissen über die bevorstehenden Attentate von Nizza und München? Wie kam er an dieses Wissen?“). Das Landgericht hat sich ferner darauf gestützt, dass der weitere Text diese Möglichkeit nicht als im Ergebnis gegenstandslos erscheinen lasse, weil die in diesem Zusammenhang erwähnte Mitarbeit der Ehefrau des Klägers beim israelischen Geheimdienst aus Sicht des Durchschnittsrezipienten eine mögliche Erklärung für das in den Raum gestellte Vorwissen liefere. Dies trägt jedoch im Ergebnis nach Ansicht des Senats ebenso wenig wie die weitere Begründung des Landgerichts, es liege keine bloße Bewertung aufgrund einer feststehenden Tatsachengrundlage vor, weil mit der in den Raum gestellten Möglichkeit der vorherigen Information des Klägers letztlich innere Tatsachen als unsicher behauptet würden (und somit also nicht nur eine feststehende Tatsachengrundlage vom Beklagten zu 2) bewertet werde).

(2) Letztere Erwägung geht schon deswegen fehl, weil – wie zu aa) gezeigt – die Frage, ob tatsächlich ein entsprechender Verdacht auf mögliches Vorwissen als innere Tatsache geäußert worden ist, Gegenstand des Klagebegehrens ist. Für die Frage, ob eine solche Verdachtsberichterstattung tatsächlich vorliegt (in Abgrenzung zu einer reinen Bewertung eines Geschehens aufgrund feststehender Tatsachen, insbesondere der unstreitigen Anwesenheit des Klägers an den beiden Tatorten), gibt die Argumentation mit der nicht feststehenden Vorkenntnis als dem eigentlichen (angeblichen) Verdachtsmoment aber nichts her und ist letztlich zirkelschlüssig. In Abgrenzung zur Tatsachenbehauptung ist es einer Verdachtsäußerung vielmehr sogar immanent, dass die betreffende (Verdachts-)Tatsache gerade nicht als feststehend und bereits geklärt behandelt wird, sondern in Bewertung der anderen Umstände als offen dargestellt wird. Vorliegend ist somit allein zu bedenken, dass die unzutreffende Erfassung oder Würdigung einer Äußerung und die daraus folgende fehlerhafte Einordnung als Tatsachenbehauptung, Formalbeleidigung oder Schmähkritik die Gefahr einer Grundrechtsverletzung in sich trägt, insbesondere, wenn eine Berichterstattung zu Unrecht schon als Verdachtsberichterstattung eingestuft und deswegen nicht im selben Maß am Schutz des Grundrechts aus Art. 5 Abs. 1 GG teilnimmt wie etwa Äußerungen, die (noch) als reines Werturteil ohne beleidigenden oder schmähenden Charakter anzusehen und in der – hier betroffenen – Sozialsphäre im Zweifel hinzunehmen sind (vgl. deutlich BVerfG v. 16.03.2017 – 1 BvR 3085/15, NJW-RR 2017, 1003 Tz. 14). Gerade dem Durchschnittsleser deutlich als bloße Vermutung ausgewiesene Äußerungen von Zweifeln am Vorliegen einer inneren Tatsache können bei einer Prägung der Äußerung durch Elemente der Stellungnahme und des Dafürhaltens regelmäßig auch nur als eine Meinungsäußerung zu bewerten sein (BVerfG v. 16.03.2017 – 1 BvR 3085/15, NJW-RR 2017, 1003 Tz. 14 zur Bewertung der Überzeugungskraft einer Äußerung des Betroffenen zur Kenntnis von einem bestimmten Umstand zu einem bestimmten Zeitpunkt als innere Tatsache). Werden auf der Grundlage unstreitiger Tatsachen nur Schlussfolgerungen als möglich in den Raum gestellt, ein angeblicher