OLG München, Beschluss vom 18.05.2020 – 19 U 364/20

Februar 27, 2022

OLG München, Beschluss vom 18.05.2020 – 19 U 364/20

Tenor
1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts München I vom 12.12.2019, Aktenzeichen 35 O 6244/19, wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

3. Das in Ziffer 1 genannte Urteil des Landgerichts München I ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

4. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

5. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf bis zu 40.000,00 € festgesetzt.

Gründe
I.

Der Kläger verfolgt mit der Berufung seine erstinstanzlich geltend gemachten Ansprüche wegen des Widerrufs des Darlehensvertrages vom 04.08.2016 zur Finanzierung eines Kraftfahrzeuges und dessen Rückabwicklung gegenüber der Beklagten weiter.

Hinsichtlich der Darstellung des Sach- und Streitstandes wird auf den Tatbestand im angefochtenen Urteil des Landgerichts München I vom 12.12.2019 Bezug genommen (§ 522 Abs. 2 S. 4 ZPO).

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen.

Dagegen richtet sich die Berufung des Klägers, welcher beantragt unter Aufhebung des Urteils des Landgerichts München I vom 12.12.2019 wie folgt zu erkennen:

1a. Die Beklagtenpartei wird verurteilt, an die Klagepartei € 20.851,91 nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 11.01.2018 zu zahlen Zugum-Zug gegen Übergabe des PKW … Limousine, FIN: … .

1b. Die Beklagtenpartei wird verurteilt, an die Klagepartei weitere € 5.507,68 nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem Rechtshängigkeit zu zahlen Zugum-Zug gegen Übergabe des in Klageantrag 1a genannten PKW.

1c. Es wird festgestellt, dass die Klagepartei infolge ihrer Widerrufserklärung vom 09.01.2018 aus dem mit der Beklagtenpartei zwecks Finanzierung des in Klageantrag 1a. genannten PKWs abgeschlossenen Darlehensvertrags weder Zins- noch Tilgungsleistungen gemäß § 488 Abs. 1 Satz 2 BGB schuldet.

2. Es wird festgestellt, dass die Klagepartei der Beklagtenpartei keinen Wertersatz schuldet für den Wertverlust, der an dem im Klageantrag Ziffer 1a. genannten Fahrzeug seit der Übergabe an die Klagepartei eintritt.

3. Es wird festgestellt, dass sich die Beklagtenpartei mit der Übernahme des im Klageantrag Ziffer 1a. genannten PKW im Annahmeverzug befindet.

4. Die Beklagtenpartei wird verurteilt, die Klagepartei von den durch die Beauftragung der Prozessbevollmächtigen der Klagepartei entstandenen vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von € 2.434,74 freizustellen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Mit Verfügung des Vorsitzenden vom 20.04.2020 (Bl. 238/249 d.A.), auf die Bezug genommen wird, wurde der Kläger darauf hingewiesen, dass und warum der Senat beabsichtigt, seine Berufung gemäß § 522 Abs. 2 ZPO als unbegründet zurückzuweisen.

Mit Schriftsatz vom 14.05.2020 nahm der Kläger Stellung.

Er beharrt weiter darauf, dass in der Widerrufsinformation fehlerhaft der von ihm zu zahlende Zinsbetrag mit 1,64 € angegeben sei (KlSS vom 14.05.2020, Seite 1/2).

Bei dem in der Widerrufsinformation genannten „Beitritt zur Ratenabsicherung“ handele es sich um keinen verbundenen Vertrag. Diese Versicherung sei als Gruppenversicherung ausgestaltet und zwar zwischen der Beklagtenpartei als Versicherungsnehmerin und der … Lebensversicherungs AG als Versicherungsgeberin. Die Darlehensnehmer seien nie selbst Vertragspartner dieses Versicherungsvertrages. Entscheide sich ein Darlehensnehmer für diesen Versicherungsschutz, erteile er der Beklagtenpartei lediglich den Auftrag, ihn zu dieser bestehenden Gruppenversicherung anzumelden. Der Darlehensnehmer werde dadurch lediglich versicherte Person in einer bestehenden Versicherung für fremde Rechnung. Diese Anmeldeleistung erbringe die Beklagtenpartei im Verhältnis zum Darlehensnehmer kostenlos (BB Seite 2/6).

