OLG München, Beschluss v. 07.05.2021 – 27 U 3513/20

Januar 16, 2022

OLG München, Beschluss v. 07.05.2021 – 27 U 3513/20


Tenor
1. Der Antrag des Klägers auf Aussetzung des Verfahrens und Vorlage an den Europäischen Gerichtshof (Art. 267 Abs. 3 AEUV) wird zurückgewiesen.
2. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Augsburg vom 06.05.2020, berichtigt mit Beschluss vom 14.07.2020, Aktenzeichen 113 O 640/19, wird zurückgewiesen.
3. Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
4. Das in Ziffer 2 genannte Urteil des Landgerichts Augsburg und dieser Beschluss sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
5. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 53.245,71 € festgesetzt.
Gründe
I.
1
Der Kläger begehrt nach Widerruf eines Darlehensvertrages Rückabwicklung des mit dem Darlehensvertrag verbundenen Kaufvertrages.
2
Der Kläger schloss als Verbraucher am 12.08.2014 einen Darlehensvertrag mit der Beklagten, vermittelt durch die Auto S. GmbH & Co. KG in M., über einen Nettodarlehensbetrag in Höhe von 38.130,00 € (Anlage K2/ Anlage B3). Das Darlehen diente der Finanzierung eines Gebrauchtfahrzeugs (Wohnmobil) VW T5 California Comfortline mit einer Erstzulassung am 09.10.2013 und einem Kilometerstand von 24.450.
3
Es wurde die Zahlung von 48 monatlichen Raten zu je 521,43 € sowie die Zahlung einer Schlussrate in Höhe von 17.433,11 €, fällig am 29.08.2018, vereinbart. Der Kläger leistete eine Anzahlung in Höhe von 15.000,00 €, der Kaufpreis für das streitgegenständliche Fahrzeug betrug 53.130,00 €. Zur Sicherung der Darlehensrückzahlung vereinbarten die Parteien unter anderem die Sicherungsübereignung des streitgegenständlichen Fahrzeugs. Das Darlehen wurde im August 2014 vollständig ausgekehrt.
4
Mit Schreiben vom 30.06.2018 erklärte der Kläger den Widerruf des Darlehensvertrags und forderte die Beklagte zur Rückabwicklung unter Fristsetzung von zwei Wochen auf (Anlage K3). Die Beklagte wies das Begehren des Klägers am 06.08.2018 zurück (Anlage K4).
5
Im Übrigen wird hinsichtlich der Darstellung des Sach- und Streitstandes und der Anträge erster Instanz auf den Tatbestand im angefochtenen Urteil des Landgerichts Augsburg vom 06.05.2020 Bezug genommen.
6
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen.
7
Zur Begründung seiner Entscheidung hat es im Wesentlichen ausgeführt, der erklärte Widerruf des Klägers sei verfristet gewesen. Da die von der Beklagten erteilte Widerrufsbelehrung nicht zu beanstanden sei, sei der vom Kläger erklärte Widerruf verfristet.
8
Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung des Klägers, der in der Berufungsinstanz beantragt,
I. Das Urteil des Landgerichts Augsburg vom 06.05.2020, Az: 113 O 640/19, wird abgeändert und wie folgt neu gefasst:
II. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger € 53.245,71 nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5%-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 07.08.2018 zu zahlen, Zug um Zug gegen Herausgabe des Fahrzeugs VW T5 California, Fahrzeug-Ident-Nr. …08, nebst Fahrzeugschlüsseln und Fahrzeugpapieren.
III. Die Beklagte wird weiter verurteilt, an den Kläger den Betrag von € 1.698,13 zu zahlen.
IV. Es wird festgestellt, dass sich die Beklagte mit der Rücknahme des unter Ziffer II genannten Fahrzeugs in Annahmeverzug befindet.
V. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
VI. Das Urteil ist vorläufig -ggfls gegen Sicherheitsleistungvollstreckbar.
9
Vorsorglich beantragt der Kläger,
die Frage der Vereinbarkeit der Gesetzlichkeitsfiktion des Art. 247 § 6 Abs. 2 Satz 3 EGBGB mit Art. 10 Abs. 2 der RL 2008/48 dem Europäischen Gerichtshof vorzulegen und die Revision zuzulassen.
10
Zur Begründung seines Rechtsmittels führt der Kläger im Wesentlichen aus, sein Rechtsmittel habe Erfolg, da das Widerrufsrecht mangels ordnungsgemäßer Belehrung bei Abgabe der Willenserklärung nicht verpflichtet gewesen sei.
11
Wegen der weiteren Einzelheiten des Berufungsvortrags wird auf die Berufungsbegründung vom 02.10.2020 Bezug genommen.
