OLG Stuttgart, Urteil vom 17. Dezember 2019 – 6 U 335/18

Juli 22, 2020

OLG Stuttgart, Urteil vom 17. Dezember 2019 – 6 U 335/18
Tenor
1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil der 14. Zivilkammer des Landgerichts Stuttgart vom 16.11.2018 wird zurückgewiesen.
2. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger.
3. Dieses Urteil sowie das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
4. Die Revision wird zugelassen.
__________________________________________
Streitwert des Berufungsverfahrens: Bis 40.000 Euro.
Gründe
I.
Der Kläger begehrt nach mit Schreiben vom 18.12.2017 erklärtem Widerruf die Rückabwicklung eines teilweise durch ein auf Antrag des Klägers vom 3.2.2017 gewährtes Verbraucherdarlehen der beklagten Bank finanzierten PKW-Kaufs.
Bezüglich der Einzelheiten und der erstinstanzlichen Anträge wird auf den Tatbestand des landgerichtlichen Urteils Bezug genommen. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen.
Dagegen richtet sich die Berufung des Klägers, der unter näherer Begründung im Einzelnen weiterhin meint, er habe den streitgegenständlichen Darlehensvertrag im Dezember 2017 noch widerrufen können, weil die zweiwöchige Widerrufsfrist nicht in Gang gesetzt gewesen sei.
Der Kläger beantragt in der Berufungsinstanz zuletzt,
das Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 16.11.2018 – 14 O 159/18 abzuändern und
1. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 37.712,40 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz auf diesen Betrag seit Rechtshängigkeit zu zahlen Zug-um-Zug gegen [hilfsweise: nach] Herausgabe des M. mit der Fahrzeugidentifikationsnummer … nebst Fahrzeugschlüssel;
2. festzustellen, dass sich die Beklagte mit der Rücknahme des unter Ziffer 2. genannten Fahrzeugs nebst Fahrzeugschlüssel in Annahmeverzug befindet;
3. die Hilfs-Widerklage abzuweisen.
Die Beklagte verteidigt das landgerichtliche Urteil als richtig und beantragt,
die Berufung zurückzuweisen,
sowie hilfsweise für den Fall des vollständigen oder teilweisen Obsiegens des Klägers
festzustellen, dass der Kläger verpflichtet ist, an die Beklagte Wertersatz in Höhe der Differenz zwischen dem Verkehrswert des Kraftfahrzeugs M., Fahrzeugidentifikationsnummer …, im Zeitpunkt der Übergabe an den Kläger nach dem Kauf und dem Verkehrswert des vorbezeichneten Fahrzeugs im Zeitpunkt der Herausgabe an die Beklagte im Rahmen der Rückabwicklung (Wertverlust) zu zahlen.
Soweit der Kläger mit der Berufungsbegründung noch beantragt hatte, festzustellen, dass die primären Leistungspflichten des Klägers aus dem mit der Beklagten geschlossenen Darlehensvertrag zur Zahlung von Zinsen und zur Erbringung von Tilgungsleistungen aufgrund des erklärten Widerrufs vom 18.12.2017 erloschen seien und der Kläger die Klage insoweit mit Schriftsatz vom 3.12.2019 für erledigt erklärt hat, hat sich die Beklagte der Erledigungserklärung nicht angeschlossen.
Soweit die Beklagte mit der Berufungserwiderung im Rahmen ihrer Hilfswiderklage noch einen weiteren Antrag angekündigt hatte dahin, festzustellen, dass der Kläger für den Zeitraum zwischen Auszahlung und Rückzahlung des Darlehens Nutzungsersatz zu zahlen habe, hat die Beklagte diesen Antrag in der mündlichen Verhandlung nicht gestellt und stattdessen für den Fall des vollständigen oder teilweisen Obsiegens des Klägers hilfsweise die Aufrechnung erklärt mit einem für diesen Fall behaupteten Anspruch auf Nutzungsersatz in Höhe von 412,40 Euro.
Wegen der Einzelheiten und wegen des weiteren Vortrags der Parteien in zweiter Instanz wird auf die eingereichten Schriftsätze und auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung Bezug genommen.
II.
Die Berufung ist zulässig, jedoch unbegründet.
