OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 27.03.2020 – OVG 11 S 80.19

Dezember 6, 2020

OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 27.03.2020 – OVG 11 S 80.19

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Potsdam vom 5. November 2019 wird zurückgewiesen.

Die Kosten der Beschwerde trägt der Antragsteller.

Der Wert des Beschwerdegegenstandes wird für beide Rechtsstufen auf jeweils 35.000,00 EUR festgesetzt.
Gründe

Der Antragsteller wendet sich gegen eine naturschutzrechtliche Ordnungsverfügung, mit der ihm der Antragsgegner aufgegeben hat, seines Erachtens erfolgte Nutzungsänderungen näherbezeichneter Flurstücke des Antragstellers rückgängig zu machen. Mit Beschluss vom 5. November 2019 hat das Verwaltungsgericht es abgelehnt, die aufschiebende Wirkung der Klage des Antragstellers VG 4 K 519.19 gegen Ziffer I Nr. 1.) bis 3.) des Bescheides des Antragsgegners vom 3. Dezember 2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. Januar 2019 wiederherzustellen. Die Beschwerde des Antragstellers hat keinen Erfolg, weil ihre nach § 146 Abs. 4 VwGO zu berücksichtigende Begründung eine Änderung des angefochtenen Beschlusses nicht rechtfertigt.

Der Antragsteller macht ohne Erfolg geltend, die tatbestandlichen Voraussetzungen für ein Einschreiten des Antragsgegners nach § 17 Abs. 8 BNatSchG lägen nicht vor.

Das Verwaltungsgericht hat angenommen, bereits der vom Antragsteller auf den Flurstücken und (vormals teilw.) 2013 bzw. 2014 vorgenommene Umbruch von Grünland in Ackerland stelle einen Eingriff i.S.d. § 14 BNatSchG dar. Danach seien Eingriffe in Natur und Landschaft Veränderungen der Gestalt oder Nutzung von Grundflächen oder Veränderungen des mit der belebten Bodenschicht in Verbindung stehenden Grundwasserspiegels, die die Leistungs- und Funktionsfähigkeit des Naturhaushalts oder das Landschaftsbild erheblich beeinträchtigen können. Bei dem vom Antragsteller vorgenommenen Umbruch handele es sich um eine Veränderung sowohl der Gestalt als auch der Nutzung der betroffenen Grundflächen. Die Flurstücke seien vor dem Umbruch Grünland im naturschutzrechtlichen Sinne gewesen. Ob eine Fläche als Dauergrünland genutzt wird, ist, wie auch das Verwaltungsgericht angenommen hat, im Rahmen des § 14 Abs. 1 BNatSchG nach der Verkehrsanschauung zu beurteilen. Danach wird eine Fläche regelmäßig Dauergrünland sein, wenn eine Grünlandfläche mindestens fünf Jahre nicht mehr Bestandteil der Fruchtfolge eines landwirtschaftlichen Betriebes ist. Von dieser Frist gehen die agrarförderrechtlichen Bestimmungen (vgl. etwa Art. 4 Abs. 1 Buchst. h der Verordnung Nr. 1307/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Dezember 2013 ) aus, die schon wegen ihrer wirtschaftlichen Bedeutung die Verkehrsanschauung maßgeblich prägen. Die extensive Nutzung als Dauergrünland und die intensive ackerbauliche Nutzung sind unterschiedliche Nutzungsarten, so dass der Umbruch von Dauergrünland für den Anbau von Feldfrüchten die Nutzung im Sinne von § 14 Abs. 1 BNatSchG verändert (BVerwG, Urteil vom 13. Juni 2019 – 4 C 4/18 -, Rn. 12, juris).

Die diesbezügliche Subsumtion des Verwaltungsgerichts hält den Angriffen der Beschwerde stand.

