OLG München, Endurteil vom 01.12.2016 – 23 U 2755/13

August 9, 2021

OLG München, Endurteil vom 01.12.2016 – 23 U 2755/13

Tenor
1. Die Berufung der Klägerin gegen Ziffer II. des Urteils des Landgerichts Traunstein vom 26.06.2013, Az. 1 HK O 4672/10, wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass festgestellt wird, dass die Klägerin als Rechtsnachfolgerin des verstorbenen Thomas S. der Beklagten zum Ersatz sämtlicher über € 10.455,00 hinausgehender weiterer Schäden verpflichtet ist, die der S. G. GmbH & Co. KG durch die Vertriebsvereinbarung zwischen der S. G. GmbH & Co. KG und der T. Distribution GmbH vom 28.07.2010 entstanden sind oder noch entstehen werden und der S. G. GmbH & Co. KG von der Beklagten ersetzt werden.

2. Die Kosten des Rechtsstreits einschließlich der Kosten des Revisionsverfahrens trägt die Klägerin.

3. Der Klägerin bleibt die beschränkte Erbenhaftung vorbehalten.

4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aus diesem Urteil vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrages leistet.

5. Die Revision gegen dieses Urteil wird nicht zugelassen.

Tatbestand
I. Die Parteien streiten über Ansprüche aus einem Geschäftsführerdienstverhältnis. Die Klägerin führt als Erbin ihres am 14.12.2015 verstorbenen Ehemannes und früheren Klägers den Rechtsstreit fort.

Der frühere Kläger war Geschäftsführer der Beklagten. Die Beklagte ist die einzige Komplementärin der S. G. (im Folgenden: SGF KG), eines weltweit tätigen Automobilzulieferers. Als Geschäftsführer der Beklagten führte der frühere Kläger auf der Grundlage seines Geschäftsführeranstellungsvertrages mit der Beklagten vom 28.07.2005 die Geschäfte der KG.

Am 18.11.2010 kündigte die Beklagte das Geschäftsführerdienstverhältnis mit dem früheren Kläger aus wichtigem Grund. Die Kündigung war unter anderem darauf gestützt, dass der frühere Kläger am 28.07.2010 ohne Zustimmung der Gesellschafterversammlung der KG für diese mit der T. Distribution GmbH (im Folgenden: T. ) eine auf die Dauer von fünf Jahren nicht ordentlich kündbare Vertriebsvereinbarung (Anlage B 3) geschlossen hatte, mit der die SGF KG der T. weltweit das alleinige Vertriebsrecht auf dem sog. „Independent Aftermarket“ für alle von ihr hergestellten Produkte für Kraftfahrzeuge einräumte.

Der frühere Kläger, der die fristlose Kündigung für unwirksam hielt, hat die Beklagte auf Zahlung der Vergütungen für die Monate November 2010 bis September 2011 in Höhe von € 232.961,74 sowie einer restlichen Tantieme für das Jahr 2009 in Höhe von € 10.455 in Anspruch genommen.

Die Beklagte berief sich gegenüber den Vergütungsforderungen auf die fristlose Kündigung. Sie ist der Ansicht, der frühere Kläger habe mit dem Abschluss der Vertriebsvereinbarung pflichtwidrig gehandelt, weil er seine Kompetenzen überschritten habe. Durch den Abschluss der Vereinbarung mit der T. sei der SGF KG ein erheblicher, noch nicht abschließend bezifferbarer Schaden entstanden, weil sie erhebliche Einbußen bei der Gewinnmarge der bislang von ihr selbst vertriebenen Produkte hinnehmen müsse. Der frühere Kläger sei ihr nach § 43 Abs. 2 GmbHG zum Ersatz der Schäden verpflichtet, die ihr dadurch entstanden seien, dass sie ihrerseits der SGF KG die durch die Vertriebsvereinbarung mit T. entstandenen und noch entstehenden Schäden zu ersetzen habe. Die Beklagte hat gegen den Tantiemeanspruch mit einem Schadensersatzanspruch aufgerechnet.

Die Beklagte hat außerdem Widerklage erhoben und in erster Instanz insoweit beantragt:

Es wird festgestellt, dass der Kläger der Beklagten zum Ersatz sämtlicher Schäden verpflichtet ist, die der S. G. GmbH & Co. KG durch die Vertriebsvereinbarung zwischen der S. G. GmbH & Co. KG und der T. Distribution GmbH vom 28.07.2010 entstanden sind und noch entstehen werden.

