Verjährungsvorschriften: Schutz vor missbräuchlichen Klauseln

Juli 9, 2020

Verjährungsvorschriften: Schutz vor missbräuchlichen Klauseln

Der EuGH hat entschieden, dass eine nationale Rechtsvorschrift eine Verjährungsfrist für die auf eine missbräuchliche Klausel in einem Vertrag zwischen einem Gewerbetreibenden und einem Verbraucher gestützte Erstattungsklage vorsehen darf.

Diese Frist dürfe weder weniger günstig ausgestaltet sein als die für entsprechende innerstaatliche Klagen noch die Ausübung der durch das Unionsrecht verliehenen Rechte praktisch unmöglich machen oder übermäßig erschweren, so der EuGH.

JB und KC hatten Darlehensverträge über die Vergabe persönlicher Kredite mit der Raiffeisen Bank bzw. der BRD Groupe Société Générale geschlossen. Nach der vollständigen Tilgung dieser Darlehen erhoben beide Darlehensnehmer bei der Judecătoria Târgu Mureș (Amtsgericht Târgu Mureș, Rumänien) Klage auf Feststellung der Missbräuchlichkeit bestimmter Klauseln dieser Verträge, die die Zahlung einer Bearbeitungsgebühr und einer monatlichen Verwaltungsgebühr sowie für die Bank die Möglichkeit vorsah, die Höhe der Zinsen zu ändern. Raiffeisen Bank und BRD Groupe Société Générale beriefen sich darauf, dass JB und KC bei Klageerhebung keine Verbraucher mehr gewesen seien, da die Darlehensverträge aufgrund ihrer vollständigen Erfüllung beendet gewesen seien; daher bestehe keine Klagebefugnis mehr. Die Judecătoria Târgu Mureș vertrat die Auffassung, dass die vollständige Erfüllung eines Vertrags einer Überprüfung der Missbräuchlichkeit der darin verwendeten Klauseln nicht entgegenstehe, und stellte fest, dass die Klauseln missbräuchlich seien. Daher verurteilte sie die beiden Kreditinstitute zur Erstattung der von JB und KC auf der Grundlage dieser Klauseln gezahlten Beträge zuzüglich der gesetzlichen Zinsen. Gegen diese Entscheidung legten Raiffeisen Bank und BRD Groupe Société Générale Rechtsmittel ein. In diesem Zusammenhang möchte das Tribunal Specializat Mureş (Landgericht mit Sonderzuständigkeit Mureș, Rumänien) vom EuGH wissen, ob die Richtlinie über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen (RL 93/13/EWG, ABl. 1993, L 95, 29) auch nach der vollständigen Erfüllung eines Vertrags noch Anwendung findet und ob gegebenenfalls für eine Klage auf Erstattung der Beträge, die aufgrund von für missbräuchlich erklärten Vertragsklauseln rechtsgrundlos gezahlt wurden, eine Verjährungsfrist von drei Jahren vorgesehen werden kann, die mit der Beendigung dieses Vertrags zu laufen beginnt.

Der EuGH hat entschieden, dass eine nationale Rechtsvorschrift eine Verjährungsfrist für die auf eine missbräuchliche Klausel in einem Vertrag zwischen einem Gewerbetreibenden und einem Verbraucher gestützte Erstattungsklage vorsehen darf.

Nach Auffassung des EuGH darf diese Frist weder weniger günstig ausgestaltet sein als die für entsprechende innerstaatliche Klagen noch die Ausübung der durch das Unionsrecht verliehenen Rechte praktisch unmöglich machen oder übermäßig erschweren.

Der EuGH hat zunächst darauf hingewiesen, dass die Verpflichtung des nationalen Gerichts, eine missbräuchliche Vertragsklausel, nach der Beträge zu zahlen sind, die sich als rechtsgrundlos herausstellen, für nichtig zu erklären, im Hinblick auf diese Beträge grundsätzlich Restitutionswirkung entfaltet. Bei Fehlen entsprechender Unionsrechtsvorschriften sei es aber Sache der innerstaatlichen Rechtsordnung der einzelnen Mitgliedstaaten, die Verfahrensmodalitäten der Klagen zu bestimmen, die den Schutz der Rechte der Unionsbürger gewährleisten sollen. Diese Modalitäten dürften allerdings nicht weniger günstig ausgestaltet sein als die entsprechender innerstaatlicher Klagen (Äquivalenzgrundsatz) und dürften die Ausübung der durch die Unionsrechtsordnung verliehenen Rechte nicht praktisch unmöglich machen oder übermäßig erschweren (Effektivitätsgrundsatz).

