Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht 5. Zivilsenat, 5 U 64/13 Rückforderungsansprüche der Bank bei eigenmächtiger Kontoüberziehung: Konkludente Duldung der Überziehung; Aufklärungspflicht der Bank über das Risiko der Darlehensverwendung; Ausführung von Überweisungen bei Überziehung der Darlehenssumme

Februar 3, 2018

Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht 5. Zivilsenat, 5 U 64/13

Rückforderungsansprüche der Bank bei eigenmächtiger Kontoüberziehung: Konkludente Duldung der Überziehung; Aufklärungspflicht der Bank über das Risiko der Darlehensverwendung; Ausführung von Überweisungen bei Überziehung der Darlehenssumme

Leitsatz

  1. Neben der geduldeten Überziehung auf einem laufenden Konto gibt es auch die – gesetzlich nicht geregelte – eigenmächtige bzw. ungenehmigte Überziehung. Wenn die Bank den entsprechenden Belastungen auf dem Konto des Kunden nicht unverzüglich widerspricht, wird aus der eigenmächtigen Überziehung (rückwirkend) eine konkludent geduldete Überziehung. 2. Die kreditgebende Bank ist grundsätzlich nicht verpflichtet, den Darlehensnehmer über Risiken der von ihm beabsichtigten Verwendung des Darlehens aufzuklären. Es besteht auch keine gesteigerte Aufklärungspflicht der Bank, wenn sie sowohl den Bauträger als auch den Darlehensnehmer finanziert. Eine Aufklärungs-/Warnpflicht der Bank ist nur ausnahmsweise dann gegeben, wenn im Einzelfall ein besonderes Aufklärungs- und Schutzbedürfnis des Darlehensnehmers besteht und nach Treu und Glauben ein entsprechender Hinweis der Bank geboten wäre.3. Die kreditgebende Bank ist nicht verpflichtet, bei Überschreitung der vereinbarten Darlehenssumme darüber hinausgehende Überweisungsaufträge des Kunden zurückzuweisen. Sie hat als bloße Darlehensgeberin gegenüber dem Darlehensbnehmer insoweit keine besondere Vermögensbetreuungspflicht

Tenor

  1. Die Beklagte wird gemäß § 522 Abs. 2 ZPO darauf hingewiesen, dass die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg bietet, die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat, die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts durch Urteil nicht erfordert und eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist. Der Senat beabsichtigt deshalb, die Berufung aus den nachfolgenden Gründen ohne mündliche Verhandlung durch einstimmigen Beschluss zurückzuweisen.
  2. Es besteht Gelegenheit zur Stellungnahme binnen zwei Wochen, sofern die Berufung nicht aus Kostengründen innerhalb der genannten Frist zurückgenommen werden sollte.

III. Der Senat beabsichtigt, den Streitwert für den zweiten Rechtszug auf 755,49 € festzusetzen.

Gründe

 

Die Berufung hat im Sinne von § 522 Abs. 2 ZPO offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg. Die Ausführungen der Beklagten aus der Berufungsbegründung vom 15. Juli 2013 rechtfertigen keine andere Entscheidung.

 

  1. Es bestehen bereits Bedenken gegen die Zulässigkeit der Berufung. Gemäß § 520 Abs. 3 Nr. 1 ZPO muss die Berufungsbegründung eine Erklärung enthalten, inwieweit das Urteil angefochten wird. Grundsätzlich kann die Anfechtung zwar auf einen Teil des Streitgegenstands beschränkt werden, dabei muss jedoch der quantitativ abgegrenzte Teil des Streitgegenstands konkret bezeichnet werden. Hier geht es um die Erstattung diverser Aufwendungsersatzansprüche gemäß §§ 675 c Abs. 1, 662, 670 BGB, die im Einzelnen im Tatbestand des angefochtenen Urteils aufgeführt sind (vgl. S. 2-4 des Urteils). Mit dem Berufungsantrag wird nicht deutlich, auf welchen Teil der zuerkannten Aufwendungsersatzansprüche sich der beschränkte Berufungsantrag beziehen soll.

 

  1. Zu Recht hat das Landgericht der Klägerin einen Anspruch auf Aufwendungsersatz gemäß §§ 675 c Abs. 1, 662, 670 BGB in Höhe von 34.955,49 € gegen die Beklagte zuerkannt.

 

Die Parteien haben unstreitig am 22./25. August 2010 einen Verbraucherdarlehensvertrag (§§ 491 ff. BGB) über 250.000,00 € zum Zwecke der Zwischenfinanzierung der Darlehensverträge bei der X- Bausparkasse AG abgeschlossen. Die Darlehensauszahlung erfolgte sukzessive in der Zeit vom 30. August 2010 bis 5. April 2011 vom Darlehenskonto Nr. 6728xxx. Insgesamt sind der Beklagten unstreitig 284.955,49 € zur Verfügung gestellt worden (= Auszahlungen an Bauträger und Werkunternehmer in Höhe von 279.955,49 € + 5.000,00 € Disagio). Damit war unstreitig die vereinbarte Darlehenssumme über 250.000,00 € überschritten, weshalb mit der Klage die Differenz in Höhe von 34.955,49 € geltend gemacht wird.

