OLG München, Beschluss vom 23. Februar 2016 – 3 W 264/16

Juli 23, 2020

OLG München, Beschluss vom 23. Februar 2016 – 3 W 264/16
Pflichtteilsrecht: Kostentragungspflicht für Klage zur Erteilung einer Auskunft durch Vorlage eines notariellen Bestandsverzeichnisses
Tenor
1. Auf die sofortige Beschwerde der Klägerin hin wird die Kostenentscheidung des Landgerichts Traunstein vom 15.01.2016, berichtigt mit Beschluss vom 26.01.2016 im Verfahren 2 O 54/16 dahingehend abgeändert, dass die Beklagte die Kosten des Verfahrens trägt.
2. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens fallen der Beklagten zur Last.
3. Der Gegenstandswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 3.561,10 € festgesetzt.
4. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
Mit Anerkenntnisurteil vom 15.01.2016 verurteilte das LG Traunstein die Beklagte zur Erteilung einer Auskunft durch Vorlage eines notariellen Bestandsverzeichnisses (Bezugnahme auf Bl. 26/29). Mit Beschluss vom 26.01.2016 berichtigte das Landgericht die dort getroffene Kostenentscheidung dahingehend, dass die Klägerin die Kosten des Verfahrens zu tragen habe (Bezugnahme auf Bl. 29a-29c). Mit am 04.02.2016 bei Gericht eingegangenem Schriftsatz vom 02.02.2016 legte die Klägerin dagegen sofortige Beschwerde ein (Bezugnahme auf Bl. 32/34) der das Landgericht mit Beschluss vom 04.02.2016 (Bezugnahme auf Bl. 36/38) nicht abhalf. Die Beklagte nahm mit Schriftsatz vom 18.02.2016 (Bezugnahme auf Bl. 41/42) hierzu Stellung.
II.
Die Beschwerde ist gemäß § 567 Abs. 1 Nr. 1 ZPO i.V.m. § 99 Abs. 2 Satz 1 ZPO statthaft. Zwar ist regelmäßig gemäß § 99 Abs. 1 ZPO die isolierte Anfechtung von Kostenentscheidungen nicht möglich. § 99 Abs. 2 ZPO macht hiervon jedoch für die Kostenentscheidung von Anerkenntnisurteilen eine Ausnahme. Die Annahme des Landgerichts, die Klägerin hätte gegen das zu ihren Gunsten ergangene Urteil Berufung einlegen müssen, beruht daher auf einem Denkfehler bzw. der Unkenntnis des Gesetzestextes. Dass die sofortige Beschwerde inhaltlich die Entscheidungsgründe des Urteils angreift, spielt gerade keine Rolle.
Die Beschwerde wurde in zulässiger Weise, insbesondere fristwahrend erhoben. Das Urteil war dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin ausweislich des Empfangsbekenntnisses am 22.01.2016 zugestellt worden. Da die Frist zur Anfechtung aber erst mit der Zustellung des Berichtigungsbeschlusses zu laufen begann – die ursprüngliche Entscheidung des Landgerichts lautete dahingehend, dass die Beklagte die Kosten des Verfahrens zu tragen habe – und der Berichtigungsbeschluss des Landgerichts erst am 01.02.2016 dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin zugestellt wurde, ist die Frist zur Einlegung des Rechtsmittels auf jeden Fall gewahrt.
Die Beschwerde ist begründet.
Grundsätzlich trägt die Partei gemäß § 91 ZPO die Kosten des Verfahrens, die im Rechtsstreit in der Hauptsache unterliegt. Hiervon ist gemäß § 93 ZPO dann eine Ausnahme zu machen, wenn die beklagte Partei keinen Anlass zur Klageerhebung gegeben hatte und die Klage sofort anerkennt. Nach Zustellung der Klage hat die Beklagte unverzüglich ein Anerkenntnis abgegeben. Allerdings hat sie durch ihr vorprozessuales Verhalten zur Klageerhebung Anlass gegeben.
Grundlage des streitgegenständliche Auskunftsanspruchs ist § 2314 Abs. 1 Satz 3 BGB. Danach kann der Pflichtteilsberechtigte vom Erben verlangen, dass das Verzeichnis des Nachlassbestandes durch einen zuständigen Notar aufgenommen wird.
Dies ist zwischen den Parteien auch nicht streitig. Die Beklagte beauftragte auch eine Notarin mit der Erstellung des entsprechenden Nachlassverzeichnisses. Dies wurde so auch in der Klageschrift von der Klägerin vorgetragen. Streit besteht zwischen den Parteien allein darüber, ob das von der Notarin gefertigte Verzeichnis hier den Anforderungen des § 2314 Abs. 1 Satz 3 BGB genügt. Denn die Notarin hat in dem von ihr gefertigten Entwurf für das Nachlassverzeichnis mitgeteilt, dass die Sparkasse R. die Vorlage von Kontoauszügen für die letzten 10 Jahre nach Rücksprache mit den Erben unter Berufung auf das Bankgeheimnis verweigert habe. Das Landgericht hat sich den Rechtsstandpunkt der Beklagten zu Eigen gemacht, wonach dieses Verhalten nicht zu beanstanden sei, weil der Auskunftsanspruch nach § 2314 Abs. 1 BGB die Pflicht zur Vorlage von Belegen nicht umfasse. Vielmehr handele es sich bei der Forderung nach deren Vorlage um eine unzulässige Ausforschung. Der Hinweis der Klägerin darauf, dass die mitgeteilten Kontostände im Hinblick auf die laufenden Mieteinnahmen unplausibel sei, reiche nicht aus, um ein „solches Maß an Zweifeln an der Vollständigkeit und Richtigkeit der Auskunft zu erzeugen“, die die Vorlage von Kontoauszügen rechtfertige.