Das Verwaltungsgericht hat ausgeführt, die vom Antragsgegner eingereichten Luftbilder der Jahre 1991, 1992, 1994, 1999, 2001, 2003, 2006, 2009, 2010, 2011, 2012 und teilweise 2013 dokumentierten, dass die in Rede stehenden Flurstücke bis zum Umbruch in den Jahren 2013 beziehungsweise 2014 „jahrelang nicht beziehungsweise jedenfalls nicht intensiv bewirtschaftet“ worden seien. Dass die angeführten Luftbilder eine Nutzung der Flurstücke als Ackerland ausweisen würden, behauptet der Antragsteller selbst nicht und dies ist nach Inaugenscheinnahme der bei dem Verwaltungsvorgang befindlichen Luftbilder für den Senat ebenfalls nicht ersichtlich. Hiergegen spricht überdies die Auswertung der Luftbilder durch den Antragsgegner, wonach spätestens auf dem Luftbild 1994 zu sehen sei, dass es sich um Grasland gehandelt habe. Auf den Luftbildern ab 2006 bis März 2012 habe sich gezeigt, dass in den unteren Hangbereichen verstreut Gehölze aufgekommen seien. Das heiße, dass offensichtlich seit mehreren Jahren vor 2006 nicht mehr gemäht, geschweige denn gepflügt worden sei. Der vom Verwaltungsgericht angeführte und vom Antragsteller nicht bestrittene Umstand, dass sich auf dem Flurstück (vormals teilw.) nach Auskunft des Voreigentümers Schafe befunden hätten, spricht ebenfalls dafür, dass der Umbruch in Ackerland erst durch den Antragsteller vorgenommen wurde.

Die hiergegen erhobenen Einwände des Antragstellers greifen nicht durch.

Dass nach der von ihm erstinstanzlich eingereichten Auflistung der Agrarförderungen auf dem Flurstück 2013 Sonnenblumen und 2014, 2015 Körnermais sowie auf dem früheren Flurstück 174 in den Jahren 2014 und 2015 ebenfalls Körnermais angebaut worden sei, führt nicht weiter, weil auch das Verwaltungsgericht davon ausgegangen ist, dass der Umbruch von Grünland im Ackerland erst in den Jahren 2013 und 2014 vorgenommen worden sei.

Soweit der Antragsteller ferner geltend macht, nach den vom Verwaltungsgericht angeführten Luftbildern stehe nach dessen Überzeugung lediglich fest, dass die in Rede stehenden Flurstücke „jedenfalls nicht intensiv bewirtschaftet“ worden seien, rechtfertigt dies weder Zweifel, dass die Voraussetzungen der dargelegten Definition von Dauergrünland erfüllt waren, noch legt der Antragsteller dar, dass die Luftbilder eine Bewirtschaftung als Ackerland zeigen würden.

Auch der Einwand des Antragstellers, der Einsatz von Schafen auf der Fläche biete keinen belastbaren Hinweis auf das Vorliegen von flächigem Dauergrünland, verfängt nicht. Denn wie dargelegt ist das Verwaltungsgericht davon ausgegangen, dass eine Fläche regelmäßig Dauergrünland sei, wenn eine Grünlandfläche mindestens fünf Jahre nicht mehr Bestandteil der Fruchtfolge eines landwirtschaftlichen Betriebes sei. Dass dies hier entgegen der Annahme des Verwaltungsgerichts doch der Fall gewesen wäre, folgt aus der Beweidung der Flächen durch Schafe gerade nicht.

Soweit der Antragsteller geltend macht, er sei zuvor weder Nutzer noch Eigentümer der Flächen gewesen, so dass von ihm keine genaue Kenntnis der vorhergehenden konkreten Nutzung der Flächen verlangt werden könne, rechtfertigt auch dieser Umstand jedenfalls keine Zweifel an der Richtigkeit des sowohl vom Antragsgegner als auch vom Verwaltungsgericht zu Grunde gelegten Sachverhalts.

Dass der Bezeichnung der Flächen als Landwirtschaftsfläche in den Kaufverträgen des Antragstellers sowie als Ackerland im Liegenschaftskataster keine Rechtsverbindlichkeit zukommt, hat das Verwaltungsgericht zutreffend angenommen und wird letztlich auch vom Antragsteller nicht in Abrede gestellt. Soweit er geltend macht, die Bezeichnungen seien gleichwohl nicht ohne jede Indizwirkung, begründet auch dies keine durchgreifenden Zweifel an dem vom Antragsgegner und vom Verwaltungsgericht zugrunde gelegten und insbesondere auf die genannten Luftbilder gestützten Sachverhalt. Im Übrigen erschließt es sich nicht, warum Dauergrünland nicht auch als Landwirtschaftsfläche bezeichnet werden sollte. Dass der Antragsteller für die Flächen Kaufpreise gezahlt hat, die für Ackerland üblich waren, liefert ebenfalls kein durchschlagendes Indiz, zumal die Gestaltung des Kaufpreises durch höchst unterschiedliche Faktoren bestimmt werden kann.

