OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 17.05.2022 – 9 A 1019/20

Juni 17, 2022

OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 17.05.2022 – 9 A 1019/20

Tenor
Das angefochtene Urteil wird geändert.

Der Grundbesitzabgabenbescheid der Beklagten vom 17. Januar 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. März 2017 wird aufgehoben, soweit der Kläger darin zu Schmutz- und Regenwasserbeseitigungsgebühren für das Grundstück M. Straße 00 in P. -F. im Jahr 2017 in Höhe von insgesamt 599,85 Euro herangezogen worden ist.

Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens beider Rechtszüge.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand
Der Kläger ist Eigentümer des an die Schmutz- und Niederschlagswasserkanalisation der Beklagten angeschlossenen Grundstücks mit der postalischen Anschrift M. Straße 00 in P. -F. .

In der am 1. Januar 2017 in Kraft getretenen Satzung über die Erhebung von Abwassergebühren in der Stadt P. -F. vom 24. November 2016 (AGS) sind die Sätze für die Schmutzwassergebühr mit 3,04 Euro je m³ Schmutzwasser (§ 4 Abs. 6 AGS) und für die Niederschlagswassergebühr mit 7,15 Euro pro volle 10 m² bebaute und/oder befestigte Grundstücksfläche (§ 5 Abs. 4 AGS) festgelegt.

In der der Satzung zugrunde liegenden Kalkulation der Abwassergebühren für das Veranlagungsjahr 2017 setzte die Beklagte einen kalkulatorischen Zinssatz von 6,52 % an. Dieser Zinssatz wurde ihr von der Gemeindeprüfungsanstalt Nordrhein-Westfalen (GPA NRW) zur Verfügung gestellt und sollte sich aus dem fünfzigjährigen Durchschnitt der Emissionsrenditen für festverzinsliche Wertpapiere inländischer öffentlicher Emittenten bis zum Vorvorjahr (2015) des Veranlagungsjahres (2017) sowie einem Zuschlag von 0,5 Prozentpunkten wegen regelmäßig höherer Fremdkapitalzinsen ergeben. Als Zinsbasis brachte die Beklagte die Anschaffungsrestwerte des Anlagevermögens vermindert um das Abzugskapital (Beiträge und Zuschüsse Dritter) in Ansatz. Außerdem stellte die Beklagte kalkulatorische Abschreibungen nach den jeweiligen Wiederbeschaffungszeitwerten der Anlagegüter in die Kalkulation ein.

Mit Grundbesitzabgabenbescheid vom 17. Januar 2017 setzte die Beklagte für das klägerische Grundstück unter anderem Schmutzwassergebühren in Höhe von 349,60 Euro (= 115 m³ Schmutzwasser x 3,04 Euro) und Niederschlagswassergebühren in Höhe von 250,25 Euro (= 35 volle 10 m² bebaute und/oder befestigte Grundstücksfläche x 7,15 Euro) für das Jahr 2017 fest. Den hiergegen erhobenen Widerspruch des Klägers vom 20. Februar 2017 wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 22. März 2017 als unbegründet zurück.

Der Kläger hat am 18. April 2017 beim Verwaltungsgericht Gelsenkirchen gegen die Schmutz- und Niederschlagswassergebührenfestsetzung für das Jahr 2017 Klage erhoben und zur Begründung im Wesentlichen vorgetragen: Die Kombination von kalkulatorischen Abschreibungen und kalkulatorischen Nominalzinsen für das in der Anlage gebundene Eigenkapital sei nach betriebswirtschaftlichen Grundsätzen unvertretbar, da diese zu einer doppelten Erfassung der Inflationsrate führe. Ferner führe eine Abschreibung auf Wiederbeschaffungszeitwertbasis bei einer Finanzierung durch Fremdkapital im Laufe der Zeit zu einer Ersetzung von Fremdkapital durch Eigenkapital. Echte Gewinne würden so als betriebswirtschaftliche Kosten deklariert. Überdies habe der wertmäßige Kostenbegriff eine zeitliche Komponente. Danach stellten Aufwendungen nur dann Kosten der Leistungsperiode dar, wenn sie ausschließlich auf diesen Leistungszeitraum entfielen. Bei einer fünfzigjährigen Durchschnittsrendite lege man aber die Renditen öffentlicher Anleihen zugrunde, deren Laufzeit überwiegend bereits lange abgelaufen sei. Für die Höhe des kalkulatorischen Zinssatzes seien daher ausschließlich die Verhältnisse des Kapitalmarktes maßgeblich, die im abzurechnenden Leistungszeitraum herrschten. Schließlich weise die Gesamtbilanz der Beklagten wegen der Überschuldung ein negatives Eigenkapital auf, welches keine Zinsen generieren könne.

Der Kläger hat beantragt,

den Gebührenbescheid der Beklagten vom 17. Januar 2017 hinsichtlich der Heranziehung zu Schmutzwasser- und Regenwasserbeseitigungsgebühren in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. März 2017 aufzuheben.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen,

und zur Begründung im Wesentlichen vorgetragen: Die streitige Gebührenkalkulation sei entsprechend der bisherigen langjährigen Rechtsprechung des Senats erfolgt. Danach seien für die Bestimmung des kalkulatorischen Zinssatzes nicht die in der jeweiligen Gebührenperiode am Kapitalmarkt herrschenden Verhältnisse, sondern nur langjährige Durchschnittsverhältnisse maßgeblich. Dabei diene der fünfzigjährige Durchschnitt der Emissionsrenditen für festverzinsliche Wertpapiere inländischer öffentlicher Emittenten bis zum Vorvorjahr des Veranlagungsjahres als Grundlage. Der auf diese Weise ermittelte Zinssatz könne um 0,5 Prozentpunkte erhöht werden, um dem Umstand Rechnung zu tragen, dass wegen der die Anlagezinsen regelmäßig übersteigenden Kreditzinsen ein etwaiger Fremdkapitalanteil zu einem höheren Zinssatz zu berücksichtigen sei. Zudem sei nach dieser Rechtsprechung der gleichzeitige Ansatz einer kalkulatorischen Abschreibung des Anlagevermögens auf der Basis seines Wiederbeschaffungszeitwertes sowie einer kalkulatorischen Nominalverzinsung auf der Basis seines Anschaffungsrestwertes zulässig.

Mit Urteil vom 13. Februar 2020 hat das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt:

Die Abwassergebührensatzung der Beklagten sei wirksam. Die Schmutz- und Niederschlagswassergebührensätze in § 4 Abs. 6 und § 5 Abs. 4 AGS würden durch eine Gebührenbedarfsberechnung gerechtfertigt, die den Anforderungen des § 6 Abs. 2 KAG NRW genüge. Sie verstoße insbesondere nicht gegen das Kostenüberschreitungsverbot des § 6 Abs. 1 Satz 3 KAG NRW:

Der von der Beklagten gewählte methodische Ansatz der Berechnung von Abschreibungen nach dem Wiederbeschaffungszeitwert des Kanalvermögens in Verbindung mit kalkulatorischen Zinsen vom Anschaffungsrestwert zum Nominalzins sei nach der ständigen Rechtsprechung des Senats und der (geänderten) Rechtsprechung der Kammer gebührenrechtlich zulässig. Die so ermittelten Kosten seien nach betriebswirtschaftlichen Grundsätzen im Sinne des § 6 Abs. 2 Satz 1 KAG NRW ansatzfähig. Die Methode stehe auch mit dem Willen und den Zielsetzungen des Landesgesetzgebers in Bezug auf § 6 Abs. 2 KAG NRW in Einklang. Die kalkulatorischen Zinsen einerseits und die kalkulatorischen Abschreibungen andererseits dürften in ihrer jeweiligen finanzwirtschaftlichen Funktion getrennt werden. Dass es so jeweils zu einem Inflationsausgleich komme, sei systemimmanent und wegen der vom Gesetzgeber beabsichtigten Stärkung der Eigenkapitalausstattung der Gemeinden auch gewollt.

Nach der Rechtsprechung des Senats, der die Kammer folge, stehe es zudem im Einklang mit der Regelung des § 6 Abs. 2 KAG NRW, dass Abschreibungen auf Wiederbeschaffungszeitwertbasis zu einer Veränderung der Kapitalstruktur der Gemeinde zugunsten des Eigenkapitals führten, wenn das Anlagevermögen ganz oder teilweise mit Fremdkapital finanziert worden sei.

Soweit der Kläger vorgetragen habe, dass die Gesamtbilanz der Beklagten wegen der Überschuldung ein negatives Eigenkapital aufweise, welches keine Zinsen generieren könne, stehe dies dem Ansatz kalkulatorischer Zinsen nicht entgegen. Für die Gebührenkalkulation als einer Kostenrechnung sei insoweit alleine auf die durch die Anlage und deren Finanzierung verursachten Kosten abzustellen, nicht aber auf die Gesamtbilanz der Beklagten. Als Kosten könnten nach dem wertmäßigen Kostenbegriff zudem nicht nur die (tatsächlich aufgelaufenen) Zinsen des zur Finanzierung der Anlage aufgenommenen Fremdkapitals, sondern auch die (fiktiven) Eigenkapitalzinsen in die Gebührenkalkulation eingestellt werden.

Der kalkulatorische Zinssatz bestimme sich entgegen des klägerischen Einwands nicht nach den in der jeweiligen Gebührenperiode am Kapitalmarkt herrschenden Verhältnissen. Da es sich um einen kalkulatorischen Zins handele, der sich auf den gesamten Restbuchwert beziehe, welcher Anlagegüter unterschiedlichsten Alters und Kapitalbindungen unterschiedlichster Dauer erfasse, könnten für die Bestimmung des Zinssatzes nach der ständigen Rechtsprechung des Senats nur langfristige Durchschnittsverhältnisse am Kapitalmarkt maßgebend sein.

Ausgehend von dem fünfzigjährigen Durchschnitt der Emissionsrenditen für festverzinsliche Wertpapiere inländischer öffentlicher Emittenten bis zum Vorvorjahr (2015) des Veranlagungsjahres (2017) ergebe sich unter Einbeziehung des Zuschlages von 0,5 Prozentpunkten für die Gebührenkalkulation 2017 allerdings nur ein zulässiger Zinssatz von 6,454 %, der damit um 0,066 Prozentpunkte niedriger liege als der in der Kalkulation angesetzte. Die geringfügige Abweichung sei darauf zurückzuführen, dass die Beklagte laut eigener Aussage bei dem Ansatz der kalkulatorischen Zinsen auf die seitens der GPA NRW veröffentlichten Zahlen zurückgegriffen habe, ohne diese zu überprüfen. Die GPA NRW habe laut telefonischer Auskunft allerdings nicht die von der Deutschen Bundesbank veröffentlichten Werte der Spalte „Anleihen der öffentlichen Hand zusammen“, sondern die Werte der Spalte „Öffentliche Pfandbriefe“ der Ermittlung der Durchschnittswerte zugrunde gelegt.

Der Kammer erscheine es schließlich nach wie vor systemgerecht, hinsichtlich des Sicherheitszuschlages von 0,5 Prozentpunkten nicht die kurzfristige Kreditzinsentwicklung, sondern ebenso wie bei der Ermittlung des Durchschnittszinssatzes langjährige Werte in den Blick zu nehmen. Ob die Zubilligung eines Sicherheitszuschlages noch sachgerecht sei, könne dahinstehen. Denn selbst bei Abzug von 0,5 Prozentpunkten und der sonstigen geringfügigen Überhöhung von 0,066 Prozentpunkten liege die Kostenüberschreitung unterhalb der nach der Rechtsprechung des Senats geltenden Toleranzgrenze von 3 %.