Zufall als zumindest hinterfragenswert erachtet und wird die Bewertung im Übrigen dann dem Leser überlassen, liegt darin so nicht schon ohne weiteres eine (unzulässige) Verdachtsberichterstattung, sondern ggf. noch ein – im Zweifel hinzunehmendes – reines Werturteil (BGH v. 27.09.2016 – VI ZR 250/173, NJW 2017, 482 Tz. 11, 15). Weil andererseits jede Verdachtsäußerung zwangsläufig mit einer eigenen Bewertung der Beweismittel/Anknüpfungstatsachen untrennbar verbunden sein dürfte, ist die Abgrenzung im Einzelfall nicht immer einfach. Maßgeblich ist, ob weniger die definitive Äußerung eines Verdachts hinsichtlich einer bestimmten (inneren) Tatsache den Kern der Äußerung darstellt (dann liegt eine Verdachtsberichterstattung vor) oder ob einem unbefangenen Leser gerade nicht die Erkenntnis verstellt wird, dass konkret nur wenige tatsächliche Anhaltspunkte in eine bestimmte Richtung geliefert werden und/oder diese tatsächlichen Anhaltspunkte nur von geringem Gewicht sind (dann liegt eine Meinungsäußerung vor). Im letzteren Fall bleibt es dem Leser unbenommen, sich entweder nur an diese wenigen Fakten zu halten und die in den Raum gestellte Zweifelsfrage in eigener Bewertung der (dürftigen) Indizien- und Beweislage zu verneinen oder aber sich dem gleichzeitigen Bemühen des Autors, eine ablehnende emotionale Haltung gegenüber dem Betroffenen zu erzeugen, letztlich nicht zu verschließen und die Zweifelsfrage zu bejahen (vgl. auch BGH a.a.O. Tz. 15). Dabei kommt es dann auch nicht darauf an, ob die in den Raum gestellten Zweifel in der angegriffenen Berichterstattung als echte offene Frage formuliert sind oder – wie hier – keine Frage vorliegt, sondern eine eigene Äußerung (BGH a.a.O., Tz. 16). Vielmehr ist für die Abgrenzung relevant, dass nur deutlich als bloße Vermutung ausgewiesene Zweifel in den Raum gestellt werden und die Äußerung von Elementen der Stellungnahme und des Dafürhaltens geprägt bleibt (vgl. nur BVerfG v. 16.03.2017 – 1 BvR 3085/15, NJW-RR 2017, 1003 Tz. 14 a.E.). Ein Autor kann so seinem Leser Fakten zur eigenen Auseinandersetzung mit ihnen anheimgeben; er kann aber nicht dazu angehalten werden, hierdurch gesetzte Anstöße für ein Weiterdenken in Richtung auf einen Sachverhalt zu unterbinden, der von ihm nicht behauptet worden ist, etwa weil er sich so nicht zugetragen hat oder auch nur nicht verifiziert werden kann. Eine solche Reglementierung von Autor und Leser würde in vielen Fällen Information und Kommunikation unmöglich machen. Die hieraus für den Ruf des Betroffenen erwachsenen Belastungen sind mit der Gewährleistung in Art. 5 Abs. 1 GG zwangsläufig verbunden und vom Grundgesetz bewusst in Kauf genommen (BGH v. 08.07.1980 – VI ZR 177/78, GRUR 1980, 1090, 1093 – „Medizin-Syndikat I). Anderes gilt, wenn der Autor seinem Leser einen zusätzlichen Sachverhalt „verdeckt“, also „zwischen den Zeilen“, selbst unterbreitet, doch genügt es dafür nicht, wenn die mitgeteilten Fakten dem Leser eine Grundlage für ein Weiterdenken in Richtung auf solchen (zusätzlichen) Sachverhalt vermitteln könnten, sondern erfordern zureichend deutliche Hinweise für eine entsprechende Sachaussage des Autors (BGH a.a.O.).