Der Einwand des Antragstellers, das Landwirtschaftsamt des Landkreises Potsdam-Mittelmark habe am 27. März 2019 (Anlage Ast 7) mitgeteilt, dass für die in Rede stehenden Flächen dort die Hauptbodenart Ackerland geführt werde, führt schon deshalb nicht weiter, weil sich die Auskunft (richtig: vom 21. Dezember 2018) nicht speziell auf die Flurstücke des Antragstellers, sondern auf den Feldblock bezieht und im Übrigen weit nach dem dem Antragsteller vorgehaltenen Umbruch datiert.

Auch der weitere Einwand des Antragstellers, das Fehlen einer intensiven Bewirtschaftung der Flächen sowie der festgestellte Gehölzaufwuchs würden zeigen, dass es sich nicht um Dauergrünland gehandelt habe, greift nicht durch. Er berücksichtigt wiederum nicht die zutreffende Definition des Verwaltungsgerichts, dass eine Fläche regelmäßig Dauergrünland sei, wenn eine Grünlandfläche mindestens fünf Jahre nicht mehr Bestandteil der Fruchtfolge eines landwirtschaftlichen Betriebs sei. Im Übrigen steht es entgegen der Auffassung des Antragstellers der Annahme eines Eingriffs, wie bereits dargelegt, gerade nicht entgegen, dass zu Luftbildern betreffend das Flurstück seitens des Antragsgegners „Gehölzentwicklung“ notiert wurde.

Soweit das Verwaltungsgericht auch dem Umstand eine Indizwirkung beigemessen hat, dass das Landesamt für Umwelt 2008 bzw. 2013 bei seiner Kartierung Trockenrasen habe feststellen können, handelt es sich nur um eine zusätzliche Erwägung, von der das Entscheidungsergebnis nicht abhängt. Jedenfalls ist die Kritik des Antragstellers an den Kartierungen nicht geeignet, eine vormalige Nutzung der von ihm erworbenen Flächen als Ackerland glaubhaft zu machen.

Der Einwand des Antragstellers, das Verwaltungsgericht habe einen Umbruch von Dauergrünland in Ackerland unterstellt, obwohl zu den fraglichen Zeitpunkten ein Bewirtschafterwechsel erfolgt sei, führt ebenfalls nicht zum Erfolg, da der Antragsteller nicht darlegt, wer vor ihm den Umbruch vorgenommen haben soll.

Ferner beruft sich der Antragsteller darauf, es fehle dem Eingriff an der erforderlichen Erheblichkeit. Das Verwaltungsgericht messe dem Umbruch allein deshalb eine Erheblichkeit zu, weil Grünland im Vergleich zu Ackerland eine größere biologische Artenvielfalt aufweise. Der daraus abgeleitete Verlust einer Vielzahl von Pflanzen- und Tierarten trage hier nicht, da nicht von einem artenreichen Dauergrünland ausgegangen werden könne. Mangels Grünlandumbruchs würden auch die Ausführungen des Verwaltungsgerichts zur Landwirtschaftsklausel nach § 14 Abs. 2 BNatSchG nicht tragen.

Auch diese Einwände greifen nicht durch. An einem dem Antragsteller anzulastenden Grünlandumbruch mangelt es nach den obigen Ausführungen gerade nicht. Auch ist unabhängig von der genauen Beschaffenheit des zuvor bestehenden Dauergrünlands ohne weiteres davon auszugehen, dass eine mindestens fünf Jahre nicht in die Fruchtfolge einbezogene und damit nicht oder allenfalls extensiv bewirtschaftete Fläche eine höhere biologische Wertigkeit aufweist als eine etwa mit Sonnenblumen oder Körnermais bestellte Ackerfläche.

Die Rechtsbehauptung des Antragstellers, es habe keiner Zulassung oder Anzeige bedurft, fußt auf der nicht erfolgreich dargelegten Prämisse, dass es an einem Eingriff in Natur und Landschaft fehle.

Ohne Erfolg müssen auch die Darlegungen des Antragstellers bleiben, die 2017 erfolgte Anlage der Heidelbeerkulturen stelle keinen eigenständigen Eingriff i.S.v. § 14 BNatSchG dar, weil das Verwaltungsgericht darauf nicht entscheidungstragend abgestellt, sondern vielmehr angenommen hat, bereits der vom Antragsteller 2013 bzw. 2014 vorgenommene Grünlandumbruch begründe einen Eingriff in diesem Sinne. Aus diesem Grund gehen auch seine Ausführungen zur angeblichen biologischen Wertigkeit der Heidelbeerkulturen ins Leere.