 

Unstreitig hat die Beklagte – trotz der objektiv bereits vorhandenen Überschreitung des vereinbarten Kreditrahmens von 250.000,00 € – der Klägerin entsprechende Überweisungsaufträge am 11. Oktober 2010 (an R- Nord über 14.320,00 € + 21.480,00 € = 35.800,00 €) und am 5. April 2011 (in Höhe von 241,78 € zugunsten des Heizungsinstallateurs B.) erteilt. Unstreitig hat die Klägerin die Überweisungsaufträge auch zeitnah ausgeführt.

 

Entsprechend den „Allgemeinen Bedingungen für Kredite und Darlehen“, die Bestandteil des Darlehensvertrages vom 22./25. August 2010 sind, haben die Parteien Folgendes vereinbart:

 

 

Kreditrahmen, Überschreitungen: Der Kreditnehmer kann Verfügungen nur im Rahmen des eingeräumten Kredits vornehmen. Sollte es dennoch zu einer Inanspruchnahme über den Rahmen des eingeräumten Kredits hinaus kommen, so ist der darüber hinausgehende Betrag unverzüglich an die Bank zu zahlen; für derartige Überziehungen fällt ein höherer Überziehungszins an, der sich nach der mit der Bank getroffenen Vereinbarung und den Informationen richtet, die die Bank dem Kreditnehmer übermittelt. Auch wenn Überschreitungen des eingeräumten Kredits geduldet worden sind, erweitern diese nicht den ursprünglich eingeräumten Kreditrahmen.“…

 

Neben der geduldeten Überziehung auf einem laufenden Konto (§§ 504, 505 BGB) gibt es die – gesetzlich nicht geregelte – eigenmächtige bzw. ungenehmigte Überziehung (Assies/Beule/Heise/Strube-Veith, Handbuch des Fachanwalts Bank- und Kapitalmarktrecht, 3. Aufl. 2012, Kapitel 4, Rn. 625, S. 472). Wenn das Kreditinstitut den entsprechenden Belastungen auf dem Konto des Kunden nicht widerspricht und nicht unverzüglich den Ausgleich der Belastungsbuchungen verlangt, wird aus der eigenmächtigen Überziehung (rückwirkend) eine konkludent geduldete Überziehung (vgl. Assies u.a. -Strube-Veith, a.a.O., m.w.N.). Bei den v.g. Überweisungsaufträgen der Beklagten handelte es mithin um eigenmächtige Belastungen des Kreditkontos, die die Klägerin offensichtlich toleriert hat, weil sie nicht auf einer sofortigen Rückzahlung gemäß ihrer o.g. AGB-Bestimmung bestanden hat.

 

Ein Pflichtenverstoß der Klägerin wegen der Ausführung der v.g. Überweisungsaufträge trotz Überschreitung des vereinbarten Kreditrahmens liegt nicht vor. Nach ständiger Rechtsprechung des BGH ist die kreditgebende Bank grundsätzlich nicht verpflichtet, den Darlehensnehmer über Risiken der von ihm beabsichtigten Verwendung des Darlehens aufzuklären. Das Verwendungsrisiko trägt nach geltendem Recht allein der Kunde. Dabei besteht auch keine gesteigerte Aufklärungspflicht der Bank gegenüber dem Darlehensnehmer, wenn die Bank sowohl den Bauträger als auch den Darlehensnehmer finanziert bzw. begleitet (Schimansky/Bunte/Lwowski-Wunderlich, Bankrechtshandbuch Bd. I, 4. Aufl., § 76 Rn. 132). Eine Aufklärungs-/Warnpflicht der Bank wäre nur ausnahmsweise dann gegeben, wenn im Einzelfall ein besonderes Aufklärungs- und Schutzbedürfnis des Darlehensnehmers bestünde und nach Treu und Glauben ein entsprechender Hinweis der Bank geboten wäre. Das wäre z.B. ausnahmsweise unter dem Gesichtspunkt eines Wissensvorsprungs der Fall. Die Beklagte hat jedoch nicht bewiesen, dass dem zuständigen Mitarbeiter der Klägerin, Herrn G., zum Zeitpunkt der Ausführung der Überweisungen ein Baustopp der Subunternehmerin (N-Bau GmbH) bekannt war. Die als Anlage B6 eingereichte Baubehinderungsanzeige der N-Bau GmbH vom 25. November 2010 zeigt nur eine Baubehinderung mangels Zahlung durch den Auftragnehmer an. Im Übrigen hat die Klägerin durch die Anlage K 24 (= Schreiben der N-Bau GmbH vom 6. Dezember 2010: die Baubehinderungsanzeige sollte aufgrund eines Ablagefehlers hinfällig sein) widerlegt, dass sie Kenntnis von den behaupteten Komplikationen beim Baufortschritt hatte.

 

Die Klägerin war nicht verpflichtet, die Überweisungsaufträge der Beklagten zurückzuweisen. Sie hatte als bloße Darlehensgeberin gegenüber der Beklagten keine besondere Vermögensbetreuungspflicht.

 

Vielmehr hätte es der Beklagten oblegen, sich ggf. eine Übersicht über die geleisteten Auszahlungen von ihrem Darlehenskonto in Form eines Kontoauszugs zu verschaffen und für die Einhaltung des vereinbarten Darlehensrahmens von 250.000,00 € zu sorgen bzw. den entsprechenden Darlehenskontostand zu kontrollieren.

 

Mangels Pflichtverletzung der Klägerin ist auch der zur Aufrechnung gestellte Schadenersatzanspruch gemäß §§ 280 ff., 387 BGB nicht begründet.

 

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