OVG Mecklenburg-Vorpommern, Beschluss vom 04.09.2014 – 1 L 84/13

August 7, 2021

OVG Mecklenburg-Vorpommern, Beschluss vom 04.09.2014 – 1 L 84/13

Tenor
Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Schwerin vom 3. Januar 2013 – 4 A 75/09 – wird abgelehnt.

Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.

Der Streitwert wird für das Zulassungsverfahren auf 35.656,74 Euro festgesetzt.

Gründe
Die Beteiligten streiten über die Erhebung eines Erschließungsbeitrags und eines Ausbaubeitrags.

Der Kläger ist seit 2001 Insolvenzverwalter über das Vermögen des Herrn … In dessen Eigentum stand das im Grundbuch von S… auf Blatt …7 unter der laufenden Nummer 2 im Bestandsverzeichnis eingetragene Grundstück Gemarkung S…, Flur …, Flurstück …/9. Der Kläger verkaufte das Grundstück an Herrn M… und bewilligte diesem am 20. Dezember 2007 eine Auflassungsvormerkung, die am 11. März 2008 eingetragen wurde. Am 28. Dezember 2007 übertrug Herr M… eine Teilfläche aus diesem Grundstück an Frau M… Das Grundstück wurde in der Folge in die Flurstücke …/10 und …/11 zerlegt, die am 16. Oktober 2008 in das Grundbuch eingetragen wurden. Für das Flurstück …/11 erklärte Herr M… am 29. August 2008 die Auflassung zugunsten von Frau M… Der beurkundende Notar beantragte mit Schreiben vom 17. Dezember 2008 beim Grundbuchamt die Eigentumsumschreibungen aus den Grundstücksübertragungen. Am 6. Januar 2009 wurde das Flurstück …/11 auf das Grundbuchblatt 1… des Grundbuchs von B-Stadt übertragen und Herr M… für das verbliebene Flurstück …/10 als Eigentümer eingetragen.

Das vormalige Grundstück Gemarkung S…, Flur …, Flurstück …/9 lag an der Straße „… K…“ an, die die Stadt Parchim im Jahre 2007 in der Teileinrichtung Gehweg ausbaute und in den Teileinrichtungen Fahrbahn und Straßenentwässerung erstmalig herstellte. Mit zwei Bescheiden vom 24. Oktober 2008 setzte der Beklagte dafür gegen den Kläger einen Erschließungsbeitrag in Höhe von 30.306,19 Euro und einen Ausbaubeitrag in Höhe von 5.350,55 Euro fest. Die Widersprüche des Klägers gegen diese Bescheide wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 29. Dezember 2008 zurück. Am 27. Januar 2009 hat der Kläger dagegen Klage zum Verwaltungsgericht Schwerin erhoben. Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit Urteil vom 3. Januar 2013 – 4 A 75/09 – abgewiesen und die Kosten des Verfahrens dem Kläger auferlegt.

Der nach Zustellung des Urteils am 3. April 2013 fristgemäß (§ 124a Abs. 4 Satz 1 VwGO) am 30. April 2013 gestellte und auch innerhalb der Frist des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO am 3. Juni 2013 begründete Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.

Die geltend gemachten Zulassungsgründe rechtfertigen nicht die Zulassung der Berufung; dabei berücksichtigt der Senat, dass die Voraussetzungen an eine Berufungszulassung mit Blick auf Art. 19 Abs. 4 GG nicht überspannt werden dürfen (vgl. BVerfG, Beschl. v. 10.09.2009 – 1 BvR 814/09 –, NJW 2009, 3642; Beschl. v. 08.12.2009 – 2 BvR 758/07 –, NVwZ 2010, 634 [640] ; Beschl. v. 22.08.2011 – 1 BvR 1764/09 –, NVwZ-RR 2011, 963).

Der Zulassungsgrund nach § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO ist nicht dargelegt. Eine Divergenz ist dargelegt, wenn der konkrete Nachweis geführt wird, welcher der vom Verwaltungsgericht seiner Entscheidung zugrunde gelegten, diese tragenden Rechtssätze zu einer Rechts- oder Tatsachenfrage einem Rechtssatz widerspricht, den eines der in § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO genannten Gerichte in tragender Weise mit gegenteiligem Inhalt aufgestellt hat (vgl. OVG Greifswald, Beschl. v. 18.01.2007 – 1 L 345/05 –; Beschl. v. 06.04.2000 – 1 M 24/00 –; Beschl. v. 21.09.1999 – 1 M 71/99 –; vgl. auch BVerwG, Beschl. v. 05.06.2013 – 5 B 7.13 –; Beschl. vom 10.07.1995 – 9 B 18/95 –, NVwZ-RR 1997, 191 zu § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO; Kopp/Schenke, VwGO, 20. Auflage, § 124 Rn. 11, § 132 Rn. 14). Das ist nicht geschehen. Soweit die Zulassungsschrift insoweit auf das Urteil des Bundesverwaltungsgerichtes vom 6. April 2000 (– 3 C 6/99 –, juris, Rn. 29) verweist, in dem ausgesprochen ist, dass es für die Begründetheit einer Anfechtungsklage grundsätzlich auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung ankommt und der Bürger den mit dieser Klage verfolgten Anspruch auf Aufhebung einer belastenden Entscheidung mit Wirkung ex tunc im Allgemeinen nur dann hat, wenn die angegriffene Entscheidung in dem genannten Zeitpunkt rechtswidrig war, ist damit keine Divergenz zum angefochtenen Urteil des Verwaltungsgerichts dargetan. Das Bundesverwaltungsgericht hat in dieser Entscheidung nämlich zugleich festgestellt, dass dieser Grundsatz unter dem Vorbehalt steht, dass das materielle Recht einen anderen Zeitpunkt als maßgeblich bestimmen kann. So liegt es hier.