Der frühere Kläger hat beantragt,

die Widerklage abzuweisen.

Das Landgericht, auf dessen tatsächliche Feststellungen gemäß § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO Bezug genommen wird, hat die Klage abgewiesen und der Widerklage stattgegeben.

Dagegen richtete sich die klägerische Berufung, mit der die erstinstanzlichen Anträge weiterverfolgt wurden (Bl. 288/289, 390, 520 d. A.), insbesondere die Abweisung der Widerklage. Das Landgericht sei zu Unrecht von einer Kompetenzüberschreitung ausgegangen. Die mit dem Abschluss des T.-Vertrages verbundene Änderung habe allein darin bestanden, dass statt drei Vertriebspartnern, nämlich den Firmen H., F. und ZF Trading, für den Bereich des IAM nunmehr ein Vertriebspartner tätig werde. Der Abschluss des Vertrages mit T. sei für die Beklagte bzw. die SGF KG nicht schädigend sondern nützlich gewesen. Auf die Widerklage habe das Landgericht der Beklagten einen Ersatzanspruch für einen Schaden zugesprochen, der nicht bei der Beklagten, sondern bei der SGF KG entstanden sein soll. Im Übrigen sei die Schadensberechnung der Beklagten falsch.

Nach einem Hinweis des Senats hat die Beklagte im Termin zur mündlichen Verhandlung am 28.11.2013 den Antrag auf Zurückweisung der Berufung mit der Maßgabe gestellt, dass der in erster Instanz gestellte Feststellungsantrag am Ende ergänzt wird um „und der S. G. GmbH & Co. KG von der Beklagten ersetzt werden“ (Bl. 390, 520 d. A.).

Der Senat hat mit Urteil vom 02.10.2014 in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 18.11.2014 die klageabweisende Entscheidung des Landgerichts bis auf einen Betrag von € 5.233,15 nebst Zinsen bestätigt. Die Widerklage hat der Senat als unzulässig abgewiesen.

Die dagegen gerichtete Nichtzulassungsbeschwerde der Beklagten hatte Erfolg und führte zur Aufhebung des Senatsurteils vom 02.10.2014 in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 18.11.2014, soweit die Widerklage abgewiesen worden ist, sowie im Kostenpunkt.

Die Klägerin vertritt die Ansicht, die Widerklage sei unzulässig, weil es am Feststellungsinteresse fehle. Die Beklagte habe die Bezifferung des angeblich bei ihr entstandenen Schadens unterlassen. Sollte der Beklagten die Bezifferung immer noch nicht möglich sein, obwohl die SGF KG den Vertriebsvertrag im Februar 2013 faktisch aufgekündigt habe, wäre die Bezifferung dauerhaft unmöglich, weil die Auskunftsklage der SGF KG gegen T. rechtskräftig abgewiesen worden sei. Es sei im Übrigen ausgeschlossen, dass der behauptete Schaden überhaupt noch eintrete, weil Ansprüche der SGF KG gegen die Beklagte Ende 2013 nach §§ 195, 199 BGB verjährt seien. Die SGF KG hätte bereits Ende 2010 Feststellungsklage erheben können. Die Widerklage sei auch unbegründet. Die von der Rechtsprechung entwickelten Beweiserleichterungen kämen der Beklagten wegen des Versterbens des früheren Klägers nicht mehr zugute. In dem Abschluss des Vertriebsvertrages liege keine Pflichtverletzung. Der Abschluss des Vertriebsvertrages habe unmittelbar zu einem wirtschaftlichen Vorteil für die SGF KG geführt.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Landgerichts Traunstein vom 26.06.2013 dahingehend abzuändern, dass die Widerklage abgewiesen wird.

Sie beantragt ferner vorsorglich, die Revision zuzulassen.

Die Nebenintervenientin schließt sich diesem Antrag an.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen, mit der Maßgabe:

Es wird festgestellt, dass die Klägerin als Rechtsnachfolgerin des verstorbenen Thomas Sich der Beklagten zum Ersatz sämtlicher über € 10.455,00 hinausgehender weiterer Schäden verpflichtet ist, die der S. G. GmbH & Co. KG durch die Vertriebsvereinbarung zwischen der S. G. GmbH & Co. KG und der T. Distribution GmbH vom 28.07.2010 entstanden sind oder noch entstehen werden und der S. G. GmbH & Co. KG von der Beklagten ersetzt werden.