Mit der vom Verwaltungsgericht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassenen Berufung wiederholt und vertieft der Kläger sein erstinstanzliches Vorbringen und trägt darüber hinaus im Wesentlichen vor:

Nach dem Grundsatz der Periodengerechtigkeit könne Bezugspunkt der (fiktiven) Eigenkapitalverzinsung einzig der entgangene Zinsgewinn der Gemeinde in der Kalkulationsperiode sein. Zinsen, die die Gemeinde für eine Anlage ihres Eigenkapitals in öffentlichen Anleihen vor mehr als 30 Jahren hätte erzielen können, seien ohne Aussagekraft darüber, welche Eigenkapitalverzinsung die Gemeinde im Kalkulationszeitraum durch eine gedachte Anlage in der Vergangenheit hätte erzielen können. Denn die maximale Laufzeit öffentlicher Anleihen betrage 30 Jahre. Für eine an der Wirklichkeit orientierte Betrachtung sei darüber hinaus in Rechnung zu stellen, dass langfristige Anleihen mit einem erheblichen Kursrisiko verbunden seien. Ganz überwiegend würden deshalb öffentliche Anleihen nur mit einer Laufzeit von bis zu zehn Jahren ausgegeben. Allenfalls ein solcher Zeitraum von zehn Jahren könne daher für die Ermittlung eines Durchschnittszinssatzes zugrunde gelegt werden, mit dem die angemessene Verzinsung des Eigenkapitals berücksichtigt werde.

Darüber hinaus löse sich der von der Beklagten auch für die Verzinsung des Fremdkapitals in Ansatz gebrachte Zinssatz von 6,52 % nicht nur völlig von den gegenwärtig zu zahlenden Fremdkapitalzinsen von nahezu 0,0 %, sondern auch von dem von der Beklagten nach eigenen Angaben tatsächlich durchschnittlich gezahlten Fremdkapitalzinssatz für langfristige Darlehen von 3,6 %.

Der Kläger beantragt,

das angefochtene Urteil zu ändern und den Grundbesitzabgabenbescheid der Beklagten vom 17. Januar 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. März 2017 aufzuheben, soweit er darin zu Schmutz- und Regenwasserbeseitigungsgebühren für das Grundstück M. Straße 00 in P. -F. im Jahr 2017 in Höhe von insgesamt 599,85 Euro herangezogen worden ist.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie wiederholt und vertieft im Wesentlichen ihr erstinstanzliches Vorbringen.

Das Gericht hat zu den Fragen, ob die in die Abwassergebührenkalkulation eingestellte kalkulatorische Verzinsung von Eigen- und Fremdkapital auf der Basis sogenannter Restbuchwerte in Verbindung mit einem Nominalzinssatz, der aus dem fünfzigjährigen Durchschnitt der Emissionsrenditen für festverzinsliche Wertpapiere inländischer öffentlicher Emittenten zuzüglich eines Zuschlags von 0,5 % für höhere Fremdkapitalzinsen ermittelt wird, sowie die Abschreibung des Anlagevermögens der öffentlichen Abwassereinrichtung auf der Basis von Wiederbeschaffungszeitwerten je für sich und in dieser Kombination nach betriebswirtschaftlichen Grundsätzen ansatzfähige Kosten i. S. d. § 6 Abs. 2 Satz 1 KAG NRW darstellen, Beweis erhoben durch Einholung eines Sachverständigengutachtens sowie ergänzende Befragung des Sachverständigen, Herrn Prof. Dr. C. , in der mündlichen Verhandlung. Bezüglich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Sachverständigengutachten vom 20. Oktober 2021, die ergänzende schriftliche Stellungnahme des Sachverständigen vom 22. April 2022 sowie das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 17. Mai 2022 verwiesen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen.

Gründe
Die Berufung des Klägers hat Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Unrecht abgewiesen.

Die zulässige Anfechtungsklage ist begründet.

Der Grundbesitzabgabenbescheid der Beklagten vom 17. Januar 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. März 2017 ist rechtswidrig, soweit der Kläger darin zu Schmutz- und Regenwasserbeseitigungsgebühren für das Grundstück M. Straße 00 in P. -F. im Jahr 2017 in Höhe von insgesamt 599,85 Euro herangezogen worden ist, und verletzt den Kläger insoweit in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

Die vom Kläger angefochtene Festsetzung der Schmutz- und Regenwasserbeseitigungsgebühren findet in der Satzung über die Erhebung von Abwassergebühren in der Stadt P. -F. vom 24. November 2016 (AGS) keine wirksame Rechtsgrundlage. Die in § 4 Abs. 6 Satz 1 und § 5 Abs. 4 Satz 1 AGS enthaltenen, von der Beklagten bei der Festsetzung angewandten Regelungen der Gebührensätze für die Schmutzwassergebühr in Höhe von 3,04 Euro je m³ Schmutzwasser sowie für die Niederschlagswassergebühr in Höhe von 7,15 Euro pro volle 10 m² an die städtische Abwasseranlage angeschlossene bebaute und / oder befestigte Grundstücksfläche sind unwirksam. Die beiden Gebührensatzregelungen zugrunde liegende Abwassergebührenkalkulation der Beklagten für das Veranlagungsjahr 2017 verstößt gegen das Kostenüberschreitungsverbot des § 6 Abs. 1 Satz 3 KAG NRW.

Ein Verstoß der Gebührenkalkulation gegen das Kostenüberschreitungsverbot des § 6 Abs. 1 Satz 3 KAG NRW ist zunächst dadurch erfolgt, dass die Beklagte sowohl eine kalkulatorische Abschreibung des Anlagevermögens auf der Basis seines Wiederbeschaffungszeitwertes als auch eine kalkulatorische Nominalverzinsung auf der Basis seines Anschaffungsrestwertes in Ansatz gebracht hat (dazu unter I.). Darüber hinaus ist der angewandte Einheitszinssatz für die Eigen- und Fremdkapitalverzinsung von 6,52 % nicht mehr angemessen i. S. d. § 6 Abs. 2 Satz 4 1. Halbs. a. E. KAG NRW (dazu unter II.). Zudem sind die kalkulatorischen Abschreibungen für Fahrzeuge und Geräte doppelt angesetzt worden (dazu unter III.). Die Kostenüberschreitung durch diese fehlerhaften Kostenansätze liegt jenseits der vom Senat in seiner Rechtsprechung angenommenen Bagatell- bzw. Toleranzgrenze von bis zu 3 % (dazu unter IV.).

I. Der gleichzeitige Ansatz einer kalkulatorischen Abschreibung des Anlagevermögens auf der Basis seines Wiederbeschaffungszeitwertes sowie einer kalkulatorischen Nominalverzinsung auf der Basis seines Anschaffungsrestwertes in der Gebührenkalkulation der Beklagten verstößt gegen das Kostenüberschreitungsverbot des § 6 Abs. 1 Satz 3 KAG NRW. Nach dieser Norm soll das vom Satzungsgeber veranschlagte Gebührenaufkommen die voraussichtlichen Kosten der gebührenpflichtigen Einrichtung oder Anlage nicht übersteigen.

Welche Kostenarten in der Gebührenkalkulation überhaupt angesetzt werden können und wie die konkreten Kostenansätze sodann zu ermitteln sind, gibt das nordrheinwestfälische Kommunalabgabengesetz – anders als entsprechende Regelungen in einigen anderen Bundesländern – nicht detailliert vor. Dies gilt insbesondere für die Ermittlung der kalkulatorischen Kosten Abschreibungen und Zinsen. Die Kommunen haben deshalb einen nicht unerheblichen Spielraum bei der Gebührenkalkulation.

Gemäß § 6 Abs. 2 Satz 1 KAG NRW sind Kosten im Sinne des Absatzes 1 die nach betriebswirtschaftlichen Grundsätzen ansatzfähigen Kosten. Zu den Kosten gehören nach § 6 Abs. 2 Satz 4 KAG NRW auch Abschreibungen und eine angemessene Verzinsung des aufgewandten Kapitals; bei der Verzinsung bleibt der aus Beiträgen und Zuschüssen Dritter aufgebrachte Eigenkapitalanteil außer Betracht.

Unter betriebswirtschaftlichen Grundsätzen i. S. d. § 6 Abs. 2 Satz 1 KAG NRW sind nach ständiger Rechtsprechung des Senats,

vgl. etwa: OVG NRW, Urteile vom 5. August 1994 – 9 A 1248/92 -, NWVBl. 1994, 428, juris Rn. 8, und vom 19. Mai 1998 – 9 A 5709/97 -, NWVBl. 1998, 484, juris Rn. 10,

betriebswirtschaftliche Lehrmeinungen zu verstehen, die in der wissenschaftlichen Literatur mit beachtlichem Gewicht vertreten werden, ohne jedoch notwendig eine Mehrheitsmeinung darzustellen, und die zumindest teilweise Eingang in die betriebswirtschaftliche Praxis gefunden haben. Dabei ist nach der gesetzlichen Ausgangslage grundsätzlich entscheidend, ob sich betriebswirtschaftliche Grundsätze im Hinblick auf allgemeine Wirtschaftsbetriebe des privaten Sektors – nicht Wirtschaftsbetriebe der öffentlichen Hand – feststellen lassen; der Gesetzgeber hat in § 6 Abs. 2 Satz 1 KAG NRW bewusst allgemein auf betriebswirtschaftliche Grundsätze verwiesen und nicht etwa eigenständige, auf öffentliche Unternehmen zugeschnittene Grundsätze für maßgeblich erklärt.

Nach der Ermittlung der betriebswirtschaftlichen Grundsätze zur Ansatzfähigkeit von Kosten (hier: kalkulatorische Abschreibungen und Zinsen) auf einer ersten Stufe ist auf einer zweiten Stufe zu prüfen, ob die Anwendung bestimmter betriebswirtschaftlicher Grundsätze i. S. d. § 6 Abs. 2 Satz 1 KAG NRW durch vorrangige gesetzliche Vorgaben zur Gebührenkalkulation ausgeschlossen ist. Zwischen den danach verbleibenden betriebswirtschaftlichen Grundsätzen zur Ermittlung der einzelnen Kostenarten und ihrer Berechnung hat die Gemeinde ein Wahlrecht.

Vgl. hierzu: OVG NRW, Urteile vom 5. August 1994 – 9 A 1248/92 -, a. a. O., juris Rn. 10 f. und 34 ff., und vom 1. September 1999 – 9 A 5715/98 -, juris Rn. 59 ff.

Vorliegend hat die Beklagte als gebührenfähige Kosten sowohl eine kalkulatorische Abschreibung des unbeweglichen Vermögens (Entwässerungsanlagen) nach dessen Wiederbeschaffungszeitwert als auch eine kalkulatorische Verzinsung des Restbuchwertes des unbeweglichen Vermögens zu einem Nominalzinssatz angesetzt, wobei sie den Restbuchwert durch Abzug der bereits zurückgeflossenen, nicht indexierten Abschreibungen sowie von Beiträgen und Zuschüssen Dritter vom Anschaffungswert des unbeweglichen Vermögens ermittelt hat. Dieser gleichzeitige Ansatz einer kalkulatorischen Abschreibung des Anlagevermögens auf der Basis seines Wiederbeschaffungszeitwertes sowie einer kalkulatorischen Nominalverzinsung auf der Basis seines Anschaffungsrestwertes entspricht zwar betriebswirtschaftlichen Grundsätzen i. S. d. § 6 Abs. 2 Satz 1 KAG NRW (dazu unter 1.). Jedoch ist ein derartiger gleichzeitiger Ansatz durch vorrangige gesetzliche Vorgaben zur Gebührenkalkulation ausgeschlossen (dazu unter 2.). Der Senat gibt insoweit seine bisherige anderslautende Rechtsprechung ausdrücklich auf (dazu unter 3.).

1. Der gleichzeitige Ansatz einer kalkulatorischen Abschreibung des Anlagevermögens auf der Basis seines Wiederbeschaffungszeitwertes sowie einer kalkulatorischen Nominalverzinsung auf der Basis seines Anschaffungsrestwertes entspricht betriebswirtschaftlichen Grundsätzen i. S. d. § 6 Abs. 2 Satz 1 KAG NRW.