Auch die Annahme des Verwaltungsgerichts, die angegriffene Maßnahme sei im engeren Sinne verhältnismäßig, vermag der Antragsteller nicht durchgreifend in Frage zu stellen. Dabei kommt es nicht darauf an, ob der Antragsteller die von ihm behauptete Investitionssumme von 30.000 Euro/ha erstinstanzlich glaubhaft gemacht hatte. Denn das Verwaltungsgericht hat bereits selbstständig tragend darauf abgestellt, dass auch eine beträchtliche – und damit auch den Verlust der vom Antragsteller behaupteten Investitionssumme abdeckende – Kostenbelastung allein nicht die Unverhältnismäßigkeit begründe. Im Übrigen, so das Verwaltungsgericht weiter, habe der Antragsteller die Pflanzungen aufgrund der bereits ergangenen Anhörungen in Kenntnis der bevorstehenden Wiederherstellungsanordnung des Antragsgegners getätigt, weshalb von einer Unverhältnismäßigkeit der Maßnahme schlechterdings nicht ausgegangen werden könne. Mit dieser speziell den Verlust der Investitionskosten betreffenden Argumentation setzt sich der Antragsteller nicht in der gebotenen Weise auseinander.

Der Einwand der Verwirkung greift ebenfalls nicht durch. Die Verwirkung als Hauptanwendungsfall des venire contra factum proprium (Verbot widersprüchlichen Verhaltens) bedeutet, dass ein Recht nicht mehr ausgeübt werden darf, wenn seit der Möglichkeit der Geltendmachung längere Zeit verstrichen ist und besondere Umstände hinzutreten, welche die verspätete Geltendmachung als Verstoß gegen Treu und Glauben erscheinen lassen. Das ist insbesondere der Fall, wenn der Verpflichtete infolge eines bestimmten Verhaltens des Berechtigten darauf vertrauen durfte, dass dieser das Recht nach so langer Zeit nicht mehr geltend machen würde (Vertrauensgrundlage), der Verpflichtete ferner tatsächlich darauf vertraut hat, dass das Recht nicht mehr ausgeübt würde (Vertrauenstatbestand) und sich infolgedessen in seinen Vorkehrungen und Maßnahmen so eingerichtet hat, dass ihm durch die verspätete Durchsetzung des Rechts ein unzumutbarer Nachteil entstehen würde (BVerwG, Urteil vom 17. März 2008 – 6 C 22/07 -, Rn. 41, juris). Hier fehlt es jedenfalls an einer Betätigung schutzwerten Vertrauens seitens des Antragstellers, weil dieser die Anpflanzung der Heidelbeerkulturen nach den nicht erfolgreich angegriffenen Ausführungen des Verwaltungsgerichts erst nach erfolgter Anhörung vorgenommen hat und damit rechnen musste, diese unter Verlust seine Investitionen wieder beseitigen zu müssen.

Der Einwand des Antragstellers, die angeordneten Maßnahmen könnten auch nicht durch den Biotopschutz nach § 30 Abs. 2 Nr. 3 BNatSchG gerechtfertigt werden, geht ins Leere, weil das Verwaltungsgericht darauf nicht abgestellt hat.

Nichts anderes gilt für die Erörterung des Antragstellers, dass keine Verletzung des § 33 Abs. 1 Satz 1 BNatSchG vorliege.

Schließlich kommt es auf die vom Antragsteller mit Schriftsatz vom 27. Februar 2020 eingereichte naturschutzfachliche Stellungnahme zur Eignung einer Fläche für eine Ersatz- bzw. Ausgleichsmaßname im Rahmen einer – vom Antragsgegner ausdrücklich gewünschten – streitigen Entscheidung bereits mit Blick auf den Ablauf der Beschwerdebegründungsfrist gleichfalls nicht an.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung folgt §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1, hinsichtlich der Änderung der erstinstanzliche Festsetzung aus § 63 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 GKG. Dabei legt der Senat die vom Antragsteller auf gerundet 70.000,00 Euro bezifferten verlorenen Investitionskosten zugrunde, die wegen der Vorläufigkeit des Rechtsschutzverfahrens zu halbieren sind.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

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