Damit verkennt das Landgericht Sinn und Zweck des § 2314 Abs. 1 Satz 3 BGB.
Nach ständiger Rechtsprechung gilt vielmehr folgendes: „Die Aufnahme des Verzeichnisses durch eine Amtsperson soll dem Pflichtteilsberechtigten einen höheren Grad an Richtigkeit der Auskunft gewährleisten als die Privatauskunft des Erben (vgl. OLG Celle, ZErb 2003, 382 Schreinert, RNotZ 2008, 61, 68). Sie ist schon begrifflich eigene Bestandsaufnahme, nicht Aufnahme nur von Erklärungen einer anderen Person (vgl. auch OLG Saarbrücken, FamRZ 2010, 2026), wie der Vergleich mit den Vorschriften über das Nachlassinventar zeigt, dessen Inhalt sich im Kern mit demjenigen des Nachlassverzeichnisses nach § 2314 Abs. 1 Satz 1, 3 BGB deckt. Diese Vorschriften unterscheiden zwischen dem Inventar, welches der Erbe selbst aufnimmt und zu welchem er den Notar nur hinzuzieht (§ 2002 BGB), und demjenigen, welches der Erbe durch eine Amtsperson aufnehmen lässt (§ 2003 Abs. 1 Satz 1 BGB).“ (Zitat aus OLG Koblenz, NJW 2014, 1972f.)
Schon deshalb läuft der Hinweis des Landgerichts darauf, dass der Erbe selbst dem Pflichtteilsberechtigten grundsätzlich keine Belege vorzulegen hat, hier ins Leere.
Der Notar beurkundet im Falle des § 2314 Abs. Satz 3 BGB nicht lediglich die Auskunftserklärung des Erben, sondern stellt durch eigene Erhebungen und Ermittlungen deren Richtigkeit fest. Welche Ermittlungen der Notar in diesem Zusammenhang für geboten hält, ist eine Frage des Einzelfalles (vgl. OLG Koblenz aaO.) und steht grundsätzlich in der Verantwortung des Notars.
Im vorliegenden Fall belegt die Formulierung im Entwurf für das Bestandsverzeichnis, dass die beauftragte Notarin sich die Kontoauszüge der letzten 10 Jahre vorlegen lassen wollte und dies allein aufgrund der Obstruktion der Beklagten bzw. der anderen Miterben scheiterte. Das Beschwerdegericht folgert daraus, dass die Notarin die Einsicht in die Kontoauszüge für geboten erachtet hat. Deshalb ist es rechtlich nicht zulässig, dass das Landgericht sich in die Rolle eines hypothetischen Notars versetzt und erklärt, als solcher würde es auf die Vorlage der Belege verzichten.
Der von der Notarin gefertigte Entwurf eines Bestandsverzeichnisses belegt vielmehr, dass die von ihr für die Erstellung eines ordnungsgemäßen Bestandsverzeichnisses für erforderlich erachteten Informationen ihr nicht komplett vorlagen. Andernfalls hätte sie auf die Weigerung der Sparkasse, die Kontoauszüge zugänglich zu machen, in der von ihr zu erstellenden Urkunde nicht hingewiesen.
Deshalb ist das Beschwerdegericht hier auch der Auffassung, dass die Beklagte durch die Weigerung, der Notarin die von dieser angeforderten Kontoauszüge zugänglich zu machen, im Sinne von § 93 ZPO Anlass zur Klage gegeben hat.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.
Die Festsetzung des Gegenstandswerts berücksichtigt das Kosteninteresse der Parteien ausgehend von einem Streitwert der Hauptsache in Höhe von 9.274,40 €.
Die Voraussetzungen, unter denen die Rechtsbeschwerde gemäß § 574 ZPO zuzulassen ist, liegen nicht vor. Die im Schrifttum umstrittene Frage des Umfangs der notariellen Verpflichtung zu eigenen Ermittlungen und Erhebungen stellt sich im vorliegenden Fall schon deshalb nicht, weil die Notarin vom Erfordernis der Einsicht in die Kontoauszüge selbst ausging und zudem eine solche Einsichtnahme jedenfalls zum Kernbereich notarieller Tätigkeit bei der Erstellung von Bestandsverzeichnissen nach § 2314 Abs. 1 Satz 3 BGB rechnet.

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