(3) Unter Zugrundelegung der zu (2) dargestellten Grundsätze liegt hier nur eine eigene Bewertung des (unstreitigen) Geschehens – nämlich der nach eigenem Bekunden des Klägers zufälligen Anwesenheit an den beiden Tatorten – vor. Die in den Klageantrag (§ 308 Abs. 1 S. 1 ZPO) aufgenommenen Passagen sind vor dem Gesamtkontext des Buches zu würdigen. Dieses Werk ist aus Sicht des Durchschnittsrezipienten, bei dem hier durchaus zu Gunsten des Klägers auch nur das Vorverständnis eines konspirologisch interessiertes Publikums mit einem Hang zu Verschwörungstheorien zugrunde gelegt werden mag (vgl. allgemein Burkhardt, in: Wenzel, Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 5. Aufl. 2003, Kap. 4 Rn. 6 m.w.N.), erkennbar darauf ausgerichtet, seine ohnehin zu Verschwörungstheorien neigenden Leser zum kritischen Nachdenken über die von Politik, Presse und sog. „Mainstream“-Journalisten verbreiteten „offiziellen“ Nachrichten anzuregen. Im diesem Zusammenhang soll hier offenbar generell das Vorhandensein von „echten“ Terrorakten in Europa in Frage gestellt werden. Auf S. 198 ff. des Buches wird jedenfalls deutlich kritisiert, dass die Attentate von der französischen Regierung zur Verlängerung des „Ausnahmezustandes“ herangezogen werde, der so zum „Dauerzustand“ werde und der von der kritischen Situation am Arbeitsmarkt ablenken solle (S. 200). Der Beklagte zu 2) versteift sich dann darauf, von einer „sich anbahnende(n) Diktatur“ in Frankreich zu sprechen (S. 201) und dies in einen vagen Zusammenhang mit der Situation in der Türkei und den Neuwahlen in Österreich zu stellen (S. 202 f. d.A.). Soweit im Folgenden der Kläger genannt wird, wird das „unverschämte Reporterglück“ des Klägers auf Basis des unstreitigen Geschehens und dessen eigener Angaben herausgestellt (S. 203 f.). Im Zusammenhang mit der Reporterin L. wird – auch für den oben genannten Durchschnittsrezipienten noch offen – gefragt: „Junge, Junge, kann es wirklich sein, dass wir nicht nur eine Familie von immer denselben Krisendarstellern vor uns haben, sondern auch immer dieselben Krisenreporter, die rein zufällig vor Ort sind, wenn es knallt?“ Auf S. 204 f. wird sodann über den „sagenhaften“ Kläger und seine berufliche Tätigkeit Näheres berichtet und – was allerdings in den Klageantrag schon nicht aufgenommen ist – zudem gefragt, woher man „so einen atemberaubenden Riecher (bekommt), dass man Attentate quasi schon im Voraus erschnüffeln kann.“ Es werden einige berufliche Erfolge des Klägers – u.a. seine Berichterstattung aus Ägypten 2011 – genannt und so eine Brücke zum Nahen Osten und Israel geschlagen. In diesem Zusammenhang taucht in dem Kapitel „Der Engel mit Eisaugen“ erstmals die Ehefrau des Klägers auf (S. 205 f.) und es wird dargestellt, dass diese im Internet – was wiederum unstreitig wahr ist – immerhin als „Geheimdienstoffizier“ im Range eines Leutnants bezeichnet wird und zudem ausgewiesene Propagandaexpertin ist, die nach eigenem Bekunden für Israel den „Krieg der Worte“ gewinnen möchte. Diese – vor dem Gesamthintergrund des Buches erneut als Kritik an „offiziellen“ Nachrichten und als vage Andeutung weltumspannender Verschwörungstheorien zu sehende Passage – mündet auf S. 207 zum Kläger in das Kapitel „Im Bett mit dem Geheimdienst.“ Dort führt der Beklagte zu 2) aus: „Immerhin kann man nun behaupten, dass der rasende Reporter H. den Geheimdiensten nahesteht – sogar sehr nahe. Ja, wahrscheinlich liegt er sogar mit ihnen im Bett. Also embedded, sozusagen.