Dem Kläger stand zwar ursprünglich ein Widerrufsrecht bezüglich des mit der Beklagten geschlossenen Verbraucherdarlehensvertrages zu, jedoch war bei Erklärung des Widerrufs die Widerrufsfrist bereits abgelaufen.
1.
Gemäß Art. 229 §§ 32 Abs. 1, 38 Abs. 1, 40 Abs. 1 EGBGB finden die für die Entscheidung maßgeblichen Vorschriften von BGB und EGBGB in ihrer im Zeitpunkt des mit dem Schreiben der Beklagten vom 13.6.2017 erfolgten Vertragsschlusses gültigen Fassung Anwendung. Zitierungen von BGB und EGBGB im Folgenden beziehen sich auf die Vorschriften in dieser Fassung, soweit nicht anders vermerkt.
2.
Dem Kläger stand beim Abschluss des streitgegenständlichen Verbraucherdarlehensvertrages ein Widerrufsrecht zu, §§ 495 Abs. 1, 355 BGB.
Dieses Widerrufsrecht war jedoch bei Erklärung des Widerrufs verfristet. Denn dem Kläger wurde bei Vertragsschluss eine für ihn bestimmte Abschrift der Vertragsurkunde im Sinne des § 356b Abs. 1 BGB zur Verfügung gestellt (a)) und die dem Kläger zur Verfügung gestellte Urkunde enthielt alle für die Ingangsetzung der Widerrufsfrist erforderlichen Pflichtangaben nach § 492 Abs. 2 BGB (b)). Damit lief die 14tägige Widerrufsfrist gemäß §§ 355 Abs. 2 S. 2, 356b Abs. 1, 2 BGB mit dem Vertragsschluss an und war im Dezember 2017 bereits abgelaufen.
a)
Dem Kläger wurde im Sinne des § 356b Abs. 1 BGB eine Abschrift der Vertragsurkunde zur Verfügung gestellt.
Insbesondere liegt entgegen der Auffassung des Klägers im Schreiben der Beklagten vom 13.6.2017 (Anlage K 3) schon gar keine Änderung der vertraglich vereinbarten Fälligkeit, so dass sich die vom Kläger aufgeworfene Frage, ob der Lauf der Widerrufsfrist in diesem Fall die Überlassung einer (neuen) vollständigen Vertragsurkunde oder einen (erneuten) Hinweis auf den Beginn der (u. U. verlängerten) Widerrufsfrist voraussetzen würde, schon gar nicht stellt.
Der Kläger übersieht, dass in den Vertragsunterlagen nach Anlage K 1 nicht ein fester Fälligkeitstermin auf Juni 2017 vereinbart werden, sondern dass nach der ausdrücklichen Regelung auf Seite 1 der Vertragsunterlagen die Fälligkeit der ersten Rate 30 Tage nach Auszahlung des Darlehens eintreten sollte (und vor dem Hintergrund dieser Regelung zutreffend nicht von einer Fälligkeit „im“ Juni 2017, sondern als frühestem denkbarem Zeitpunkt „ab“ Juni 2017 die Rede ist). Aus der Nennung eines Fälligkeitsdatums für die erste Rate im Juli 2017 im Schreiben vom 13.6.2017 ergibt sich daher nicht, dass das Angebot des Klägers mit diesem Schreiben unter Abänderung angenommen worden wäre; vielmehr ergibt sich aus der Bezeichnung des Schreibens als „Finanzierungsbestätigung“, dass die Beklagte den klägerischen Antrag gerade unverändert angenommen hat.
b)
Die Widerrufsfrist ist auch nicht gemäß § 356b Abs. 2 BGB deshalb nicht angelaufen, weil die dem Kläger zur Verfügung gestellte Urkunde nicht die nach § 492 Abs. 2 BGB notwendigen Pflichtangaben enthalten hätte; dem Kläger sind vielmehr alle von ihm als fehlend gerügten Pflichtangaben ordnungsgemäß erteilt worden bzw. es führen denkbare Mängel nicht dazu, dass die Widerrufsfrist nicht angelaufen wäre.
Ob sich die Beklagte bezüglich der von ihr verwendeten Widerrufsinformation auch auf die Gesetzlichkeitsfiktion des Art. 247 § 6 Abs. 2 S. 3 EGBGB berufen könnte, kann damit offenbleiben.
aa)
Dem Lauf der Widerrufsfrist steht nicht entgegen, dass die Beklagte über den in Ziffer VI. 2. der Darlehensbedingungen enthaltenen Hinweis auf die Möglichkeit der Kündigung aus wichtigem Grund hinaus keine näheren Angaben zum bei Kündigung einzuhaltenden Verfahren gemacht hat.