12
Die Beklagte beantragt in der Berufungsinstanz,
die Berufung kostenpflichtig zurückzuweisen,
hilfsweise widerklagend,
festzustellen, dass der Kläger verpflichtet ist, der Beklagten Wertersatz für den Wertverlust des Fahrzeugs VW NFZ T5 California, Fahrzeug-Ident-Nr. …08, zu leisten, der auf einen Umgang mit dem Fahrzeug zurückzuführen ist, der zur Prüfung der Beschaffenheit, der Eigenschaften und der Funktionsweise nicht notwendig war. 27 U 3513/20 – Seite 4 – Die Beklagte ist der Ansicht, dass der vom Kläger erklärte Widerruf hier schon unter dem Gesichtspunkt der unzulässigen Rechtsausübung im Lichte des Grundsatzes von Treu und Glauben gemäß § 242 BGB scheitern müsse, weshalb die Berufung unbegründet sei.
13
Wegen der Einzelheiten wird auf die Berufungserwiderung vom 02.12.2020 Bezug genommen.
14
Hierzu beantragt der Kläger Abweisung der Hilfswiderklage.
II.
15
Die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts Augsburg vom 06.05.2020, Aktenzeichen 113 O 640/19 ist gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil nach einstimmiger Auffassung des Senats das Rechtsmittel offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung nicht geboten ist.
16
Zur Begründung wird auf den vorausgegangenen Hinweis des Senats Bezug genommen. Der Senat bleibt bei seiner im Hinweis vom 16.02.2021 ausführlich dargelegten Rechtsauffassung, auf die gemäß § 522 Abs. 2 S. 3 ZPO Bezug genommen wird.
17
Die fristgerechte Stellungnahme des Klägers vom 29.04.2021 enthält keine neuen Gesichtspunkte, die eine andere Entscheidung rechtfertigen könnten. Der erkennende Senat hat das gesamte Vorbringen des Klägers im Berufungsverfahren zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen, vermochte ihm aber in der Sache nicht zu folgen. Art. 103 Abs. 1 GG verpflichtet den Senat dazu, den Vortrag einer Prozesspartei zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Er begründet aber keine Pflicht des Gerichts, bei der Würdigung des Sachverhalts und der Rechtslage der Auffassung eines Beteiligten zu folgen. Ebenso wenig folgt aus Art. 103 Abs. 1 GG die Pflicht der Gerichte zur ausdrücklicher Befassung mit jedem Vorbringen (BVerfG, Beschluss vom 13.08.2013 – 2 BvR 2660/06, 2 BvR 487/07, BeckRS 2013, 55213 Rn. 67; BGH, Beschluss vom 20.01.2021 – III ZR 160/19, BeckRS 2021, 1265 Rn. 2; BGH, Beschluss vom 12.01.2017 – III ZR 140/15, BeckRS 2017, 100836 Rn. 2). Jedenfalls die wesentlichen, der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung dienenden Tatsachenbehauptungen müssen in den Gründen erörtert werden (vgl. BGH, Beschluss vom 19.01.2021 – VI ZR 433/19, NJW 2021, 921 Rn. 11).
1. Unter Beachtung dieser Maßstäbe ist deshalb lediglich ergänzend auszuführen wie folgt:
18
Unklarheit des Kaskadenverweises und unzutreffendes Anführen von Versicherungen Soweit die Gegenerklärung des Klägers diese Gesichtspunkte nochmals aufgreift (S. 2/3), hat der Senat auf Seite 9/10 seines Hinweises vom 16.02.2021 ausdrücklich dahinstehen lassen, ob insoweit der Beklagten der Musterschutz zukommt.
2. Unzulässige Rechtsausübung
19
Allerdings hat der Senat sodann auf Seite 10 seines Hinweises dargelegt, dass und weshalb sich hier die Ausübung des Widerrufsrechts durch den Kläger als unzulässige Rechtsausübung darstellt.
20
Soweit die Gegenerklärung des Klägers (Seiten 3 – 6) dem entgegenhält, dass das Landgericht Aachen und das Oberlandesgericht Celle in vergleichbaren Fällen ein rechtsmissbräuchliches Verhalten des Darlehensnehmers nicht angenommen hätten, steht dem Erfolg dieses Arguments bereits entgegen, dass die Frage eines rechtsmissbräuchlichen Verhaltens für jeden Einzelfall unter Einbeziehung aller Einzelumstände und der Interessen der Beteiligten tatrichterlich zu würdigen ist. Nichts anderes kommt zum Ausdruck, wenn es im Zitat der referierten Entscheidung des Oberlandesgerichts Celle heißt: „… sieht der Senat in diesem Einzelfall keine genügenden Anhaltspunkte für die Annahme rechtsmissbräuchlichen Verhaltens des Klägers.“ (Hervorhebung durch den Senat)
21
Nach der hier vom Senat vorgenommenen Gesamtwürdigung stellt sich der Widerruf der klägerischen Vertragserklärung jedenfalls nach wie vor als unzulässige Rechtsausübung dar.
3. Angabe des Darlehensvermittlers/Einbeziehung der Europäischen Standardinformationen für Verbraucherkredite (Gegenerklärung Seiten 6 – 8)
22
Insoweit beanstandet die Berufung, dass auf Seite 1 des Vertrags missverständlich von „Merkblättern“ die Rede sei, weshalb die „Europäischen Standardinformationen für Verbraucherkredite“ nicht einbezogen seien.