“ Für den Durchschnittsleser ist dies erkennbar nur eine überspitztironische eigene Bewertung der unstreitigen (wenigen) Fakten zur Ehefrau des Klägers mit Elementen der Stellungnahme und des Dafürhaltens zu den aufgeworfenen Zweifelsfragen. Der Senat verkennt zwar nicht, dass das Anknüpfen an einen „embedded(en)“ Journalisten seit dem Golfkrieg mit erheblicher Kritik an dem Wahrheitsgehalt der so beeinflussten Berichterstattung und Bekundungen des Reporters verknüpft ist und dies gerade dem durchschnittlichen Rezipientenkreis des hier angegriffenen Buchs mit konspirologischem Grundinteresse bekannt sein dürfte. Auch dies fügt sich aber eher in die Grundkritik des Buches ein als in eine konkrete Verdachtsberichterstattung über das Vorliegen von Vorwissen als innere Tatsache. Die anschließende Passage „Kommt er etwa auf diesem Wege an seine heißen Informationen, vielleicht sogar über bevorstehende Attentate? Über seine Gattin vom israelischen Geheimdienst, die sich selbst zu den »geistigen Verteidigungskräften« ihres Landes zählt? Nicht doch: Alles Verschwörungstheorie. Vielleicht bis auf die Tatsache, dass sich niemand anderer als der israelische Geheimdienst tatsächlich rühmt, Attentate vorhersagen zu können…“ geht dann zwar auf den ersten Blick eher in die Richtung einer Verdachtsäußerung. Andererseits ist dies – wie der Verweis auf die „Veschwörungstheorie“ zeigt – aber alles sehr vage und substanzarm gehalten. Der Beklagte zu 2) stellt auch selbst nicht in Frage, dass greifbare Anhaltspunkte für seine Zweifel an einem „Zufall“ tatsächlich fehlen und sich eher nur aus seiner, dem Durchschnittsleser bekannten und vom Beklagten zu 2) zum Markenzeichen gemachten Grund-Skepsis an allen offiziellen Nachrichten nähren. Dem Durchschnittsleser wird dabei deutlich, dass außer der – klar im Wege der Meinungsäußerung als unwahrscheinlich bewerteten – „zufälligen“ Anwesenheit des Klägers an beiden Tatorten in kurzer zeitlicher Abfolge und der eher substanzlosen Tätigkeitsbeschreibung der Ehefrau des Klägers, greifbare Anhaltspunkte fehlen. Insbesondere wird in dem Kapitel selbst deutlich, dass es bei den angesprochenen „Vorhersagen“ der israelischen Geheimdienste eher nur um Messerattacken im Grenzgebiet gehen soll und damit nicht um Vorfälle wie die beiden hier thematisierten. Geschlossen wird mit der – nicht in den Klageantrag aufgenommenen – Bewertung „Ja, das ist toll. Über treffsichere Prognosen und ihre Voraussetzungen haben wir in diesem Buch ja schon einiges gelernt. So kann man natürlich auch Reporter hinschicken. Rein theoretisch.“ Vor dem Hintergrund des oben geschilderten Anliegen des Buches, das konspirologisch interessierte Publikum zum weiteren Nachdenken über mögliche Verschwörungstheorien anzuhalten, können diese Passagen nicht schon als eine Verdachtsberichterstattung gewertet werden, mit der der Beklagte zu 2) konkret in den Raum stellen will, der Kläger habe Vorwissen von den beiden Attentaten gehabt; vielmehr geht es darum, den Leser zu animieren, sich selbst ein Bild von der Bewertung der (dürftigen) Faktenlage zu machen und für sich zu beantworten, ob der Kläger – wie die erste abgedruckte Frage zeigt – „wirklich rein zufällig bei beiden Attentaten anwesend“ war oder nicht – was dann die weiteren Fragen fast sachlogisch nach sich ziehen muss. Soweit der Beklagte zu 2) schreibt, dass er „hier natürlich nicht insinuieren will“ und deswegen bei dem Kläger nachgefragt hat und soweit nach Abdruck des Fragenkatalogs – wiederum wahrheitsgemäß – angegeben wird „Leider traf keine Antwort bei mir ein.“, trägt auch das keine andere Sichtweise und ist nicht nur – vergleichbar dem Verbreiten eines Gerüchts, das der Einstufung als Tatsachenbehauptung nicht entgegensteht (statt aller Burkhardt, in: Wenzel, a.a.O., Kap 4 Rn. 30 m.w.N.) – ein Feigenblatt, um eine zwischen den Zeilen liegende Verdachtsberichterstattung planmäßig zu verschleiern. Vielmehr ist der Verweis auf die fehlende Antwort geradezu eine (weitere) Einladung an den konspirologisch interessierten Rezipienten zum eigenen Weiterdenken getreu dem eigenen ideologischen Weltbild. Dass der Beklagte zu 2) – anders kann der Durchschnittsleser die Passagen nicht verstehen – selbst erhebliche Zweifel an einem „Zufall“ hat, stellt eine dem Leser klar also solches erkennbare Bewertung dar, macht die angegriffenen Passagen aber noch nicht zu einer (unzulässigen) Verdachtsberichterstattung.