Unter dem Wiederbeschaffungszeitwert ist nach der Rechtsprechung des Senats der Preis zu verstehen, der zum Bewertungszeitpunkt (z. B. zum 31. Dezember der jeweiligen Gebührenperiode) für die Erneuerung eines vorhandenen Vermögensgegenstandes durch einen solchen gleicher Art und Güte gezahlt werden müsste (= derzeitiger Wiederbeschaffungswert = Tageswert).

Vgl. OVG NRW, Urteil vom 5. August 1994 – 9 A 1248/92 -, a. a. O., juris Rn. 29 f.

Nominalzinsen bestehen aus dem eigentlichen Zinsgewinnbestandteil, dem Realzins, und dem allgemeinen Inflationsausgleich (Ausgleich der allgemeinen Geldentwertung).

Vgl. OVG NRW, Urteil vom 30. November 2021 – 9 A 118/16 -, NZV 2022, 236, juris Rn. 152; Coenenberg / Fischer / Günther, Kostenrechnung und Kostenanalyse, 9. Auflage, 2016, S. 103 f.; Brüning, in: Driehaus, Kommentar zum Kommunalabgabenrecht, Loseblatt, Stand: März 2022, § 6 KAG NRW Rn. 149c.

Der vom Senat beauftragte Sachverständige hat in seinem schriftlichen Gutachten vom 20. Oktober 2021 sowie in seinem schriftlichen Ergänzungsgutachten vom 22. April 2022 festgestellt, dass der gleichzeitige Ansatz einer kalkulatorischen Abschreibung der eingesetzten Betriebsmittel auf der Basis ihrer Wiederbeschaffungszeitwerte sowie einer kalkulatorischen Nominalverzinsung auf der Basis ihrer Anschaffungsrestwerte in der unternehmerischen Kosten- und Erlösrechnung – unabhängig davon, ob die Betriebsmittel mit Eigenkapital des Unternehmers oder mit Fremdkapital von Kreditgebern finanziert worden sind – betriebswirtschaftlich vertretbar ist (vgl. hierzu die einzelnen Ausführungen auf Seite 13 ff. und die Zusammenfassung auf Seite 31 des Gutachtens sowie die einzelnen Ausführungen auf Seite 2 f. und die Zusammenfassung auf Seite 5 des Ergänzungsgutachtens). Der gleichzeitige Ansatz wird in der vom Sachverständigen berücksichtigten betriebswirtschaftlichen Fachliteratur und Praxis damit begründet, dass die unterschiedlichen kalkulatorischen Kostenarten „Abschreibungen“ und „Zinsen“ verschiedene Zwecke haben. Abschreibungen dienen der Substanzerhaltung der verbrauchten Betriebsmittel, Zinsen bilden als sogenannte Opportunitätskosten den Gegenwert für den dem Unternehmer bzw. dem Kreditgeber entgangenen Nutzen durch die Bereitstellung seines Kapitals für betriebliche Zwecke ab (vgl. hierzu Seite 18 des Gutachtens sowie Seite 5 des Ergänzungsgutachtens). Der Senat folgt diesen Feststellungen des Sachverständigen, weil sie plausibel und nachvollziehbar sind und auf einer Auswertung der betriebswirtschaftlichen Fachliteratur unter angemessener Berücksichtigung der betriebswirtschaftlichen Praxis beruhen. Dabei hat der Senat einzelne vom Sachverständigen zitierte Lehrbücher,

vgl. Wöhe, Einführung in die Allgemeine Betriebswirtschaftslehre, 26. Auflage, 2016, Seite 866 ff.; Coenenberg / Fischer / Günther, a. a. O., S. 90 ff.,

auch selbst als Erkenntnisquellen herangezogen.

Gegenteilige betriebswirtschaftliche Auffassungen rechtfertigen keine andere Betrachtung. Nach der Senatsrechtsprechung ist das Vorliegen „betriebswirtschaftlicher Grundsätze“ nicht bereits dann zu verneinen, wenn es zu der betreffenden betriebswirtschaftlichen Frage noch andere, eventuell auch überzeugendere wissenschaftliche Theorien gibt.

Vgl. OVG NRW, Urteil vom 5. August 1994 – 9 A 1248/92 -, a. a. O., juris Rn. 8.

Der Gesetzgeber hat mit der Orientierung an Grundsätzen der Privatwirtschaft bewusst darauf verzichtet, eine normative Entscheidung zwischen divergierenden beachtlichen betriebswirtschaftlichen Auffassungen vorzunehmen und insoweit die zulässigen Kalkulationsmethoden zu beschränken.

Vgl. OVG NRW, Urteil vom 1. September 1999 – 9 A 5715/98 -, juris Rn. 59.

Demnach ist es für die Feststellung, dass der von der Beklagten vorgenommene gleichzeitige Ansatz von kalkulatorischen Abschreibungen des unbeweglichen Vermögens nach dessen Wiederbeschaffungszeitwert sowie einer kalkulatorischen Verzinsung seines Anschaffungsrestwertes zu einem Nominalzinssatz – unabhängig davon, ob dieses Vermögen mit Eigenkapital der Beklagten oder mit Fremdkapital finanziert worden ist – betriebswirtschaftlichen Grundsätzen i. S. d. § 6 Abs. 2 Satz 1 KAG NRW entspricht, unerheblich, dass dazu auch andere abweichende Auffassungen mit beachtlichem Gewicht vertreten werden und daher ebenfalls betriebswirtschaftliche Grundsätze i. S. d. § 6 Abs. 2 Satz 1 KAG NRW darstellen.

Dies gilt zum einen für die vom Verwaltungsgericht Gelsenkirchen in seiner früheren Rechtsprechung unter Berufung auf Teile der betriebswirtschaftlichen Fachliteratur vertretene Ansicht, dass nur Abschreibungen auf Anschaffungswerte bei einer Nominalverzinsung des Restkapitals auf Anschaffungswertbasis oder Abschreibungen auf Wiederbeschaffungszeitwerte bei einer Realverzinsung des Restkapitals auf Wiederbeschaffungszeitwertbasis betriebswirtschaftlichen Grundsätzen i. S. d. § 6 Abs. 2 Satz 1 KAG NRW entsprächen, der gleichzeitige Ansatz von Abschreibungen nach Wiederbeschaffungszeitwert sowie einer Verzinsung des Anschaffungsrestwertes zu einem Nominalzinssatz in der Betriebswirtschaftslehre hingegen nicht vertreten werde.

Vgl. VG Gelsenkirchen, Urteile vom 8. Juni 1995 – 13 K 3903/94 -, NWVBl. 1995, 482 (483 f.), vom 9. Oktober 1997 – 13 K 3766/95 -, NWVBl. 1998, 32 (34), und vom 5. November 1998 – 13 K 8767/96 -, NWVBl. 1999, 68 (70).

Das Ergebnis des vom Senat im vorliegenden Verfahren eingeholten Sachverständigengutachtens wird dadurch nicht in Frage gestellt. Denn dieses beruht auf einer im Vergleich zu den vom Verwaltungsgericht Gelsenkirchen angeführten Quellen umfassenderen Auswertung der betriebswirtschaftlichen Fachliteratur.

Soweit zum anderen nach einer in der Literatur vertretenen Ansicht,

vgl. Tettinger, in: NWVBl. 1996, 81 (86); Ostholthoff, in: DWW 1996, 140 (141 f.); Ostholthoff / Wirtz, in: DWW 1995, 98 (103 f.),

das fremdfinanzierte Anlagevermögen bei Nominalverzinsung des Anschaffungsrestwertes betriebswirtschaftlich vertretbar nur mit dem Anschaffungswert (und nicht mit dem Wiederbeschaffungszeitwert) abgeschrieben werden darf, hat sich der Sachverständige mit dieser Auffassung in seinem schriftlichen Ergänzungsgutachten vom 22. April 2022 ausdrücklich auseinandergesetzt. Dabei ist er unter Bezugnahme auf zahlreiche von ihm ausgewertete betriebswirtschaftliche Quellen zu dem nachvollziehbaren Ergebnis gelangt, dass eine Abschreibung des fremdfinanzierten Anlagevermögens mit dem Wiederbeschaffungszeitwert bei gleichzeitiger Nominalverzinsung des Anschaffungsrestwertes in der Betriebswirtschaftslehre nach wie vor mit beachtlichem Gewicht vertreten wird.

2. Jedoch ist der gleichzeitige Ansatz einer kalkulatorischen Abschreibung des Anlagevermögens auf der Basis seines Wiederbeschaffungszeitwertes sowie einer kalkulatorischen Nominalverzinsung auf der Basis seines Anschaffungsrestwertes durch vorrangige gesetzliche Vorgaben zur Gebührenkalkulation ausgeschlossen.

Ein derartiger Ausschluss folgt zwar weder aus dem Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG noch aus dem bei der Gebührenbemessung geltenden Äquivalenzprinzip.

Vgl. BVerwG, Beschluss vom 10. Mai 2006 – 10 B 56.05 -, NVwZ 2006, 936, juris Rn. 13 f.

Er ergibt sich auch nicht unmittelbar aus § 6 KAG NRW, insbesondere nicht aus dem Kostenüberschreitungsverbot des § 6 Abs. 1 Satz 3 KAG NRW,

vgl. OVG NRW, Urteile vom 5. August 1994 – 9 A 1248/92 -, a. a. O., juris Rn. 51 ff., und vom 19. Mai 1998 – 9 A 5709/97 -, a. a. O., juris Rn. 34 ff.,

oder einem aus § 6 Abs. 1 Satz 4 KAG NRW i. V. m. § 109 Abs. 1 Satz 2 GO NRW im Umkehrschluss ableitbaren Gewinnerzielungsverbot für nichtwirtschaftliche Einrichtungen der Gemeinde i. S. d. § 107 Abs. 2 Satz 1 GO NRW.

Vgl. zu Letzterem: Franz, Gewinnerzielung durch kommunale Daseinsvorsorge, 2005, S. 457 ff.; Schröder, Die Erhebung von Entwässerungsgebühren in Nordrhein-Westfalen, 2003, S. 278 f.

Denn weder ein solches Gewinnerzielungsverbot noch das Kostenüberschreitungsverbot des § 6 Abs. 1 Satz 3 KAG NRW regeln die hier streitige Frage, welche Kosten in einer Gebührenkalkulation ansatzfähig sind. Vielmehr setzen sie die anderweitige Regelung dieser Frage voraus.

Jedoch ergibt sich aus den haushaltsrechtlichen Vorschriften der Gemeindeordnung für das Land Nordrhein-Westfallen der Zweck der Abwassergebührenkalkulation, durch die zu vereinnahmenden Benutzungsgebühren nicht mehr als die dauerhafte Betriebsfähigkeit der öffentlichen Einrichtung der Abwasserbeseitigung sicherzustellen (dazu unter a)). Der gleichzeitige Ansatz einer kalkulatorischen Abschreibung des Anlagevermögens auf der Basis seines Wiederbeschaffungszeitwertes sowie einer kalkulatorischen Nominalverzinsung auf der Basis seines Anschaffungsrestwertes durch die Beklagte widerspricht diesem Kalkulationszweck, weil er zu einem danach unzulässigen doppelten Inflationsausgleich führt (dazu unter b)). Der Kalkulationszweck lässt beim gleichzeitigen Ansatz von kalkulatorischen Abschreibungen und Zinsen nur die Betriebserhaltungskonzeptionen der realen Kapitalerhaltung oder der reproduktiven Nettosubstanzerhaltung zu, zwischen denen die Gemeinde ein Wahlrecht hat (dazu unter c)).

a) Aus §§ 75 Abs. 1 Satz 1, 77 Abs. 2 Nr. 1 GO NRW folgt die kalkulatorische Zielvorgabe, durch die zu vereinnahmenden Benutzungsgebühren nicht mehr als die dauerhafte Betriebsfähigkeit der öffentlichen Einrichtung der Abwasserbeseitigung sicherzustellen.