Die Beklagte ist der Ansicht, nach dem insoweit rechtskräftigen Urteil des Senats vom 02.10.2014 stehe fest, dass der frühere Kläger seine Pflichten aus dem Dienstverhältnis zur Beklagten verletzt habe, indem er für die SGF KG am 28.09.2010 den Vertriebsvertrag mit T. geschlossen habe, ohne zuvor die erforderliche Zustimmung der Gesellschafterversammlung eingeholt zu haben. Sie behauptet, der SGF KG seien durch die Vertriebsvereinbarung Schäden entstanden, die sie noch nicht beziffern könne; allein der gewährte Nachlass von 10% und weiteren 4% – bezogen auf den niedrigsten Preis – summiere sich auf € 868.654,00. Die SGF KG hätte jedoch nicht zum niedrigsten Preis veräußert, so dass der tatsächliche Gewinn deutlich höher ausgefallen wäre. Der Anspruch der SGF KG gegen die Beklagte sei nicht verjährt. Die Beklagte habe einen Teil des der SGF KG entstandenen Schadens vorbehaltslos ausgeglichen. Sie vertrete in diesem Verfahren, das der SGF KG und ihren Gesellschaftern unstreitig bekannt sei, die Auffassung, der SGF KG zum Ersatz der Schäden verpflichtet zu sein, die der ursprüngliche Kläger als ihr Geschäftsführer verursacht habe.

Ergänzend wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze sowie das Protokoll vom 20.10.2016 Bezug genommen.

Gründe
II. Hinsichtlich der Verurteilung auf die Widerklage hat die zulässige Berufung keinen Erfolg. Der Klägerin war jedoch nach § 780 ZPO die beschränkte Erbenhaftung vorzubehalten.

1. Die Feststellungsklage der Beklagten ist zulässig.

1.1. Die Beklagte will mit ihrem Widerklageantrag einen ihr selbst zustehenden Ausgleichsanspruch gegen die Klägerin als Rechtnachfolgerin des verstorbenen früheren Klägers festgestellt wissen. Dieses Begehren war auch schon Gegenstand der in erster Instanz erhobenen Widerklage (BGH, Urteil vom 21.06.2016, II ZR 305/14, Tz. 11 ff). Der zur Auslegung des Widerklageantrags heranzuziehenden Begründung in der Klageerwiderung vom 16.03.2011 lässt sich entnehmen, dass die Beklagte einen Anspruch auf Ersatz eines eigenen Schadens festgestellt haben möchte. So führt die Beklagte auf den Seiten 14 und 15 dieses Schriftsatzes (Bl. 33/34 d. A.) aus, dass es „neben der Verantwortlichkeit des Geschäftsführers gegenüber der Kommanditgesellschaft“ bei „seiner unmittelbaren Haftung gegenüber der GmbH aus § 43 Abs. 2 GmbHG“ bleibe, „wenn diese satzungsgemäß für die Geschäftsführung der Kommanditgesellschaft verantwortlich ist“. Der frühere Kläger habe vor Abschluss der Vertriebsvereinbarung mit der T. die Zustimmung der Gesellschafterversammlung der KG einholen müssen. Er sei „der Beklagten daher gemäß § 43 Abs. 2 GmbHG zum Ersatz sämtlicher Schäden verpflichtet, die dieser dadurch entstanden sind, dass sie ihrerseits wegen der vom früheren Kläger begangenen Pflichtverletzung der SGF KG die durch die Vertriebsvereinbarung mit der T. GmbH entstandenen und noch entstehenden Schäden zu ersetzen hat“.

1.2. Es besteht eine hinreichende Wahrscheinlichkeit eines auf die Verletzungshandlung zurückzuführenden Schadenseintritts (BGH, Beschluss vom 04.03.2015, IV ZR 36/14, juris Tz. 15 m. w. N.). Insoweit wird auf die Ausführungen zur Begründetheit der Klage verwiesen. Es kann insbesondere dahinstehen, ob Ansprüche der SGF KG gegen die Beklagte bereits verjährt sind (s. u. Ziffer 2.4).