d) Angesichts der Antragsfassung, an die der Senat gebunden ist (§ 308 Abs. 1 S. 1 ZPO), konnte die Klage damit schon keinen Erfolg haben.

Selbst wenn – wie offenbar im Fall BGH v. 27.09.2016 – VI ZR 250/13, NJW 2017, 482 – generell Unterlassung der inkriminierten Passagen verlangt worden wäre, was neben einer Prüfung von Unterlassungsansprüchen wegen einer Verdachtsberichterstattung auch die Prüfung von Unterlassungsansprüchen wegen einer Unzulässigkeit der Meinungsäußerungen usw. ermöglicht hätte, bliebe die Klage ohne Erfolg.

Zwar ist der Schutzbereich des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Klägers in seinen Ausprägungen der Berufsehre und der sozialen Anerkennung (dazu BGH, a.a.O., Tz 17) betroffen, denn mögliche Zweifel an seiner Wahrheitsliebe sind geeignet, sich auf das berufliche Ansehen und den geschäftlichen Erfolg des Klägers abträglich auszuwirken und betreffen diesen daher in seiner Sozialsphäre. Dieser Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers ist aber nicht rechtswidrig, weil seine Schutzinteressen die schutzwürdigen Belange des Beklagten zu 2) jedenfalls nicht überwiegen. Wegen der Eigenart des Persönlichkeitsrechts als eines Rahmenrechts liegt seine Reichweite nicht absolut fest, sondern muss erst durch eine Abwägung der widerstreitenden grundrechtlich geschützten Belange bestimmt werden, bei der die besonderen Umstände des Einzelfalls sowie die betroffenen Grundrechte und Gewährleistungen der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) interpretationsleitend zu berücksichtigen sind. Der Eingriff in das Persönlichkeitsrecht ist nur dann rechtswidrig, wenn das Schutzinteresse des Betroffenen die schutzwürdigen Belange der anderen Seite überwiegt (BGH a.a.O., Tz 19).

Im Streitfall sind das durch Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG (auch i.V.m. Art. 12 Abs. 1 GG) gewährleistete Interesse des Klägers am Schutz seiner sozialen Anerkennung und seiner Berufsehre mit dem in Art. 5 Abs. 1 GG und Art. 10 EMRK verankerten Recht des Beklagten zu 2) auf Meinungsfreiheit abzuwägen. Vom Schutzbereich der Meinungsfreiheit umfasst sind dabei im Grundsatz auch alle Meinungen, ohne dass es dabei darauf ankäme, ob sie sich als wahr oder unwahr erweisen, ob sie begründet oder grundlos, emotional oder rational sind, oder ob sie als wertvoll oder wertlos, gefährlich oder harmlos eingeschätzt werden; sie verlieren diesen Schutz auch dann nicht, wenn sie scharf und überzogen geäußert werden (st. Rspr., BVerfG v. 28.11.2011 – 1 BvR 917/09, BeckRS 2012, 45972 Tz. 19).

