OLG Nürnberg, Hinweisbeschluss v. 19.08.2019 – 6 U 1114/18

April 28, 2022

OLG Nürnberg, Hinweisbeschluss v. 19.08.2019 – 6 U 1114/18

Vorinstanz:
LG Regensburg, Urteil vom 14.05.2018 – 1 O 1571/15 (1)


Tenor
1. Der Senat beabsichtigt, die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts Regensburg vom 14.05.2018, Az. 1 O 1571/15 (1), gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil er einstimmig der Auffassung ist, dass die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung nicht geboten ist.
2. Hierzu besteht Gelegenheit zur Stellungnahme binnen zwei Wochen nach Zustellung dieses Hinweises.
Entscheidungsgründe
I.
1
Die Klägerin ist eine Wohnungseigentümergemeinschaft und macht gegen die Beklagte, die als Bauträgerin das streitgegenständliche Mehrfamilienwohnhaus errichtet hat, Ansprüche auf Mängelbeseitigung am Gemeinschaftseigentum geltend.
2
In der Eigentümerversammlung vom 05.05.2015 wurde unter TOP 9 folgender Beschluss gefasst (K 1):
„Die Wohnungeigentümergemeinschaft verlangt von der … GmbH die sofortige vertragsgemäße Herstellung des gemeinschaftlichen Eigentums. Die Verwaltung wird beauftragt, die Rechtsanwaltskanzlei … mit der Vertretung der Eigentümergemeinschaft zu beauftragen.
Der Verwalter in Absprache mit dem Verwaltungsbeirat ist berechtigt, dem Rechtsanwalt umfassende Vollmacht, auch zur Klage gegen den Bauträger … zu erteilen.“
3
Die Klägerin verlangte erstinstanzlich unter anderem die Beseitigung der Höhendifferenz im Bereich zwischen gepflasterter Hoffläche und öffentlicher Straße an der gesamten südöstlichen Grenze des Grundstücks durch Anpassung des Niveaus des Grundstücks.
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Die Beklagte beantragte die Klage abzuweisen. Sie ist der Ansicht, die Klägerin sei nicht aktivlegitimiert. Der von der Eigentümerversammlung gefasste Beschluss sei zu unbestimmt. Eine Absprache des Verwalters mit dem Verwaltungsbeirat sei nicht nachgewiesen. Die Klägerin könne auch nicht die Art und Weise der Mängelbeseitigung vorschreiben.
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Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze und den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen.
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Nach Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens hat das Landgericht Regensburg der Klage, soweit zuletzt noch rechtshängig, stattgegeben. Zur Begründung führte es aus, die Klägerin sei aktivlegitimiert. Es liege ein Planungsmangel vor, der dazu geführt habe, dass es zu einer für PKW’s nicht überwindbaren Höhendifferenz zwischen Hoffläche und öffentlicher Straße gekommen sei. Es sei nicht ersichtlich, dass bei einem Absenken der gesamten Hoffläche in Verbindung mit einer entsprechenden Umplanung die sonstigen Anforderungen wie ein barrierefreier Zugang oder eine ausreichende Anzahl von Stellplätzen nicht sichergestellt werden könnte.
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Die Beklagte hat Berufung eingelegt, mit der sie im Wesentlichen unter Wiederholung ihres erstinstanzlichen Vorbringens weiterhin eine Abweisung der Klage erstrebt. Die Klägerin beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
II.
8
Der Senat hat die Einwände der Berufungsführerin gegen das angefochtene Endurteil geprüft und gewürdigt. Die in der Berufung vorgetragenen Gesichtspunkte reichen jedoch nicht aus, um dem Rechtsmittel zum Erfolg zu verhelfen. Das Urteil des Landgerichts beruht nicht auf einer Rechtsverletzung (§ 513 Abs. 1 ZPO).
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1. Die Klage ist zulässig.
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Von der Zulässigkeit der Klage geht das Landgericht stillschweigend aus. Die von den Parteien unter dem Stichwort „Aktivlegitimation“ diskutierten Fragen betreffen die Zulässigkeit der Klage. Diese ist auch unter Berücksichtigung der Einwände der Beklagten zu bejahen.
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1) Die Klägerin ist insbesondere prozessführungsbefugt.