Vgl. zu diesem Ansatz bereits: VG Gelsenkirchen, Urteil vom 5. November 1998 – 13 K 8767/96 -, a. a. O. (69); Wiesemann, in: NWVBl. 1998, 138 (140), sowie KStZ 1998, 227 (231); Schröder, a. a. O., S. 267; Brüning, a. a. O., § 6 KAG NRW Rn. 78; Brüning, in: GemHH 2021, 169 (170); vgl. hierzu auch: Gawel, in: VerwArch. 1995, 69 (78) m. w. N. in Fn. 41.

Nach § 75 Abs. 1 Satz 1 GO NRW hat die Gemeinde ihre Haushaltswirtschaft so zu planen und zu führen, dass die stetige Erfüllung ihrer Aufgaben gesichert ist. Dieser wichtigste und gegenüber anderen Haushaltsgrundsätzen vorrangige Haushaltsgrundsatz ist bei allen haushaltswirtschaftlich relevanten Maßnahmen der Gemeinde zu beachten und in jeder Phase haushaltswirtschaftlichen Verhaltens – mithin auch schon im Zeitpunkt der Finanz- und Haushaltsplanung – der Gemeinde einzuhalten. Der Haushaltsgrundsatz der Sicherstellung einer stetigen Aufgabenerfüllung stellt für die Gemeinde eine zwingend zu beachtende Rechtsnorm und nicht etwa nur eine allgemeine programmatische Absichtserklärung bzw. Zielsetzung des Gesetzgebers dar. Als verbindliche Rechtsnorm ist er auf seine Einhaltung hin gerichtlich überprüfbar. „Stetige Erfüllung“ bedeutet, dass die Aufgabenwahrnehmung nicht nur gegenwärtig, also im laufenden und bevorstehenden Haushaltsjahr, sichergestellt sein muss, sondern auch dauerhaft in der Zukunft. Der Grundsatz der Aufgabensicherung ist umfassend und erstreckt sich auf alle Aufgabenarten der Gemeinde.

Vgl. Diemert, in: Dietlein / Heusch, BeckOK Kommunalrecht Nordrhein-Westfalen, 19. Edition, Stand: 1. März 2022, § 75 GO NRW Rn. 5 f.; Knirsch, in: Rehn / Cronauge / Lennep / Knirsch, Gemeindeordnung Nordrhein-Westfalen – Kommentar, Loseblatt, Stand: Januar 2022, § 75 Rn. 12 u. 14; Klieve / Funke, in: Held / Winkel / Wansleben, Kommunalverfassungsrecht Nordrhein-Westfalen – Kommentar, Loseblatt, Stand: Dezember 2021, § 75 GO Erl. 1.1 u. 1.3.

Zu den in § 75 Abs. 1 Satz 1 GO NRW angesprochenen Aufgaben der Gemeinde gehört gemäß § 56 Satz 1 WHG i. V. m. § 46 Abs. 1 Satz 1 LWG NRW auch, das auf ihrem Gebiet anfallende Abwasser zu beseitigen. Eine stetige Erfüllung dieser Aufgabe ist nur möglich, wenn die Gemeinde ihre Abwasserbeseitigungseinrichtung, deren Betrieb nach § 107 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 GO NRW nicht als wirtschaftliche Betätigung gilt, auf Dauer in einem leistungs- bzw. betriebsfähigen Zustand erhält.

Vgl. hierzu auch: Diemert, a. a. O., § 75 GO NRW Rn. 6, wonach die in § 76 Abs. 2 Satz 1 und § 86 Abs. 1 Satz 2 GO NRW geforderte dauernde Leistungsfähigkeit der Gemeinde eine dauerhafte Aufgabenwahrnehmung i. S. d. § 75 Abs. 1 Satz 1 GO NRW sicherstellen soll.

Zur Erfüllung der Aufgabe der Abwasserbeseitigung hat die Gemeinde nach § 77 Abs. 2 Nr. 1 GO NRW die erforderlichen Finanzmittel, soweit vertretbar und geboten, aus selbst zu bestimmenden Entgelten für die von ihr erbrachten Leistungen zu beschaffen, soweit die sonstigen Finanzmittel nicht ausreichen. Da die Grundstücksentwässerung dem Vorteil der Grundstückseigentümer dient, hat die Gemeinde von ihnen für die Inanspruchnahme der öffentlichen Einrichtung der Abwasserbeseitigung gemäß §§ 4 Abs. 2, 6 Abs. 1 Satz 1 KAG NRW Benutzungsgebühren zu erheben, die zu den „selbst zu bestimmenden Entgelten“ i. S. d. § 77 Abs. 2 Nr. 1 GO NRW zählen.

Vgl. Diemert, a. a. O., § 77 GO NRW Rn. 12; Knirsch, a. a. O., § 77 Rn. 8; Klieve / Funke, a. a. O., § 77 GO Erl. 3.2.

Die in § 77 Abs. 2 GO NRW enthaltene Formulierung, dass die Gemeinde die „zur Erfüllung ihrer Aufgaben erforderlichen“ Finanzmittel zu beschaffen hat, weist darauf hin, dass die gesamte Haushaltswirtschaft und auch die Finanzmittelbeschaffung der steten Erfüllung der Aufgaben dient, daran auszurichten ist und durch diesen Rahmen begrenzt wird.

Vgl. Diemert, a. a. O., § 77 GO NRW Rn. 9.

Die Erhebung von Abwasserbeseitigungsgebühren darf demnach in Anbetracht der §§ 75 Abs. 1 Satz 1, 77 Abs. 2 Nr. 1 GO NRW nur erfolgen, soweit dies zur stetigen Erfüllung der gemeindlichen Aufgabe der Abwasserbeseitigung mit einer dauerhaft betriebsfähigen Abwasserbeseitigungseinrichtung erforderlich ist.

Diese Herleitung findet ihre Bestätigung darin, dass gemäß § 109 Abs. 1 Satz 1 GO NRW, der nach § 6 Abs. 1 Satz 4 KAG NRW (insgesamt) unberührt bleibt, die (nichtwirtschaftlichen) Einrichtungen der Gemeinde, worunter gemäß § 107 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 GO NRW auch die Einrichtung der Abwasserbeseitigung fällt, so zu führen, zu steuern und zu kontrollieren sind, dass der „öffentliche Zweck nachhaltig erfüllt“ wird.

Vgl. hierzu: Aengenvoort, in: NWVBl. 1997, 409 (413).

Denn der mit dieser Formulierung in § 109 Abs. 1 Satz 1 GO NRW enthaltene Grundsatz der Erhaltung der Funktionsfähigkeit von gemeindlichen Einrichtungen,

vgl. Wellmann, in: Rehn / Cronauge / Lennep / Knirsch, Gemeindeordnung Nordrhein-Westfalen – Kommentar, Loseblatt, Stand: Januar 2022,§ 109 Rn. 2,

ist letztlich Ausfluss des in § 75 Abs. 1 Satz 1 GO NRW statuierten allgemeinen Haushaltsgrundsatzes der Sicherstellung einer stetigen Aufgabenerfüllung durch die Gemeinde.

Vgl. Kaster, in: Dietlein / Heusch, BeckOK Kommunalrecht Nordrhein-Westfalen, 19. Edition, Stand: 1. März 2022, § 109 GO NRW Rn. 1.

Aus den zuvor genannten Vorschriften der Gemeindeordnung für das Land Nordrhein-Westfallen, deren Aussagegehalt über § 6 Abs. 1 Satz 4 KAG NRW – zumindest teilweise – auch unmittelbar Eingang in das Regelungssystem von § 6 KAG NRW gefunden hat, lässt sich daher für die der Erhebung von Abwasserbeseitigungsgebühren vorgelagerte Gebührenkalkulation die Zielvorgabe entnehmen, die zum stetigen bzw. nachhaltigen Betrieb der Einrichtung der Abwasserbeseitigung noch fehlenden erforderlichen Finanzmittel zu beschaffen. Die nach der Kalkulation zu vereinnahmenden Benutzungsgebühren sollen also nicht mehr als die dauerhafte Betriebsfähigkeit der öffentlichen Einrichtung der Abwasserbeseitigung sicherstellen.

b) Der von der Beklagten vorgenommene gleichzeitige Ansatz einer kalkulatorischen Abschreibung des Anlagevermögens auf der Basis seines Wiederbeschaffungszeitwertes sowie einer kalkulatorischen Nominalverzinsung auf der Basis seines Anschaffungsrestwertes ist mit dem vorstehend erläuterten Kalkulationsziel, durch die Abwassergebühren nicht mehr als die dauerhafte Betriebsfähigkeit der öffentlichen Einrichtung der Abwasserbeseitigung sicherzustellen, nicht vereinbar. Denn dieser Ansatz führt zu einem doppelten Inflationsausgleich – einmal über den Wiederbeschaffungszeitwert als Abschreibungsbasis, einmal über den Nominalzinssatz.

Vgl. hierzu die von Brüning, in: KStZ 1994, 201 (206 ff.), angestellten Berechnungen sowie Schulte / Wiesemann, in: Driehaus, Kommentar zum Kommunalabgabenrecht, Loseblatt, Stand: März 2022, § 6 KAG NRW Rn. 159b f.; vgl. auch Brüning, in: GemHH 2021, 169 (172).

Zur Erfüllung der gemeindlichen Aufgabe der Abwasserbeseitigung mit einer dauerhaft betriebsfähigen Abwasserbeseitigungseinrichtung bedarf es aber nur eines einfachen Inflationsausgleichs. Bei dem weiteren Inflationsausgleich handelt es sich daher um in der Gebührenkalkulation nicht ansatzfähige Kosten.

c) Der aus §§ 75 Abs. 1 Satz 1, 77 Abs. 2 Nr. 1 GO NRW abzuleitende Kalkulationszweck, durch die zu vereinnahmenden Abwassergebühren nicht mehr als die dauerhafte Betriebsfähigkeit der öffentlichen Einrichtung der Abwasserbeseitigung sicherzustellen, lässt beim gleichzeitigen Ansatz von kalkulatorischen Abschreibungen und Zinsen in der Gebührenkalkulation nur die Betriebserhaltungskonzeptionen der realen Kapitalerhaltung (dazu unter (1)) oder der reproduktiven Nettosubstanzerhaltung (dazu unter (2)) zu. Zwischen diesen beiden Betriebserhaltungskonzeptionen hat die Gemeinde ein Wahlrecht (dazu unter (3)).

(1) Nach der Betriebserhaltungskonzeption der realen Kapitalerhaltung gilt ein Betrieb als erhalten, wenn er das Fremdkapital und die Fremdkapitalzinsen an seine Kreditgeber zurückzahlen kann, das investierte Eigenkapital seiner Kaufkraft nach erhält und zudem eine angemessene Realverzinsung des Eigenkapitals erzielt. Nicht nur die Fremd-, sondern auch die Eigenkapitalzinsen sind in dieser Konzeption Nominalzinsen.

Vgl. Schröder, a. a. O., S. 287 f. m. w. N. zur betriebswirtschaftlichen Fachliteratur; vgl. hierzu auch: BDEW / VKU, Leitfaden zur Wasserpreiskalkulation, Stand: April 2012, S. 18 ff., sowie das als Anhang beigefügte Gutachten „Kalkulation von Trinkwasserpreisen – insbesondere die betriebswirtschaftliche Herangehensweise zur Bestimmung der Kapitalkosten“ der NERA Economic Consulting vom 23. Januar 2012, S. 18 ff. (im Internet abrufbar unter: https://www.vku.de/fileadmin/user_upload/VKU_BDEW_Leitfaden_Wasserpreiskalkulation.pdf); Brüning, a. a. O., § 6 KAG NRW Rn. 79.