Das mit der Richtlinie über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen geschaffene Schutzsystem beruhe auf dem Gedanken, dass der Verbraucher sich gegenüber dem Gewerbetreibenden in einer schwächeren Verhandlungsposition befinde. Selbst wenn eine Verjährungsfrist von drei Jahren grundsätzlich faktisch ausreichend erscheine, um den Betroffenen zu ermöglichen, einen wirksamen Rechtsbehelf vorzubereiten und einzulegen, könnte sie, soweit sie zum Zeitpunkt der vollständigen Erfüllung des Vertrags beginne, abgelaufen sein, bevor der Verbraucher die Möglichkeit hatte, von der Missbräuchlichkeit einer Klausel dieses Vertrags Kenntnis zu nehmen. Durch diese Frist könne also ein wirksamer Schutz des Verbrauchers nicht gewährleistet werden.

Unter diesen Umständen sei eine Beschränkung des dem Verbraucher verliehenen Schutzes auf die Dauer der Erfüllung des fraglichen Vertrags nicht mit dem durch diese Richtlinie geschaffenen Schutzsystem vereinbar. Also seien mit dem Effektivitätsgrundsatz unvereinbar, wenn für die Erstattungsklage eine Verjährungsfrist von drei Jahren gelte, deren Lauf unabhängig davon, ob der Verbraucher zu diesem Zeitpunkt von der Missbräuchlichkeit einer Vertragsklausel, auf die er seine Erstattungsklage stütze, Kenntnis hatte oder vernünftigerweise haben konnte, mit der Beendigung des in Rede stehenden Vertrags beginne.

Was den Äquivalenzgrundsatz angehe, verlange dieser, dass für dessen Einhaltung die betreffende nationale Regelung in gleicher Weise für Rechtsbehelfe, die auf die Verletzung des Unionsrechts gestützt seien, und für Rechtsbehelfe gelten müsse, die auf die Verletzung des innerstaatlichen Rechts gestützt seien, sofern diese Rechtsbehelfe einen ähnlichen Gegenstand und Rechtsgrund hätten. Insoweit stehe dieser Grundsatz einer Auslegung der nationalen Rechtsvorschrift entgegen, wonach der Lauf der Verjährungsfrist für eine Klage auf Erstattung der aufgrund einer missbräuchlichen Klausel entrichteten Beträge ab dem Zeitpunkt der vollständigen Erfüllung des Vertrags beginne, während der Lauf derselben Frist für eine entsprechende auf innerstaatliche Vorschriften gestützte Klage erst ab der gerichtlichen Feststellung des Grundes beginne, auf dem die Klage beruhe.

Der EuGH kommt zu dem Ergebnis, dass die Richtlinie einer nationalen Rechtsvorschrift nicht entgegensteht, nach der zwar für eine Klage auf Feststellung der Nichtigkeit einer missbräuchlichen Klausel in einem zwischen einem Gewerbetreibenden und einem Verbraucher geschlossenen Vertrag keine Verjährungsfrist gelte, die aber für die Klage zur Geltendmachung der sich aus dieser Feststellung ergebenden Restitutionswirkung eine Verjährungsfrist vorsehe. Allerdings dürfe diese Frist nicht weniger günstig ausgestaltet sein als die für entsprechende innerstaatliche Klagen geltende, und sie dürfe die Ausübung der durch die Unionsrechtsordnung verliehenen Rechte nicht praktisch unmöglich machen oder übermäßig erschweren.

Die in Rede stehende Richtlinie sowie die Grundsätze der Äquivalenz und der Effektivität stünden einer gerichtlichen Auslegung der nationalen Rechtsvorschrift entgegen, nach der für die Klage auf Erstattung der Beträge, die aufgrund einer missbräuchlichen Klausel gezahlt wurden, eine Verjährungsfrist von drei Jahren gelte, die mit dem Tag der vollständigen Erfüllung dieses Vertrags zu laufen beginne, wenn vermutet werde – ohne dass es hierfür einer Prüfung bedürfe –, dass der Verbraucher zu diesem Zeitpunkt von der Missbräuchlichkeit der in Rede stehenden Klausel Kenntnis haben müsste, oder wenn der Lauf dieser Frist für entsprechende, auf innerstaatliche Vorschriften gestützte Klagen erst ab der gerichtlichen Feststellung des Grundes beginne, auf dem diese Klagen beruhen.

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