Bei der Abwägung ist auf Seiten des Persönlichkeitsrechtschutzes von Bedeutung, dass die Äußerungen als Werturteile bzw. als solche zu behandelnde Fragen letztlich nur die Sozialsphäre des Klägers tangieren. Sie betreffen seine berufliche Tätigkeit, also einen Bereich, in dem sich die persönliche Entfaltung von vornherein im Kontakt mit der Umwelt vollzieht. Äußerungen im Rahmen der Sozialsphäre dürfen nur in Fällen schwerwiegender Auswirkungen auf das Persönlichkeitsrecht mit negativen Sanktionen verknüpft werden, so etwa dann, wenn eine Stigmatisierung, soziale Ausgrenzung oder eine Prangerwirkung zu besorgen sind (vgl. BGH v. 27.09.2016 – VI ZR 250/13, NJW 2017, 482 Tz.21). Dafür fehlen – zumal Streitgegenstand nicht die Auswüchse der gegen den Kläger im Internet gerichteten Kampagnen sind, sondern allein die konkrete Buchveröffentlichung, deren kausale Auswirkungen ohnehin hier nicht abgegrenzt werden – ausreichende Anhaltspunkte. Wie sich ein Gewerbetreibender wertende, nicht mit unwahren Tatsachenbehauptungen verbundene Kritik an seiner gewerblichen Leistung in der Regel auch gefallen lassen muss, wenn sie scharf formuliert ist, muss ein Journalist im Zusammenhang mit seiner Tätigkeit deren kritische Beleuchtung durch andere in aller Regel hinnehmen (BGH a.a.O., Tz. 21); dies gilt auch für die Infragestellung der Schicksalhaftigkeit eines Geschehens.

Die angegriffenen Textpassagen enthalten nach dem oben Gesagten jedoch insgesamt nur eigene Bewertungen des Beklagten zu 2) bzw. im Fragenkatalog – neben der unstreitig im Kern wiederum wahren Tatsache, dass entsprechende Fragen tatsächlich an den Kläger gerichtet worden und inhaltlich nicht beantwortet worden sind – auch echte offene Fragen. Im Gesamtkontext macht der Beklagte zu 2) – getreu seinem das Buch durchziehenden Anliegen, jedwede offizielle Lesart eines Geschehens in Frage zu stellen – nur seine eigenen Zweifel am Vorliegen eines „Zufalls“ deutlich, was der Kläger grundsätzlich hinzunehmen hat. Bei der gebotenen Abwägung der widerstreitenden Grundrechtspositionen ist zu beachten, dass diese Bewertung – wie gezeigt – in eine Gesamtkritik am „System“ der Nachrichten und der Presse eingebunden war. Zudem ist der Kläger in seiner beruflichen Tätigkeit und damit in der Sozialsphäre betroffen und muss sich für den in die Zukunft gerichteten Unterlassungsanspruch insbesondere auch entgegenhalten lassen, dass er durch das Geschehen um die B2rezension das Interesse bestimmter Kreise von Internetnutzern an dem Geschehen selbst nochmals befördert haben dürfte.

Soweit der Kläger sich auf eine Verletzung von Art. 6 Abs. 1 GG stützt, wird in die Details des Ehelebens des Klägers durch die überspitzte Darstellung des „embedded(en)“ Journalisten nicht eingegriffen. Etwaige eigene Verletzungen der Rechte der Ehefrau kann der Kläger nicht geltend machen; ohnehin ist die Bewertung als „Geheimdienstoffizier“ der eigenen Internetdarstellung der Ehefrau entnommen und schon deswegen nicht angreifbar (und nicht Gegenstand des Klageantrages). Auch sonst sind – weil die Ehefrau tatsächlich mit „strategischen Planungen“ befasst sein soll – keine sonstige unwahre Tatsachenbehauptung erkennbar oder – zur Unzulässigkeit einer Meinungsäußerung führende – unzutreffenden Tatsachenkerne hinter den hier geäußerten Werturteilen.