Der durch die Nominalverzinsung herbeigeführte Kaufkrafterhalt des in die Anlagegüter investierten Kapitals stellt die dauerhafte Betriebsfähigkeit der öffentlichen Einrichtung der Abwasserbeseitigung sicher. Um einen doppelten Inflationsausgleich, der zur Erreichung des vorstehenden Kalkulationszwecks nicht erforderlich ist, zu vermeiden, werden kalkulatorische Abschreibungen auf Anschaffungswerte verbunden mit einer kalkulatorischen Nominalverzinsung des jeweiligen Restkapitals auf Anschaffungswertbasis (sog. Anschaffungswertmodell oder Nominalzinsmethode).

Vgl. hierzu bereits: VG Gelsenkirchen, Urteile vom 8. Juni 1995 – 13 K 3903/94 -, a. a. O. (484), vom 9. Oktober 1997 – 13 K 3766/95 -, a. a. O. (34), und vom 5. November 1998 – 13 K 8767/96 -, a. a. O. (70); Wiesemann, in: NWVBl. 1998, 138 (143 f.), sowie KStZ 1998, 227 (235 f.).

Nach den Ausführungen des vom Senat beauftragten Sachverständigen auf Seite 13 ff. seines schriftlichen Gutachtens vom 20. Oktober 2021 sowie in der mündlichen Verhandlung entspricht die Betriebserhaltungskonzeption der realen Kapitalerhaltung betriebswirtschaftlichen Grundsätzen i. S. d. § 6 Abs. 2 Satz 1 KAG NRW. Dies gilt insbesondere für die in diesem Rahmen vorgenommene kalkulatorische Abschreibung auf Anschaffungswerte.

Vgl. zu Letzterem auch: Wöhe, a. a. O., S. 868 f.

Von der Zulässigkeit einer kalkulatorischen Abschreibung auf Anschaffungswerte ist im Übrigen auch der historische Gesetzgeber bei Einführung des § 6 KAG NRW ausgegangen.

Vgl. Landtag Nordrhein-Westfalen, Drucksache Nr. 810 vom 9. Juli 1968, S. 6 f. u. 35, Vorlage Nr. 903 vom 3. März 1969, S. 8 f., sowie Drucksache Nr. 1493 vom 30. September 1969, S. 10.

(2) Nach der ebenfalls mit dem Kalkulationsziel vereinbaren Betriebserhaltungskonzeption der reproduktiven Nettosubstanzerhaltung gilt ein Betrieb als erhalten, wenn er das Fremdkapital und die Fremdkapitalzinsen an seine Kreditgeber zurückzahlen kann, er finanziell in der Lage ist, sich am Ende der Abschreibungsdauer der mit Eigenkapital finanzierten Betriebsmittel solche Betriebsmittel in gleicher Menge und Qualität wieder zu beschaffen, und zudem eine angemessene Realverzinsung des Eigenkapitals erzielt. In dieser Konzeption sind die Fremdkapitalzinsen Nominalzinsen, die Eigenkapitalzinsen aber nur Realzinsen.

Vgl. Schröder, a. a. O., S. 288 f. m. w. N. auf die betriebswirtschaftliche Fachliteratur; vgl. hierzu auch: BDEW / VKU, Leitfaden zur Wasserpreiskalkulation, Stand: April 2012, S. 18 ff., sowie das als Anhang beigefügte Gutachten „Kalkulation von Trinkwasserpreisen – insbesondere die betriebswirtschaftliche Herangehensweise zur Bestimmung der Kapitalkosten“ der NERA Economic Consulting vom 23. Januar 2012, a. a. O., S. 18 ff.; Brüning, a. a. O., § 6 KAG NRW Rn. 80 f.

Die individuelle Teuerungsrate (güterspezifische Preissteigerung) der verbrauchten eigenkapitalfinanzierten Betriebsmittel wird dadurch ausgeglichen, dass kalkulatorische Abschreibungen auf deren Wiederbeschaffungszeitwerte verbunden werden mit einer kalkulatorischen Realverzinsung des Restkapitals auf Wiederbeschaffungszeitwertbasis. In ihrer Reinform erfordert diese Betriebserhaltungskonzeption, mit der nur die Substanz des durch Eigenkapital finanzierten Vermögens erhalten wird, eine Differenzierung nach der jeweiligen Finanzierungsart, also nach Eigen- und Fremdkapital. Alternativ denkbar in der Gebührenkalkulation wäre aus Praktikabilitätserwägungen aber auch, die eigen- und fremdkapitalfinanzierten Betriebsmittel insgesamt mit den Wiederbeschaffungszeitwerten abzuschreiben und unabhängig von der Finanzierungsart eine kalkulatorische Realverzinsung des Restkapitals auf Wiederbeschaffungszeitwertbasis anzusetzen (sog. Wiederbeschaffungszeitwertmodell oder Realzinsmethode).

Vgl. hierzu bereits: VG Gelsenkirchen, Urteile vom 8. Juni 1995 – 13 K 3903/94 -, a. a. O. (484), vom 9. Oktober 1997 – 13 K 3766/95 -, a. a. O. (34), und vom 5. November 1998 – 13 K 8767/96 -, a. a. O. (70); Wiesemann, in: NWVBl. 1998, 138 (143 f.) sowie KStZ 1998, 227 (235 f.).

Bei letzterer Variante kann die Differenz zwischen den an die Kreditgeber zu zahlenden Nominalzinsen und den für die kalkulatorische Fremdkapitalverzinsung angesetzten Realzinsen dadurch ausgeglichen werden, dass als Abschreibungs- und Verzinsungsbasis für die fremdkapitalfinanzierten Betriebsmittel nicht deren Anschaffungswerte, sondern deren – in der Regel höhere – Wiederbeschaffungszeitwerte angesetzt werden.

Damit stellt der Wiederbeschaffungszeit(rest)wert als Basis sowohl der kalkulatorischen Abschreibungen als auch der kalkulatorischen Zinsen die dauerhafte Betriebsfähigkeit der öffentlichen Einrichtung der Abwasserbeseitigung sicher. Zur Vermeidung eines doppelten Inflationsausgleichs erfolgt eine Verzinsung des eingesetzten Eigen- (und ggf. Fremd-) kapitals aber lediglich zu einem Realzinssatz.

Nach den Ausführungen des vom Senat beauftragten Sachverständigen in der mündlichen Verhandlung entspricht die Betriebserhaltungskonzeption der reproduktiven Nettosubstanzerhaltung, insbesondere die in diesem Rahmen vorgenommene kalkulatorische Verzinsung auf Wiederbeschaffungsrestwertbasis mit einem Realzinssatz, auch betriebswirtschaftlichen Grundsätzen i. S. d. § 6 Abs. 2 Satz 1 KAG NRW.

Vgl. hierzu auch: Coenenberg / Fischer / Günther, a. a. O., S. 103 f., die bei der kalkulatorischen Verzinsung unter Substanzerhaltungsgesichtspunkten zur Vermeidung eines doppelten Inflationsausgleichs entweder die Kombination Nominalzinssatz i. V. m. historischen Anschaffungs- / Herstellungskosten des betriebsnotwendigen Kapitals oder die Kombination Realzins i. V. m. Zeitwerten des betriebsnotwendigen Kapitals empfehlen.

Zwar wird auch die über die (reproduktive) Nettosubstanzerhaltung hinausgehende (reproduktive) Bruttosubstanzerhaltung nach dem schriftlichen Ergänzungsgutachten des Sachverständigen vom 22. April 2022 (Seite 5) in der Betriebswirtschaftslehre nach wie vor mit beachtlichem Gewicht vertreten. Sie steht aber im Widerspruch zu der zuvor unter a) hergeleiteten kalkulatorischen Zielvorgabe und ist damit aus rechtlichen Gründen ausgeschlossen.

Bei der (reproduktiven) Bruttosubstanzerhaltung wird die Substanz des gesamten Vermögens erhalten, es werden also güterspezifische Preissteigerungen sowohl für das eigenfinanzierte als auch für das fremdfinanzierte Anlagevermögen angesetzt. Die kalkulatorische Abschreibung von fremdfinanziertem Anlagevermögen erfolgt mit seinem Wiederbeschaffungszeitwert bei gleichzeitiger kalkulatorischer Verzinsung seines Anschaffungsrestwertes mit einem Nominalzinssatz, dem effektiven Kreditzinssatz.

Vgl. dazu Schröder, a. a. O., S. 289 und 313 m. w. N.; Brüning, a. a. O., § 6 KAG NRW Rn. 81; BDEW / VKU, Leitfaden zur Wasserpreiskalkulation, a. a. O., S. 18.

Dies widerspricht dem hier zu beachtenden Kalkulationsziel. Denn das im fremdfinanzierten Anlagevermögen der gemeindlichen Abwasserbeseitigungseinrichtung gebundene Kapital bleibt bereits beim Fremdkapitalgeber seiner Kaufkraft nach dadurch erhalten, dass die Gemeinde dem Fremdkapitalgeber Nominalzinsen bezahlt, welche einen allgemeinen Inflationsausgleich beinhalten. Die Betriebserhaltung wird damit insoweit auf den Fremdkapitalgeber „abgewälzt“.

So auch: Busse von Colbe, in: NWVBl. 1995, 161 (162).

Eine weitere Erhaltung des fremdfinanzierten Anlagevermögens durch die Abschreibung mit Wiederbeschaffungszeitwerten, welche dazu führt, dass die Gemeinde die individuelle Teuerungsrate der abgeschriebenen fremdkapitalfinanzierten Anlagegüter zusätzlich – über den für die Schuldtilgung erforderlichen Betrag hinaus – vereinnahmt und damit Fremd- in Eigenkapital umwandelt,

vgl. hierzu auch Brüning, in: GemHH 2021, 169 (171),

ist zur Sicherstellung der dauerhaften Betriebsfähigkeit der öffentlichen Einrichtung der Abwasserbeseitigung nicht erforderlich. Denn hinsichtlich des fremdfinanzierten Anlagevermögens trägt die Gemeinde weder das Inflations- noch das Preisrisiko.

Vgl. Schröder, a. a. O., S. 313; vgl. hierzu auch: Brüning, a. a. O., § 6 KAG NRW Rn. 81.

Vielmehr kann sie am Ende der Abschreibungsdauer der mit Fremdkapital finanzierten Anlagegüter solche Anlagegüter in gleicher Menge und Qualität wiederum fremdfinanzieren und die entsprechenden Fremdfinanzierungskosten zulässigerweise in die Abwassergebührenkalkulation einstellen.

(3) Zwischen den beiden vorstehend unter (1) und (2) dargestellten Betriebserhaltungskonzeptionen und den ihnen entsprechenden Modellen bzw. Methoden hat die Gemeinde ein Wahlrecht. Ein Unterschied zwischen beiden Konzeptionen ergibt sich nicht, wenn die spezielle Preissteigerung der verbrauchten eigen- (und fremd-) kapitalfinanzierten Anlagegüter der allgemeinen Preissteigerung entspricht. Ist die spezielle Preissteigerung höher, wird ein Gebührenaufkommen, das sich an der Betriebserhaltungskonzeption der reproduktiven Nettosubstanzerhaltung ausrichtet, der stetigen Aufgabenerfüllung besser gerecht. Liegt die spezielle Preissteigerung der verbrauchten eigen- (und fremd-) kapitalfinanzierten Anlagegüter unter der allgemeinen Preissteigerung, spricht dies für die Wahl der Betriebserhaltungskonzeption der realen Kapitalerhaltung.

Vgl. Brüning, a. a. O., § 6 KAG NRW Rn. 80, sowie Schulte / Wiesemann, a. a. O., § 6 KAG NRW Rn. 159d; vgl. hierzu auch die von Brüning, in: KStZ 1994, 201 (206 ff.) angestellten Berechnungen.

3. Seine bisherige Rechtsprechung, wonach in einer Benutzungsgebührenkalkulation eine kalkulatorischen Abschreibung des Anlagevermögens auf der Basis seines Wiederbeschaffungszeitwertes mit einer kalkulatorischen Nominalverzinsung auf der Basis seines Anschaffungsrestwertes kombiniert werden darf,

vgl. etwa: OVG NRW, Urteile vom 5. August 1994 – 9 A 1248/92 -, a. a. O., vom 1. September 1999 – 9 A 5715/98 -, a. a. O., und vom 13. April 2005 – 9 A 3120/03 -, NWVBl. 2006, 17, juris,

gibt der Senat ausdrücklich auf.