Es sind schon gar keine Informationen zum einzuhaltenden Verfahren bei der Kündigung eines – wie hier – befristeten Darlehensvertrages erforderlich, um dem Pflichtangabenerfordernis des Art. 247 § 6 Abs. 1 Nr. 5 EGBGB zu genügen (BGH, Urteil vom 5. November 2019 – XI ZR 650/18 -, Rn. 26 ff., juris; Senat, Urteil vom 28. Mai 2019 – 6 U 78/18 –, Rn. 72 ff., juris).
bb)
Die gemäß Art. 247 § 6 Abs. 1 Nr. 1, § 3 Abs. 1 Nr. 11 EGBGB erforderliche Angabe des Verzugszinssatzes und seiner Anpassung ist mit dem Hinweis erteilt, dass die Bank für ausbleibende Zahlungen während der Vertragslaufzeit Verzugszinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz berechnet. Einer Angabe des zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses geltenden konkreten Prozentsatzes bedarf es nicht (BGH, Urteil vom 5. November 2019 – XI ZR 650/18 -, Rn. 52; Senat, Urteil vom 10. September 2019 – 6 U 191/18 -, juris Rn. 54 ff.).
cc)
Die Pflichtangabe nach Art. 247 § 6 Abs. 1 Nr. 1, § 3 Abs. 1 Nr. 11 EGBGB ist auch nicht deshalb unvollständig erteilt, weil Verzugskosten nicht konkret beziffert oder Angaben zu den Voraussetzungen der Anpassung fehlen würden.
Es handelt sich insoweit um einen zukünftig entstehenden Schaden, bei dem bei Vertragsschluss noch nicht einmal feststeht, ob und gegebenenfalls wann er überhaupt eintritt (vgl. schon Senat, Urteil vom 4. Juni 2019 – 6 U 137/18 –, Rn. 35-37, juris). Dass die Beklagte zu erstattende Verzugskosten bereits bei Vertragsschluss der Höhe nach hätte verbindlich angeben können, weil der Vertrag entsprechende Pauschalbeträge insbesondere in Form von Mahngebühren festlegen würde, ist nicht ersichtlich. Eine solche Festlegung findet sich im Vertrag und in den Darlehensbedingungen nicht, insbesondere ergibt sie sich nicht aus Ziffer IV.4. der AGB. Eine umfassende Belehrung über die abstrakten Rechtsfolgen des Verzugs schreibt Art. 247 § 6 Abs. 1 Nr. 1, § 3 Abs. 1 Nr. 11 EGBGB aber nicht vor. Aus dem Wortlaut der Vorschrift folgt zudem, dass die Art und Weise der Anpassung nur mitzuteilen ist, wenn eine Anpassung möglich ist; dass nach dem Vertrag eine Anpassung vorgesehen wäre, ist aber nicht vorgetragen.
dd)
Die vom Kläger beanstandete Passage in der Widerrufsinformation zu dem Fall, dass Pflichtangaben nicht in den Vertragstext aufgenommen sind, und zu einer Nachholung dieser Pflichtangaben gemäß § 492 Abs. 6 BGB entspricht dem Gesetz.
(1)
Mit der insoweit gleichlautenden Musterwiderrufsinformation in Anlage 7 zu Artikel 247 § 6 Abs. 2 EGBGB hat der Gesetzgeber zum Ausdruck gebracht, dass der erteilte Hinweis ausreichend über die Regelung des § 492 Abs. 6 BGB informiert. Eine in jeder Hinsicht vollständige Information über die Rechtslage verlangt das Gesetz nicht. Entspricht eine Information dem Wortlaut des Musters, kann sie nicht als unklar oder unverständlich im Sinne des Art. 247 § 6 Abs. 1 EGBGB eingeordnet werden, denn dass der Gesetzgeber ein Muster für eine Widerrufsinformation schaffen wollte, das seinen eigenen Anforderungen nicht genügt, kann ausgeschlossen werden. Deshalb kann Art. 247 § 6 Abs. 2 Satz 1 EGBGB auch nicht dahingehend ausgelegt werden, dass über die im Muster der Anlage 7 zu Art. 247 § 6 Abs. 2 EGBGB enthaltenen Angaben hinaus weitere Informationen erforderlich wären, denn auch dies würde bedeuten, dass der Gesetzgeber ein Muster schaffen wollte und auch geschaffen hat, das seinen eigenen Anforderungen nicht genügt (Senat, Beschluss vom 4. Februar 2019 – 6 U 88/18 –, Rn. 13, juris).