Die Abweisung der von der SGF KG gegen T. erhobenen Auskunftsklage (Urteil des OLG München vom 30.07.2015, U 3028/14 Kart, Anlage NZBE1) macht weder eine

– weitere – Bezifferung unmöglich, noch steht sie der Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts entgegen. Hinsichtlich der Schäden, die dadurch entstanden sind, dass Vierol im Zeitraum zwischen September 2010 und März 2013 Produkte nicht unmittelbar bei der SGF KG, sondern über T. bezogen hat, hat die Beklagte die Schäden bereits beziffert.

1.3. Es kann dahinstehen, ob der Beklagten mittlerweile eine Bezifferung des gesamten Schadens möglich wäre. Auch in diesem Fall müsste sie nicht zur Leistungsklage übergehen. Bei Klageerhebung im Jahr 2010 war der Beklagten unstreitig eine Bezifferung nicht möglich. An einer zulässigerweise erhobenen Feststellungsklage darf die Klagepartei im Verlauf des Rechtsstreits jedoch grundsätzlich ohne Rücksicht auf die weitere Entwicklung des Schadens festhalten (BGH, Urteil vom 30.03.1983, VIII ZR 3/82, juris Tz. 28; OLG Karlsruhe, Urteil vom 30.01.1992, 5 U 228/91, juris Tz. 12).

2. Die Feststellungsklage ist begründet.

2.1. Der Abschluss der Vertriebsvereinbarung mit T. erfolgte ohne die erforderliche Einwilligung durch die Gesellschafterversammlung. Die Missachtung der Kompetenzordnung der Gesellschaft stellt eine Pflichtverletzung des Geschäftsführers dar.

Der Geschäftsführer führt gemäß Ziffer 1.2 des Geschäftsführerdienstvertrages die Geschäfte der Gesellschaft nach Maßgabe der Gesetze, der Satzung der Gesellschaft und des Gesellschaftsvertrages der SGF KG. Nach § 5 Abs. 3 des Gesellschaftsvertrages der SGF KG (Anlage B 1) i. V. m. der am 16.08.1996 beschlossenen Änderung (Anlage B 2) bedarf die Komplementärin zu Handlungen, die über den gewöhnlichen Betrieb des Handelsgewerbes der Gesellschaft hinausgehen, der vorherigen Zustimmung der Gesellschafterversammlung.

Als außergewöhnliche Geschäfte im Sinne des § 5 Abs. 3 der Gesellschaftsvertrages der SGF KG, der keine Abweichungen von § 116 HGB i. V. m. §§ 163, 161 Abs. 2 HGB enthält, sind solche mit Ausnahmecharakter nach Art und Inhalt, insbesondere einschneidende Änderungen von Organisation oder Vertrieb unter Beachtung der besonderen Umstände der Gesellschaft zu verstehen (vgl. Roth in Baumbach/Hopt, HGB, 37. Aufl., § 116, Rn. 2).

Der Senat ist in seiner jetzigen Besetzung aufgrund der protokollierten Zeugenaussagen und den Ausführungen im Senatsurteil vom 02.10.2014, aus denen sich keine Zweifel an der Glaubwürdigkeit der Zeugen ergeben, davon überzeugt, dass mit dem Abschluss des Vertriebsvertrags zwar keine „Aufgabe des Eigenvertriebs“ in dem Sinne verbunden war, dass die Beklagte Ersatzteile für Kraftfahrzeuge nicht mehr selbst an die Endkunden insbesondere Werkstätten lieferte, dass aber durch den Vertriebsvertrag mit T. eine weitere Ebene in der Vertriebsstruktur geschaffen wurde. Zweifel an der Glaubwürdigkeit der Zeugen wurden auch von den Parteien nicht vorgetragen.