Für die Bestimmung des richtigen Adressaten der streitgegenständlichen Beitragsbescheide kommt es entgegen der Auffassung des Klägers nicht auf den Zeitpunkt der Widerspruchsentscheidung an. Das materielle Recht bestimmt vielmehr denjenigen als persönlich Beitragspflichtigen und damit als richtigen Adressaten des Abgabenbescheides, der im Zeitpunkt der Bekanntgabe des Beitragsbescheides Eigentümer des bevorteilten Grundstücks ist. Das gilt sowohl für das Erschließungsbeitragsrecht (§ 134 Abs. 1 Satz 1 BauGB i.V.m. § 11 Satz 1 der Satzung der Stadt Parchim zur Erhebung von Beiträgen für die erstmalige Herstellung von Straßen, Wegen und Plätzen vom 21. Februar 2002), als auch für das Straßenausbaubeitragsrecht (§ 7 Abs. 2 Satz 1 KAG M-V i.V.m. § 2 Satz 1 der Satzung der Stadt Parchim über die Erhebung von Beiträgen für den Ausbau von Straßen, Wegen und Plätzen vom 18. Oktober 2004). Änderungen im Eigentum nach der Bekanntgabe des Beitragsbescheides sind für die persönliche Beitragspflicht ohne Belang, solange der Beitragsbescheid nicht aufgehoben wird, etwa durch einen Widerspruchsbescheid oder ein verwaltungsgerichtliches Urteil (Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, 9. Auflage, § 24, Rn. 46 und § 37, Rn. 22). Es ist daher unerheblich, ob im Zeitpunkt des Widerspruchsbescheides die Erwerber der beiden Flurstücke des veranlagten Grundstücks bereits ein dingliches Anwartschaftsrecht erworben hatten. Zudem kommt es für die persönliche Beitragspflicht aus Gründen der Rechtsklarheit und Rechtssicherheit ohnehin auf das Volleigentum und nicht auf ein Anwartschaftsrecht als dessen Vorstufe an (vgl. zur sachlichen Beitragspflicht OVG Lüneburg, Beschl. v. 06.06.1994 – 9 M 5968/93 –, juris), für eine erweiternde Auslegung von § 134 Abs. 1 Satz 1 BauGB und § 7 Abs. 2 Satz 1 KAG M-V über deren Wortlaut hinaus ist deshalb kein Raum.

Soweit der Kläger eine Divergenz zur Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts aus dem Umstand herleiten will, dass zum Zeitpunkt des Erlasses des angefochtenen Widerspruchsbescheides das im Grundbuch von S… auf Blatt …7 unter der laufenden Nummer 2 im Bestandsverzeichnis eingetragene Grundstück in die Flurstücke …/10 und …/11 zerlegt war, geht das in mehrerer Hinsicht fehl. Zum einen lag dieser Umstand bereits bei Erlass der Ausgangsbescheide vom 24. Oktober 2008 vor, zum anderen kommt es beitragsrechtlich auf die Zerlegung des vormaligen Flurstücks …/9 auch nicht an. Das Beitragsrecht knüpft nicht an den vermessungsrechtlichen Flurstücksbegriff an, sondern macht grundsätzlich das Grundstück im bürgerlich-rechtlichen Sinn zum Gegenstand der Beitragserhebung (vgl. zum Erschließungsbeitragsrecht BVerwG, Urt. v. 16.09.1998 – 8 C 8/97 –, juris und zum Straßenbaubeitragsrecht OVG Greifswald, Beschl. v. 07.07.2003 – 1 M 57/03 –, juris). Das findet seine Stütze in den maßgeblichen Rechtsvorschriften. Nach § 131 Abs. 1 Satz 1 BauGB ist der ermittelte beitragsfähige Erschließungsaufwand für eine Erschließungsanlage auf die durch die Anlage erschlossenen Grundstücke zu verteilen. Gemäß § 5 Abs. 1 der Satzung der Stadt Parchim zur Erhebung von Beiträgen für die erstmalige Herstellung von Straßen, Wegen und Plätzen vom 21. Februar 2002 bilden die Grundstücke das Abrechnungsgebiet, die unmittelbar an der abzurechnenden Straße anliegen oder über eine rechtlich gesicherte Zuwegung zu dieser Straße verfügen. Nach § 6 Abs. 1 der Satzung der Stadt Parchim über die Erhebung von Beiträgen für den Ausbau von Straßen, Wegen und Plätzen vom 18. Oktober 2004 bilden die Grundstücke das Abrechnungsgebiet, die unmittelbar an der ausgebauten Straße anliegen oder über eine Zuwegung zu dieser Straße verfügen. Das in das jeweilige Vorteilsgebiet einbezogene Grundstück im bürgerlich-rechtlichen Sinne bestand aber bis zum 6. Januar 2009, solange die beiden Flurstücke unter einer eigenen Nummer im Bestandsverzeichnis des Grundbuchblattes gebucht waren. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Frage, welche Grundstücke von der Anlage bevorteilt werden, ist ohnehin nicht der Zeitpunkt des Erlasses des Beitragsbescheides oder des Widerspruchsbescheides, sondern der Zeitpunkt des Entstehens der sachlichen Beitragspflicht (vgl. zum Erschließungsbeitragsrecht BVerwG, Urt. v. 30.05.1997 – 8 C 27/96 –, juris, und zum Straßenausbaubeitragsrecht OVG Greifswald, Beschl. v. 10.03.2006 – 1 M 148/05 –, juris, sowie Driehaus, Kommunalabgabenrecht, Stand September 2013, § 8, Rn. 391a).