Der Senat hatte diese Rechtsprechung zunächst damit gerechtfertigt, dass kalkulatorische Abschreibungen – mit der (reproduktiven) Substanzerhaltung – und kalkulatorische Zinsen – mit der Gewährleistung eines Ausgleichs für die durch die Aufbringung des in der Anlage gebundenen Kapitals seitens der Gemeinde zu tragenden finanziellen Belastungen – unterschiedliche Zwecke verfolgten und deshalb in ihrer jeweiligen finanzwirtschaftlichen Funktion zu trennen seien.

Vgl. OVG NRW, Urteil vom 1. September 1999 – 9 A 5715/98 -, juris Rn. 73 f.

Dabei hatte der Senat aber nicht in Betracht gezogen, dass bereits durch jeden dieser beiden Zwecke die aus §§ 75 Abs. 1 Satz 1, 77 Abs. 2 Nr. 1 GO NRW folgende kalkulatorische Zielvorgabe, durch die zu vereinnahmenden Benutzungsgebühren nicht mehr als die dauerhafte Betriebsfähigkeit der öffentlichen Einrichtung sicherzustellen, alleine vollständig erreicht werden kann.

Soweit der Senat in seiner bisherigen Rechtsprechung darüber hinaus darauf abgestellt hat, es sei vom historischen Gesetzgeber des § 6 KAG NRW ausweislich der Gesetzesmaterialien so gewollt, dass sowohl über den Wiederbeschaffungszeitwert als auch über den Nominalzins ein (doppelter) Inflationsausgleich stattfinde, um die Einnahmesituation der Gemeinden zu stärken bzw. ihre Eigenkapitalausstattung zu steigern, vermag der Senat in seiner aktuellen Besetzung dem nicht zu folgen:

Denn in dem in der bisherigen Senatsrechtsprechung,

vgl. etwa: OVG NRW, Urteil vom 1. September 1999 – 9 A 5715/98 -, juris Rn. 120 f.,

zur Begründung angeführten Protokoll über die 53. Sitzung des Kommunalpolitischen Ausschusses des Landtags Nordrhein-Westfalen am 13. März 1969 (Nr. 1126/69), Seite 28, geht es nur um den Erhalt des Eigenkapitalanteils der Gemeinde am betriebsnotwendigen Kapital durch die Möglichkeit einer kalkulatorischen Abschreibung des Anlagevermögens von dessen Wiederbeschaffungszeitwert, nicht aber um die Steigerung der Eigenkapitalausstattung der Gemeinden darüber hinaus. Überdies wird auf Seite 27 dieses Protokolls ausgeführt, „für die Gemeinden sei es, außer bei den wirtschaftlichen Unternehmen, unzulässig, einen Gewinnaufschlag in die Kosten einzubeziehen.“

Unergiebig ist auch das in der bisherigen Senatsrechtsprechung,

vgl. etwa: OVG NRW, Urteil vom 1. September 1999 – 9 A 5715/98 -, juris Rn. 118 f.,

angeführte Protokoll über die 57. Sitzung des Kommunalpolitischen Ausschusses des Landtags Nordrhein-Westfalen am 23. Mai 1969 (Nr. 1246/69), auf dessen Seite 2 es heißt, der durch die Verzinsung des Eigenkapitals entstehende Überschuss der Erträge über die Aufwendungen habe den „Sinn, der Finanzkraft der Gemeinde eine Expansion aus sich heraus zu ermöglichen“. Diese Wendung bezieht sich nur auf den – im späteren Gesetzgebungsverfahren auch abgelehnten – Änderungsvorschlag, von einer Verzinsung des Eigenkapitals gänzlich abzusehen,

vgl. Landtag Nordrhein-Westfalen, Vorlage Nr. 903 vom 3. März 1969, S. 8 f., sowie Drucksache Nr. 1493 vom 30. September 1969, S. 10,

und damit lediglich auf die Zulässigkeit der Eigenkapitalverzinsung an sich. Zur Zulässigkeit der Kombination von kalkulatorischen Abschreibungen des Anlagevermögens auf der Basis von Wiederbeschaffungszeitwerten mit kalkulatorischen Nominalzinsen auf Anschaffungsrestwertbasis und des damit einhergehenden doppelten Inflationsausgleichs ist damit nichts gesagt. Außerdem heißt es auf Seite 2 dieses Protokolls zuvor, dass „die Verzinsung des Eigenkapitals für den Gebührenhaushalt keinen Gewinn, sondern einen Kostenfaktor, nämlich einen Preis für die Überlassung von Kapital aus dem Steuerhaushalt darstelle“.

Davon abgesehen erscheint es dem Senat in seiner aktuellen Besetzung auch fraglich, ob von den in der bisherigen Senatsrechtsprechung als Begründung angeführten Äußerungen eines Ministerialrats im Innenministerium NRW vor dem seinerzeitigen Kommunalpolitischen Ausschuss des Landtags Nordrhein-Westfalen auf den Willen des historischen Gesetzgebers, also des damaligen Landtags, geschlossen werden kann.

Schließlich vermag den Senat in seiner aktuellen Besetzung auch die in der bisherigen Senatsrechtsprechung,

vgl. etwa: OVG NRW, Urteil vom 13. April 2005 – 9 A 3120/03 -, a. a. O., juris Rn. 37 ff.,

angeführte Begründung nicht zu überzeugen, es hätte nahe gelegen, dass der Landesgesetzgeber eine ausdrückliche (andersgeartete) Regelung zum Umfang der Ansatzfähigkeit der kalkulatorischen Kosten in das Kommunalabgabengesetz eingefügt hätte, wenn er die bisherige Senatsrechtsprechung als nicht haltbar angesehen hätte. Denn eine spätere Änderung von § 6 KAG NRW ist nicht daran gescheitert, dass die bisherige Senatsrechtsprechung einschließlich der Ermittlung des Willens des historischen Gesetzgebers vom Landesgesetzgeber für zutreffend erachtet wurde, sondern an anderen politischen Gründen.

Vgl. hierzu: Landtag Nordrhein-Westfalen, Ausschussprotokoll Nr. 13/1312, S. 13 Mitte und S. 14 oben; Brüning, in: GemHH 2021, 169 (174).

II. Der in der Gebührenkalkulation der Beklagten bei der Fremd- und Eigenkapitalverzinsung angewandte Einheitszinssatz von 6,52 % ist nicht mehr angemessen i. S. d. § 6 Abs. 2 Satz 4 1. Halbs. a. E. KAG NRW. Den erheblichen Spielraum beim Ansatz der kalkulatorischen Verzinsung des aufgewandten Kapitals (dazu 1.) hat die Beklagte hier überschritten (dazu 2.).

1. Nach § 6 Abs. 2 Satz 4 KAG NRW gehört zu den ansatzfähigen Kosten auch eine angemessene Verzinsung des aufgewandten Kapitals, wobei der aus Beiträgen und Zuschüssen Dritter aufgebrachte Eigenkapitalanteil außer Betracht bleibt (sog. Abzugskapital). Mit dem Begriff „angemessene Verzinsung“ des aufgewandten Kapitals, das sowohl das Fremd- als auch das Eigenkapital umfasst, gesteht das Gesetz den Gemeinden einen Beurteilungsspielraum zum eigenverantwortlichen Tätigwerden zu, der seine Grenze erst im Willkürverbot findet.

Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 22. Januar 2007 – 9 A 3224/04 -, juris Rn. 72; vgl. auch: BayVGH, Beschluss vom 23. Oktober 2018 – 20 N 17.621 -, BayVBl. 2019, 312, juris Rn. 18 ff.

Dabei hat die Gemeinde ein Wahlrecht zwischen einem einheitlichen Zinssatz für die gemeinsame Verzinsung von Eigen- und Fremdkapital oder getrennten Zinssätzen für die jeweils eigene Verzinsung von Eigen- bzw. Fremdkapital.

Die Verzinsung mit einem einheitlichen Zinssatz kann beispielsweise dadurch erfolgen, dass der von der Gemeinde für die Verzinsung des Eigenkapitals ermittelte Zinssatz – etwa aus dem mehrjährigen Durchschnitt der Emissionsrenditen für festverzinsliche Wertpapiere inländischer öffentlicher Emittenten als sicherer und längerfristiger Anlageform auf dem Kapitalmarkt – aus Gründen der Verwaltungspraktikabilität auch bei der Verzinsung des Fremdkapitals zugrunde gelegt wird.

Vgl. Brüning, a. a. O., § 6 KAG NRW Rn. 150; Schröder, a. a. O., S. 410 ff.

Ein derartiges Vorgehen erscheint auch deshalb sachlich gerechtfertigt, weil der Anteil des Fremdkapitals an dem insgesamt zu verzinsenden Kapital in der Regel deutlich kleiner ist als der Anteil des Eigenkapitals.

Vgl. hierzu: Brand / Salzgeber, KfW Research – Fokus Volkswirtschaft, Nr. 360 vom 20. Dezember 2021, „Finanzierung öffentlicher Investitionen: Kredite allein helfen den Kommunen nicht“, S. 1 f., wonach die Kommunen im Jahr 2020 rund 15 % des Investitionsvolumens über Kredite finanzierten, im langfristigen Durchschnitt eher 20 %, und andere Fremdfinanzierungsinstrumente wie Schuldscheindarlehen oder Anleihen durchschnittlich deutlich weniger als 5 % des Investitionsvolumens ausmachen.

So hat auch die Beklagte im vorliegenden Verfahren in ihrem Schriftsatz vom 8. Mai 2017 den Anteil des fremdkapitalfinanzierten Anlagevermögens mit 27,56 % und den Anteil des mit eigenen Mitteln finanzierten Anlagevermögens mit 72,44 % angegeben.

Alternativ kann als einheitlicher Zinssatz auch ein gewichteter Mischzinssatz aus den von der Gemeinde für die Verzinsung des Eigen- bzw. Fremdkapitals jeweils ermittelten Zinssätzen angewendet werden.

Die Gemeinde kann hierbei die Gewichtung nach dem Anteil des Eigen- bzw. Fremdkapitals an dem im Anlagevermögen der Abwasserbeseitigungseinrichtung noch gebundenen Kapital vornehmen, wenn sie diese Anteile konkret berechnen kann. Das setzt die Zuordnung der Finanzierungsart (Eigen- bzw. Fremdfinanzierung) zu bestimmten Investitionsmaßnahmen voraus, welche nach dem haushaltsrechtlichen Grundsatz der Gesamtdeckung aber nicht erforderlich ist.

Vgl. zu diesem Problem bereits: OVG NRW, Urteile vom 5. August 1994 – 9 A 1248/92 -, a. a. O., juris Rn. 83, sowie vom 22. September 1999 – 3 A 3625/97 -, NWVBl. 2000, 380, juris Rn. 12; einschränkend OVG NRW, Beschluss vom 22. August 2003 – 9 A 4766/99 -, juris Rn. 45.

Nach diesem Grundsatz dienen die im Haushaltsplan (Finanzplan) ausgewiesenen Einzahlungen aus der Aufnahme von Krediten nämlich insgesamt der Deckung der dort ausgewiesenen Auszahlungen für die Investitionstätigkeit. Die Kredite werden von der Gemeinde mithin regelmäßig für die gesetzlich zulässigen Zwecke insgesamt aufgenommen und nicht etwa für bestimmte einzelne Investitionen oder Umschuldungsvorhaben.

Vgl. Knirsch, a. a. O., § 86 Rn. 7.