(2)
Inwieweit die Musterwiderrufsinformation den Vorgaben der Richtlinie 2008/48/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. April 2008 über Verbraucherverträge und zur Aufhebung der Richtlinie 87/102/EWG des Rates (ABl. L Nr. 133 vom 22. Mai 2008, S. 66) entspricht, ist im vorliegenden Rechtsstreit nicht entscheidungserheblich und deshalb ist entgegen der Auffassung des Klägers auch eine Vorlage der Sache an den EuGH zur Klärung der Frage, ob die Musterwiderrufsinformation der Richtlinie entspricht, nicht veranlasst. Selbst wenn die Musterwiderrufsinformation und die daran geknüpfte Gesetzlichkeitsfiktion den Bestimmungen der Verbraucherkreditrichtlinie nicht entsprechen würde, käme eine abweichende richtlinienkonforme Auslegung nicht in Betracht, denn eine solche ist nur dann möglich, wenn die Bestimmungen des nationalen Rechts überhaupt Auslegungsspielräume eröffnen. Eine Auslegung contra legem zugunsten des Unionsrechts scheidet aus (BGH, Urteil vom 15. Oktober 2019 – XI ZR 759/17 –, Rn. 22, juris, m. w. N. auch zur Rspr. des Europäischen Gerichtshofs). Eine Auslegung aber, die das vom Gesetzgeber selbst geschaffene Muster für eine Widerrufsinformation als nicht genügend ansehen würde, wäre eine solche Auslegung contra legem (Senat, Beschluss vom 4. Februar 2019 – 6 U 88/18 –, Rn. 18 – 20, juris).
ee)
Die Widerrufsinformation wird auch nicht dadurch fehlerhaft, dass im Rahmen der Information zu den Widerrufsfolgen auf eine Verpflichtung des Verbrauchers zur Rückzahlung des Darlehens sowie zur Zahlung von Sollzins und einem bestimmten Tageszins hingewiesen wird.
(1)
Das entspricht den Anforderungen des Gesetzes.
Denn nach Art. 247 § 6 Abs. 2 Satz 1 EGBGB muss im Fall des Bestehens eines Widerrufsrechts nach – wie hier – § 495 BGB auch im Fall verbundener Verträge die Widerrufsinformation einen Hinweis auf die Verpflichtung des Darlehensnehmers enthalten, ein bereits ausbezahltes Darlehen zurückzuzahlen und Zinsen zu vergüten (BGH, Urteil vom 5. November 2019 – XI ZR 650/18 -, Rn. 20, juris; Senat, Urteil vom 28. Mai 2019 – 6 U 78/18 -, Rn. 52, juris).
Das in Ziffer IX. der Darlehensbedingungen enthaltene und u. U. nicht gesetzeskonforme Aufrechnungsverbot ändert daran nichts; eine inhaltlich den gesetzlichen Anforderungen genügende Widerrufsinformation wird nicht dadurch undeutlich, dass die Vertragsunterlagen an anderer Stelle einen inhaltlich nicht ordnungsgemäßen Zusatz enthalten (zuletzt BGH, Urteil vom 5. November 2011 – XI ZR 650/18 -, Rn. 53, juris; Senat, Urteil vom 28. Mai 2019 – 6 U 78/18 –, Rn. 45 – 48, juris).
(2)
Davon ausgehend wird die Widerrufsinformation auch nicht dadurch unrichtig oder unklar, dass dort auf eine Verpflichtung des Verbrauchers zur Zahlung eines Tageszinses von mehr als Null Euro hingewiesen wird, es jedoch in Ziffer IX. 5. der Darlehensbedingungen heißt, im Fall des Widerrufs habe der Darlehensnehmer für den Zeitraum zwischen Auszahlung und Rückzahlung des Darlehens „keine Sollzinsen zu entrichten“.