Der weiter geltend gemachte Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) ist nicht hinreichend dargelegt.

Nach Maßgabe der ständigen Rechtsprechung des Senats muss sich ein auf den Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel gestützter Antrag im Hinblick auf das Darlegungserfordernis des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO mit den entscheidungstragenden Annahmen des Verwaltungsgerichts auseinandersetzen und im Einzelnen darlegen, in welcher Hinsicht und aus welchen Gründen diese ernsthaften Zweifeln bezüglich ihrer Richtigkeit begegnen. Erforderlich dafür ist, dass sich unmittelbar aus der Antragsbegründung sowie der angegriffenen Entscheidung selbst schlüssig Gesichtspunkte ergeben, die ohne Aufarbeitung und Durchdringung des gesamten bisherigen Prozessstoffes – vorbehaltlich späterer Erkenntnisse – eine hinreichend verlässliche Aussage dahingehend ermöglichen, das noch zuzulassende Rechtsmittel werde voraussichtlich zum Erfolg führen (ständige Rechtsprechung des Senats, vgl. zum Ganzen etwa Beschluss v. 15.10.2008 – 1 L 104/05 –). Daran fehlt es hier. Der Zulassungsantrag stützt sich auch insoweit lediglich auf die Rechtsauffassung, für die Beurteilung der Grundstückssituation und des Beitragspflichtigen komme es auf den Zeitpunkt der Zustellung des Widerspruchsbescheides an, zu dem bereits Anwartschaftsrechte der Erwerber an den beiden entstehenden Grundstücken entstanden seien, von denen zudem nur noch eines an die ausgebaute bzw. hergestellte Anlage angrenze. Diese Auffassung trifft nicht zu, wie oben schon dargestellt wurde.

Der darüber hinaus geltend gemachte Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) ist ebenfalls schon nicht hinreichend dargelegt. Insoweit wären Darlegungen (vgl. § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO) dazu erforderlich gewesen, dass die Rechtssache in rechtlicher oder tatsächlicher Hinsicht eine Frage aufwirft, die im Rechtsmittelzug entscheidungserheblich und fallübergreifender Klärung zugänglich ist und deren Klärung der Weiterentwicklung des Rechts förderlich ist (ständige Rspr. des Senats, vgl. OVG Greifswald, Beschl. v. 20.11.2007 – 1 L 195/07 –). Die Zulassungsschrift bezeichnet die Frage als grundsätzlich klärungsbedürftig, „ob hinsichtlich der Eigenschaft als Beitragsschuldner/Abgabenschuldner für Ausbau- und Erschließungsbeiträge ausschließlich auf den im Grundbuch eingetragenen Eigentümer abzustellen ist oder ob unerledigte, gleichwohl vollständige und formgerechte Anträge auf Eigentumsumschreibung, welche dem Grundbuchamt im Zeitpunkt der letzten Behördenhandlung vorliegen, bewirken, dass Beitragsschuldner/Abgabenschuldner nicht mehr der eingetragene Eigentümer, sondern der durch Einreichung vollständiger und formgerechter – gleichwohl durch das Grundbuchamt unerledigter – Anträge auf Eigentumsumschreibung Begünstigte Beitragsschuldner/Abgabenschuldner ist“. Diese Frage ist nicht entscheidungserheblich, da sich die Frage des richtigen Beitragsschuldners nach den Umständen zum Zeitpunkt der Bekanntgabe des Beitragsbescheides bestimmt. Zu diesem Zeitpunkt war auch nach dem Vorbringen des Klägers im Zulassungsverfahren noch kein Eintragungsantrag nach § 13 Abs. 1 Satz 1 GBO beim Grundbuchamt gestellt.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 2 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 47 GKG i.V.m. § 52 Abs. 3 GKG.

Hinweis:

Der Beschluss ist gemäß § 152 Abs. 1 VwGO und § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG unanfechtbar.

Mit der Ablehnung des Antrags wird das Urteil rechtskräftig.

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