e) Soweit der Kläger sich im nachgelassenen Schriftsatz vom 29.05.2018 (S. 1 f. = Bl. 292 f. d.A.) auf eine „Variation“ der angegriffenen Berichterstattung und auf S. 9 f. (Bl. 300 f. d.A.) auf andere Veröffentlichungen beruft, sind diese nicht Gegenstand des Klagebegehrens (§ 308 Abs. 1 S. 1 ZPO) und vom Senat daher nicht weiter zu würdigen. Dies gilt auch, soweit der Kläger auf S. 11 des nachgelassenen Schriftsatzes vom 29.05.2018 (Bl. 302 d.A.) einen angeblichen „Eindruck“ zu Lasten der Ehefrau des Klägers angreift. Auch dass der Kläger sich auf S. 12 der Klageschrift (Bl. 26 f. d.A.) am Rande auch auf eine angebliche bewusste Unvollständigkeit der Berichterstattung gestützt hat (unter Verweis auf BGH v. 22.11.2005 – VI ZR 204/04, NJW 2006, 601), ist ebenfalls nicht Gegenstand des Klagebegehrens; im Übrigen liegt auch ein solcher Fall hier nicht vor.

2. Die nachgelassenen und nicht nachgelassenen Schriftsätze der Parteien geben keinen Anlass zur Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung (§ 156 ZPO).

3. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91 Abs. 1, 516 Abs. 3 S. 1 ZPO, wobei wegen § 308 Abs. 2 ZPO von Amts wegen die Kostenverteilung in erster Instanz unter Berücksichtigung der eingetretenen Rechtskraft gegenüber dem Beklagten zu 1) (zur Berücksichtigung bei der Neufassung der Kostenentscheidung auch Anders/Gehle, Antrag und Entscheidung im Zivilprozess, 3. Aufl. Teil B Rn. 629) sowie der sog. Baumbach´schen Kostenformel. Hinsichtlich der Gerichtskosten in zweiter Instanz war hier mit Blick auf den Grundsatz der Einheit der Kostenentscheidung bei der Quotierung zu berücksichtigen, dass die Rücknahme nur der Berufung des Beklagten zu 1) vor ihrer Begründung mangels Erledigung des „gesamten“ Verfahrens gerade nicht zur Ermäßigung nach Nr. 1221 KV GKG auf 1,0 Gebühren (aus 15.000 EUR) führen konnte und so weiterhin im Verfahren 4,0 Gebühren nach Nr. 1220 KV GKG aus dem Gesamtstreitwert von 30.000 EUR festzusetzen sind, so dass diese Mehrkosten – auch hinsichtlich des Gesamtstreitwerts – dem im Übrigen unterliegenden Kläger anteilig zu Last fallen mussten. Eine entsprechende Quotierung war auch hinsichtlich der außergerichtlichen Kosten des Klägers im Berufungsverfahren vorzunehmen, von denen der Beklagte zu 1) nur denjenigen Anteil zu tragen hat, der der Verfahrensgebühr aus Nr. 3200 VV RVG (1,6 Gebühren) aus einem ihn betreffenden Teilstreitwert von 15.000 EUR entspricht (statt der tatsächlich anfallenden Verfahrensgebühr aus dem Gesamtstreitwert von 30.000 EUR), während die Terminsgebühr von 1,2 Gebühren aus Nr. 3202 KV RVG – die ohnehin nur für den verbleibenden Streitwert von 15.000 EUR im Verhältnis zum Beklagten zu 2) anfiel – vom insofern dann gänzlich unterliegenden Kläger allein zu tragen war. Daraus errechnete sich mit Blick auf die Gebührendegression in der Tabelle die austenorierte Kostenquote.

4. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit stützt sich auf §§ 709 S. 1 und 2 ZPO.

5. Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen. Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordern die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs, da die Beurteilung des Rechtsstreits auf der Anwendung der höchstrichterlichen Rechtsprechung und im Übrigen auf den Einzelfallumständen und der konkreten Berichterstattung in ihrem Kontext beruht. Höchstrichterlich noch nicht geklärte Rechtsfragen grundsätzlicher Natur, die über den konkreten Einzelfall hinaus von Interesse sein könnten, haben sich nicht gestellt und waren nicht zu entscheiden.

Wert des Berufungsverfahrens: bis 27.12.2017: 30.000 EUR (= 2 x 15.000 EUR); ab dann: 15.000 EUR

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