23
Diese Argumentation greift indes zu kurz, bestätigt doch der Darlehensnehmer auf Seite 5 des Darlehensantrags unmittelbar vor seiner Unterschrift unter den Darlehensantrag, dass ihm ein ausgefülltes Formular „Europäische Standardinformationen für Verbraucherkredite“ vorvertraglich ausgehändigt wurde. Spätestens damit ist klargestellt, dass es sich bei den zu beachtenden „Merkblättern“ um die besagten „Europäischen Standardinformationen für Verbraucherkredite“ handelt. Vor diesem Hintergrund kann von einer fehlenden Pflichtangabe nicht die Rede sein.
24
Dass Anschrift und Name des Darlehensvermittlers in zulässiger Weise in die „Europäischen Standardinformationen für Verbraucherkredite“ aufgenommen wurden, hat der Senat im Hinweis vom 16.02.2021 (Seite 3 f.) dargelegt.
4. Auszahlungsbedingungen (Art. 247 § 6 Abs. 1 Nr. 1 i. V. m. § 3 Abs. 1 Nr. 9 EGBGB a.F.)
25
Die Rüge der Berufung, der Darlehensvertrag gebe nur unzureichende Informationen über die Auszahlungsbedingungen für die Darlehensvaluta (Gegenerklärung Seiten 8/9), greift nicht durch.
26
Auf Seite 5 des Darlehensvertrags findet sich dazu im vorletzten Absatz vor der Unterschriftsleistung des Darlehensnehmers unter den Darlehensantrag die hinreichend deutliche Information, dass ein Darlehen in bezeichneter Höhe und zu den aufgeführten Bedingungen bei Annahme des Darlehensantrags an die Verkäuferfirma überwiesen wird.
27
Die in den Darlehensbedingungen der Beklagten enthaltene Regelung, dass die Bank berechtigt ist, nach Vertragsschluss zusätzliche Auszahlungsvoraussetzungen für das Darlehen zu bestimmen, stellt sich als Allgemeine Geschäftsbedingung dar, die an § 308 Nr. 4 BGB zu messen ist.
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Selbst im Falle einer Unwirksamkeit dieser Klausel würde die Information über die Auszahlungsvoraussetzungen des Darlehens nicht unrichtig oder unklar. Auch für formal und inhaltlich den gesetzlichen Anforderungen genügende Pflichtangaben gilt, dass diese nicht dadurch undeutlich werden, dass die Vertragsunterlagen an anderer Stelle einen inhaltlich nicht ordnungsgemäßen Zusatz (hier: einen einseitigen Änderungsvorbehalt) enthalten.
29
5. Gründe im Sinne des § 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor. Der Umstand, dass eine Vielzahl von gleichgelagerten Klagen anhängig gemacht worden sind und werden, gibt der Sache ebenso wenig grundsätzliche Bedeutung wie die Revisionszulassung durch andere Oberlandesgerichte, denn klärungsbedürftig ist eine Rechtsfrage nur dann, wenn sie vom Bundesgerichtshof bisher nicht entschieden worden ist und von einigen Oberlandesgerichten unterschiedlich beantwortet wird oder wenn dazu in der Literatur unterschiedliche Meinungen vertreten werden (BGH, Beschluss vom 15.08.2018 – XII ZB 32/18, BeckRS 2018, 22559 Rn. 3; BGH, Beschluss vom 23.01.2018 – II ZR 73/16, BeckRS 2018, 9324 Rn. 12). Es liegt auch kein Fall der Divergenz vor, da der Senat mit seinem vorliegenden Beschluss von der bekannten obergerichtlichen Rechtsprechung nicht abweicht. Entscheidendes Kriterium ist insoweit, dass – was vorliegend nicht der Fall ist – in der Entscheidung des Senats ein abstrakter Rechtssatz aufgestellt wird, der von einem in anderen Entscheidungen eines höheren oder eines gleichgeordneten Gerichts aufgestellten – tragenden – abstrakten Rechtssatz abweicht.
30
Die Frage, ob ein Widerrufsrecht im Einzelfall rechtsmissbräuchlich ausgeübt wird, ist als tatrichterliche Entscheidung schon von daher nicht geeignet, eine rechtlich erhebliche Divergenz zu erzeugen.
31
Soweit sich die Gegenerklärung (Seite 3 und Seite 9) auf landgerichtliche Rechtsprechung bezieht, liegen schon keine gleichgeordneten Gerichte vor.
32
6. Wegen der fehlenden Gründe für eine Aussetzung des Verfahrens und Vorlage an den Europäischen Gerichtshof wird auf Seite 11 des Senatshinweises vom 16.02.2021 Bezug genommen.
III.
33
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
34
Die Feststellung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit des angefochtenen Urteils erfolgte gemäß §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
35
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wurde in Anwendung der §§ 47, 48 GKG bestimmt.

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