Die Einführung einer weiteren Ebene in die Vertriebsstruktur ist eine solch einschneidende Änderung der Vertriebsorganisation, dass der Rechtsvorgänger der Klägerin nach § 1.2 des Geschäftsführerdienstvertrages i. V. m. § 5 Abs. 3 des Gesellschaftsvertrags der SGF KG dazu der Zustimmung der Gesellschafterversammlung bedurft hätte. Der Senat verkennt dabei nicht, dass der Abschluss von Vertriebsverträgen auf die Verfolgung des Gesellschaftszwecks gerichtet ist und der Ersatzteilmarkt nur einen kleineren Teil des Umsatzes der SGF KG ausmacht. Die Ausführungen des Kartellsenats des OLG München (Anlage NZBE 1), es bestünden keine Anhaltspunkte für ein kollusives Zusammenwirken des früheren Klägers und Herrn Templin, um T. zur Lasten der SGF KG durch den Abschluss des Vertriebsvertrages Vorteile zu verschaffen, stehen der Annahme einer Pflichtverletzung nicht entgegen.

Während die SGF KG nach den übereinstimmenden Aussagen der Zeugen Wä., Wr., T. und R. vor Abschluss des Vertriebsvertrages mit T. mindestens drei größere Ersatzteilkunden hatte, wurde der Vertrieb mit Abschluss des Vertrages mit T. neu strukturiert. Der von der Klagepartei benannte Zeuge T. bekundete insbesondere, dass es sich bei T. um eine weitere Ebene zwischen SGF und den bisherigen Kunden handelte, habe jedoch die zusätzliche Aufgabe gehabt, den Markenwert wiederherzustellen. Bislang hätten die Ersatzteilkunden die Aufträge ihrer Kunden zusammengefasst und an SGF weitergegeben; T. habe im Wesentlichen die gleiche Aufgabe gehabt, sollte aber darüber hinaus das Produkt auch promoten. Diese vom Zeugen T. für den Senat in seiner damaligen Besetzung ausweislich des Senatsurteils vom 02.10.2014 nachvollziehbar begründete Übertragung einer weiteren Aufgabe auf T., die sich allerdings nicht aus dem schriftlichen Vertriebsvertrag ergibt, ändert nichts an der damit verbundenen Einführung einer weiteren Ebene in der Vertriebsstruktur.

Die Behauptung des Rechtsvorgängers der Klägerin, auch über die früheren Vertriebsvereinbarungen seien die Gesellschafter nicht vorher informiert worden, hat der Zeuge T. nicht bestätigt. Er bekundete vielmehr, er könne nichts dazu sagen, was zu Vertriebsvereinbarungen mit den Gesellschaftern besprochen worden sei.

Da die Beklagte eine Pflichtverletzung des früheren Klägers nachgewiesen hat, kann offenbleiben, ob sich die Beklagte auch gegenüber der jetzigen Klägerin auf die von der Rechtsprechung entwickelte Darlegungs- und Beweislastverteilung (vgl. BGH, Urteil vom 04.11.2022, II ZR 224/00) berufen kann.

2.2. Der frühere Kläger hat die Pflichtverletzung zu vertreten. Dies wird nach § 280 BGB i. V. m. dem Geschäftsführerdienstvertrag vermutet. Ein Rechtsirrtum wird nicht behauptet.

2.3. Der Abschluss des Vertriebsvertrages hat dadurch zu einem Schaden für die SGF KG geführt, dass – entgegen ihrem Willen – in die Vertriebsstruktur eine weitere Ebene eingeführt wurde und T. ein Preisnachlass gewährt wurde.

Aufgrund des vorgelegten Vertriebsvertrags, der Anlagen B 32 und B 33 und der Aussage des Zeugen G. (Seite 2 ff. des Protokolls vom 31.07.2014, Bl. 512 ff. d. A.) steht zur Überzeugung des Senats fest, dass der SGF KG – über den bereits im Wege der Aufrechnung geltend gemachten Schadensersatz hinaus – dadurch Gewinn entgangen ist, dass die Firma Vi. ab September 2010 Gelenkscheiben nicht unmittelbar von der SGF KG, sondern von T. bezogen hat.

Ob und inwieweit der SGF KG dadurch ein weiterer Schaden entstanden ist, dass die weiteren Kunden ZF Services, Ho. und F. ebenfalls Gelenkscheiben nicht unmittelbar von der SGF KG, sondern von T. bezogen haben, und ob der SGF KG durch die in der Vertriebsvereinbarung geregelten Preisnachlässe Schäden in Höhe von mindestens € 868.540,00 entstanden sind (vgl. Seite 4 ff. Schriftsatzes der Beklagten vom 13.10.2016, Bl. 669 d. A.), muss im Rahmen der Feststellungsklage nicht entschieden werden. Denn im Verfahren, das zum Erlass eines Feststellungsurteils führt (§ 256 ZPO), ist für eine Prüfung und Entscheidung über die Höhe des festzustellenden Anspruchs kein Raum (BGH, Urteil vom 31.01.1984, VI ZR 150/82, juris Tz. 18).