Nach dem hier maßgeblichen Rechtsstand müssen die notwendigen Informationen zum Widerrufsrecht nicht in einer geschlossenen Widerrufsinformation, sondern können insgesamt „im Vertrag“ und damit auch in AGB enthalten sein (Art. 247 § 6 Abs. 2 S. 1 EGBGB; vgl. BGH, Urteil vom 4. Juli 2017 – XI ZR 741/16 -, Rn. 25, juris).
Vorliegend wird jedoch für den normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Verbraucher, auf den abzustellen ist (BGH, Urteil vom 4. Juli 2017 – XI ZR 741/16 – Rn. 27, juris), aus der Zusammenschau der in der Widerrufsinformation gegebenen Hinweise und der Formulierung in Ziffer IX. 5 der Darlehensbedingungen ohne Weiteres deutlich, dass der Beklagten nach Widerruf von Gesetzes wegen ein Anspruch auf den vereinbarten Sollzins in Höhe des in der Widerrufsinformation genannten Tageszinses zustehen würde – das ergibt sich aus der Widerrufsinformation -, dass die Beklagte diesen Anspruch jedoch nicht geltend machen werde – das ergibt sich aus Ziffer IX. 5. der Darlehensbedingungen -, er daher im Ergebnis keinen Zins zu zahlen habe. Irgendein Irreführungspotential ist insoweit nicht erkennbar, der Verbraucher wird vielmehr klar und verständlich informiert (vgl. ausführlich Senat, Urteil vom 28. Mai 2019 – 6 U 78/18 -, Rn. 56 ff.; dort auch zum umgekehrten Fall, dass der Tageszins mit 0,00 Euro angegeben ist). Im Übrigen gilt auch insoweit, dass eine inhaltlich den gesetzlichen Anforderungen genügende Widerrufsinformation nicht dadurch undeutlich wird, dass die Vertragsunterlagen an anderer Stelle einen inhaltlich nicht ordnungsgemäßen Zusatz enthalten (zuletzt BGH, Urteil vom 5. November 2011 – XI ZR 650/18 -, Rn. 53, juris). Soweit die Beklagte meint, ihr stehe gleichwohl ein Zinsanspruch zu, steht das im Widerspruch zur maßgeblichen objektiven Auslegung ihrer AGB und steht daher der vorliegenden Auslegung nicht entgegen.
(3)
Der angegebene Tageszins ist auch nicht fehlerhaft berechnet. Der angegebene Betrag ist auch dann richtig, wenn eine Tageszählmethode zugrunde gelegt, wird, die jeden Monat mit 30 Tagen zählt. Diese in Deutschland für Bankkredite übliche Methode ist zulässig, da Art. 247 § 6 Abs. 2 S. 2 EGBGB für die Umrechnung von Jahres- in Tageszinsen keine Vorgaben macht (BGH, Urteil vom 4. Juli 2017 – XI ZR 741/16 -, Rn. 23, juris).
ff)
Die gemäß Art. 247 § 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 EGBGB erforderliche Angabe der zuständigen Aufsichtsbehörde ist auf Seite 1 des Vertrages enthalten.
Dort ist zutreffend die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht genannt, die gemäß § 1 Abs. 5 KWG und § 6 KWG die zuständige Aufsichtsbehörde ist und der gerade auch der hier maßgebliche Schutz der kollektiven Verbraucherinteressen übertragen ist (§ 4 Abs. 1a FinDAG). Die Nennung weiterer Behörden, denen im Rahmen der Bankenaufsicht andere Aufgaben übertragen sind, wie etwa der EZB oder der Deutschen Bundesbank ist nicht erforderlich (vgl. auch Senat, Urteil vom 24. September 2019 – 6 U 267/18), entwertet die durch vorrangige Nennung der BaFin zutreffende Information aber auch nicht.
gg)
Der gemäß Art. 247 § 7 Nr. 4 EGBGB erforderliche Hinweis auf den Zugang zu den außergerichtlichen Beschwerdeverfahren ist unter Ziffer X.3. der Darlehensbedingungen enthalten. Die Angabe der Schlichtungsstelle nebst Adresse ist dabei grundsätzlich ausreichend.