Die vom Senat ausgeführten Argumente, die gesetzgeberische Konzeption des Belehrungsmusters sowie die Interpretation der Belehrungsvorschrift durch den Gesetzgeber selbst immunisiere beide Konstellationen gegen eine richtlinienkonforme Rechtsfortbildung, verkenne, dass sich dies den Materialien der Gesetzgebung zum Erlass eines gesetzlichen Widerrufsmusters gerade nicht entnehmen lasse (KlSS vom 14.05.2020, Seite 6/7). Aus den Gesetzesmaterialien ergebe sich lediglich, dass sich der deutsche Gesetzgeber Gedanken darüber gemacht habe, wie ein Muster einer Widerrufsbelehrung aussehen kann. Der Gesetzgeber habe aber gerade keine Aussage getroffen, dass eine Belehrung, die sich nicht am Muster orientiere – und damit keiner Richtigkeitsfiktion unterliege – den Kaskadenbeweis (Anm. des Senats: wohl gemeint Kaskadenverweis) enthalten dürfe.

Im Übrigen und ergänzend wird auf die im Berufungsverfahren eingegangenen Schriftsätze der Parteien Bezug genommen.

II.

Die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts München I, Aktenzeichen 35 O 6244/19, ist gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil nach einstimmiger Auffassung des Senats das Rechtsmittel offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordern und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung nicht geboten ist.

Der Senat hält das angefochtene Urteil des Landgerichts München I für offensichtlich zutreffend und nimmt auf dieses Bezug. Bezug genommen wird ferner auf den Hinweis des Senats vom 20.04.2020, wonach er die Berufung im Sinne von § 522 Abs. 2 ZPO für unbegründet hält.

Ergänzend ist auf die Stellungnahme des Klägers vom 14.05.2020 noch auszuführen:

Der Kläger vermag den Ausführungen des Senats, die streitgegenständliche Widerrufsinformation entspreche dem Muster in Anlage 7 zu Art. 247 § 6 Abs. 2 EGBGB, nichts Durchgreifendes entgegenzusetzen. Es steht daher von Gesetzes wegen fest, dass die Beklagte den Kläger entsprechend den Anforderungen des Art. 247 § 6 Abs. 2 EGBGB über sein Widerrufsrecht klar und verständlich bzw. prägnant informiert hat.

1. Nicht nachvollziehbar sind die Ausführungen des Klägers, bei einem Sollzinszinssatz von 2,95% p.a. sei die Bezeichnung des zu zahlenden Zinses mit 1,64 € verwirrend (KlSS vom 14.05.2020, Seite 1). Der Kläger verkennt dabei sichtlich, dass es sich dabei um den pro Tag zu zahlenden Zinsbetrag handelt. Im Übrigen hat es bei den Ausführungen unter Ziffer 1 des Hinweises vom 20.04.2020 sein Bewenden.

2. Soweit der Kläger im Berufungsverfahren neu vorträgt, er habe die Beklagte beauftragt, ihn bei der bestehenden Gruppenversicherung zur Ratenabsicherung anzumelden, nur die Beklagte sei Versicherungsnehmerin, nicht hingegen der Kläger, und die Beklagte nehme die Anmeldung kostenlos vor, ist vorauszuschicken, dass die dem Kläger eingeräumte Frist zur Stellungnahme gem. § 522 II 2 ZPO nicht etwa eine Art „zweite Berufungsbegründung“ ermöglicht. Soweit in dem weiteren Schriftsatz im Berufungsverfahren neue Angriffs- und Verteidigungsmittel enthalten sind, sind diese deshalb gem. §§ 530, 296 I ZPO zwingend zurückzuweisen (vgl. z.B. Thomas/Putzo, ZPO, 36. Aufl. 2015, § 530 Rnr. 4; Rimmelspacher in: Münchener Kommentar zur ZPO, 4. Auflage 2012, § 522 Rnr. 28, BGH, Beschluss vom 18.7.2019 – IX ZR 276/17). Darauf hatte der Senat als nobile officium auch bereits in seinen Allgemeinen Verfahrenshinweisen ausdrücklich aufmerksam gemacht.