Die Beklagte hat mit Schadensersatzansprüchen aufgerechnet, die darauf zurückzuführen sind, dass Vierol 850 Stück GAD-139-0, 5 Stück GAV-23-Z-0, 70 Stück GPD-3-0, 40 Stück TTV01-002-0, 350 Stück GAB01-009-0, 40 Stück GAB-106-0, 500 Stück GAB01-017-0, 650 Stück GAB-74-0, 100 Stück GAB-87-0, 400 Stück GAB01-003-0 und 150 Stück GAB01-015-0 nicht bei der SGF KG bezogen hat (Seite 20 des Schriftsatzes vom 31.12.2013, Bl. 413 d. A.). Diese Artikel (SGF-Bezeichnung) sind in der Anlage B 33 in den Zeilen 1- 12 aufgeführt.

Die weiteren in der Anlage B 33 in den Zeilen 13 ff. genannten Positionen waren nicht Gegenstand der Aufrechnung. Auch hinsichtlich dieser Produkte ist der Senat davon überzeugt, dass der SGF KG dadurch Gewinn entgangen ist, dass Vi. Produkte, die sie vor Abschluss des Vertriebsvertrages bei der SGF KG bezogen hat und nunmehr wieder bezieht, im Zeitraum zwischen September 2010 und März 2013 nicht unmittelbar bei der SGF KG, sondern über T. bezogen hat. Der Zeuge G. hat bekundet, er sei bei Vi. für den Einkauf zuständig gewesen und er habe die Anlage B 32 auf der Grundlage des Warenwirtschaftssystems erstellt. Vi. habe seit 2006 Gelenkscheiben bei SGF bezogen, dann seien sie informiert worden, dass das Aftermarket-Geschäft über die Firma T. abgewickelt werde. Für sie sei das Geschäft in gleicher Weise weiter gelaufen. Seit Februar oder März 2013 bezögen sie die Ware wieder unmittelbar bei SGF. Zweifel an der Glaubwürdigkeit des Zeugen G. sind aus dem Senatsurteil vom 02.10.2014 nicht ersichtlich und wurden von den Parteien auch nicht geäußert.

Die in der Anlage B 33 genannten Produkte entsprechen den in der Anlage B 32 aufgeführten. So werden z. B. in der zweiten Zeile der Anlage B 32 und der drittletzten Zeile der Anlage B 33 850 Stück der Artikelnummer V 30-18044 (OE 124 411 06 15; SGF-Bezeichnung GAD-129-0) genannt. Ausweislich der Anlage 1 zum Vertriebsvertrag betrug der bisherige Preis für dieses Produkt für Vi. € 11,34, während der jeweils geringste Verkaufspreis, der nach § 2 des Vertriebsvertrages Grundlage der Preisermittlung war, € 11,00 beträgt. Allein durch die Differenz von € 0,34 ist der SGF KG bei einer Stückzahl von 850 ein Schaden in Höhe von € 289,00 entstanden, ohne dass es darauf ankommt, welche Stückzahl in den ersten zwölf Monaten des Vertragslaufzeit des Vertriebsvertrages – mit der Folge eines Preisabschlags von 10% – erworben wurde. Der Senat versteht den Vortrag der Beklagten im Schriftsatz vom 13.10.2016 (S. 5, Bl. 670 d. A.) und die aus der mit diesem Schriftsatz vorgelegten weiteren Anlage B 36 ersichtliche Berechnung eines Mindestschadens, der allein durch die gewährten Preisnachlässe von 10% und weiteren 4% entstanden sein soll, nicht dahingehend, dass die Beklagte ihren Vortrag, sie hätte die Produkte an Vi. zu den gleichen Preisen wie bisher verkaufen können (Seite 19 des Schriftsatzes vom 31.12.2013, Bl. 412 d. A.), aufgegeben hat. Die Beklagte behauptet nämlich auch, die SGF KG hätte nicht zum niedrigsten Preis veräußert, sondern innerhalb des gegebenen Preisgefälles höhere Preise vereinbart (Seite 5, Bl. 670 d. A.) und beruft sich auf die im Senatsurteil vom 02.10.2014 wieder gegebene Aussage des Zeugen G. (S. 9, Bl. 674 d. A.). Dass Vi. die Produkte mindestens zu dem gleichen Preis wie bisher bezogen hätte, ergibt sich – im Rahmen des § 287 ZPO (BGH, Urteil vom 04.11.2002, II ZR 224/00, juris Tz. 15) – aus der Aussage des Zeugen G., für Vi. sei das Geschäft in gleicher Weise weiter gelaufen. Es sei durchaus zu Preisveränderungen gekommen. Als sie bei T. bezogen hätten, seien die Preise nach oben gegangen, als sie wieder bei der SGF KG bezogen hätten, seien die Preise artikelabhängig wieder nach unten gegangen.