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Das Landgericht hat zu Recht die Befugnis der Klägerin bejaht, die geltend gemachten Ansprüche im eigenen Namen einzuklagen, auch wenn sie ihr materiell rechtlich nicht zustehen, da Inhaber der Ansprüche auf Herstellung des Gemeinschaftseigentums nur die jeweiligen Erwerber bzw. Miteigentümer sind. Die Ausübung dieser Rechte können die Wohnungseigentümer nach § 10 Abs. 6 Satz 3 Alt. 2 i.V.m. §§ 21 Abs. 1 u. 5 Nr. 2 WEG jedoch durch Mehrheitsbeschluss auf die Wohnungseigentümergemeinschaft übertragen und verfahrensrechtlich in gesetzlicher Prozessstandschaft geltend machen (BGH, 15. Januar 2010 – V ZR 80/09 -, Rn. 7, 13, juris m.w.N.).
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Dies ist in nicht zu beanstandender Weise durch die Beschlussfassung unter Top 9 der Eigentümerversammlung vom 05.05.2015 geschehen. Der Beschluss ist ausreichend bestimmt.
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Es ist schon fraglich, ob ein entsprechender Beschluss überhaupt die betroffenen Mängel und geforderten Nachbesserungsarbeiten im Einzelnen bezeichnen muss.
15
Grundsätzlich entspricht es einer ordnungsgemäßen Verwaltung, wenn auf das Gemeinschaftseigentum bezogene Erfüllungs- und Nacherfüllungsansprüche auf die Wohnungseigentümergemeinschaft zur Ausübung übertragen werden. Die ordnungsgemäße Verwaltung erfordert es in aller Regel, einen gemeinschaftlichen Willen darüber zu bilden, wie die Herstellung oder Instandsetzung des Gemeinschaftseigentums zu bewerkstelligen ist. Daher darf von einer Rechtsverfolgung durch die Gemeinschaft nur abgesehen werden, wenn dies durch besondere Gründe gerechtfertigt ist (Wenzel, NJW 2007, 1905, 1908; ders. in Bärmann, a.a.O., nach § 10 Rdn. 35). Auch ein Beschluss, durch den bei verständiger Würdigung sämtliche – auf die Herstellung des Gemeinschaftseigentums gerichteten – Ansprüche der Miteigentümer zur Ausübung übertragen werden, ist daher nicht zu beanstanden. (BGH, 15. Januar 2010 – V ZR 80/09 -, Rn. 11-12, juris).
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Darüber hinaus hat das Landgericht zutreffend festgestellt, dass durch den Beschluss die Ausübungsrechte zu den Mängeln übertragen wurden, die Gegenstand der Diskussion unter TOP 9 des Protokolls der Eigentümerversammlung waren. Dazu zählten ausdrücklich auch die Situation betreffend die Hoffläche und die Zufahrt zum Grundstück, sowie die Parkplatzsituation.
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1) Die Klägerin ist auch ordnungsgemäß vertreten, § 51 ZPO.
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Gemäß § 27 Abs. 2 Nr. 3 WEG bedarf der Verwalter bei Aktivprozessen der Legitimation der Wohnungseigentümer durch Beschluss. Daran ändert die Regelung des § 10 Abs. 6 WEG nichts, da diese Vorschrift sich nicht mit der Vertretungsbefugnis des Verwalters befasst, sondern lediglich die Ausübung gemeinschaftsbezogener Rechte durch die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer betrifft.
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Diesen Beschluss hat die Wohnungseigentümergemeinschaft gemäß TOP 9 des Protokolls vom 05.05.2015 getroffen.
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Entgegen der Rüge der Beklagten steht der Erhebung der Klage und der wirksamen Bevollmächtigung des Klägervertreters nicht eine fehlende Absprache des Verwalters mit dem Verwaltungsbeirat entgegen.
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Nach § 29 Abs. 2 WEG hat der Verwaltungsbeirat keine Entscheidungskompetenz, sondern unterstützt den Verwalter bei der Durchführung seiner Aufgaben. Die Ermächtigung des Verwalters zur Durchsetzung von Ansprüchen gem. § 27 Abs. 2 Nr. 3, Abs. 3 S. 1 Nr. 7 kann jedoch im Einzelfall von der Zustimmung des Verwaltungsbeirats abhängig gemacht werden. Dies kann im Wege eines Mehrheitsbeschlusses erfolgen (Bärmann/Becker, 14. Aufl. 2018, WEG § 29 Rn. 84).