Nicht erforderlich war eine Belehrung über die Voraussetzungen der Zulässigkeit eines solchen Verfahrens. Art. 247 § 7 Nr. 4 EGBGB fordert im Einklang mit Art. 10 Abs. 2 s) der Verbraucherkreditrichtlinie, dass „gegebenenfalls“ die Voraussetzungen des Zugangs zu dem Verfahren aufgeführt werden. Es ist jedoch nicht ersichtlich, dass für die Schlichtung vorliegend besondere Zugangsvoraussetzungen bestehen. Insbesondere ist hier zwischen dem Zugang zu einem Beschwerdeverfahren und der Zulässigkeit eines Beschwerdeverfahrens zu unterscheiden. Bei den klägerseits aufgeführten Tatbeständen, unter denen eine Schlichtung nicht stattfindet oder regelmäßig abgelehnt wird, handelt es sich nicht um Zugangsvoraussetzungen zum Beschwerdeverfahren, sondern um – dem Zugang nachgelagerte – Hinderungsgründe für eine erfolgreiche Schlichtung (vgl. Senat, Urteil vom 24. September 2019 – 6 U 267/18).
hh)
Auch die Pflichtangabe nach § 492 Abs. 2 BGB i. V. m. Art. 247 § 6 Abs. 1 Nr. 4 EGBGB (Hinweis auf den Anspruch des Darlehensnehmers auf einen Tilgungsplan) ist erteilt.
Zum einen genügt nach dem eindeutigen Wortlaut des Art. 247 § 6 Abs. 1 Nr. 4 EGBGB ein Hinweis auf das Bestehen des Anspruchs auf einen Tilgungsplan; dass für eine klare und verständliche Information eine weitere Erläuterung – etwa dahin, dass ein Tilgungsplan ggf. unentgeltlich zur Verfügung zu stellen sei – erforderlich wäre, findet im Gesetz keine Stütze. Zum anderen ergibt sich aus der von der Beklagten verwendeten Formulierung (“…kann jederzeit…verlangen“) für den normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Verbraucher, auf den abzustellen ist, ohne weiteres, dass der Anspruch ohne weitere Kautelen besteht und der Tilgungsplan für ihn unentgeltlich wäre.
ii)
Soweit der Kläger meint, gemäß § 492 Abs. 2 BGB i. V. m. Art. 247 § 7 Nr. 3 EGBGB erforderliche Angaben zur Berechnungsmethode der Vorfälligkeitsentschädigung seien ungenügend erteilt, greift auch das nicht durch.
Die Methode der Berechnung ist auf Seite 1 des Darlehensvertrages detailliert erläutert. Anders als in Fällen, in denen in der einen oder anderen Weise auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs hierzu verwiesen wird, stellt sich daher die Frage nach der Zulässigkeit einer solchen Verweisung hier nicht; die Erläuterung ist vorliegend aus sich heraus verständlich (Senat, Urteil vom 15. Oktober 2019 – 6 U 225/18 –, Rn. 44, juris).
Ob in der Klausel zur Höhe der Vorfälligkeitsentschädigung eine unzulässige Pauschalierung von Schadensersatz liegt, kann offenbleiben. Denn auch bei unterstellt fehlerhaften Angaben zur Methode der Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung besteht nach dem gesetzlichen System die Sanktion nicht darin, dass die Widerrufsfrist nicht in Gang gesetzt wird; vielmehr gilt insoweit (nur) § 502 Abs. 2 BGB, wonach bei unzutreffenden Angaben in diesem Punkt (nur) kein Anspruch auf Vorfälligkeitsentschädigung besteht (vgl. ausführlich Senat, Urteil vom 28. Mai 2019 – 6 U 78/18 -, Rn. 69 ff., juris).
jj)
Bezüglich sonstiger Pflichtangaben ist nicht zu prüfen, ob sie erteilt sind; insoweit wäre abweichender Vortrag erforderlich (vorausgesetzt in BGH, Urteil vom 17. April 2018 – XI ZR 446/16 -, Rn. 21, juris).
3.
Damit scheiden sämtliche zuletzt geltend gemachten Ansprüche aus.
Mit Zurückweisung der Berufung ist über die im Wege der Hilfsanschlussberufung erhobene Hilfswiderklage und über die Hilfsaufrechnung der Beklagten nicht zu entscheiden.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Die Revision ist gemäß § 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO zuzulassen, da auch nach den Urteilen des Bundesgerichtshofs vom 5. November 2019 – XI ZR 650/18 und XI ZR 11/19 – Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung noch nicht höchstrichterlich geklärt sind.

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