2.4. Im Rahmen der Feststellungsklage beruft sich die Klägerin ohne Erfolg darauf, der Abschluss des Vertriebsvertrages habe zu einem wirtschaftlichen Vorteil für die SGF KG geführt, weil sich ihr Umsatz infolge des garantierten Umsatzvolumens durch den Vertriebsvertrag um ca. € 1 Mio. pro Jahr gesteigert habe (Seite 9 ff. des Schriftsatzes vom 11.10.2016, Bl. 660 ff. d. A.). Ob und ggf. inwieweit Vorteile aus dem Vertriebsvertrag den entgangenen Gewinn mindern, kann erst beurteilt werden, wenn feststeht, welche Teile die SGF KG in welchem Jahr unmittelbar an welchen Kunden zu welchem Preis hätte veräußern können, also welchen Veräußerungserlös sie – ohne Vertriebsvertrag – bei ihren vier Bestandskunden hätte erzielen können und welche Zahlungen sie von T. aufgrund der Umsatzgarantie im Vertriebsvertrag erhalten hat.

Der von der Klägerin vorgenommenen „Berechnung“ mit durchschnittlichen Stückpreisen – unabhängig vom Produkt – vermag der Senat nicht zu folgen. Dass die Vermögensnachteile (entgangener Gewinn) durch die Vermögensvorteile (Umsatzgarantie) ausgeglichen worden wären, ergibt sich daraus nicht. Es ist nicht ausgeschlossen, dass der Schaden der SGF KG, den die Beklagte zunächst für eine fünfjährige Vertragslaufzeit mit € 6 Mio. angegeben hat (Schriftsatz vom 24.07.2013, Bl. 283 d. A.) und dann für die Vertragsjahre 2010/2011 sowie 2011/2012 mit mindestens € 1,5 Mio. beziffert hat, den von der Klägerin mit € 1.160.913,00 bezifferten Gewinn aus der Vertriebsvereinbarung (Seite 12 des Schriftsatzes vom 11.10.2016, Bl. 663 d. A.) übersteigt.

2.5. Ohne Erfolg berufen sich die Klägerin und die Nebenintervenientin darauf, (etwaige) Schadensersatzansprüche der SGF KG gegen die Beklagte als Komplementärin aus § 280 BGB seien mittlerweile nach §§ 195, 199 BGB verjährt und die Beklagte sei gemäß § 254 Abs. 2 BGB gehalten, den behaupteten Schaden durch Einrede der Verjährung zu mindern.

Die Beklagte hat im Prozess deutlich zum Ausdruck gebracht, dass sie davon ausgeht, ihrerseits wegen der Pflichtverletzung ihres Geschäftsführers der SGF KG zum Schadensersatz verpflichtet zu sein. Ob die einmalige Schadensersatzzahlung „durch Verrechnung“ in Höhe von € 10.455,00 am 13.10.2013 (vgl. Seite 2 des Protokolls vom 28.11.2013, Bl. 389 d. A.) bzw. „Buchung auf den Darlehenskonten“ (Seite 9 des Protokolls vom 31.07.2014, Bl. 519 d. A.) als Anerkennungshandlung im Sinne des § 212 Abs.1 Nr. 1 BGB zu sehen ist, kann dahin stehen. Denn die Beklagte ist weder gehalten, gegenüber der SGF KG die Einrede der Verjährung zu erheben, noch war es ihr umgekehrt verwehrt durch diese Zahlung ihre Haftung anzuerkennen.