Auch der verspätete Vortrag hätte aber keine andere Entscheidung gerechtfertigt: Mit dem Darlehensvertrag und dem Auftrag des Klägers an die Beklagte, ihn bei der bestehenden Gruppenversicherung anzumelden, liegen verbundene Verträge im Sinne von § 358 Abs. 3 BGB vor. Die Beklagte setzte daher auch bei dieser Konstellation in der streitgegenständlichen Widerrufsinformation die Gestaltungshinweise Nr. 2, 2a, 5, 5a zutreffend um.

Anders als die Berufung meint, kommt es nicht darauf an, ob der Kläger Versicherungsnehmer geworden. Entscheidend ist vielmehr, dass mit dem „Auftrag“ des Klägers, ihn bei der bestehenden Gruppenversicherung anzumelden, ein weiterer Vertrag zwischen der Beklagten und dem Kläger über die Erbringung einer anderen Leistung (Beitritt zur Gruppenversicherung) zustande gekommen ist, der die Voraussetzungen des § 358 Abs. 3 BGB erfüllt.

Der Kläger war aufgrund dieses Vertragsverhältnisses jedenfalls verpflichtet, der Beklagten die dafür anfallenden Aufwendungen (Prämien) zu ersetzen. Dieser Verpflichtung kam er mit der Mitfinanzierung der dafür anfallenden Aufwendungen nach. Nach den in Ziffer 1.1.2 des Hinweises vom 20.04.2020 dargestellten Grundsätzen ist auch in diesem Fall eine wirtschaftliche Einheit aus den nachgenannten Gründen zu bejahen:

– Mit dem Darlehensvertrag wird die Beklagte beauftragt, den Kläger zu der streitgegenständlichen Restschuldversicherung anzumelden und im Darlehensvertrag werden die an die Beklagte zu leistenden Versicherungsbeiträge selbständig ausgewiesen.

– Das streitgegenständliche Darlehen war zweckgebunden, soweit der Darlehensvertrag seine Verwendung zur Bezahlung der Prämie der Restschuldversicherung vorsah. Dadurch wurde dem Kläger die freie Verfügungsbefugnis über diesen Teil der Darlehensvaluta genommen.

– Das Darlehen wurde von der Beklagten ausgereicht ebenso wie diese den Kläger zur Restschuldversicherung anmeldete.

– Diese Umstände rechtfertigen die Annahme, dass Darlehensvertrag und Restschuldversicherungen über ein Zweck-Mittel-Verhältnis hinaus derart miteinander verbunden sind, dass ein Vertrag nicht ohne den anderen geschlossen worden wäre. Dass die Anmeldung zur Restschuldlversicherung nicht ohne den Darlehensvertrag geschlossen worden wäre, liegt auf der Hand. Umgekehrt wäre das Darlehen in Höhe des Teilbetrages, mit dem die Versicherungsbeiträge bezahlt worden sind, ohne die Anmeldung zu den Restschuldversicherungen nicht aufgenommen worden.

Von einem verbundenen Vertrag scheint der Kläger im Ergebnis wohl auch auszugehen. Anders lässt sich nicht erklären, warum der Kläger die Rückabwicklung des Darlehensvertrages insgesamt verlangt und damit auch, soweit mit dem Darlehen die Versicherungsprämie bedient wurde und noch bedient wird.

3. Die vom Senat vertretene Ansicht, eine richtlinienkonforme Auslegung der in Art. 247 § 6 Abs. 2 Satz 3 BGB angeordneten Gesetzlichkeitsfiktion scheide aus (vgl. Ziffer 1.4. des Hinweises vom 20.04.2020), wurde mittlerweile vom Bundesgerichtshof bestätigt. Auf dessen Ausführungen im Beschluss vom 31.03.2020 – XI ZR 198/19, Rz. 13/14 wird Bezug genommen.

Da die Beklagte die gesetzlich vorgesehene Musterwiderrufsinformation verwendet hat, ist die vom Kläger weiter aufgeworfene Frage, ob eine Belehrung, die nicht dem gesetzlichen Muster entspricht, zum Beginn der Widerrufsfrist die Kaskadenverweisung enthalten darf, nicht zu entscheiden.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Die Feststellung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit des angefochtenen Urteils erfolgt gemäß §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

IV.

Der Streitwert bis zu 40.000,00 € (Nettodarlehensbetrag in Höhe von 20.345,34 € zzgl. Anzahlung von 15.000 €) für das Berufungsverfahren wurde in Anwendung der §§ 40, 47, 48 GKG, § 3, 4 ZPO bestimmt.

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