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Es ist bereits zweifelhaft, ob der streitgegenständliche Beschluss eine solche Kompetenzerweiterung des Verwaltungsbeirats enthält. Der Beschluss sieht keine – im Beschlusswege zu fassende – Zustimmung des Verwaltungsbeirats als Voraussetzung einer Klage vor, sondern spricht von einer Absprache zwischen Verwalter und Verwaltungsbeirat. Dies kann im Ergebnis aber dahingestellt bleiben. Es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass der Verwaltungsbeirat nicht vorab über die Klageerhebung informiert war, noch dass er damit nicht einverstanden gewesen wäre.
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Der Verwaltungsbeirat wurde ebenfalls in der Eigentümerversammlung vom 05.05.2015 neu bestellt. Zu Beiräten wurden die Eigentümer … und gewählt (K1, TOP 5). Die Klage wurde am 15.09.2015 erhoben. An der ersten mündlichen Verhandlung am 20.03.2017 nahmen die Beiräte und teil, am Ortstermin mit dem Sachverständigen vom 22.11.2017 (Bl. 136) und an der mündlichen Verhandlung vom 23.04.2018 alle drei Beiräte. Zumindest ab diesen Zeitpunkten kann auch von einer konkludent erklärten Zustimmung ausgegangen werden.
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2. Die Klage ist auch begründet. Die Klägerin hat Anspruch auf Herstellung des Gemeinschaftseigentums im tenorierten Umfang.
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Dabei handelt es sich um den ursprünglichen vertraglichen Erfüllungsanspruch, nicht um einen Nacherfüllungsanspruch im Sinne des § 635 BGB, da nach insoweit unstreitigem Vortrag der Klägerin bislang eine Abnahme des Gemeinschaftseigentums nicht stattgefunden hat.
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2) Auch vor Abnahme richtet sich der Erfüllungsanspruch allerdings auf die Herstellung eines mangelfreien Bauwerks. Dem entspricht der derzeitige Zustand der Hoffläche nicht, da wegen einer Höhendifferenz von mehr als 15 cm zwischen der Hoffläche und dem Straßenniveau keine ungehinderte Zufahrt zu den Garagen und Stellplätzen gegeben ist. Die als Anlage K 10 vorgelegten Bilder zeigen dies ebenfalls anschaulich. Nicht entscheidend ist, ob der Höhenunterschied teilweise 30 cm wie vom Landgericht angenommen oder weniger beträgt, sondern dass er nach den Ausführungen des Sachverständigen 5 cm nicht überschreiten darf.
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Die Übereinstimmung der tatsächlichen Ausführung der Hoffläche mit den genehmigten Plänen entbindet die Beklagte nicht von ihrer Verpflichtung, ein mangelfreies und funktionstaugliches Werk herzustellen. Ist dies mit den genehmigten Plänen nicht möglich, bedarf es einer Planänderung.
28
Soweit auf der öffentlichen Straße bereits zum Ausgleich des Höhenunterschieds Schotter keilförmig aufgeschüttet wurde, beseitigt dies den Mangel nicht. Diese Maßnahme war nach dem Schreiben der Gemeinde vom 12.05.2017 (K 14) mit ihr nicht abgestimmt und ist unstreitig bis heute nicht genehmigt. Die Baugenehmigung für das klägerische Anwesen beinhaltet keine Genehmigung für eine solche Maßnahme, auch wenn bereits auf den Eingabeplänen eine Aufschüttung im Straßenbereich vorgesehen war. Abgesehen davon müsste es sich um eine Maßnahme handeln, die dauerhaft eine ordnungsgemäße Zufahrt gewährleistet, was bei einer reinen Auffüllung mit Schotter fraglich erscheint. Die Klägerin ist nicht verpflichtet, auf ihre Kosten die Aufschüttung in kurzen Intervallen in Stand zu halten.
29
2) Die von der Klägerin geforderten Maßnahme verletzen nicht das Bestimmungsrecht der Beklagten als Unternehmerin über die Art und Weise der (Nach-)Erfüllung zu entscheiden.