Die von der Klägerin und der Nebenintervenientin zitierte Rechtsprechung betrifft andere Fallkonstellationen und ist auf den streitgegenständlichen Fall nicht übertragbar. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist im Rahmen einer werkvertraglichen Leistungskette der Nachunternehmer gegebenenfalls zwecks Minderung des Schadens zur Erhebung der Verjährungseinrede gehalten (Urteil vom 28.06.2007, VII ZR 81/06, juris Tz. 23 m. w. N.). Das OLG Hamm (Urteil vom 24.05.1995, 12 U 159/94, juris Tz. 8) hat zur Frage, ob eine Partei von ihrem Vertragspartner noch in Anspruch genommen werden kann ausgeführt, ein Mitverschulden i. S. d. § 254 Abs. 2 BGB müsse bejaht werden, wenn der Geschädigte Maßnahmen unterlässt, die ein ordentlicher und verständiger Mensch zur Abwendung oder Minderung von Schäden ergreifen würde, wobei Abgrenzungsmaßstab der Grundsatz von Treu und Glauben ist. Besondere Umstände, die es ausnahmsweise als unzumutbar erscheinen ließen, die Verjährungseinrede zu erheben, waren in dem vom OLG Hamm entschiedenen Fall nicht zu erkennen. Anders als in diesen Fallkonstellationen sind die SGF KG und die Beklagte jedoch nicht Vertragspartner eines Werkvertrags o.ä. Die Beklagte ist vielmehr die einzige Komplementärin der SGF KG; nach § 3 Abs. 1 des Gesellschaftsvertrags erbringt sie keine Kapitaleinlage und keinen Kapitalanteil. Ihre alleinige Aufgabe besteht darin, die Geschäfte der SGF KG zu führen. Die Beklagte verhielte sich gegenüber der SGF KG treuwidrig, wenn sie einerseits die Feststellung begehrte, dass die Klägerin ihr zum Ersatz weiterer Schäden verpflichtet ist, die der SGF KG durch die Vertriebsvereinbarung entstanden sind oder noch entstehen werden und die der SGF KG von der Beklagten ersetzt werden, und andererseits nun – nachdem Schadenersatzansprüche der SGF KG gegen die Klägerin (vgl. BGH, Urteil vom 25.02.2002, II ZR 236/00, juris Tz. 11) verjährt sind – gegenüber der SGF KG die Einrede der Verjährung erhöbe. Entgegen der von der Nebenintervenientin im Schriftsatz vom 08.11.2016 vertretenen Ansicht (Seite 10, Bl. 691 d. A.) handelt es sich bei der Beklagten und der SGF KG in der vorliegenden Fallkonstellation nicht um zwei wirtschaftliche denkende Unternehmen, deren Verhältnis einer konzernrechtlichen Verbindung vergleichbar ist, für die in der Literatur (Kraft/Giermann, VersR 2001, 1475) die Ansicht vertreten wird, sie rechtfertige für sich genommen keine Ausnahme von der grundsätzlichen Obliegenheit, die Einrede der Verjährung zu erheben. Wirtschaftsunternehmen dokumentierten ihre Vertragsbeziehungen und Ansprüche grundsätzlich ohne Rücksicht auf ein etwaiges Näheverhältnis zu ihrem Vertragspartner.

3. Die als Erbin in Anspruch genommene Klägerin hat im Prozess die haftungsbeschränkende Einrede nach § 780 ZPO erhoben. Für die Aufnahme des Vorbehalts der beschränkten Erbenhaftung bedarf es keines Sachvortrags (BGH, Urteil vom 02.02.2010, VI ZR 82/09, juris Tz. 7).

4. Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf § 92 Abs. 2 Nr. 1, § 708 Nr. 10, § 711 und § 543 Abs. 2 ZPO.

Haben Sie Fragen? 

Rufen Sie uns an oder schreiben Sie uns eine E-Mail, damit wir die grundsätzlichen Fragen klären können.

© Rechtsanwalt Krau. All rights reserved.
Powered by wearehype.eu.
© Rechtsanwalt Krau. All rights reserved.
Powered by wearehype.eu.