Dieser Grundsatz des kommunalen Haushaltsrechts war bis zum 31. Dezember 2018 in § 20 der Verordnung über das Haushaltswesen der Gemeinden im Land Nordrhein-Westfalen (Gemeindehaushaltsverordnung Nordrhein-Westfalen – GemHVO NRW) normiert und ist seit dem 1. Januar 2019 in § 20 der Verordnung über das Haushaltswesen der Kommunen im Land Nordrhein-Westfalen (Kommunalhaushaltsverordnung Nordrhein-Westfalen – KomHVO NRW) geregelt.

Gleichwohl zeigt die Praxis, dass trotz des haushaltsrechtlichen Grundsatzes der Gesamtdeckung in manchen Gemeinden eine Aufschlüsselung von Fremd- und Eigenkapitalfinanzierung im Hinblick auf das Anlagevermögen der Abwasserbeseitigungseinrichtung (etwa anhand von Nebenaufzeichnungen) erfolgt.

Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 22. August 2003 – 9 A 4766/99 -, juris Rn. 45; Schröder, a. a. O., S. 325 ff. u. 411 f., m. w. N.

Sollte der Gemeinde die konkrete Berechnung des Eigen- bzw. Fremdkapitalanteils an dem im Anlagevermögen der Abwasserbeseitigungseinrichtung noch gebundenen Kapital nicht möglich oder diese mit einem zu hohen Verwaltungsaufwand verbunden sein, kann sie in Konsequenz des Gesamtdeckungsprinzips stattdessen den Eigen- bzw. Fremdkapitalanteil an ihrem gesamten Anlagekapital zu einem bestimmten Stichtag (z. B. 31. Dezember des Vorvorjahres des Veranlagungsjahres) zugrunde legen. Für die Verzinsung des Fremdkapitals kann dann ein nach den jeweiligen Kreditsummen gewichteter Durchschnittszinssatz aus den Zinssätzen aller Investitionskredite der Gemeinde zu einem bestimmten Stichtag (z. B. 31. Dezember des Vorvorjahres des Veranlagungsjahres) ermittelt werden. Sind alle Investitionen einer Gemeinde zu einem bestimmten Prozentsatz fremdfinanziert, rechtfertigt dies nämlich aus Gründen der Verwaltungspraktikabilität die Annahme, auch die Aufwendungen für Investitionen in die Abwasserbeseitigungseinrichtung seien in diesem Umfang fremdfinanziert, und zwar zu einem Zinssatz, der sich aus den gewichteten durchschnittlichen Konditionen aller Investitionskredite der Gemeinde ergibt.

Vgl. hierzu: BVerwG, Urteile vom 23. August 1990 – 8 C 4.89 -, BVerwGE 85, 306, juris Rn. 14, und vom 18. März 2009 – 9 C 4.08 -, BVerwGE 133, 280, juris Rn. 14 ff. (für das Erschließungsbeitragsrecht).

So ist vorliegend ursprünglich auch die Beklagte verfahren, um den von ihr zunächst erwogenen einheitlichen Mischzinssatz (5,35 %) zu berechnen (vgl. hierzu die Schriftsätze der Beklagten vom 4. und 16. Mai 2022).

Bei einer Verzinsung mit getrennten Zinssätzen können etwa die von der Gemeinde in dem Kalkulationszeitraum zur Finanzierung des Anlagevermögens der Abwasserbeseitigungseinrichtung tatsächlich zu zahlenden Fremdkapitalzinsen in Ansatz gebracht werden,

so schon: Landtag Nordrhein-Westfalen, Drucksache Nr. 810 vom 9. Juli 1968, S. 36,

wenn die Gemeinde diese Zinsen – trotz des haushaltsrechtlichen Grundsatzes der Gesamtdeckung – konkret ermitteln kann. Alternativ kann von der Gemeinde für die Verzinsung des Fremdkapitals ein nach den jeweiligen Kreditsummen gewichteter Durchschnittszinssatz aus den Zinssätzen der von ihr zur Fremdfinanzierung des Anlagevermögens der Abwasserbeseitigungseinrichtung aufgenommenen Kredite ermittelt werden, wenn der Gemeinde eine solche Ermittlung – ungeachtet des Gesamtdeckungsprinzips – möglich ist.

Demgegenüber gibt es nach den Erkenntnissen des Senats keine validen, öffentlichen Daten zum langjährigen durchschnittlichen Zinsniveau für Kommunalkredite, die einer Gebührenkalkulation allgemein – vergleichbar dem Durchschnitt der Emissionsrenditen der Anleihen der öffentlichen Hand nach den Statistiken der Deutschen Bundesbank für die Verzinsung des Eigenkapitals – zugrunde gelegt werden könnten. Weder die Deutsche Bundesbank noch das Statistische Bundesamt noch Förderbanken wie die Kreditanstalt für Wiederaubau (KfW) veröffentlichen derartige Daten. Den Rückgriff auf die veröffentlichten Statistiken zu Kreditzinsen von privaten Haushalten (Wohnungsbaukredite, Konsumentenkredite) oder von Unternehmen (nichtfinanzielle Kapitalgesellschaften) hält der Senat wegen fehlender Vergleichbarkeit für fragwürdig. Abgesehen davon wären Durchschnittswerte wenig aussagekräftig, da Kommunen je nach gewählter Laufzeit der Fremdfinanzierung und je nach Verschuldungsgrad ganz unterschiedliche Zinssätze zahlen.

2. Der von der Beklagten bei der kalkulatorischen Verzinsung angewandte einheitliche Nominalzinssatz für Fremd- und Eigenkapital von 6,52 % ist nicht mehr sachlich gerechtfertigt.

Diesen Zinssatz hat die Beklagte auf der Grundlage der bisherigen Rechtsprechung ermittelt (dazu unter a)), die der Senat aber nunmehr in wesentlichen Teilen aufgibt (dazu unter b)).

a) Die Beklagte hat in der Gebührenkalkulation entsprechend der langjährigen Senatsrechtsprechung,

vgl. etwa: OVG NRW, Urteile vom 5. August 1994 – 9 A 1248/92 -, a. a. O., juris Rn. 83, und vom 1. September 1999 – 9 A 5715/98 -, juris Rn. 178 ff., Beschluss vom 22. August 2003 – 9 A 4766/99 -, juris Rn. 39 ff., Urteile vom 14. Dezember 2004 – 9 A 4187/01 -, NWVBl. 2005, 219, juris Rn. 59 ff., und vom 13. April 2005 – 9 A 3120/03 -, a. a. O., juris Rn. 61 ff., Beschluss vom 22. Januar 2007 – 9 A 3224/04 -, juris Rn. 62 ff.,

sowohl das Eigen- als auch das Fremdkapital mit einem einheitlichen Nominalzinssatz von 6,52 % kalkulatorisch verzinst. Diesen Zinssatz hat sie ermittelt aus dem fünfzigjährigen Durchschnitt der Emissionsrenditen für festverzinsliche Wertpapiere inländischer öffentlicher Emittenten bis zum Vorvorjahr (2015) des Veranlagungsjahres (2017) i. H. v. 6,02 % zuzüglich eines (pauschalen) Zuschlags von 0,5 Prozentpunkten, um dem Umstand Rechnung zu tragen, dass wegen der die Anlagezinsen regelmäßig übersteigenden Kommunalkreditzinsen der Fremdkapitalanteil zu einem höheren Zinssatz zu berücksichtigen sei.

Wie das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen in seinem erstinstanzlichen Urteil (Seite 11 des Urteilabdrucks) zutreffend ausgeführt hat, ist der Beklagten bei der Zinssatzermittlung allerdings ein geringfügiger Fehler (Überhöhung um 0,066 Prozentpunkte) dadurch unterlaufen, dass sie zur Berechnung des fünfzigjährigen Durchschnitts der Emissionsrenditen für festverzinsliche Wertpapiere inländischer öffentlicher Emittenten nicht auf die von der Deutschen Bundesbank veröffentlichten Daten,

vgl. Deutsche Bundesbank, Kapitalmarktkennzahlen Mai 2022, Statistische Fachreihe, Tabelle II. 1.: Emissionsrenditen nach Wertpapierarten, Spalte: Anleihen der öffentlichen Hand zusammen, im Internet abrufbar unter https://www.bundesbank.de/de/publikationen/statistischefachreihen,

zurückgegriffen hat, sondern auf die von der Gemeindeprüfungsanstalt Nordrhein-Westfalen (GPA NRW) zur Verfügung gestellten Daten, denen aber versehentlich nicht die von der Deutschen Bundesbank veröffentlichten Werte der Emissionsrenditen „Anleihen der öffentlichen Hand zusammen“, sondern (nur) die Werte der Emissionsrenditen „Öffentliche Pfandbriefe“ zugrunde lagen.

b) Davon abgesehen ist die Zinssatzermittlung der Beklagten zur Überzeugung des Senats nicht sachlich gerechtfertigt und geht damit über eine angemessene Verzinsung des aufgewandten Kapitals i. S. d. § 6 Abs. 2 Satz 4 KAG NRW hinaus. Die bisherige Senatsrechtsprechung wird größtenteils ausdrücklich aufgegeben. Wählt die Gemeinde – wie hier – einen einheitlichen Nominalzinssatz für die gemeinsame Verzinsung von Eigen- und Fremdkapital und orientiert sich dabei auch bei der Verzinsung des Fremdkapitals aus Gründen der Verwaltungspraktikabilität an dem für das Eigenkapital ermittelten Zinssatz, hält es der Senat nur für sachlich vertretbar, den zehnjährigen Durchschnitt der Emissionsrenditen für festverzinsliche Wertpapiere inländischer öffentlicher Emittenten bis zum Vorvorjahr des Veranlagungsjahres (dazu unter (1)) ohne einen (pauschalen) Zuschlag von bis zu ca. 0,5 Prozentpunkten (dazu unter (2)) zugrunde zu legen. Davon ausgehend ist der über einen einheitlichen kalkulatorischen Zinssatz von 2,42 % hinausgehende Zinsansatz durch die Beklagte unangemessen (dazu unter (3)).

(1) Der Senat hält die Ermittlung des einheitlichen Nominalzinssatzes aus dem fünfzigjährigen Durchschnitt der Emissionsrenditen für festverzinsliche Wertpapiere inländischer öffentlicher Emittenten bis zum Vorvorjahr des Veranlagungsjahres nicht für sachlich gerechtfertigt.

Grund für den Rückgriff auf den fünfzigjährigen Durchschnitt als Eigenkapitalzinssatz – der als Einheitszinssatz auch der kalkulatorischen Verzinsung des Fremdkapitals zugrunde gelegt wird – war nach der bisherigen Senatsrechtsprechung der Umstand, dass es sich um einen kalkulatorischen Zins handelt, der sich auf den gesamten Restbuchwert, mithin auf Anlagegüter unterschiedlichsten Alters bezieht. Für die Bestimmung des Zinssatzes könnten deshalb nicht die in der jeweiligen Gebührenperiode am Kapitalmarkt herrschenden Verhältnisse, sondern nur „langfristige“ Durchschnittsverhältnisse maßgebend sein.

Vgl. etwa: OVG NRW, Urteil vom 5. August 1994 – 9 A 1248/92 -, a. a. O., juris Rn. 83, Beschluss vom 22. August 2003 – 9 A 4766/99 -, juris Rn. 39 f., Urteile vom 14. Dezember 2004 – 9 A 4187/01 -, a. a. O., juris Rn. 59 f., und vom 13. April 2005 – 9 A 3120/03 -, a. a. O., juris Rn. 62 f.

Dieses alleinige Abstellen auf die mutmaßliche Nutzungs- bzw. Abschreibungsdauer von besonders langlebigen Anlagegütern der gemeindlichen Abwasserbeseitigungseinrichtung (wie z. B. Kanälen) lässt den Zweck des Ansatzes einer kalkulatorischen Verzinsung des Eigenkapitals in der Gebührenkalkulation außer Betracht. Es handelt sich um sogenannte Opportunitätskosten, worunter man betriebswirtschaftlich den entgangenen Nutzen aus der nicht realisierten bestmöglichen Alternativverwendung versteht.