30
Zwar weist die Beklagte zu Recht darauf hin, dass wegen des ihr zustehenden Bestimmungsrechts, sich der Anspruch des Bestellers bei gerichtlicher Geltendmachung auf die Nacherfüllung richtet, ohne die dazu erforderlichen Schritte im Einzelnen vorzuschreiben, weshalb die Tenorierung in der Regel den Weg offen lässt. Dies gilt jedoch nicht, wenn nur ein einziger Weg zur Verfügung steht und der Klageantrag sich auf Nachbesserung in dieser Form richtet. Auch wenn im Prozess Streit darüber besteht, ob die vom Besteller vorgeschlagene Weise zur Mangelbeseitigung erforderlich ist oder ob der vom Unternehmer vorgeschlagene Weg ebenfalls ausreichend ist, kann der Besteller bei diesbezüglichem Obsiegen die Art der Nacherfüllung und ggf. die Modalitäten der Ausführung der Nachbesserung in den Urteilstenor aufnehmen lassen (BGH NJW-RR 1997, 1106). Dies ist sachgerecht, denn nur auf diese Weise kann sichergestellt werden, dass der im Prozess erzielte Erfolg bezüglich der Art der Nacherfüllung auch durchgesetzt wird; zugleich wird eine Belastung des Vollstreckungsverfahrens vermieden (BeckOK BGB/Voit, 50. Ed. 1.2.2019, BGB § 635 Rn. 8; MüKoBGB/Busche, 7. Aufl. 2018, BGB § 635 Rn. 43 jew. m.w.N.). Dies gilt nicht nur für die eigentliche Nachbesserung, sondern auch für die vor Abnahme geschuldete mangelfreie Herstellung des Werks.
31
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist es nicht zu beanstanden, dass im landgerichtlichen Urteil – wie von der Klägerin beantragt – ausgesprochen wird, dass die Beseitigung der Höhendifferenz durch Anpassung des Niveaus des streitgegenständlichen Grundstücks zu erfolgen hat. Vor und während des Prozesses haben die Parteien versucht eine anderweitige Lösung zu finden. Das Verfahren ruhte mehrfach. Gleichwohl ist es der Beklagten auch nach mehreren Jahren nicht gelungen, den Mangel dauerhaft durch Maßnahmen auf der Zufahrtsstraße zu beseitigen.
32
Es kommt daher nicht darauf an, ob die Gemeinde … zu einer Duldung entsprechender Maßnahmen verpflichtet wäre. Die Beklagte zeigt weder auf, dass und wie dieser behauptete Anspruch durchgesetzt werden soll, noch dass dies aussichtsreich wäre. Der Verweis auf das Schikaneverbot des § 226 BGB hilft insoweit nicht weiter. Die Klägerin muss sich nicht auf unbestimmte Zeit auf diese Art der Erfüllung verweisen lassen noch auf eine eventuelle spätere Erschließung der Straße.
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2) Wie das Landgericht ebenfalls zutreffend ausgeführt hat, kann die Beklagte dem Erfüllungsanspruch der Klägerin nicht entgegenhalten, durch das Absenken der Hoffläche würde sich die Gefahr des Aufsetzens der Fahrzeuge vergrößern, es bestehe kein barrierefreier Zugang zum Gebäude mehr oder die Garagen und der Stellplatz auf der linken Seite des Hauses seien nicht mehr anfahrbar. Vielmehr muss die Beklagte, sofern die Beseitigung des Mangels der Höhendifferenz an der Grenze Auswirkungen auf die sonstige geschuldete Leistung hat, eine entsprechende Umplanung vornehmen, die bauordnungsrechtlich genehmigungsfähig ist und alle notwendigen weiteren Maßnahmen ergreifen, damit das geschuldete Werk insgesamt mangelfrei hergestellt wird.
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Es kann dahingestellt bleiben, ob das Landgericht vor seiner Entscheidung einen entsprechenden Hinweis hätte erteilen müssen. Die Beklagte trägt in der Berufung nichts Neues vor und legt weiterhin nicht dar, dass es unmöglich wäre, mit einer entsprechenden umfassenden Umplanung alle baurechtlichen und vertraglichen Anforderungen einzuhalten.
III.
35
Aus den dargelegten Gründen verspricht das Rechtsmittel der Beklagten unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt Erfolg, sondern ist nach gegenwärtigem Stand offensichtlich aussichtslos im Sinne des § 522 Abs. 2 ZPO. Umstände, die gleichwohl eine mündliche Verhandlung geboten erscheinen ließen, sind nicht ersichtlich. Die Beklagte muss daher, sofern keine wesentlichen neuen Gesichtspunkte hinzutreten, mit der Zurückweisung ihrer Berufung rechnen (§ 522 Abs. 2 ZPO).
36
Sollte sich die Beklagte im Hinblick auf die Rechtsauffassung des Senats entschließen, ihr Rechtsmittel zurückzunehmen, hätte dies gegenüber einer förmlichen Zurückweisung gebührenrechtliche Vorteile (Ersparnis zweier Gerichtsgebühren).
37
Der Senat beabsichtigt, den Streitwert für das Berufungsverfahren auf 8.000 € und für das erstinstanzliche Verfahren auf 10.000 € festzusetzen.

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