Vgl. Wöhe, a. a. O., S. 867; Coenenberg / Fischer / Günther, a. a. O., S. 90.

In die Gebührenkalkulation werden also Kosten eingestellt, die der Gemeinde dadurch entstehen, dass sie auf eine anderweitige rentierliche Eigenkapitalverwendung verzichtet. Das in der Anlage gebundene Eigenkapital kann nicht zur Erfüllung anderweitiger öffentlicher Aufgaben eingesetzt werden und daher an anderer Stelle keine Zinserträge erwirtschaften bzw. Zinsleistungen für Fremdkapital ersparen.

Vgl. BVerwG, Beschluss vom 19. September 1983 – 8 B 117.82 -, KStZ 1984, 11, juris Rn. 5; Landtag Nordrhein-Westfalen, Drucksache Nr. 810 vom 9. Juli 1968, S. 36; BayVGH, Beschluss vom 23. Oktober 2018 – 20 N 17.621 -, a. a. O., juris Rn. 18; Brüning, in: GemHH 2021, 169 (171).

Grund für die Eigenkapitalverzinsung ist daher, dass die Gemeinde entweder das Kapital sicher und langfristig am Kapitalmarkt hätte anlegen und Habenzinsen erzielen oder es für eine andere öffentliche Aufgabe hätte verwenden können statt diese fremdzufinanzieren und Sollzinsen entrichten zu müssen.

Wird der kalkulatorische Eigenkapitalzinssatz – wie auch vorliegend durch die Beklagte – aus einem (fiktiven) Habenzinssatz – hier dem mehrjährigen Durchschnitt der Emissionsrenditen für festverzinsliche Wertpapiere inländischer öffentlicher Emittenten (Anleihen der öffentlichen Hand) als sicherer und längerfristiger Anlageform auf dem Kapitalmarkt – hergeleitet, ist also zu fragen, welche Anlagedauer die Gemeinde bei alternativer Anlage des Eigenkapitals am Kapitalmarkt in der vorgenannten Weise typischerweise gewählt hätte.

Dies zugrunde gelegt, hält der Senat die Ermittlung eines Eigenkapitalzinssatzes nur aus dem bis zu zehnjährigen Durchschnitt der Emissionsrenditen für festverzinsliche Wertpapiere inländischer öffentlicher Emittenten bis zum Vorvorjahr des Veranlagungsjahres für sachlich gerechtfertigt.

Anleihen der öffentlichen Hand decken nur das Laufzeitspektrum bis zu 30 Jahren ab; (ganz) überwiegend liegt die obere Laufzeitgrenze der von der öffentlichen Hand begebenen und sodann von den Anlegern gekauften Anleihen allerdings schon seit geraumer Zeit bei zehn Jahren.

Vgl. Grill / Perczynski, Wirtschaftslehre des Kreditwesens, 35. Auflage, 2001, S. 217 und 219; Deutsche Bundesbank, Monatsbericht Oktober 2006, S. 38 f., im Internet abrufbar unter: https://www.bundesbank.de/de/publikationen/berichte/monatsberichte/monatsberichtoktober-2006-692514; Büschgen, Das kleine Börsen-Lexikon, 23. Auflage, 2012, S. 63.

Dieser Befund wird bestätigt durch die von der Deutschen Bundesbank auf ihrer Internetseite veröffentlichte Zeitreihe „Gewogene durchschnittliche Restlaufzeit der in die Umlaufrendite einbezogenen Papiere / Anleihen der öffentlichen Hand“ (https://www.bundesbank.de/dynamic/action/de/statistiken/zeitreihendatenbanken/zeitreihendatenbank/723452/723452?tsId=BBSIS.M.I.UMR.DR.EUR.S13.B.A.A.R.A.A._Z._Z.A&listId=www_skms_it08f&dateSelect=2022). Danach lag die Restlaufzeit der in der Zeitreihe erfassten Anleihen der öffentlichen Hand mit Restlaufzeiten von drei bis maximal dreißig Jahren (Angabe in der E-Mail des Datenservicezentrums der Deutschen Bundesbank an den Senat vom 11. Mai 2022) im nach dem Volumen der jeweiligen Anleihen gewichteten Durchschnitt in den letzten zwanzig Jahren ungefähr bei zehn Jahren.

Demnach hätte eine Gemeinde in der Vergangenheit ihr Eigenkapital alternativ am Kapitalmarkt typischerweise in festverzinslichen Wertpapieren inländischer öffentlicher Emittenten (Anleihen der öffentlichen Hand) mit einer Laufzeit von zehn Jahren angelegt.

(2) Den (pauschalen) Zuschlag von bis zu ca. 0,5 Prozentpunkten, der dem Umstand Rechnung tragen sollte, dass wegen der die Anlagezinsen regelmäßig übersteigenden Kommunalkreditzinsen der Fremdkapitalanteil zu einem höheren Zinssatz zu berücksichtigen sei,

vgl. etwa: OVG NRW, Urteile vom 5. August 1994 – 9 A 1248/92 -, a. a. O., juris Rn. 83, und vom 13. April 2005 – 9 A 3120/03 -, a. a. O., juris Rn. 69 f., Beschluss vom 22. Januar 2007 – 9 A 3224/04 -, juris Rn. 70,

hält der Senat nicht mehr für sachlich gerechtfertigt. Denn durch diesen (pauschalen) Zuschlag findet eine Abkopplung von den tatsächlichen Verhältnissen am Kapitalmarkt statt, da es durchaus auch gesamtwirtschaftliche Phasen oder Situationen in einer einzelnen Gemeinde geben kann, in denen die (konkreten) Kommunalkreditzinsen unter dem ermittelten mehrjährigen Durchschnitt der Emissionsrenditen für festverzinsliche Wertpapiere inländischer öffentlicher Emittenten liegen.

Vgl. hierzu bereits: VG Düsseldorf, Urteil vom 12. Dezember 2018 – 5 K 12028/17 -, juris Rn. 127 f.

Sollte der von der Gemeinde ermittelte Fremdkapitalzinssatz den ermittelten Eigenkapitalzinssatz übersteigen, kann dem dadurch hinreichend Rechnung getragen werden, dass die Gemeinde – wie oben dargestellt – Eigen- und Fremdkapital mit jeweils eigenen Zinssätzen getrennt oder auch mit einem gewichteten Mischzinssatz im oben beschriebenen Sinne gemeinsam verzinst.

(3) Dies sowie die Entscheidung der Beklagten für einen einheitlichen Nominalzinssatz zugrunde gelegt, wäre in der Gebührenkalkulation ein einheitlicher kalkulatorischer Zinssatz für die Verzinsung von Fremd- und Eigenkapital von 2,42 % (= Durchschnitt der Emissionsrenditen der Anleihen der öffentlichen Hand aus den Jahren 2006 bis 2015 nach den von der Deutschen Bundesbank veröffentlichten Daten) anzusetzen gewesen.

Vgl. Deutsche Bundesbank, Kapitalmarktkennzahlen Mai 2022, Statistische Fachreihe, Tabelle II. 1.: Emissionsrenditen nach Wertpapierarten, Spalte: Anleihen der öffentlichen Hand zusammen, im Internet abrufbar unter https://www.bundesbank.de/de/publikationen/statistischefachreihen.

Soweit eine solche Verzinsung durch die tatsächlich erfolgte kalkulatorische Verzinsung mit einem Zinssatz von 6,52 % überschritten wird, handelt es sich um in der Gebührenkalkulation nicht ansatzfähige Kosten.

Im Übrigen steht die Überschuldung einer Gemeinde – entgegen der Auffassung des Klägers – dem Ansatz kalkulatorischer (fiktiver) Zinsen auf das in einer Anlage gebundene Eigenkapital nicht entgegen. Insoweit wird auf die zutreffenden Ausführungen des Verwaltungsgerichts Bezug genommen (Seite 8 f. des Urteilsabdrucks).

Dem Vorschlag des vom Senat beauftragten Sachverständigen in seinem schriftlichen Gutachten vom 20. Oktober 2021, den ermittelten kalkulatorischen (Eigenkapital-) Zinssatz um einen (pauschalen) Zuschlag für unternehmerische Marktrisiken – vorliegend z. B. Erdbeben-, Bergbau- und Starkregenrisiken für Abwasserkanäle im Ruhrgebiet – zu erhöhen (vgl. hierzu Seite 24 und 31 des Gutachtens), vermag der Senat nicht zu folgen. Denn die vom Sachverständigen beispielhaft benannten Risiken können von der Gemeinde durch den Abschluss entsprechender Versicherungen abgesichert werden, deren Prämien in die Gebührenkalkulation eingestellt werden können. Sollten keine entsprechenden Versicherungen existieren, käme allenfalls der Ansatz eines – im konkreten Einzelfall aber schwierig zu ermittelnden – kalkulatorischen Wagnisses in der Gebührenkalkulation in Betracht.

Vgl. hierzu: Schröder, a. a. O., S. 418 ff.

Alternativ kann die Gemeinde – bei schon entstandenen Schäden – die voraussichtlich entstehenden Reparaturaufwendungen in der Gebührenkalkulation in Ansatz bringen.

III. Eine unzulässige Kostenüberschreitung liegt auch darin, dass die Beklagte in ihrer Gebührenkalkulation versehentlich die kalkulatorischen Abschreibungen für Fahrzeuge und Geräte doppelt angesetzt hat. Die Beklagte hat diesen Kalkulationsfehler in ihrem Schriftsatz vom 20. April 2022 auf einen entsprechenden Hinweis des Senats auch ausdrücklich eingeräumt.

IV. Die durch die vorstehend unter I. bis III. benannten fehlerhaften Kostenansätze verursachte Kostenüberschreitung liegt jenseits der vom Senat in seiner Rechtsprechung,

vgl. etwa: OVG NRW, Urteile vom 5. August 1994 – 9 A 1248/92 -, a. a. O., juris Rn. 92, und vom 24. Juli 1995 – 9 A 2251/93 -, NWVBl. 1995, 470, juris Rn. 26,

angenommenen Bagatell- bzw. Toleranzgrenze, wonach Kostenüberschreitungen von bis zu 3 % als unerheblich angesehen werden und nicht zur Unwirksamkeit der Satzung führen. Dabei geht der Senat davon aus, dass der von der Beklagten in der Gebührenkalkulation gewählte einheitliche kalkulatorische Nominalzinssatz für die Verzinsung von Fremd- und Eigenkapital zulässigerweise nur mit 2,42 % anzusetzen gewesen wäre und wegen der Wahl eines Nominalzinssatzes die kalkulatorischen Abschreibungen nur von den jeweiligen Anschaffungswerten des Anlagevermögens hätten erfolgen dürfen. Zudem hätten die kalkulatorischen Abschreibungen für Fahrzeuge und Geräte nur einmal in Ansatz gebracht werden dürfen. Nach der von der Beklagten unter Beachtung dieser Maßgaben mit Schriftsatz vom 4. Mai 2022 vorgelegten Alternativberechnung belaufen sich die unter I. bis III. benannten fehlerhaften Kostenansätze insgesamt auf 1.024.973 Euro (= 977.885 Euro + 47.088 Euro), so dass der ursprünglich in der Gebührenkalkulation angesetzte Betrag der gebührenfähigen Kosten i. H. v. insgesamt 6.708.892 Euro um 1.024.973 Euro auf 5.683.919 Euro zu reduzieren ist. Der prozentuale Anteil der fehlerhaft angesetzten Kosten i. H. v. insgesamt 1.024.973 Euro an den damit zulässigerweise ansatzfähigen Gesamtkosten von 5.683.919 Euro beträgt 18,03 %.

Vgl. zur Berechnung der Fehlertoleranz bei der Gebührenkalkulation: BVerwG, Urteil vom 27. November 2019 – 9 CN 1.18 -, BVerwGE 167, 117, juris Rn. 16 (zum bayerischen Kommunalabgabengesetz).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Revision ist nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen hierfür (§ 132 Abs. 2 VwGO) nicht vorliegen.

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